Teil II 11 Die Heimat ist so fern

„Ich hätte jetzt Bock auf eine geile peleanische Eruption.“

Am Mittwoch den 4. April ladete die Boeing 747 der Thai Air mit der Flugnummer TG921 pünktlich um 6.25 Uhr auf dem Internationalen Flughafen in Frankfurt am Main.

Nach drei Monate Südostasien nun zurück in der Heimat, war für Hannes ein komisches Gefühl.
Durch den Zoll ging es sehr zügig. Am Ausgang vom Zollbereich wartete bereits Franziska auf die drei Heimkehrer. Es war schön sie wieder zu sehen. Die Begrüßung war sehr herzlich und brachte auch so manche Tränen.
Hannes fuhr die 260 Kilometer von Frankfurt nach Thionville mit dem BMW von Bernhard. So hatte Bernhard und Franziska auf der Heimfahrt Zeit für sich. Patricia saß vorne auf dem Beifahrersitz und redete und redete was in den letzten drei Monate in und um Kampang Rou so alles passierte. Vieles wusste Franziska aus den Telefongesprächen mit Bernhard. Wie Patricia am erzählen war, konnte Hannes nicht glauben, dass dies alles erst ein viertel Jahr her war.

In Thionville angekommen, kam Cleo sofort auf ihn zugestürmt. Der Hund freute sich sehr Hannes wieder zu sehen. Cleo brauchte lange bis er sich beruhigte. Dann wurde auch Patricia und Bernhard begrüßt. Hannes kam es so vor, als ob der Hund dies nur aus freundlicher Geste tat.

Würmer und Süßwurzeln im Dschungel

Mit dem Rad von Patricia fuhr er eine dreiviertel Stunde später zu Clément und Inès Strasser in die Bäckerei Brot kaufen. Das Baguette von Clément aus dem Holzofen war das beste Brot, was er jemals gegessen hatte.
Noch im Laden aß er ein kleines Baguette und trank mit Clément und Inès drei Tassen Kaffee. Hannes hatte den Geschmack und Geruch von frisch gemahlenen Bohnen sehr vermisst.
Die beiden wollten vieles von ihm wissen und so erzählte er ihnen über eine Stunde, wie das letzte viertel Jahr in Kambodscha war.

An der Wand von der Bäckerei hing immer noch der Zeitungsartikel von der Drehleiter. „Inès, diese Aktion ist ein dreiviertel Jahr her, du könntest diesen bald mal abhängen.“ „Warum? Hannes, es ist und war die schönste Liebeserklärung die ich je gesehen habe, wir beide sind sehr stolz auf euch – dies sollen auch die Kunden sehen. Es wird hin und wieder immer noch darüber gesprochen. Was du uns eben erzählt hast, ist unglaublich groß. Was ihr beide leistet, darauf könnt ihr sehr stolz sein. Wir sind es sowieso.“ „Merci beaucoup, Madame.“

Ein schwarzer Mercedes SL500 fuhr an der Bäckerei vor und Hannes verdrehte die Augen.
„Oh nein! Danielle Poyet! Clément, gib mir bitte schnell noch ein paar Baguettes und Brötchen mit. Ich denke Bernhard und Patricia möchte auch endlich wieder gutes Brot essen.“
In diesem Moment ging die Ladentür auf und mit einer raumgreifenden Überheblichkeit betrat Madame Poyet die Bäckerei. Inès grinste Hannes an, als er bei ihrem Gehabe nochmals die Augen verdrehte.

„Hach! Sieh mal an, wer unter uns weilt! Hallo Hannes, bist du aus dem Dschungel in die Zivilisation zurück gekehrt? Ich wusste gar nicht, dass du wieder da bist. Madame Strasser hat mir ja gar nichts davon erzählt.“ „Guten Morgen Madame Poyet. Inès konnte Ihnen nichts erzählen, denn ich bin erst seit zwei Stunden im Land.“ „Ja – da sieh mal einer an. Und dann ist der erste Weg gleich in die Bäckerei.“
„Oui Madame. Clément backt das beste Brot in Frankreich und da es bei uns im Dschungel nur Würmer und Süßwurzeln zu essen gab, braucht der Mensch hin und wieder auch vernünftige Backware.“ „Ja, du sagst es. Diese primitiven Menschen im Dschungel sind ja in der Entwicklung noch nicht so weit. Was waren es denn für Würmer?“
Aus dem Augenwinkel sah Hannes wie Clément vor heimlich lachen fast der Kopf platzte.
„Sandwürmer. Madame Poyet. Da es wenig regnet, ist eben die Gattung Lumbricus terrestris kaum verbreitet.“ „Ja da sieh mal einer an. Und ich Dummerschen dachte immer es regnet permanent im Urwald.“ „Mitnichten. Madame Poyet – mitnichten.“ „Also ich würde meine Tochter nicht in den Dschungel lassen. Ich frage mich, was ein so kluges Kind wie Patricia im Dschungel macht? Sie hat das Jahrgangsbeste Abitur geschrieben und dann diese Vergeudung.“
Bei dem letzten Satz von dieser aufgeblasenen Kuh musste Hannes sich beherrschen. Inès ergriff sofort die Hand von Hannes, sonst hätte er wahrscheinlich zugeschlagen.

„So, ihr lieben, ich müsste nun aber auch nach Hause fahren. Grüße Sie Laura recht herzlich von mir. Inès, kannst du mir bitte noch ein paar Baguettes und Brötchen mitgeben?“
Clément kam mit zwei Tüten Backware an den kleinen runden Stehtisch.
„Ich danke dir. Was bin ich dir schuldig?“ „Ist gut. Es ist ein Geschenk des Hauses. Wer drei Monate nur Würmer und Süßwurzeln gegessen hat, bekommt von der Zivilisation ein gratis Care-Paket. Au revoir Hannes.“
Hannes ging zur Ladentür als Inès seinen Namen rief „Hannes? Wir sind stolz auf euch und eure Arbeit. Kommt doch die Tage mal zum grillen vorbei.“ Hannes nickte. „Merci Inès. Bis morgen.“

Mit zwei großen Tüten voller Backware von Clément und einer unglaublichen Wut im Bauch fuhr er die paar Kilometer mit dem Rad durch die Stadt. Was bildete sich diese doofe Nuss von Danielle Poyet nur ein? Ihre Tochter hatte geradeso das Abi geschafft und auch sonst als verwöhntes Töchterchen von einem Bauunternehmer noch nichts im Leben auf die Kette bekommen.

Der Frühstückstisch war schon lange gedeckt, als er endlich nach Hause kam. „Kommt Monsieur auch mal nach Hause? Es gibt noch mehr Leute in diesem Haus die hunger haben.“
Der Spruch von Patricia hätte er jetzt nicht gebraucht. Wortlos setzte er sich an den Tisch.
„Oh, entschuldige bitte. Haben wir schlechte Laune?“ „Ja! Habe ich. Und du gleich auch.“

Hannes erzählte am Frühstückstisch seine Begegnung mit Danielle Poyet. Wie zu erwarten, fiel die Reaktion von Bernhard, Franziska und Patricia gleich aus. Franziska schluckte „Dies hat Danielle gesagt?“ „Ja! Frag Inès und Clément. Franziska, hätte Inès mir nicht in diesem Moment die Hand festgehalten – ich hätte zugeschlagen!“ „Du hast zwei Hände“ sagte Patricia trocken.

Der Kaffeevollautomat in der Küche hatte die nächsten zwei Stunden so einiges zu tun.
„Trinkst du den Kaffee vor und holst du dies jetzt alles nach?“ Fragte Franziska, als er zum Xten mal in die Küche ging.
„Kann ich dir gar nicht sagen. Franziska, du glaubst gar nicht, wie ich einen solchen Geschmack vermisst habe. Kaffee und Brot hat mir schon sehr gefehlt. Das Essen war alles super lecker und oft habe ich neue Erfahrungen an Geschmack bekommen.“

Hannes rief die Eltern von Claude an und ließ sich seine neue Adresse geben. Mit ihm wollte er reden, wegen dem Brunnenbau-Projekt von Cees.

