
Prolog
Teil III Kapitel 1
Naheland / Lothringen
Der Aufbruch
Erinnerungen an vergangene Tage
Von Ramstein nach Termez in Usbekistan
Es war einer dieser Tage die er gar nicht mochte. Der kalte Dezemberwind zog ihm durch die Kleider. Es war der zweite Advent und Hannes dachte an Weihnachten 89. Lange war es her und trotzdem so nah. Das erste Weihnachtsfest mit seiner Verlobten. Am Strand von Fréjus hatte er ihr einen Antrag mit einem Saint-Émilion von 1943 gemacht. „Patricia Lefévre, willst du mich heiraten?“
Er saß auf der Bank vor dem Haus, die Tasse Tee und eine Zigarette in der Hand. Warum dachte er bei Tee immer an diesen schrecklichen Hagebuttentee aus dem Kindergarten? Es gab einfach Erinnerungen, die nie aus dem Kopf gingen – wenn es auch nur doofer Hagebuttentee war, oder die Liebe seines Lebens.
Hannes, war auf Heimaturlaub zu Hause. Zuhause – wo war dies für ihn? Ein Mann der in der halben Welt unterwegs war und die wenigste Zeit “zuhause“. Seine deutsche Heimat im Nahetal hatte er mit 19 Jahren verlassen. In Frankreich fand er Liebe, Heimat und ein Zuhause. In Thailand hatte er mit Patricia sein Zuhause für einige Jahre. In Entwicklungsländern, Krisen- und Kriegsgebieten war er ruhelos im Einsatz für andere Menschen gewesen, um ihnen eine Perspektive zu geben. Bildung für Kinder war im immer wichtig und seiner Frau wurde vor Weihnachten 90 eine Schule mit ihrem Namen übergeben.
Nun saß er im kühlen Dezember vor seiner Haustür in einem Land, dass schon lange nicht mehr seine Heimat war.
Der letzte Einsatz von zehn Monate in Kunduz war gerade mal drei Monate her. Er wollte eigentlich gleich weiter in den nächsten Einsatz. Seine Chefin hatte ihm dies verweigert. Sie kannten sich nun auch schon sechzehn Jahre. Hattie war Anfang der 90er Jahre bei UNICEF in Kambodscha und vom ersten Tag an, waren sie Freunde. Nach dem Tod von Patricia war Hattie einige Monate bei ihm in Thailand gewesen. Ohne sie wäre er in einen Abgrund der Verzweiflung und Depression gefallen. Vor fünf Jahren nahm er das Angebot von Hattie an, und wechselte in die Firma, wo sie die Chefin für Zentral- und Südostasien war. Hannes bekam einen Job als Head Leader Security Chief für Mobile und Stationäre Einsätze, bei einer Internationalen Firma die ihren Stammsitz in Fort Lee, Virginia, USA, hat. Da die Welt immer mehr Konflikte oder Kriege führt, kann seine Firma sich über Aufträge nicht beschweren.
Er schaute in den bewölkten Dezemberhimmel, zog an seiner Zigarette und dachte an die vielen Bilder die er im Kopf hatte. So viele schlimme Bilder die der Nachbar am Abend in der Tagesschau sah, sah er fast jeden Tag live. Zerstörung, Trauer und Tot. Es waren die Bilder toter Kinder, Frauen und Männer. Getötet durch Krieg oder Terroranschläge in irgend einem Land wo auch immer er war. Afghanistan, Pakistan, Iran, Libyen, Sudan oder Nigeria. Sein Job war es für die Sicherheit von Menschen zu sorgen, die in besagten Länder arbeiteten. Korrespondenten von Medienunternehmen, Ingenieure für Bauprojekten von Erdöl- Gas- oder Industrieanlagen. Solche Menschen sind oft Opfer von Entführungen und den daraus resultierenden Lösegeld- Forderungen.
Hannes ging langsam auf die vierzig zu und trotzdem war er ratlos wie ein Kind. Seit dem Tod von Patricia war ein Teil von seinem Herz gestorben. Sein Job hatte nichts mehr mit dem zu tun, was er einmal angefangen hatte. Mit zwanzig stand der Junge vom Dorf vor der Tür von UNICEF in Kambodscha. Der Klassenkasper aus der Schule, betreute Projekte über Millionen US-Dollar, die von der Weltbank finanziert wurden.
Jeder in dem kleinen Ort bewunderte seinen Job und hatten großen Respekt vor seiner Arbeit. Was wussten sie denn schon vom Sudan oder Afghanistan? Sie dachten alle er macht einen Bürojob in Sicherheitsfragen in irgend einem Land dieser Welt und verdient unglaublich viel Geld. Was für ein Irrglaube! Eine 9mm Waffe zu tragen und diese auch zum Einsatz zu bringen hat nichts mit Bewunderung zu tun. Sie alle wussten nicht in welcher Lebensgefahr er oft war oder das er Menschen erschossen hatte. Er hatte gelernt zu töten – musste es lernen, sonst wäre er nicht mehr am Leben. Head Leader Security Chief, ist eine unglaublich tolle Beschreibung um auf Menschen zu schießen. In nur wenigen Jahren hatte er in Schallgeschwindigkeit einen Job erreicht, den nur wenige Menschen auf dieser Welt machen konnten oder wollten. Er wollte es ja auch nicht. Menschen helfen, Schulen aufbauen und Perspektiven schaffen, dies wollte er. Terroranschläge, Sicherheitslagen oder Gefahrenpläne bewerten und danach handeln, war weit entfernt von lesen und schreiben lernen.
