
Reiten ist nicht zwangsläufig Tierquälerei
Autorin Evke Freya von Ahlefeldt
Wenn es nach den Worten von einigen (recht vielen) unwissenden Menschen geht, ist reiten reinste Tierquälerei und das Reiten, wie auch Reitsport, verboten werden müsste. Dann dürfte nach dieser Logik auch kein Mensch ein Tier besitzen! Selbst der putzige Kanarienvogel in der Reihenhaussiedlung Önkelsieg, ist in seinem kleinen Käfig Tierquälerei
Wie bei allen Tier-Mensch-Beziehungen geht es auch beim Reiten um Vertrauen.
Nicht jedes Pferd lässt sich Ausreiten, genauso wie nicht jeder Hund ein Such- oder Schutzhund ist. Es kommt auf den Charakter von dem Tier an. Es gibt Pferde, die lassen sich durchs nichts im Gelände erschüttern. Ob nun Hunde, Kühe, auffliegende Vögel, ratternde Traktoren und wackelige Brücken – sie bleiben entspannt.
Und dann gibt es Pferde, die bei einem Jogger in einem Kilometer Entfernung bereits nervös werden. Mit ihnen wird schon der kürzeste Ausritt eine Herausforderung. Wenn man dann noch unerfahren ist oder sich nicht mit dem Pferd verbinden kann, scheut das Pferd und kann den Reiter abwerfen. Jedes Tier hat seinen eigenen Charakter und wenn man diesen kennt, und auch auf einen Jogger oder Hund in weiter Entfernung reagieren kann, bekommt das Pferd das Vertrauen – es ist alles gut.

Pferde brauchen Bewegung
Pferde leben in freier Wildbahn in Steppen und bewegen sich circa 15–16 Stunden am Tag. Sie grasen auch während sie gehen. Schnellere Gangarten sind daher eher selten. In der restlichen Zeit liegen sie oder pflegen soziale Kontakte. Das langsame mehrstündige Vorwärtsgehen des Pferdes ist ein Grundbedürfnis und wenn man dies mit einem Pferd tut, ist alles gut.
Es spricht nichts gegen einen Ritt auf einem Pferd.

Der Schutz des Pferdes
Es gibt heute mehr als nur Sattel und Hufeisen für Pferde.
Eine regelrechte Industrie ist in den letzten Jahrzehnten entstanden, die sich mit allerlei nützlichen und unnützen Dingen rund um das Pferd entwickeln hat.
Ich lieste nur ein paar Punkte auf, die für die Gesundheit und Wohlbefinden des Pferdes wichtig sind.

Der Sattel
Der Sattel ist ein wichtiger Ausrüstungsgegenstand für das Pferd. Ähnlich wie ein Schuh beim Menschen, muss er wirklich passen, damit nichts zwickt oder reibt. Ein Sattel kostet zwischen 300 und 4500€ nach oben gibt es natürlich keine Grenzen. Der Sattel muss auch zum Reiter und für den Zweck passen.
Zaumzeug und Zügel
Grundsätzlich ist hier ebenso wie beim Sattel die Passform des Zaumes sehr wichtig, um dem Pferd beim Reiten keine Schmerzen oder Verletzungen zu zufügen. Elementare Bestandteile des Zaumes sind das Halfter und Kandare oder Trense – allerdings gibt es auch gebisslose Zäume wie das Hackamore. An dem Kopfgestell sind die Zügel befestigt. Bei der Bodenarbeit nennt man diese Lenkhilfen Longenleine, beim Fahrsport werden sie als Leinen bezeichnet. Über die Zügel oder Leinen können Druckpunkte im Maul, am Kinn und im Genick angesteuert und das Pferd entsprechend navigiert werden.