Die Vorstellungsgespräche

Patricia war schon seit über eine Stunde am telefonieren, zum Glück hatten die Lefèvres mehrere Telefonanschlüsse im Haus.
„Salut Claude, Hannes hier. Wir sind wieder in Frankreich. Ich rufe an, weil ich deinen Rat bräuchte.“
Hannes erklärte ihm den Grund von seinem Anruf und wie er heraus finden könnte, ob es dort in diesem Gebiet bei Sama wirklich Wasser im Boden gäbe. „Meine Deutsche Kartoffel, du kommst aber gleich mit einem richtigen Paket zu mir. An Ostern wollte ich nach Thionville kommen, ich schaue welche Karten wir an der Uni haben und werde diese mit bringen.“ „Dank dir mein Lieber, wir sehen uns dann an Ostern. Jusque là.“

Patricia war in ihrem Zimmer immer noch am telefonieren. Aus dem Gespräch hörte er, dass sie mit den Bewerber für die Lehrerstellen sprach. Sie machte sich sehr viele Notizen bei den Gesprächen.
Auf dem ersten Blatt standen Notizen zu einer Clodette Léglise, das zweite Blatt war von einer Leatitia de Perrin.
Hannes stand am Schreibtisch und sah, was sie von einer Adelina Tabari schrieb: Libanon. Deutschland geboren. 24 Jahre. Köln. Muslima. Frei ab sofort.

Muslima. Frei ab sofort. Hannes zeigte stumm auf diese zwei Notizen und Patricia nickte stumm.
Da diese Gespräche mit Adelina wahrscheinlich doch länger geführt würde, ging er aus dem Zimmer. Kurz vor der Tür kam eine Frage von ihr „Mon cérie, wie weit ist es bis nach Köln?“
Hanns zog die Schultern hoch „Keine Ahnung. Ich denke so um die 250 Kilometer von hier.“ „Très bien.“ „Mon chérie, könnten wir morgen nach Köln fahren?“
Er zog die Schultern hoch. „Très bien. Mon chérie, passt 11 Uhr?“
Er zog erneut die Schultern hoch. „Très bien.“ „Ich bin in der Küche, falls du noch Fragen hast. Ich brauche Kaffee.“

Bernhard und Franziska waren im Garten. Durch das Küchenfenster beobachtete er sie. Wie mag es Franziska in dem viertel Jahr ergangen sein? In diesem großen Haus nur noch mit Maurice und Cleo. Der Job von Bernhard brachte schon für eine Partnerschaft oder Ehe so einiges an Entbehrungen mit sich.
Hannes rief vom Bernhards Arbeitszimmer nach Deutschland an. Er wollte sich bei seinen Eltern melden. Auf die Frage, wann er denn zurück kommen würde, konnte er nicht beantworten. Eigentlich war Ostern geplant. Da aber das Treffen mit Claude auf Osten gelegt wurde, sagte er nach Ostern zu.
Cleo kam ins Arbeitszimmer, er wollte gestreichelt werden. „Komm Cleo, wir gehen spazieren.“

Über die Flure und Felder von Thionville liefen sie zweieineinhalb Stunden. Die Luft war eine Wohltat. Die Temperatur war mit 19°C sehr angenehm. Kein T-Shirt, dass nach 2 Sekunden auf der Haut klebte, kein Schwüle die bei jedem Atemzug in der Lunge weh tat. Trotz dieser Vorzüge fehlte ihm etwas. Wie konnte er sich nach nur einem viertel Jahr so an Südostasien – an den Dschungel, gewöhnt haben?

Hannes saß auf einer Bank am Waldrand und schaute nach Westen in die Ferne. Er sah die Bewaldeten Hügel von Lothringen und links im Tal die Häuser von Metz. Wo war seine Heimat? Deutschland hatte er vor fünf Monaten verlassen. In Frankreich würde er mit Patricia leben wollen. In Kambodscha hatte er eine Arbeit die ihn ausfüllte und Spaß machte. Die Worte von Asger fielen ihm ein. Dieser Seebär hatte so recht mit dem was er sagte.

Patricia saß bei ihren Eltern im Garten und sprach über die schon geführten Gespräche mit drei Bewerber. Morgen würde sie nach Köln fahren – also Hannes. Sie bestimmte wann und wo er hin fahren musste.
„Prinzessin, wir sind erst seit ein paar Stunden zu Hause und du gibst schon wieder Vollgas.“ „Oui, wir haben nicht all zu viel Zeit. Was ist, wenn sie alle absagen?“ Patricia hatte recht. Was, wenn alle fünf es sich anderst überlegen? Die Kinder in Kambodscha waren die einzigsten, die unter solchen Missständen zu leiden hatten.

Duschen in einem Raum, der so groß war, wir ihr Hotelzimmer in Svay Rieng war schon etwas anderes und viel angenehmer, als das kleine Bad in Svay Rieng. Auch das Wasser war weicher und hatte um das tausendfache weniger Kalk. Die Haut fühlte sich ganz anderst an.

Die erste Nacht in dem gewohnt großen Bett, war ein Gefühl von Heimat und Vertrautheit. Patricia lag mal wieder quer im Bett, als er am Morgen um 6 Uhr wach wurde. Er stand am offenen Fenster und nahm jeden Atemzug dieser morgendlichen frische in sich auf.
„Mach bitte das Fenster zu, mir wird kalt. Komm doch noch ins Bett, ich brauche dich.“ „Wir sollten um 9 Uhr losfahren, wenn du um 11 Uhr in Köln sein willst.“ „Ja, noch ist es 6 Uhr. Allons, kommt zu mir.“ „Oui, Madame.“

Rassismus in Deutschland

Es war kurz vor 11 Uhr, als sie vor einem Café in Frechen standen. Eine junge Frau mit einem Hijab stand vor der Tür von dem vereinbarten Treffpunkt.
Adelina Tabari war größer als Patricia, sie hatte eine schmale Figur und schmales Gesicht. Ihre Haut war leicht bräunlich und die Augenfarbe war die gleiche wie die von Cosima: Kastanienbraun. Adelina trug Jeans und einen roten Strick Pullover. Sie machte auf den ersten Blick einen sehr netten und sympathischen Eindruck.

Im Café zeigte Patricia ihr die Fotos von Hattie und erklärte sehr viel. Patricia ließ kaum etwas aus. Adelina schaute sich die vielen Fotos sehr genau an. Sie hörte zu und frage wenig. Nach einer dreiviertel Stunde war Patricia so weit mit allem durch was gesagt werden musste. Adelina sah beide an und nickte. „Ich würde dich gerne unterstützen. Sehr gerne.“