Er sah an diesem Morgen in die aufgehende Sonne und sehnte sich nach einer ruhigen Zeit. Er sehnte sich nach seiner Patricia. Selbst die Sonne hatte in den letzten sechs Jahren ihre Farbe verloren.
Hannes zog ein letztes mal an der Zigarette, trank den letzten Schluck von seinem Tee und dachte, was für ein Scheißjob er doch hatte.
Der Weg nach Thionville
Die altbekannte Strecke von der Nahe nach Thionville und die Kilometer waren immer noch die gleichen und trotzdem tat ihm diese Fahrt weh. Mit Tränen in den Augen sah er die Landschaft wie unter einem Schleier. Wie oft war er diese Strecke gefahren? Wie oft hatte er Herzrasen? Wie oft Abschiedstränen?
Diese Tränen waren kein Abschied – es war Trauer.
Er fuhr wie selbstverständlich durch Thionville, denn er kannte mittlerweile fast alle Straßen. Er parkte vor dem großen Tor und ging die wenigen Meter mit Tränen in den Augen. Jeder Schritt näher gab ihm ein Stich ins Herz. Er ging die paar Stufen hoch und sah auf der linken Seite ihren Namen stehen. Er hatte keine Kraft mehr zum stehen.
Hannes setzte sich auf den kalten Boden und die Tränen liefen ihm übers Gesicht. Das er nach all den Jahren überhaupt noch weinen konnte, war ihm ein Rätsel.
„…du bist auch großzügig und liebevoll. Du weißt es nur noch nicht. Glaubst du an Gott? „Peter, ich weiß es nicht! Ich weiß es nicht mehr.“ „Schade. Solltest du aber. Ich weiß wir mühen uns ab, kämpfen täglich und erleben Rückschläge. Da verliert man schnell den Glauben. Warum lässt Gott so viel Elend und Unheil zu? Warum ist es kein lieber Gott? Die Bibel ist voll von Schmerz, Trauer und Verzweiflung. Aber auch von Liebe, Sanftmut und Hoffnung. Ihr beide habt euer Leben noch vor euch. Macht etwas daraus….“
Die Worte von Peter waren nun 17 Jahre her und wie gerne wäre er mit seiner Patricia so lange zusammen geblieben, wie Peter mit Louise.
Wenn es einen Gott gibt, dann hat er Schmerz, Trauer und Verzweiflung in das Herz von Hannes getan. Die Liebe liegt in der kalten Erde, die Sanftmut hat in Krieg und Terror aufgehört zu existieren, die Hoffnung lebt schon lange nicht mehr.
Es fing an zu nieseln und Hannes merkte die Kälte seit Stunden schon nicht mehr. Wie einfach wäre es jetzt zu Patricia zu gehen. Seine Glock 17 war durchgeladen und entsichert. Eine Bewegung. Nur eine Bewegung!
„Non! Non Monsieur!“ Eine Frau stand mit Regenschirm und schwarzen Kleider vor ihm „Non! Non Monsieur!“ Sagte sie lauter und energischer. Durch seine Tränen konnte er kaum erkennen wer mit ihm redete. „Hannes? Hannes, bist du es?“ „Oui, je suis Hannes.“ „Bitte! Bitte leg die Waffe weg! Bitte!“ Hannes sicherte die Glock und lies sie auf den Boden fallen.
Die Frau kniete sich zu ihm „Um Gottes Willen, du bist völlig nass und durchgefroren! Komm! Komm, steh auf. Bitte!“ Nun erst erkannte er die Frau. Er war Inès Strasser, die Bäckerin. „Komm mit zu mir. Bitte. Hannes…. ich weiß wie schwer es ist…. ich weiß…. komm, komm mit zu mir.“
Hannes fuhr Inès nach Hause. Den Weg zu ihrem Laden kannte er noch sehr gut. Wie könnte er jemals das beste Brot aus Frankreich vergessen. „Komm rein. Komm….Bitte.“
In dem kleinen Flur im zweiten Stock zog sie ihren schwarzen Mantel aus, erst jetzt sah er ihre Trauerkleidung. Inès ging ins Bad und brachte große Handtücher. Sie legte sofort Holz im Kamin nach. „Zieh dich aus. Du bist nass bis auf die Haut. Komm an den Kamin. Bitte.“ Inès legte eine riesige Decke um ihn „Ich mache Tee für dich.“ Das Hirn von Hannes fuhr eine Achterbahnfahrt in Zeitlupe, er konnte kaum klar denken. Mit der Decke vor dem Kamin wurde ihm langsam warm. Sein Kopf tat weh.