Der Hufschuh
Unter einem Hufschuh versteht man einen nicht permanent mit dem Huf verbundenen Hufschutz. Der Hufschuh wird über den Huf eines Pferdes gezogen und befestigt. Eingesetzt werden Hufschuhe bei Hufen, die aus Krankheitsgründen nicht mit einem traditionell aufgenagelten oder auch verklebten Hufbeschlag beschlagen werden können, weil ein Schutz der Hufe nur temporär benötigt wird, z. B. Wanderritten mit wechselnden Untergründen oder Ausritten auf hartem Boden, oder das Pferd auf natürlichen Barhuf umgestellt wird.

Hufglocken und Gamaschen
Die Hufglocken sind auch eine Art Gamaschen, die jedoch nur um den Huf bzw. Ballen gelegt werden. Sie schützen die der Pferde vor Verletzungen, so wird vermieden, dass sich das Pferd selber mit seinen Hinterhufen in die Fesseln und den Ballen treten kann. Außerdem wird ein runtertreten der Hufeisen beim Laufen oder Galopp verhindert. Sie sind äußerst strapazierfähig und reißfest.
Auch die Gamaschen schützen die Beine der Pferde vor Schlägen und Stößen. Vor allem Pferde mit Hufeisen können sich beim Springen, Reiten oder Freilaufen leicht mit den Eisen gegen die eigenen Beine schlagen.
Hufeisen
Warum muss man Pferd beschlagen ?
Bei Pferden in freier Wildbahn oder auch bei den früheren Wildpferden, wird so viel Horn beim Laufen und Galoppieren abgerieben. Dadurch, dass sich Pferde heute kaum noch wild, sondern vielmehr mit dem Reiter auf dem Rücken bewegen, ist der Huf ganz anderen Anforderungen ausgesetzt. Gerade wenn Pferde viel auf hartem, steinigem Untergrund laufen, nutzt sich die Hornschicht schneller ab. Pflaster oder asphaltierte Straßen sind Gift für den Huf. Durch den Beschlag oder kleben mit Hufeisen wird der Huf vor der zu schnellen Abnutzung und vor Verletzungen geschützt.
Das Beschlagen tut dem Pferd nicht weh! Der Mensch schneidet sich ja auch die Finger- und Fußnägel.
Soweit mal einen Minimalen in Dinge die man braucht um überhaupt reiten zu können.

Reiten
Man kann einem Pferd mit Gewalt und Machtdemonstration, hier vor allem im Dressureiten aufzwingen, oder man lässt Pferd auch Pferd sein.
Ich halte von Dressureiten überhaupt nichts, denn dies ist gegen die Natur von einem Pferd.
Auch das bekannte Westernreiten ist nicht unbedingt Tierfreundlich da es um Geschwindigkeit und Wendigkeit geht. Das Pferd muss aus dem Stand angaloppieren, sich schnell um die eigene Achse drehen oder Vollbremsungen machen. Hier kommt es auch sehr oft zu Verletzungen der Sehnen oder Bänder.

Der Freizeitritt ist eigentlich die beste Art der Bewegung für das Pferd.
Beim sogenannten Wanderreiten hält man die Zügel locker und das Pferd entscheidet selbst ob es über Bäumen oder Büsche Springen will oder gemütlich über die Flure schlendern. Ein versierter Reiter merkt wie sein Pferd auf Hindernisse reagiert oder ob es mal an Zeit ist einen Zahn zuzulegen.
Ich reite oft mehrere Tage und lasse mein Pferd auch galoppieren oder über herausfordernde Strecken reiten. Dafür muss aber ein Bedingungsloses Vertrauen zwischen beiden sein und man muss das Tagespensum der Kondition des Pferdes angepassten.

Ich reite mein Lebenlang
Ich reite seit 36 Jahren. Also, ich konnte noch nicht richtig laufen, da saß ich schon auf einem Pferd.
Mit ungefähr 10 Jahren fing ich intensiv mit dem Reitsport an. Voltigieren machte ich vier Jahre, mir gab dieser Sport nichts, denn dies ist für mich ein „Mädchensport“.