Warum will eine so hübsche junge Lehrerin nach Kambodscha? Diese Frage beschäftigte Hannes schon seit er gestern die Notizen über sie bei Patricia sah und sprach Adelina auch offen darauf an.
„Dies ist eine berechtigte Frage.Warum? Tja, wir leben in Deutschland. Hier haben es Ausländer nicht immer leicht. Wenn man dann noch einen Hijab trägt, sogar noch etwas mehr.“
Hannes sah Adelina mit großen Augen an „Entschuldigung, so weit ich mitbekommen habe, bist du in Deutschland geboren.“ „Richtig. Sieh mich an! Was siehst du?“
Hannes sah irritiert zu Patricia, was sollte er sagen? „Ich sehe eine junge hübsche Frau. Sympathisch, gepflegt, gut gekleidet, mit einem Kopftuch.“ Adelina nickte „Das Kopftuch. Auch Hijab genannt. Davor haben die Deutschen Angst.“
Hannes schüttelte den Kopf „Dies kann ich mir schwer vorstellen.“ „Es ist aber so! Manche Frauen muslimischen Glaubens verhüllen ihr Haar mit einem Hijab oder einem Schleier. Der Grund dafür ist, dass es im Koran drei Textstellen gibt, in denen geschrieben steht, dass Frauen sich bedecken sollen. Ganz klar ist aber nicht, was damit gemeint ist. Manche meinen, dass sie bis auf die Augen alles bedecken sollen – dies tun die Frauen in Saudi-Arabien. Andere glauben, nur das Haar sei gemeint. Muslimische Frauenrechtlerinnen sind der Überzeugung, dass es reicht, wenn Frauen keine besonders tief ausgeschnittenen Kleider tragen. Die Grund hinter dem Verhüllungsgebot ist, dass Frauen nicht von Männern belästigt werden sollen – so steht es in einer Koranstelle. Manche muslimische Frauen tragen auch den Hijab einfach nur, weil sie die Regeln des Koran einhalten und klarmachen wollen, dass das Äußere nicht so wichtig ist – sondern allein der Glaube und das gute Herz zählt. Leider gibt es Fanatiker, die Frauen zwingen sich zu verschleiern. Diese Männer missachten damit aber einen Vers im Koran, der besagt: es gibt keinen Zwang in der Religion.“ „Adelina, ich kann dir immer noch nicht folgen. Wo liegt nun dein Problem? Oder besser gefragt – wo liegt das Problem der Deutschen?“ „Das ich anderst bin.“ „Ich dachte bis vor 15 Minuten, dass Deutschland ein freies Land ist. Ich kann mich auch erinnern, dass in Artikel 4 des Grundgesetz steht: Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.“
Adelina nickte beiden zu „Steht dort. Schön das du es weißt. Die Realität ist eine andere.“
Was sollte er darauf nun antworten? Wenn der Klassenkasper von Nahetal so einiges von dieser Welt auch wusste – Rassismus war ihm fremd.
Adelina sah beide fragend an „Und nun? Wie steht ihr dazu?“ „Adelina, ich habe damit kein Problem. Hannes auch nicht. Wir sind selbst Ausländer in Kambodscha. Hannes ist Ausländer in Thionville. Meine Mutter ist Deutsche, mein Vater Franzose, was bin ich? Hannes – sag was!“
Er zog die Schultern hoch und sah beide Frauen an dem kleinen runden Tisch an. Er konnte die Worte von Adelina immer noch nicht begreifen.
„Mon chérie!“ Drängte Patricia.
„Oui, Madame. Adelina, ich bin der Teamleiter für ein Projekt für Wasserbau in Kambodscha. In meinem Team sind Männer aus: Belgien, Dänemark, England, Niederlande, Schweiz und auch Arbeiter und Arbeiterinnen aus Kambodscha. Fremdenhass und Rassismus gibt es bei uns nicht. Wir sind ein Team. Normal ist die Verständigungssprache bei solchen Internationalen Projekte englisch, da in meinem Team alle deutsch können – reden wir Deutsch. Hudson Rhys kommt aus England, er ist der einzigste, mit dem wir dann auch englisch reden. Er ist aber in einem anderen Team. Ich habe bis jetzt noch niemand in meinem Team nach seiner Religion gefragt. Ich könnte dir nicht sagen, ob Asger einen buddhistischen Glauben hat. Ist mir aber auch eigentlich ziemlich egal. Du musst deine Entscheidung für dich treffen. Wir kamen gestern erst aus Kambodscha zurück und werden wahrscheinlich in sechs Wochen zurück fliegen. Patricia hat dir alles gesagt und gezeigt was du wissen solltest. Wir haben nichts rosa angemalt und dich nicht belogen. Patricia ist bei UNICEF angestellt. So wie du es dann auch wirst. Ich habe mit euch in dem Sinn wenig zu tun, denn ich arbeite für eine andere Hilfsorganisation. Patricia ist die Chefin in dem Gebiet wo diese Schulen sein werden. Ich bin zwar auch in diesem Gebiet unterwegs – aber nicht täglich vor Ort.“

Adelina nickte „Okay. Das ihr beide Rassismus nicht kennt und toleriert, ist mir schon irgendwie klar. Sonst würdent ihr nicht anderen Menschen helfen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ihr mich belügt. Ich hatte gestern schon sehr lange mit Patricia telefoniert und sie hat heute das gleiche gesagt und auch gezeigt. Ihr wollt ja schließlich Mitarbeiter gewinnen und nicht verlieren.“
Beide nickten bei den Worten von Adelina. „Wohl wahr. Sonst wäre ich wohl auch nicht mit Hannes so schnell zu dir gekommen.“ „Trotzdem, Mädels, lass uns nun aus diesem Café raus gehen. Was noch zu besprechen ist, können wir auch gerne an einem anderen Ort besprechen.“

Hannes fuhr mit den beiden Frauen nach Köln an den Rhein. Auf dem Weg dorthin erzählte Patricia viel privates.
An der Rheinpromenade erzählte Adelina von sich. Wie schwer es ihr manchmal fällt aus dem Haus zu gegen – nur um den Blicken der Menschen auszuweichen. Hannes und Patricia konnten dies gar nicht begreifen. Sollte ein solcher Fremdenhass in Deutschland sein?

Bei Kaffee aus Pappbecher saßen sie an der Promenade und hörten Adelina aufmerksam zu.
„Als im Libanon der Bürgerkrieg anfing, sind meine Eltern nach Syrien geflohen. Sie kamen aus ärmlichen Verhältnissen. Mein Vater war Tischler, meine Mutter hatte mehrere Jobs als Haushaltshilfe. Sie hatte heimlich immer etwas Geld zur Seite gelegt. Nach ein paar Monaten kehrten sie in die Wohnung in Beirut zurück. Meine Mutter erzählte, dass sie im Wohnzimmer auf den Boden saß und zu Abend gegessen hatten, als auf einmal ein Bombe in der Nähe der Wohnung einschlug. Die Wände hätten gewackelt. Von da an war ihnen klar, dass es so nicht weitergeht kann. Beide beschlossen, dass es nur eine Möglichkeit gab – die Flucht. Meine Mutter holte ihr erspartes Geld aus dem unteren Teil des Backofens und so machten sie sich auf den Weg nach Europa. Meine Mutter war mit mir in der vierten Schwangerschaftswoche. Durch das Ersparte von meiner Mutter kam ich in Sicherheit – in Deutschland, zu Welt.“ „Mon Dieu“ kam es gleichzeitig von ihnen. „Nun möchte ich euch auch noch den Grund für den Hijab erzählen. Meine Eltern fuhren vor einigen Jahren zur Pilgerfahrt nach Medina. Meine Mutter brachte mir ein Tuch mit, womit sie die Kaaba und andere Teile in Medina berührt hatte. Mit diesem Tuch bin auf meinen Zimmer gerannt, stand vor den Spiegel und hatte mir dieses Tuch um meinen Kopf gebunden. Es war ein Gefühl von Wärme. Ich hatte mich im Spiegel angeschaut und weinte. Es hat mich berührt und von da an war mir klar, ich werde einen Hijab tragen. Dieses erste Tuch besitze ich immer noch. Natürlich wusste ich, dass der Hijab auch zum Islam gehört. Aber ich hatte es nie vorher geplant einen Hijab zu tragen. Es kam einfach über mich. Und nun bekomme ich keine Anstellung als Lehrerin, nur weil ich für mich – ohne einen Zwang von irgend jemand, zum tragen von einem Hijab entschieden habe.“ „Ein Stück Stoff kann doch nicht über das Leben oder Umgang von einem Menschen bestimmen!“ „Doch! Doch, Hannes – tut es.“