Inès brachte zwei große Tassen Tee und zog den Sessel näher zum Kamin. Inès sah Hannes in die Augen und legte ihre Hände auf seine. „Hannes, ich kenne dich schon sehr lange. Ich weiß noch wie du anfänglich auf französisch und deutsch deine Bestellungen aufgegeben hast. Und nun? Nun sehe ich dich mit einer Waffe! Hannes! Wo hast du die Pistole her? Würde dies etwas ändern? Was machst du hier?“
Der Tee fing an zu wirken und die Achterbahnfahrt in seinem Kopf kam langsam zum stehen und sein Hirn funktionierte wieder. „Viele Fragen. Inès, wo fange ich an? Die Waffe ist meine. Ich bin Sicherheitschef bei einer Firma in den USA. Ich bin auf der halben Welt in Kriegsgebieten im Einsatz. Ob es etwas ändern würde?“ Hannes zog die Schultern hoch „der Schmerz wäre mit einem Schlag weg. Ich vermisse Patricia so sehr. Ich kann manchmal noch nicht einmal klar denken und dies ist in meinem Job sehr gefährlich. Ich muss für die Sicherheit vieler Menschen täglich denken und sorgen.“ Inès liefen die Tränen herunter „Mein Gott. Du bist ein wunderbarer Mensch. Patricia möchte dies bestimmt nicht, dass…das…“ Ihr kamen weitere Tränen die Wangen herunter gelaufen „ich kenne euren Projekten in Kambodscha. Jeder in Thionville kennt sie. Was ihr beide getan habt, ist mit nichts auf dieser Welt zu bezahlen! Du darfst nicht aufhören!“ Hannes sah sie mit leeren Augen an „Inès, von dem was einmal war, bin ich nun Lichtjahre entfernt. Täglich erlebe ich Tod durch Terror. Täglich sehe ich Kinder die durch Kriege keine Zukunft haben werden. Was kann ich noch ändern? Unser Traum von Bildung für Kinder ist vor sechs Jahren gestorben. Nach dem Tod von Patricia war ich noch im Sudan. Dort hatte ich ein Schulprojekt entwickelt, dass die UN seit fünf Jahren in anderen Länder der Welt einsetzt.“ Inès drückte ihm fest die Hand „Ist dies nichts? Ist dies etwa nichts auf das du stolz sein kannst? Jeder der dich kennt, hat die größte Hochachtung vor dir. Der Deutsche warst du hier nie gewesen. Nie! Geh durch die Straßen! Schau dir die Menschen an, die dir begegnen. Jeder achtet dich. Komm, ich mache Abendbrot für uns. Bleib noch bei mir.“
In der kleinen Küche richtete Inès den Tisch für das Abendbrot. Es war nicht mehr das Brot, dass er kannte. Es war nicht mehr grandios. Es war nur noch Brot. Sollte er es ihr sagen? Konnte er es ihr sagen? „Inès, dieses Brot ist mit dem was ich kannte nicht mehr vergleichbar.“ Inès schloss die Augen und nickte „Ich weiß. Seit Clément tot ist, hat sich bei mir auch vieles geändert.“
Er sah die sechzig jährige Frau, mit ihren rötlichen kurzen Haaren, schmalem Gesicht und ovaler Brille stumm an. „Vor zwei Jahren hatte Clément einen Schlaganfall bekommen. Er lag vier Wochen im Krankenhaus, bis sein Herz aufhörte zu schlagen.“ Sie sah ihn ruhig an und hielt seine Hände über den kleinen Tisch fest „Es waren vier Wochen! Bei euch waren es zehn Jahre!“ Mit dem rechten Handrücken wischte sie sich ihre Tränen weg.
Mit der dicken Decke stand Hannes und Inès auf dem Balkon vom Wohnzimmer und rauchte eine Zigarette. „Wir müssen weiter leben. Egal wie. So ist das Leben nun mal.“ Inès umarmte ihn „Angst habe ich schon um dich. Wenn du täglich deine Waffe bei dir hast. Ich kann dir nicht mehr sagen, als das das Leben weiter geht. Hör nicht auf dich für das einzusetzen was dein Traum ist.“ Er sah sie lange an und wusste nicht was er sagen sollte. Er wollte so vieles sagen und fand keine Worte. Inès streichelte ihm die rechte Wange „Du hast vor 16 Jahren gewusst, dass irgendwann der Zeitpunkt kommt. Ich will jetzt nicht sagen, dass dies für euch beide junge Menschen einfach war. Bei Gott, bestimmt nicht. Bei mir kam es auf einen Schlag morgens um 4.37 Uhr. Hannes, von einer auf die andere Sekunde war mein Leben nicht mehr wie es war. Komm, wir schauen ob deine Kleider trocken sind.“
Er umarmte Inès und bedankte sich bei ihr für diesen Nachmittag und Anteilnahme. „Hannes, jeder der Trauer trägt, hat schon mal solche Gedanken wie du. Ich werde niemand etwas vom Friedhof erzählen. Ich habe die größe Hochachtung vor dir und die wird sich auch niemals ändern. Pass auf dich auf, wenn du wieder nach Afghanistan gehst. Die Welt braucht dich. Kinder brauchen dich!“ „Ich danke dir.“ Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange „Wann immer du in Thionville bist, meine Tür steht für dich offen. Fährst du noch zu Franziska und Bernhard?“ „Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht ob ich die Kraft dazu habe.“ „Fahr zu ihnen! Sie lieben dich wie ihr eigenes Kind.“
Mit Schwermut in die Villa Lefévre
Hannes fuhr planlos durch Thionville. Er fuhr am Feuerwehrhaus vorbei und dachte an die Aktion mit der Drehleiter an Patricia’s 19. Geburtstag. Seine Liebeserklärung war in ganz Lothringen bekannt.