Mit 14 fing ich mit dem Springreiten an
Beim Springen muss man schnellstmöglichst ein Parcours von Hindernissen ohne Abwürfe überwinden. Dafür braucht es Schnelligkeit, Gefühl für das Pferd, Balance und auch etwas Mut.
Beim Springreiten muss man das Pferd so an den Sprung heran reiten, damit das Pferd beim Absprung eine optimale Flugkurve entwickeln kann. Man muss sehr präzise reiten, und mit dem Pferd über die Hindernissen reiten.
Beim Sprungreiten muss der Reiter merken, wenn das Pferd nicht will oder kann. Es gibt viele Faktoren die einen Sprung versauen können. Man ist zu nah an das Hinderniss geritten oder zieht das Pferd zu früh hoch.
Ab und an mache ich mit meiner Wyke auch Springreiten. Wenn sie den Sprung aus welchen Gründen auch immer abbricht, ist dies völlig in Ordnung. Wenn ich merke, der Sprung kann meinem Pferd die Hölzer gegen die Beine schlagen, ziehe ich das Pferd zurück.
Im Studium in Frankreich kam ich an den Distanzritt.
Das Distanzreiten ist in Deutschland nicht so sehr bekannt, in Frankreich schon eher. Dies reite ich heute noch und macht mir auch mehr Spaß als im Kreis zu reiten.

Der Distanzritt ist die ursprünglichste Form den reiten von Mensch und Pferd.
Beim Distanzreiten geht es darum, mit dem Pferd eine vorgegebene Distanz in schnellstmöglicher Zeit zu reiten.
Wer bei solchen Wettkämpfen seinem Pferd die „Sporen“ gibt und meint das Tier bis ans Limit laufen zu lassen, kann schon an dem ersten oder zweiten Vet-Gates ausgeschieden sein.
Diese sogenannten Vet-Gates sind Haltestadionen auf dem Ritt und dort werden die Pferde tierärztlich untersucht. Nur Pferde, die ohne Beanstandung die tierärztlichen Untersuchungen durchlaufen, dürfen den Distanzritt fortsetzen.

Bei diesem Sport kommt es nicht darauf an, wer als erstes im Ziel ist, sondern wie Puls, Atmung, Bewegungsablauf und Gesundheitszustand des Pferdes ist. Nach jedem Wettkampf muss das Pferd in einer vorgegeben Zeit einem Tierarzt vorgeführt werden und erst wenn dieser einen einwandfreien Zustand vom Pferd bescheinigt, ist der eigentliche Wettkampf beendet. Ich hatte bei den Vet-Gates noch nie Probleme gehabt. Ich merke schon, wenn Wyke eine Pause – langsamenTrab braucht oder will.

Der Distanzritt ist schon cool, weil man das Pferd nach seiner Laune laufen lassen kann. Pferde brauchen Bewegung und wenn das Pferd selbst die Geschwindigkeit geben kann, ist dies noch viel besser. Ähnlich wie bei Hunden, die spielen, laufen oder schnuppern wollen, hat auch ein Pferd sein „Macken“. Beim Distanzreiten gibt es auch den Vorteil, dass man in Gruppen reiten kann und so ziehen sich die Pferd gegenseitig an oder schnaufen im langsamen Trab durch.

Die Königsdistanz beim Distanzreiten in der Marathon: der „100-Meiler“.
Reiter und Pferd legen bei disem Wettkampf an einem Tag 160 Kilometer zurück. Bis Pferd und Reiter soweit sind, dauert es Jahre.
Internationale Ritte werden ab einer Länge von 80 Kilometern ausgeschrieben, und dies ist schon sehr sehr ansteckend.
Ich denke, dass ich nun ausführlich erklärt habe, wie ich mit Pferden umgehe und bestimmt keine Tierquälerin bin, nur weil ich reite.
Evke Freya von Ahlefeldt, Paris, 10. Oktober 2021