Seine Mobiltelefon klingelte, es war die Nummer von Natthathida Aningaen. „Entschuldige bitte, aber ich muss das Gespräch annehmen.“ „Ist schon in Ordnung.“ „S̄wạs̄dī krap Natthathida, wie kann ich dir weiterhelfen?“
Natthathida erklärte ihm welche Möglichkeiten und Fahrzeuge es zum bohren von Brunnen gab.
„Du liebe Güte, dies ist ja voll kompliziert! Wie bekomme ich an ein solches Teil und was kostet so etwas?“
Darüber würde sie sich auch noch informieren und ihm wieder Bescheid geben.
„Danke für deine Mühe. Du hast mir jetzt schon sehr weitergeholfen.“ „Dafür bin ich da. Nun zu deiner Bestellung. Die Bagger werden heute und morgen alle verladen. Sie sind in der nächsten Woche in Kambodscha. Wohin sollen die Maschinen geliefert werden?“ „Danke für diese Frage. Drei Bagger, ein Radlader und ein 416er Mehrzweckgerät gehen an Bauabschnitt 1 nach Kâmpóng Trâbêk. Wie auch jeweils die drei verschiedene Baggerlöffel, ein Hydraulikhammer und eine Gabel für den Radlader. Ich werde dir die Telefonnummer von der Büroleiterin in Kâmpóng Trâbêk schicken. Mit ihr kannst du den Ort der Ablieferung besprechen. Drei Bagger und ein 416er Mehrzweckgerät gehen an Bauabschnitt 2 nach Kor An Doeuk, die Telefonnummer von dem Projektleiter, Arthur Vermeulen, bekommst du auch noch. Die Restlichen zwei Bagger, Radlader und Mehrzweckgerät, wie auch der große Grabenräumlöffel gehen nach Kampang Rou. Dort ist Asger Joergensen der Ansprechpartner. Ich schicke dir alles noch einmal per Fax. Ich bin aber erst morgen zu Hause.“ „Mach dir kein Stress. Mir war es nur wichtig, die Lkw mit den Maschinen an den Richtigen Ort zu schicken.“

Nach dem Gespräch sah Adelina mit großen Augen zu Hannes „Teamleiter?“ „Mein Schatz macht sich immer so klein. Du wirst dich daran gewöhnen“ Patricia wuschelte ihm die Haare. „Oui Madame Lefévre.“

Patricia erzählte Adelina von der Bestellung der Baumaschinen mit einem Auftragswert von über einer Million US- Dollar, und das sie einen 60 Tonnen Bagger fuhr. Dies war doch etwas viel für Adelina. Hannes nickte „Ja, Patricia kann so einiges – wirst dich daran gewöhnen“ und knuffte sie gegen den Arm.
„Ich kann es nur wiederholen, ihr beide seid echt cool. Ich würde mich freuen, wenn ich die Stelle bekommen würde.“ Patricia sah Adelina irritiert an „Die hast du schon. Du musst nur noch entscheiden.“ „Wie? Ich dachte du willst noch Zeugnisse, Lebenslauf und Bewerbung haben.“ „Warum? Um zu sehen was auf einem Stück Papier steht? Ich habe noch nicht einmal Lehramt studiert. Ich hätte Volkswirtschaft studieren sollen. Was mache ich stattdessen? Ich unterrichte Kinder in einem Zelt, die bis vor kurzem noch nicht einmal ihren Namen schreiben konnten. Adelina – vergiss alles was du in deinem Studium gelernt hast. In Kambodscha braucht es Menschen, die Kinder lesen und schreiben beibringen können.“ „Okay. Dann habe ich mich entschieden. Bekomme ich dies noch schriftlich?“ „Natürlich bekommst du dies schriftlich. Ich werde dies der Leiterin von UNICEF in Kambodscha mitteilen, damit du mir dies jetzt auch schon glaubst, rufe ich Laureen an.“ „Patricia, dies war kein Vorwurf gegen dich. Ich müsste ja schließlich noch einiges besorgen und erledigen bis es losgeht.“

Hannes reichte Patricia sein Mobiltelefon „Drück die Taste 8. Dies ist die Schnellwahltaste von Laureens Nummer.“ „Hannes! Patricia! Nochmal – es war kein Vorwurf gegen euch.“ „Alles in Ordnung, Adelina“ sagte Patricia.

Es dauerte einen Moment bis Laureen am Telefon war.
„Guten Abend Laureen, ich möchte dir sagen, dass ich schon eine neue Kollegin habe. Es ist Adelina Tabari. Ich habe ihr gesagt, dass sie von dir eine schriftliche Bestätigung für die Anstellung als Lehrerin bekommt. Adelina hört dich jetzt über Lautsprecher.“ „Hallo Patricia, guten Tag Adelina. Ich bin Laureen Thompson, die UNICEF Leiterin in Kambodscha. Natürlich bekommen Sie eine schriftliche Bestätigung von mir. Ich habe Ihre Adresse aus Ihrer Bewerbung und werde Ihnen einen Arbeitsvertrag und weitere Informationen zukommen lassen. Auch werde ich dies alles an Patricia faxen. Sie können mich auch jederzeit anrufen wenn noch Unklarheiten sein sollten oder Sie etwas abgesprochen haben möchten. Patricia soll Ihnen meine Mobilfunknummer geben. Ich freue mich auf Sie.“ „Hallo Frau Thompson, dass ist sehr nett von Ihnen. Patricia hat mir schon alles erklärt. Ich bedanke mich recht herzlich.“ „Gerne. Ich muss mich für Ihren Entschluss bedanken. Wir sehen uns bald in Kambodscha. Auf Wiederhören.“

„So, dieses wäre dann schon geklärt“ sagte Patricia. „Darf ich fragen wie viele Leute sich beworben haben.“ „Natürlich. Du bist eine von fünf Bewerber. Mit zwei Französinnen hatte ich gestern auch schon gesprochen. Sie werde ich in die nächsten Tage treffen. Dann gibt es noch zwei Männer aus der Schweiz. Beide habe ich leider noch nicht erreicht.“ „Okay. Wie viel Lehrer werden überhaupt gesucht?“ Die Antwort von Patricia war sehr knapp „Hunderttausend!“
Adelina riss die Augen auf und Patricia erklärte ihr die politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Situation von Kambodscha. Adelina konnte oft nur den Kopf schütteln.
„Verstehst du mich nun, warum ich heute schon bei die bin?“ Adelina nickte. „Dieses Land braucht Hilfe und diese auch sehr schnell.“
Patricia sagte noch, was Adelina an Papiere und Impfungen bräuchte. Um alles andere würde sie sich kümmern.
„Adelina, geh mal davon aus, dass du Ende Mai, Anfang Juni schon in Kambodscha sein wirst. Wir wollen nicht all zu lange in Europa bleiben, die Kinder brauchen uns.“ „Wie viele Jahre seit ihr schon in Kambodscha?“ Patricia schüttelte den Kopf. „Keine Jahre. Monate. Wir sind am 9. Januar in Kambodscha gelandet. Die Fotos, die du gesehen hast sind von den letzten drei Monate.“ „Wow! Wie lerne ich die Sprache so schnell?“ „Im Auto habe ich eine Mappe für dich. Dort steht alles wichtige drin, wo du welche Bücher bekommst und noch so einiges mehr an Informationen. Mach dir über die Sprache weniger Gedanken. Du lernst diese schneller, als die Kinder das Alphabet lernen. Da du auch Französisch kannst ist dies auch kein Problem. Durch die Kolonialzeit wird in Kambodscha noch französisch gesprochen und geschrieben. Adelina, du weiß nun wirklich alles von uns, wenn deine Entscheidung fest steht, freue ich mich mit dir den Traum von Hannes umzusetzen.“ „Wie der Traum von Hannes?“
Patricia erzählte ihr auch diesen Gedanken und warum sie mit ihm überhaupt nach Kambodscha ging.
„Er ist und war der Grund, warum am 10. Breitengrad eine Schule entstanden ist. Nur wird er dies niemals zugeben, nicht wahr mein Schatz?“ „Oui, Madame.“

Orientalische Kultur im Rheinland

Adelina lud Patricia und Hannes zu sich nach Hause zum essen ein. Dort lernten sie die Eltern von ihr kennen.
Djamila Tabari konnte nicht verläugnen das sie die Mutter von Adelina war. Sie hätte auch die ältere Schwester sein können. Elegant, modern und selbstbewusst – war der erste Eindruck von dieser Frau auf Hannes und Patricia.
Djamila trug über ihrer weißen Hose und T-Shirt, eine Abaya in weiß mit roten Stickereien. Die Abaya sah sehr elegant aus. Ihr Hijab war khaki braun.
Nassim, der Vater hatte schon mehr graue als schwarze Haare. Er war so groß wie Hannes. Schmal und hatte einen schmalen Oberlippenbart. Er trug einen grauen Pullover mit einer schwarzen Stoffhose. Auch er machte gleich einen sehr sympathischen Eindruck.