Nach vielen Straßen kreuz und quer durch Thionville stand er vor dem Haus von Franziska und Bernhard.
Kein Cleo der über den Rasen auf ihm zu gerannt kam. Keine Patricia die die Treppen herunter gesprungen kam und ihm um den Hals fiel.
An seinem Schlüsselbund war immer noch der Haustürschlüssel. Hannes saß im Auto und zitterte am ganzen Körper, als er den Haustürschlüssel betrachtete. Ihm liefen die Tränen übers Gesicht.
Als er endlich den Mut zum ausstiegen hatte, ging er langsam die Steintreppe hoch. Vor jeder weiteren Stufe zur Haustür wollte er umdrehen.
Regungslos stand er vor der Haustür. Fünf Jahre war er nicht mehr in diesem Haus gewesen.
Hannes starrte auf den Schlüsselbund in seiner Hand. Er nahm tief Luft und mit zitternder Hand klingel er.
Erst jetzt bemerkte er, dass die Glock noch in seiner Manteltasche war.
Er hörte Schritte auf die Tür zu kommen und sein Herz raste. Sein Puls kam langsam an die Belastungsgrenze. Franziska öffnete die Tür. Trotz das sie nun 62 Jahre alt war, sah sie immer noch sehr attraktiv aus. „Mein Gott… Hannes….!“ Sie nahm ihn in die Arme und fing an zu weinen „Mein Gott…“ mehr konnte sie in diesem Augenblick nicht sagen. Hannes drücke Franziska fest an sich und auch ihm liefen wieder die Tränen übers Gesicht. „Komm rein. Komm…Hannes…was….. bin ich froh… dich zu sehen… komm herein.“
Sie nahm ihn an die Hand und ging mit ihm ins Wohnzimmer. Bernhard saß im Sessel und ihm fiel ein Buch aus der Hand, als er Hannes in der Tür stehen sah. Die paar Schritte die sie trennten, reichten aus um zu sehen, wie ihm die Tränen über sein Gesicht liefen. Er umarmte ihn so fest, dass Hannes kaum noch Luft bekam „Mein Sohn….“
Hannes musste sich setzten, denn er merkte das seine Beine bald nachgeben würden.
Lange sagte niemand etwas, den die Tränen bestimmten diesen Moment. Franziska setzte sich zu ihm auf das Sofa. Sie legte ihre Arme um ihn und weinte. Bernhard fand als erstes wieder Worte „Hannes,….wir haben uns fünf Jahre Sorgen um dich gemacht! Mein Gott,….du lebst!“ Hannes schluckte seine Tränen herunter „Ent….Entschuldigung, ….ich wollte…nicht….dass ihr… euch…“ „Du bist da! Das ist wichtig!“ Brachte Franziska unter viel geschluchtse hervor „Wo warst du die ganzen Jahre gewesen?“
Endlich konnte auch Hannes wieder etwas besser reden „Auf der Halben Welt: Osttimor, Sri Lanka, Sudan, Nigeria, Irak, Burkina Fasso, Afghanistan….“ „Mein Gott“ Franziska weinte nun noch mehr „was ist das?“ Sie bemerkte die Glock in seinem Mantel. Er zog den Mantel aus und legte die Waffe auf den Tisch. Erschrocken schauten ihn beide an.