Ihre vier Zimmerwohnung in Frechen war eine Mischung aus Moderne und Orientalisch. Eine schöne, geschmackvolle und freundlich eingerichtete Wohnung.
Die Eltern von Adelina waren von der ersten Sekunde an sehr sympathisch und freuten sich die Lehrer von Kambodscha begrüßen zu dürfen. Adelina hatte über das Gespräch zwischen ihr und Patricia vom Vortag mit ihren Eltern gesprochen. Hannes musste klarstellen, dass er Baggerfahrer und kein Lehrer sei. Um dies zu erklären brauchte es doch etwas länger.

Auf dem Boden im Wohnzimmer saßen sie bei köstlichem arabischen Tee und erklären ihnen wie, was und warum sie in Kambodscha seien.

Djamila entschuldigte sich, dass die Familie auf dem Boden das Abendessen zu sich nahm.
„Djamila, ist alles in Ordnung. In Südostasien wird auch sehr viel auf dem Boden gegessen. Macht euch um uns keine Sorgen. Wir sind andere Kulturen gewöhnt und auch denen aufgeschlossen“ sagte Patricia.
Djamila brachte das Abendessen. Es gab Taboulé und Fattoush Salat. Adelina erklärte die zwei Salate: „Taboulé ist ein typischer Salat aus dem Libanon mit glatter Petersilie, Tomaten, Frühlingszwiebeln, Zitronensaft und frischer Pfefferminze. Fattoush ist mit Pitabrot, Gurken, Radieschen, Tomaten und roten Zwiebeln.“

Beim Essen wurde über die Entscheidung von Adelina gesprochen. Hannes ging ans Auto um die Fotos zu holen, damit Djamila und Nassim sich ein Bild von Kambodscha und Kampang Rou machen konnten. Er schnitt auch Adelinas Entscheidung zum tragen von einem Hijab an und wie traurig er die deutsche Haltung in der doch so offenen und toleranten Religionsfreiheit nun sehen musste.

Patricia erzählte den Eltern vieles, was sie schon vor Stunden Adelina am Rheinufer sagte und sie sich sehr freuen würde, Adelina in ihrem noch im Aufbau befindlichen Team sehen zu können. Auch sagte sie, welche anderen Personen sich beworben hatten und das dies alles eine sehr gesunde Mischung für ihr Team sein könnte. Sie wüsste natürlich nicht, ob die anderen vier sich wirklich für diesen Schritt der Humanitären Hilfe in Kambodscha entscheiden würde.

Djamila brachte als Nachspeise noch Baklava und Knafeh ins Wohnzimmer. Bei Baklava mussten Patricia und Hannes passen. Ein Bissen reichte beiden völlig aus. Dieses Süßzeug war um Welten schlimmer als die ekelhaft gesüßte Limonade in Kambodscha.

Nassim musste lächeln, als beide so offen über die Ablehnung von Baklava sprachen. „Ich mag es auch nicht. Probiert Knafeh. Diese Speise kommt auch aus dem Libanon und ist um vieles besser als Baklava. Djamila macht diese Variation mit Grieß. Knafeh ist eine warme Süßspeise mit einem Schuss Zuckersirup.“
Patricia und Hannes waren skeptisch. Süßspeise mit Zuckersirup klang jetzt auch nicht gerade an einen kulinarischen Hochgenuss.
Nassim reichte den kleinen Teller mit Knafeh „Glaubt mir, es ist lecker.“ Patricia traute sich und biss vorsichtig in ihr Stück Knafeh. Hannes sah zu Patricia, die schon fleißig am kauen war und wegen dem vollen Mund nur nickten konnte. Nassim hielt Hannes immer noch den Teller hin.

Der erste Bissen von Knafeh konnte schon süchtig machen. „Wow! Das ist wirklich sehr lecker.“ Nassim grinste „Habe ich doch gesagt.“ „Alles was wir heute bei euch gegessen haben war sehr lecker und auch eine neue Erfahrungen. Adelina, bei dem Essen musst du dich in Kambodscha umstellen. Wenn du Pitabrot gerne isst, nimm dir einen Koffer voll mit. Das Brot in Kambodscha hat außer dem Wort, Wasser und Mehl nicht mit dem zu tun was wir als Brot kennen. Alles andere an der asiatischen Küche ist sehr lecker. Es gibt dort natürlich viele Gerichte mit Schweinefleisch – aber alle Gerichte kann man auch mit Fisch, Garnelen, Hähnchen- oder Rindfleisch bestellen. Hannes und ich essen sehr gerne Fisch.“
Adelina lachte „Ich glaube ihr beide macht euch mehr Gedanken um mich als ich selbst.“ „Dies mag durchaus sein. Du sollst aber auch wissen das wir deine Religion akzeptieren und respektieren. “ „Patricia, dies weiß ich doch. Du und Hannes habt euren Standpunkt klipp und klar gesagt.“

Die Uhr ging schon auf Mitternacht zu. Einen so schönen Tag hatten beide schon lange nicht mehr erlebt. Die Einladung von Adelina zu sich nach Hause war eine sehr gute Idee gewesen. Die Tabaris wurde auch nach Frankreich eingeladen.

In der alten Heimat im Nahetal

Das Vorstellungsgespräch war erheblich länger als geplant. Hannes machte Patricia den Vorschlag, dass sie nun von Frechen aus zu seinen Eltern fahren könnten und übermorgen weiter nach Thionville. Patricia stimmte ihm zu „Macht Sinn. Sonst müsste wir nach Ostern hin und her fahren.“

Am Samstag den 7. April um kurz nach 2 Uhr sah Hannes das altbekannte Ortschild im Naheland. In diesem Ort war er aufgewachsen und hatte viele schöne Jahre in dem kleinen Ort verbracht. Es war für ihn ein komisches Gefühl, als er durch die dunkle Hauptstraße fuhr. Er hatte überhaupt kein Heimweh.
In der kleinen Backstube vom örtlichen Bäcker brannte bereits das Licht und er musste an Clément denken.

Hannes fuhr in die schmale Sackgasse und parkte vor seinem Elternhaus.
„Schatz, wach auf. Wir sind da.“ „Hast du überhaupt einen Haustürschlüssen?“ Fragte Patricia verschlafen. „Ups. Der liegt bei dir im Zimmer. Shit.“

Nachts um fast halb drei klingel wollte er auch nicht. Fast jedes Haus oder Wohnung hat irgendwo einen Ersatzschlüssel liegen – so auch die Eltern von Hannes. Er ging die Treppe links am Haus mit den Waschbetonplatten herunter um den Ersatzschlüssel zu holen. Zwei Stufen waren schon seit Jahren etwas locker und so kippten die schweren Platten ein paar Millimeter, wenn man drauf trat. Im Haus hörte man dieses Geräusch, wenn die zwei Stufen wackelten. Als er wieder oben an der Haustür war, stand schon seine Mutter an der Haustür.
„Wir sind spät. Tut mir leid, mein Schlüssel liegt in Frankreich.“ „Wo kommt ihr so spät her? Kommt rein, ich mach euch Kaffee.“

In der kleinen Küche saß er, Patricia und seine Mutter. Patricia erzählte von Adelina und das dieses Vorstellungsgespräch doch erheblich länger wurde als überhaupt geplant.
„Wann wollt ihr wieder weg?“ Fragte die Mutter von Hannes. „Ende Mai“ und Hannes sah bei seiner Antwort den traurigen Blick von seiner Mutter.