„Mein Job hat nichts mehr mit Kinder zu tun. Krieg, Terror und Tod sehe ich täglich. Menschen die durch Bomben zerfetzt werden, verhungerte Kinder am Straßengraben, verstümmelte Frauen und hingerichtete Männer.“ Franziska drückte ihn fest an sich und streichelte seinen Kopf „Um Gottes Willen! Was ist aus dir geworden?“ „Seit fünf Jahren bin ich Sicherheitschef bei einer Firma in den USA. Ich plane und koordiniere Einsätze für die Sicherheit anderer Menschen in Kriegsgebiete. Ich selbst bin oft beschossen worden – oder habe Menschen erschossen.“ Franziska nahm tief Luft, Bernhard sah ihn fassungslos an. „Als Patricia starb, starb ein Teil in mir. Ich wusste nicht mehr was ich machen sollte. Hattie wollte, dass ich in der Zentrale in die USA komme und betreute Projekte von einem sicheren Büro aus. Die Männer und Frauen die ich betreute setzten nicht annähern das um, was gefordert war. So ging ich in den Einsatz vor Ort und brachte denen das bei, was für mich Standard ist. Überall wo es “brannte“ musste ich hin. Morgens in Khartum im Sudan, am Nachmittag in Asmara in Eritrea und am übernächste Tag bin ich nach Libyen geflogen um dort bei Sabha Menschen aus einer Linie zwischen Militär und Rebelen raus zu schaffen. Nächten Tag Jemen, drei Tage später Irak. Ruhelos ging es von einem Land ins nächste, von einem Einsatz zum nächsten. Sicherheit schaffen unter Beschuss war keine Seltenheit. Mein Schatten war ein Bodyguard und Scharfschütze, wie es keinen zweiten auf dieser Welt gibt. Ohne ihn wäre ich nicht mehr am Leben!“ Hannes sah beide lange an, bevor er weiter sprach „Ich möchte nicht, dass ihr schlechtes von mir denkt. Unser Traum Bildung für Kinder ist immer noch in mir.“
Bernhard kamen wieder die Tränen „Du bist kein schlechter Mensch und warst du nie gewesen. Was ich jetzt denke ist gerade etwas viel und schwer zu verarbeiten.“ „Bernhard, ich weiß. Ich wollte diesen Job nie machen. Nie!“
Franziska lösten sich von ihm „Warum hast du die Waffe mitgebracht?“ Er sah Franziska an und gab ihr eine ehrliche Antwort „Ich war heute bei Patricia. Ich wollte zu ihr.“ „Mein Gott, Hannes….! Das…. das… ändert doch nichts! Uns tut es doch auch so weh!“ Bernhard kam auf das Sofa und setzte sich zu ihm. Er nahm ihn in die Arme „Du hast zehn Jahre für Patricia die Sterne vom Himmel geholt und hast ihr täglich deine Liebe gezeigt. Mehr konntest du doch gar nicht tun. Suizid bringt dich nicht weiter! Dies würde Patricia dir nicht verzeihen! Ihr beide habt so unglaublich viel geschaffen. Du kannst dies alles nicht einfach so wegwerfen. Mach weiter, was ihr beide angefangen habt. Du kannst es!“
Hannes sah Bernhard mit großen Augen an „Das gleiche hat mir vorhin Inès Strasser gesagt.“ Bernhard sah in ihn fragend an. „Ich hab doch gesagt, ich war bei Patricia. Nach Stunden auf dem Friedhof fand mich Inès mit der Waffe in der Hand am Grab von Patricia.“ Franziska küsste ihn „Nein, nein, nein! Nein, Hannes. Wir leben auch weiter. Du musst auch weiter leben! Kinder auf dieser Welt brauchen dich! Du bist ein Teil von uns. Du gehörst auch in dieses Haus. Komm zurück! Komm zu uns. Hannes, komm zurück zu ODHI. Du hast die Firma mit aufgebaut. Du kannst hier wohnen, dieses Haus ist auch dein Haus.“ „Bernhard, Franziska, ich danke euch. Es ist zu spät für eine Rückkehr.“ Bernhard schütteln den Kopf „Nein! Es ist nie zu spät. „„Wann musst du wieder weg und wo hin?“ Fragte Franziska. „Am 9. Januar geht es nach Kabul für zehn Monate.“ „Dann bleib noch so lange bei uns. Bitte!“
Montag 8. Januar 2007, 3.50 Uhr.
Der Wecker ging an und im Radio fing Freddie Mercury an zu singen:
Is this the real life?
Is this just fantasy?
Caught in a landslide
No escape from reality
Open your eyes
Look up to the skies and see
I’m just a poor boy, I need no sympathy
Because I’m easy come, easy go
A little high, little low
Anyway the wind blows, doesn’t really matter to me, to me
Mama, just killed a man
Put a gun against his head
Pulled my trigger, now he’s dead
Mama, life had just begun
But now I’ve gone and thrown it all away
Mama, oh oh
Didn’t mean to make you cry
If I’m not back again this time tomorrow
Carry on, carry on, as if nothing really matters
Too late, my time has come…
Freddy, wie recht du doch hast, sagte sich Hannes und schloss die Augen.
Mama i killed a man. Ist das das wirkliche Leben? Ist das nur Fantasie? In einem Erdrutsch gefangen. Kein Entkommen aus der Realität… Das wirkliche Leben, liegt begraben auf einem Friedhof in Thionville. Die Fantasie ist gestorben und es gibt kein Entkommen aus der Realität.
Die vier Uhr Nachrichten wurden gelesen:
„….beim Absturz einer zweimotorigen Turboprop- Maschine vom Typ ATR-72 nahe der Stadt Tjumen in Sibirien kommen 31 der 43 Insassen ums…“
Hannes stelle das Radio aus. Er hatte genug gehört und ging ins Bad. Er stellt sich unter das heiße Wasser in der Dusche und ließ es minutenlang über sich laufen. Wasser! Was hatte er mit Wasser für wunderbare Erlebnisse gehabt, wie gerne würde er in diese Zeit zurück gehen.
Um kurz nach 6 Uhr rief er nach Thionville an und verabschiedete sich von Bernhard und Franziska. Er danke für die letzten drei Wochen bei ihnen und versprach, sich regelmäßig zu melden und auch über eine Rückkehr zu ODHI nachzudenken.
Kurz vor 7 Uhr saß Hannes auf der Bank vor seinem Haus und trank noch eine Tasse Kaffee. Die letzten drei Wochen in Frankreich hatten ihm viel zum nachdenken gebracht und Stephane Dilbert wäre sehr erfreut, wenn Hannes in die Firma zurückkehren würde. In der Personalakte von Hannes lag Immer noch der mittlerweile 17 Jahre alte Vertrag zwischen ihm und UNICEF, den Stephane damals zu Hannes seinen Gunsten abgeändert hatte.
Es war ein schöner kalter Morgen im Januar 2007, als das Taxi kam.
Oliver Krause, einer seiner Kollegen aus seinem Team saß im Taxi. Beiden waren gute Freunde und hatten schon einige Einsätze zusammen gehabt. Oliver wohnte
circa 100 Kilometer von Hannes entfernt, am Mittelrhein. Er ist in diesem Einsatz Fahrer, Sicherheitsmann, Logistikoperator, Fuhrparkleiter und einer für alles.
Zu dem normalen Reisegepäck der beiden zählte bei Oliver noch ein Koffer mit einem XM8 Sturmgewehr von Heckler & Koch und eine USP Pistole von gleichem Hersteller. Und ein Koffer in dem ein Zielfernrohr des deutschen Herstellers Schmidt & Bender lag. Das 5-25×56 PMII Zielfernrohr hat ein Stückpreis von über 3000 Euro. Mit diesem Fernrohr ließen sich Ziele in bis zu 1500 Meter Entfernung zentimetergenau ins Visier nehmen.
Hannes hatte auch einen solchen Spezialkoffer als Gepäck dabei. Bei ihm war es ebenfalls ein H&K XM8 und gleiches Zielfernrohr. Die Pistole von Hannes war eine Halbautomatische Glock 17C. Sein Leica Geovid Hochleistungs-Fernglas mit einen Laserentfernungsmesser bis 1825 Meter, war in einer kleinen Tragetasche verstaut.
Hannes wollte nie eine Waffe tragen oder gar besitzen. Nur wäre er Lebensmüde, bei seinen Einsätze in Länder, wo Terror und Krieg alltäglich waren.
Die Koffer und sein Gepäck waren eingeladen und so konnte die einstündige Fahrt zum US Militärflugplatz in Ramstein losgehen. Da es äußerst kompliziert und viele Dokumente erforderte, Waffen von einem Land in ein anderes mitzunehmen, blieben oft nur Militärflüge.
US-Airbase Ramstein
Am Check Point der US-Air Base waren alle Anmeldungen, Papiere und Dokumente für den Flug schon eingetroffen, geprüft und genehmigt worden. Die Waffen wurden registriert und kamen in eine Spezialbox. Nach dieser Prozedur ging es weiter mit einem bereitgestellten Kleinbus zum Terminal der Air Base. Vorbei an der Housing, einem Kindergarten und vier, fünf kleinere Geschäfte, die alle mehr gesichert waren als das Bundeskanzleramt. Welche Angst muss der US-Amerikaner haben, wenn Kindergärten schon hinter fünf Meter hohen Zäune stehen, dachte Hannes.
Am Terminal angekommen, saß sein kleines Team schon in der Halle. Zu Beginn für diesen Einsatz hatte er ein minimales Team. Dies reichte auch für die ersten zwei Monate zu diesen Einsatz und Aufgaben völlig aus. Im April würde er über ein Team von mehr als 80 Personen bestimmen.
Hannes sah die brunetten Haare und drahtige Figur von Emily Collins. Emily ist gleich alt wie er. Sie ist Ärztin und eine unglaublich gute Chirurgin und darüber hinaus hochintelligent. Sie ist US- Amerikanerin und kommt aus Columbia, Missouri. Sie war bei dem letzten Einsatz in Kundus auch schon in seinem Team. Emily war vor einigen Jahren im Sudan bei Médecins Sans Frontières. Dort hatten sich beide kennengelernt.
Sein Freund und Bodyguard Marcel Chevalier kam auf ihn zu und drückt ihn fest an sich. Marcel ist Franzose, 42 Jahre alt, 1,85 Meter groß und durchtrainiert. Marcel war viele Jahre bei der Französischen Fremdenlegion und dort ein sehr guter Nahkampfkämpfer und Scharfschütze, wie es wohl keinen zweiten auf diesem Planeten gibt. Wer Marcel als Freund hat, braucht keine Feinde zu fürchten. Ein Eiskalter Killer und trotzdem eine gute Seele von Mensch. Er weint bei traurigen Zeichentrickfilme!
Rechts auf der Sitzgruppe saß Samuel Leville, auch Franzose, und hatte sein Tablet in der Hand. Samuel ist 44 Jahre alt und zweifacher Familienvater. Er stammt aus Montmarault. Samuel ist 1,80 groß, schlank und trägt einen Schnauzbart. Er hat fast immer eine Gauloises im Mundwinkel. Er ist sehr charmant und immer hilfsbereit. Samuel war als Schafschütze beim Französischen Militär in den Überseegebieten. Er ist als Scharfschütze paux excellence und zudem ein Computer- und Technikspezialist. Er kann sich in jedes Computersystem dieser Welt einloggen und wenn es sein muss, baut er aus einem Bügeleisen einen Zünder für eine Bombe. Samuel tötet ohne Skrupel und glaubt an Gott.