Patricia zeigte ihr die Fotos von Kampang Rou.
„Dies alles habt ihr in der kurzen Zeit geschafft?“ Beide nickten. „Ich hätte dir dies nie zugetraut.“ „Ich weiß. Ich mir auch nicht. Vor kurzem wurde ich zum Gesamtprojektleiter ernannt. Vor sechs Tagen war ich in Thailand und habe für über eineinhalb Millionen US-Dollar 13 Baumaschinen kaufen. Ich habe mittlerweile fast 50 Menschen in dem Bauabschnitt 3 zu führen und bestimme bei einem Projekt von 24 Millionen Dollar mit. Ja, Mama, ich habe mich geändert! Der Klassenkasper redet mit Gouverneure, Majore und gibt eine klare Richtungen vor.“

Seine Mutter sah ihn an, wie sie es noch nie tat. Sie nahm ihn in die Arme „Ich bin stolz auf dich. Als wir an Weihnachten in Thionville waren, hatte ich ein ungutes Gefühl, nun redest du über ein 24 Millionen Projekt, welches mit leitest. Du hast dies doch gar nicht gelernt!“ „Was hab ich nicht gelernt?“ „Du bist doch kein Ingenieur der solche Projekte betreuen kann.“
Patricia konnte und wollte dies so nicht stehen lassen „Was ich durch Hannes in den letzten neun Monate alles gelernt habe, da komme ich mir mit meinem verdammt guten Abi oft richtig doof vor! Hannes kann unglaublich schnell denken. Er hat Ahnung über Anthropologie, Ethnologie und Geologie von dem ich noch nicht einmal die Spur weiß. Er redet mit Ärzte und spricht über Krankheitsverläufe. Hannes hört jedem seiner Mitarbeiter zu und nimmt sich Zeit für Menschen. Dies alles steht in keinem seiner Zeugnisse. Mein Vater, zwei Teams, eine Ortschaft – ja eine ganze Region folgt ihm. Du kannst mit recht stolz auf ihn sein – ich bin es sowieso.“

Sein Vater kam um halb sechs ihn die Küche und war über den Besuch erstaunt „Oh, was für eine Überraschung. Ich dachte ihr wolltet nach Ostern vorbei kommen?“
„So war es auch geplant. Es hat sich eben jetzt schon so ergeben. Papa, kennst du vielleicht einen Geologen aus der Umgebung?“ „Ja. Bei mit im Gesangsverein ist einer. Er ist Professor an der Uni in Kaiserslautern. Warum brauchst du für Wasserleitungen einen Geologen?“ „Ein Mitarbeiter aus meinem Team, lässt sich nicht davon abbringen, dass in der einen Ortschaft eine riesige Wasserader sei. Ich kann aber auf Verdacht keine viertel Million Dollar für einen Bohrer ausgeben. Dann hält mein Chef mich für völlig bescheuert. Ich habe Cees versprochen, dass ich mich darum kümmern werde. Wenn dieses Gelände wirklich Karstgestein ist und Cees recht hat, haben wir Möglichkeiten ein ganzes Gebiet mit natürlichem Wasser zu versorgen.“ „Ich verstehe. Wasser aus der Region ist schneller vor Ort als ihr die Leitungen verlegt.“ „Exakt. Dies ist auch unser Gedanke. “ „Ich schreibe dir seine Adresse auf.“ „Danke. Wie sehen uns heute Nachmittag. Ich werde langsam müde. Es war ein langer Tag.“

Nach fast 24 Stunden auf den Beinen, wurde es Zeit ins Bett zu gehen.
Am Dienstag waren sie noch in Bangkok gewesen. Am Mittwochmorgen in Frankfurt gelandet und dann weiter nach Thionville gefahren. Den Donnerstag in Frechen verbracht und am Freitagmorgen in seinem Bett im Nahetal eingeschlafen.

Um 10.13 Uhr klingelte sein Mobiltelefon und er wurde aus dem Schlaf gerissen. Franziska fragte „Wo seid ihr?“ „Bei meinen Eltern, wir sind die Nacht sehr spät in Köln losgefahren und waren nach zwei Uhr erst zu Hause. Es tut mir leid, dass wir nicht Bescheid gesagt haben.“

So sind Eltern eben; sie machen sich immer Sorgen um ihre Kinder – egal wie alt sie sind.

Die moderne Telekommunikation und ihre Tücken

Hannes ging duschen und dann in die Küche. Kaffee war wichtig. Die Worte von Franziska fielen ihm ein, „trinkst du vor oder holst du es nach?“
Auf dem Esszimmertisch lag die Adresse von einem Paul Hardtmann. Hannes nahm den Telefonhörer in die Hand und wählte die Nummer. „Kein Anschluss unter dieser Nummer. Kein Anschluss unt…“
Er wählte noch einmal ganz langsam.
„Kein Anschlu…“ „Gibst doch gar nicht, ich bin doch nicht zu blöd für fünf Zahlen zu wählen“ sagte er zu sich selbst. Der nächste Versuch „Kei…“

Er nahm das Telefonbuch aus dem Schrank im Wohnzimmer und suchte den Namen: Hardtmann, Paul.
Im Telefonbuch stand gleiche Nummer wie auf dem Zettel von seinem Vater. Hannes wählen nochmals die ihm nun schon bekannte Nummer.
„Kein Anschl.“ Hannes war der Verzweiflung nah.
Seine Mutter kam aus dem Garten ins Haus „Bist du schon wach?“ „Ja. Franziska rief vor einer halben Stunde an. Sie machte sich Sorgen, weil wir nicht in Thionville sind. Sag mal, bin ich zu blöd zum telefonieren? Papa schreibt die Nummer auf, ich rufe an und ständig kommt „Kein Anschluss unter dieser Nummer“. Ich schaue im Telefonbuch nach und da steht die gleiche Nummer. Ich wähle und wieder, „Kein Anschluss unter dieser Nummer.“ „Hast du die Vorwahl gewählt?“
Hannes schlug sich die Hand gegen die Stirn „Danke. Ich wollte schon das Telefon gegen die Wand werfen.“

Die moderne Telekommunikation hatte so ihre Tücken. Mit der Vorwahl meldete sich dann auch Paul Hardtmann – welch Wunder der Technologie.
Hannes erklärte ihm wer er sei und aus welchem Grund er anrief.
„Ja ja. Hmmm. Ja, ja, verstehe ich. Gut, gut. Ist möglich.“ Waren die Antworten von Herr Hardtmann bei diesem Telefongespräch.
„Kommen Sie bitte in einer Stunden bei mir vorbei, ich habe einiges an Unterlagen. Ich suche noch andere Unterlagen heraus. Bis später.“

Die Faszination der Geologie

Eine Stunde später saßen Hannes und Patricia bei Paul Hardtmann in dessen Arbeitszimmer. Genau so stellte Hannes sich einen Geologie Professor vor. Überall im Haus und Arbeitszimmer lagen oder standen Steine in den unterschiedlichsten Größen und Formen. Dazwischen Berge von Bücher und Fachliteratur. Hannes sah Gesteine von Granit, Gneis, Phonolith, Larvikit, Granodiorit, Porphyr oder Lapislazuli. Riesige, bis weit über einen Meter hohe, Amethysten, Opale, Rosenquarze und Achate zogen ihn förmlich in den Bann.