Eine blonde, schmale Frau erhob sich und reichte Hannes die Hand. Sie war der Neuzugang in seinem Team. Sabine Wagner, 29 Jahre alt und kommt aus Magdeburg. Sie ist Diplom Psychologin und soll für die kommenden Teammitglieder, wie auch für die Hotelgäste in Kabul zur Verfügung stehen, wenn diese durch irgendwelche Ereignisse psychologische Hilfe brauchen.
Für Sabine wird es der erste Einsatz sein und Hannes wollte sie nicht in seinem Team haben. Sie hatte durchaus sehr gute Noten und auch einige Qualifikationen. Ihr Foto auf der Bewerbung war das Problem. Seine Chefin und Projektleiterin für Zentral- und Südostasien hatte wochenlang mit ihm geredet, dass sie in sein Team sollte. Nun stand diese junge Frau aus Magdeburg mit ihren langen blonden Haaren, braunen Augen und schmaler Figur vor ihm und er rang um Fassung.
Hannes begrüßte mit einer freundlichen Umarmung die beiden Zivilisten die mit nach Kabul flogen. Stacey und ihr Mann Chris Peters aus Fort Lee, Virginia, kannte sich seit vielen Jahren aus Kambodscha. Die beide afroamerikaner waren wenige Jahre älter als er. Stacey war von Beruf Fotografin und Freie Journalistin. Sie wurde sogar mit dem Pulitzer-Prize ausgezeichnet.
Chris arbeitete immer noch als Bauingenieur und Gutachter für die Weltbank und nutze seit fünf Jahren das Sicherheitskonzept der Firma für sich, wenn es in Länder geht, wo seine Sicherheit gefährdet wäre.
Kurz vor 10 Uhr ging es mit einer größeren Gruppe von US-Soldaten zum boarding. Zu den Passagieren zählte noch eine zwanzigköpfige Gruppe in Zivilkleidung. Dies waren zweifelsohne Typen vom US- Geheimdienst.
Hannes nahm neben Sabine in der Boeing 737 platz. Er wollte sie während des Fluges über ihren ersten Einsatz in Afghanistan aufklären.
Der Flug von Ramstein nach Termez in Usbekistan dauerte sechseinhalb Stunden. In Termiz befand sich ein strategischer Lufttransportstützpunkt des Militär. Im Flugzeug war es ruhig und jeder hing seine Gedanken nach. Denn jedem in diesem Flugzeug war klar, wie gefährlich die nächsten Monate werden könnten.
Sabine sah zu Hannes „Darf ich Sie etwas fragen?“ „Natürlich. Aber lass das Sie weg, ich bin Hannes.“ „Ok. Ich kenne die Struktur von der Firma nicht so genau. Frau Walker hat mich dies bezüglich an Sie – dich, verwiesen.“ Da Sabine die Unterhaltungen begann, war es für ihn leichter gewesen einen Einstieg zu bekommen. „Die Struktur ist ganz einfach: Wir beschützen für eine Unmenge an Geld Menschen in Kriegs- und Kriegsgebieten.“ Sabine legte den Kopf zur Seite „Geht es vielleicht auch etwas genauer?“ Hannes nickte „Natürlich. Die Firma hat einen guten Namen, weil wir ein Rundumpaket für unsere Kundschaft anbieten. Wir schützen Industrieanlagen oder deren Neubau. Planen für alle möglichen Firmen Konzepte zur Sicherheit. Wie sollten und können deren Anlagen gegen Überfälle geschützt werden. Dabei steht immer der Schutz von Menschen an erster Stelle. Rebellen oder Milizen haben wenig Interesse daran, um zum Beispiel eine Erdölanlage zu sprengen. Entführung von Menschen bringt Geld – oftmals sehr viel Geld. Mit diesem Geld finanzieren die Gruppen ihren Terror. Vor vier Jahren wurde das erste Konzept für einen ganz neuen Zweig der Firma aufgebaut. In Kundus wurde ein Hotel gekauft und so umgebaut, dass es den größtmöglichen Schutz bietet. Einen hundertprozentigen Schutz gibt es nie.“ Sabine sah ihn gefasst an. „In einem gesicherten Hotel ist der Personenschutz um ein vielfaches höher, als in einem normalen Hotel. Nimm nur mal zum Beispiel Nigeria. Dort sind Mitarbeiter von einer Erdölfirma untergebracht. Vor dem Hotel steht ein- oder mehrere Wachmänner. Nun greift eine Horde Rebellen dieses Hotel an. Die wenigen Männleins die zum Schutz der Menschen und Gebäude abgestellt sind, haben gegen eine Horde von Bewaffneten gar keine Chance. Nun stürmt diese Gruppe das Hotel und nimmt mehrer Personen als Geisel. Pro Person wollen die Rebellen eine Million US-Dollar als Lösegeld haben. Du kannst dir ausrechnen, was die bei einem solchen Überfall verdienen. Schlimmer ist es, wenn diese Gruppen erst einmal ein paar Menschen erschießt, um ihren Forderungen mehr Druck zu geben. Daher dieses neue Konzept mit den gesicherten Hotels. Es minimiert das Risiko um ein vielfacher. Journalisten oder Mitarbeiter von Internationalen Firmen wohnen dort sicher und haben gleichzeitig den Personenschutz, wenn diese zu einem Meeting, Baubesichtigung oder zu einem Terroranschlagsort gebracht werden müssen.