In der Ecke am Fenster von Hardtmanns Arbeitszimmer stand eine Achatdruse die fast so groß war wie Patricia.
„Eine solche ähnliche Achatdruse habe ich als Kind hier im Edelsteinmuseum gesehen.“ Hardtmann nickte knapp. „Durchaus möglich. Diese hier ist 47 Zentimeter größer und die gebe ich nicht her.“ „Okay. Dann ist das Ihre Druse, die im Museum steht?“ „Ja.1973 im brasilianischen Bundesstaat Rio Grande do Sul gefunden.“ „Wow! Schatz, schau dir mal diese Kristalle an. Dutzende verschiedene Farben und eine schöner als die andere. Ich habe eine solch große Druse noch nie gesehen. Ich wusste gar nicht, dass die so groß sein können.“ „Es geht größer. Die Empress of Uruguay ist 3,27 Meter hoch.“
Bei dieser Zahl schauten Patricia und Hannes gleichzeitig zur Decke.
„Genau! Ein Meter höher als dieser Raum. Ihr seid aber nicht wegen Drusen zu mir gekommen, sondern wegen Karstgestein.“

Hardtmann hatte einiges an geografischen Karten und Bücher bereits auf seinem Schreibtisch liegen. Natürlich dienten Steine oder Steinplatten als Lesezeichen.
In einem Fachbuch über Karstgestein erklärte Hardtmann die Struktur und Aufbau von jenem Gestein.
Auf einigen Fotos von Hattie konnte man die Berge, Wald oder auch Pisten sehen. Hardtmann sah auf zwei Fotos etwas, was Wahrscheinlich nur ein Geologe sehen konnte.
„Siehst du den Verlauf von dem Berg rechts auf dem Foto?“ Hannes sah, dass der Bergkamm hoch und runter ging – mehr auch nicht. Hardtmann zeigte mit einem Lineal die Ränder unterhalb von dem Bergkamm.
„Schau hier! Eindeutig Karstgestein.“ „Was immer noch nicht heißt, dass dort auch eine Wasserader ist.“ Hardtmann nickte ihm zu. „Wie gut kennst du dich mit Geologie oder bei uns im Gelände aus?“ Hannes sagte, was er über die Struktur von den Bergen mit ihren Sedimentgesteine und den dadurch hervorgebrachten Kupfer und Edelsteinminen wusste. „Sehr gut. Dir ist die Geologie doch recht gut vertraut. Dann lass uns jetzt ins Kupferbergwerk fahren.“

An der Kasse zum Bergwerk erklärte Hardtmann den Grund für den Besuch und das es um eine Wissenschaftliche Arbeit ginge. Der Betriebsleiter kannte natürlich Paul Hardtmann und Hannes schon von Kindheit her. Er winkte die drei mit den Worten durch „Meldet euch, wenn ihr in der Berg fahrt. Glückauf.“

Hannes kannte dieses Bergwerk sehr gut. Er war schon unzählige Stunden in diesem Berg und kannte durch Begehungen mit Vertreter der Landesregierung auch Wege, die für Besucher gesperrt waren. Aus Sicherheitsgründen sind in Deutschland solche Begehungen von Bergbau Spezialisten in Regelmäßigen Abständen
nötig und vorgeschrieben. Hardtmann kannte selbstverständlich als Fachmann für Geologie auch diese Wege.

Auf Knien ging es durch Stollen die im 15.-18. Jahrhundert angelegt wurden. Sie zwängten sich wenige Zentimeter an Stalaktiten vorbei, die von der Decke der Stollen hingen und mitunter eine Länge von einem Unterarm hatten. Auf dem Boden waren bis zu 10 Zentimeter hohe Stalagmit zu sehen.
Über 350 Jahre alte Tropfstein waren oft nur 5 Zentimeter vom ihrem Auge oder Körper entfernt.
„Wie gewaltig diese Erde doch ist! Eine Schönheit verborgen in einem Bergwerk“ sagte Patricia fast flüsternd vor Ehrfurcht in anbetracht das diese gewaltige Natutschönheit nur wenige Menschen sehen dürfen und können.

Nach gefühlten 1000 Kilometer auf Knien und Ellenbogen kriechend, erreichten sie eine große Weitung in der sie stehen konnten. Sie standen in einer Weitung von geschätzten 14 Quadratmeter und die zwischen 3 und 4 Meter hoch war. „Patricia, diese Weitung wurde vor über 500 Jahren von Menschen in den Berg getrieben und ausgebracht“ sagte Hannes. „Unglaublich! Ich habe so etwas noch nie gesehen.“ „Schau euch die Felsen rechts von uns an.“ Paul leuchtete mit der Taschenlampe an eine Gruppe von Stalagmiten vorbei.
„Seht ihr die Spuren vom Wasser?“ „Ja, ich sehe die Verfärbung von dem Gestein und die Risse“ sagte Hannes.
„Hier wurde in kürzester Zeit Millionen Kubikmeter von Wasser gepresst. Durch die Schwere der Lava und der Hitze von Magma hatte das Wasser noch nicht einmal die Chance zu verdampfen. Schaut jetzt weiter links. Dort hatten die Bergmänner eine Wasserader gefunden – ob zufällig oder unbewusst. Wie auch immer es war, beim Austritt von diesem Wasser müssten alle Bergmänner in diesem Abschnitt ertrunken sein.“
Patricia schauderte es bei den Worten von Hardtmann.
„Der Berg sieht aus wie aufgeplatzt“ sagte Patricia leise.
Hardtmann nickte ihr zu „Da war Wasser. Viel Wasser!“ „Kann ich gar nicht glauben, so groß ist dieses Loch doch gar nicht.“
„Stimmt. Und trotzdem muss dort eine Fontäne mit einem unglaublichen Druck heraus gekommen sein. Patricia, stell dir einen Gartenschlauch vor, der an der Wasserleitung angeschlossen ist und am Ende ist ein Stopfen drauf. Der Schlauch hat ein Loch von einer Stricknadel und du willst mit dem Finger dieses Loch zuhalten.“ „Geht nicht.“ „Exakt, meine Dame. Im Haus hat man zwischen 2 und 6 Bar Wasserdruck. Nun stell dir dies hundert mal stärker vor.“ „Wahnsinn.“ „Ja! Und diese Kraft sprengt sogar gewachsener Fels. Hinter dieser Wand wird wahrscheinlich ein riesiger Hohlraum sein. Nur wie weit dieser von uns entfernt ist kann ich nicht sagen. Es könnten 20 Zentimeter oder 20 Meter sein. Wasser hat eine unglaubliche Kraft und sucht sich seinen Weg.“ „Monsieur Hardtmann, kann es sein, dass dort jetzt immer noch
Wasser ist?“ „Es kann sein das diese Blase, die wir jetzt nicht sehen, in den letzten 300 Jahren sich durch einsickerndes Regenwasser gefüllt hat. Mehr aber nicht. Sei unbesorgt.“ „Erklärt die vielen Stalaktiten hier in der Weitung. Das Wasser könnte auch oberhalb von uns sein.“ sagte Hannes. Hardtmann nickte „Ich merke, du verstehst die Geologie. Diese Linien, die hier Unterirdisch sind, sind auf dem einen Foto von euch zu sehen. Erkläre mit bitte noch einmal, was du an Gelände vom Quellmund abwärts gesehen hast.“
Hannes wiederholte das gleiche, wie schon bei Cees.
„Dein Kollege liegt mit seiner Vermutung richtig. Kommt, hier gibt es nichts mehr zu sehen. Wir fahren noch an einen anderen Ort.“ „Monsieur Hardtmann, bevor wir wieder nach draußen gehen, darf ich diese Stalagmiten mal anfassen?“ „Natürlich! Es ist sehr unwahrscheinlich, dass hier in der nächsten Zeit Horden von Touristen sein werden.“
Patricia fasste ganz behutsam die aufragenden Stalagmiten an. In Zeitlupe streichelte sie diese von der Natur gegebene Schönheit.
„Und? Wie fühlt sich die Geologie an?“ Fragte Paul.
„Feucht, glitschig und erstaunlich warm. Ich habe wie eine Art Bodylotion an den Finger.“ „Dies kommt durch die vielen Mineralien im Gestein.“
Nach einer Ewigkeit durch den Stollen zurück krabbelnd, der oft nur 70 Zentimeter hoch und 50 Zentimeter breit war, näherten sie sich der Stollenausgang. 6 Meter vor dem Stollenausgang ging links ein sogenannter Tod- oder Suchstollen in den Berg. So werden Stollen genannt, die Taub oder Blind sind – also Gestein wo kein Kupfer zu finden war oder ist. Alleine für einen solchen Stollen zu hauen, brauchte ein Bergmann Jahrzehnte.

„Gleich seht ihr die Ausflutung von kristallisierten Anhydrit. In diesem Berg sind unglaublich viele Mineralien. Durch die Luftfeuchtigkeit und gleichbleibende Temperatur hat sich dieses Mineral über Jahrhunderte seinen Weg gesucht.“
Das Anhydrit auf dem Stollenboden sah aus wie gefrorenes Wasser.

Paul kam als erstes aus dem Stollen gekrochen, dann Patricia und Hannes als letztes. Ein paar Meter weiter stand eine kleine Touristengruppe mit einem jungen Mädchen, dass die Gruppe durch das Bergwerk führte und sahen sehr verwundert auf die drei Personen die schmutzig und nass aus dem kleinen Stollen kamen.
„Excuse me, can you tell us where we are?“ Frage Hannes, als er die geschockten Gesichter der Besucher sah. Patricia boxte ihn „Bœuf stupide.“

In einem Steinbruch in der Nähe vom dem Kupferbergwerk, zeigte Hardtmann an der Abbruchkante von einer Wand die Schichten der Gesteinslagen „Es gibt unterschiedliche Eruptions Arten. Hier sieht man eine sogenannte Peleanische Eruption. Diese Art des Vulkanausbruchs zeichnet sich durch eine sehr hohe Viskosität des aufsteigenden Magmas aus. Dieses kann oftmals noch während des Aufstiegs erhärten und den Hauptschlot für nachfolgende Ausbrüche in Pfropfenform verschließen. In der Folge suchen sich die vulkanischen Fluide und Gase Seitenschlote und Risse im Gestein und brechen oftmals unter hohem Druck auf lateralem Wege in Form von Glutwolken durch die Flanken des Berges. Daher ist das Nahetal auch so aufgebaut und wir haben die Edelsteine. Was nicht ausbrechen konnte fiel in die schon kalte Magmamasse zurück, dies sind die Drusen, die heute noch gefunden werden.“ „Ist mir soweit bekannt. Was hat dies aber mit dem Wasser zu tun?“ „Wenn Gesteine aus der Erdkruste hoch geschleudert werde – wurden; Entstanden die unterschiedlichsten Gebirge auf dieser Welt. Durch die Abkühlung der Erdoberfläche mit sehr viel Wasser, wurden Sandgebirge mit eben leichten Gesteine zu Karstgebirge. Daher ist Wasser in Bergen, dass wir nicht sehen und trotzdem Flüsse entstehen lässt.“ „Leuchtet mir ein. Lass uns nach Hause fahren, dann können wir in Ruhe deine Karten studieren.“

Im Elterlichen Wohnzimmer zeigte Paul den beiden Karten von der Umgebung in der man die Topografie sehr gut sehen konnte. Auf anderen Karten von Italien, Schweiz und Österreich sah man sehr gut die Entstehung der Alpen.
„In den Alpen ist doch Gneis vorwiegend?“ Fragte Hannes. „Richtig. Gneise entstehen durch Metamorphose, also Umwandlung von Gestein unter sehr hohem Druck und auch bei extrem hohen Temperaturen. Das Ausgangsmaterial wird von vielen Gesteinsschichten überlagert. An die Oberfläche kommt Gneis folglich nur dann, wenn entweder das überliegende Material erodiert ist oder ehemals tiefliegende Schichten durch Tektonik an die Oberfläche gehoben wurden.“ „In Südostasien ist Sandgebirge sehr häufig.“
Paul rollte eine Karte von Thailand, Kambodscha, Laos und Vietnam aus. „Richtig. Das Kardamomgebirge unterteilt sich geographisch in zwei Zonen: Die Kardamomkette im Norden besteht überwiegend aus Sandstein.“ „Weiß ich. Da sind wir vor einer Woche vorbei geflogen. Ich sah die aufragenden Berge im Dschungel.“
Hannes zeigte auf der Karte, wo Svay Rieng lag. „Hier am Ausläufer vom Truong-Son-Gebirge, sind wir im Einsatz.“ „Okay. Geologisch wird dieses Gebiet auch die Annamitische Kordillere genannt. Hier siehst du die etwa 1100 Kilometer lange Gebirgskette. Der höchste Berg ist mit 2819 Metern der Phu Bia in Laos. Der höchste Gipfel im vietnamesischen Teil ist mit 2711 Metern der Phu Xai Lai Leng. Er liegt im nördlichen Teil der Gebirgskette. Der höchste Gipfel im Süden der 2589 Meter hohe Ngoc Linh.“ „Paul, du hast bessere Karten als das Militär in Svay Rieng. Ich musste die Länge für eine Wasserleitung vermessen, mit dem Pickup sind wir die Straßen nach Südosten gefahren. Der Maßstab und Kilometerzähler passten nicht annähernd zusammen. Ich sagte damals zu meiner Freundin, dass ich nicht weiß in welchem Land wir uns gerade befinden. Alle unsere Karten sind Wertlos. Dürfte ich diese Karten kopieren?“ „Die schenke ich dir. Wenn ich weiß, dass die Karten in guten Händen sind, habe ich kein Problem damit.“ „Dankeschön. Schatz, sieh dir nur mal diesen Maßstab und die Entfernung zur Grenze von Vietnam an. Da ist Kampang Rou, hier Khum Nhor und dort Khsaetr. Nach dem Kopfrechnen vom Maßstab und noch die Erinnerung aus dem was du gefahren bist – waren wir hier – in Vietnam.“
Hannes zeigte mit seinem Finger auf einen Punkt auf der Karte. Patricia schaute auf die Karte und die Skala vom Maßstab „Über 20 Kilometer! Hannes, wir waren illegal in einem Land, welches noch keinen Waffenstillstandsabkommen mit Kambodscha unterschrieben hat.“ „Jep.“ „Mon Dieu! Wenn dieses mein Vater wüsste!“

Paul Hardtmann sah beide nun doch etwas irritiert an.
„Paul, was wir in Kambodscha tun, um diesem Land und Menschen zu helfen, wird nicht von allen Parteien gerne gesehen. Wir bewegen uns in einem Gebiet welches zwischen Vietnam und Kambodscha immer noch sehr instabil ist. Ich sage immer wir verlegen Wasserleitungen. Nur habe ich die schwierige politische Lage doch sehr großflächig ausgeklammert. Die Rote Khmer, welche für den Genozid an geschätzten zweieinhalb Millionen Menschen verantwortlich war, ist in diesem Grenzgebiet von Vietnam aus, noch recht aktiv. Unser einziger Schutz sind die Patrouillenfahrten vom Militär aus Svay Rieng. Wir Europäer sind in ständiger Lebensgefahr. Dies musst du nicht unbedingt meinem Vater sagen.“ „Mein lieber Mann, ich dachte bis eben, was ich euch über Wasser und Vulkane erzählt habe wäre groß. Was ihr macht, ist mit nichts vergleichbar. Patricia, was machst du in Kambodscha?“ „Ich arbeite bei UNICEF und unterrichte Kinder im subtropischen Regenwald. In dem Gebiet wo wir sind, gibt es seit Jahren keine Schulen mehr.“ „Das soll euch mal einer nach machen. Dafür würde ich diese Landkarte noch mit Gold überziehen.“ „Danke. Sie reicht mir auch so. Mit diesem Maßstab ist diese Karte für mich noch viel mehr wert. Glaub mir. Ich muss ein 24 Millionen Dollar Projekt errechnen.“ „Moment mal. Ich dachte du fährst Bagger?“ „Auch.“

Am Abend war nun auch Zeit mit den Eltern von Hannes in Ruhe zu reden. Sie sagten auch, in welchem Teil vom Bergwerk sie waren und wie viel sie mit Paul an einem Nachmittag über Geologie und Eruption gelernt hatten. Sein Vater wollte vieles aus und über Kambodscha und speziell von Kampang Rou wissen. Die Arbeit von Patricia interessierte ihn sehr. Hannes sah, wie sein Vater diese schmale quirlige Französin voller Stolz ansah.

Es war schon fast wieder Mitternacht, als sie endlich im Bett lagen. Patricia lag mit ihrem Kopf auf seiner Brust „Mon chérie?“ „Hmmm?“ „Ich hätte jetzt Bock auf eine geile Peleanische Eruption“ und saß wenig später auf seinem Schoss.

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