“ Sabine nickte „Frau Walker sagte mir, dass ich für die Gästen da sein werde, die psychologische Betreuung brauchen.“ „Ja, dies ist richtig. Ein Bauingenieur hat vielleicht in seinem Leben noch keinen Anschlag erlebt. Es muss ja nicht gegen seine Person gerichtet sein. Es reicht schon das diese Person es live mitbekommen hat. Viele Menschen können mit solchen Situationen nicht umgehen, weil sie zu labil oder nie so etwas erfahren haben. Es gibt auch Personenschützer die mit solchen Situationen nicht immer klar kommen. Es sind nicht alle Bodyguards Kampferprobte Männer und Frauen. Ein Team, dass eine Industrieanlage in Malaysia sichert, kommt selten in ein Feuergefecht. Ein Personenschützer in Mexiko, Südafrika oder Afghanistan schon eher. Daher brauchen auch solche Leute psychologische Unterstützung. Als Teamleiter hat man die Verantwortung für seine Leute. Nur ist ein Teamleiter nicht zwangsläufig ein Psychologe.“ „Ja, dass leuchtet mir ein.“ „Ein Freund von mir, kam mit den letzten zwei Anschlägen in Kunduz nicht zurecht. Er war Fallschirmjäger bei der US-Arme. Ein großer kräftiger Mann und hatte so einiges beim Militär erlebt. Grenada, Libyen, Jugoslawen, Irak, Somalia. Wir waren zusammen im Einsatz. In Afghanistan gab es zwei Anschläge. Einer war mit einer Autobombe auf unsere Unterkunft und der andere ein Beschuss auf unseren Konvoi von drei Fahrzeugen. Heute ist dieser Bär von Mann am Ende. Er kam mit all dem nicht mehr zurecht. Seine Frau bat mich, dass ich mit ihm reden sollte. Stundenlang, tagelang war ich bei ihnen im Haus. Ich kam als Freund – nicht als Chef. Seine Frau hat vieles getan und sich auch um Hilfe bemüht. Wenn er aber nicht bereit ist, einen Schritt zu gehen, kommt man an einen solchen Menschen nicht mehr heran. Da kann man noch so groß und stark sein, wie man will, wenn das Hirn am Ende ist, braucht man Hilfe um diese Erlebnisse irgendwie zu verarbeiten. Michael ist seit dem Freigestellt und Malcolm, der Direktor der Firma, gibt ihm immer mal wieder etwas Arbeit. So erstellt Michael nun von zu Hause aus kleinere Sicherheitskonzepte. Wir haben mit Michael einen guten Personenschützer verloren. Ob er jemals in den Einsatz zurück kann, ist fraglich.“ „Wie war das mit den zwei Anschlägen in Kunduz?“ Hannes musste überlegen was er nun Sabine sagen sollte, ohne sie gleich in einen Schock zu versetzen „Du musst jetzt keine Angst haben. Es war in einer Unterkunft, die gesichert war. Auf der Straße zündete ein Terrorist eine Bombe in einem Kleinbus. Die Splitter flogen auch auf das Gebäude, in dem wir waren. Durch die Spiegelschutzfolie an den Fenstern war der Schaden nicht so schlimm. Zerstört waren durch die Druckwelle zwar die Zimmer, aber Glassplitter flogen keine in die Räume. Es ist schon blöd, wenn man statt von einem Wecker von einer Bombe am Morgen geweckt wird.“ Hannes wartete auf eine Reaktion von Sabine. Da diese ihn weiter ansah, sprach er weiter „das zweite war ein Hinterhalt. Wir waren von Kabul auf dem Weg nach Ghazni. Bei Naw Abad wurde kurz vor dem ersten Auto eine IED – eine Sprengfalle, gezündet. Nach der Detonation wurde mit AK´s 47 auf uns geschossen. Wir schafften uns ins PRT von den Kanadier nach Ghazi. Außer den immensen Schäden an zwei von drei Fahrzeugen blieben alle unverletzt.“ „Du erzählst dies alles so, als ob es nichts besonderes wäre. Wie wenn meine Eltern erzählten, dass sie Sonntags von Magdeburg in den Harz gefahren sind.“ Er sah sie an und zog die Schultern hoch „In Afghanistan ist nun mal Krieg. Auch wenn dies keiner wahr haben will.“ Sabine sah in nachdenklich an.
Hannes nahm aus seinem Handgepäck einen recht dicken Ordner an Papiere und Dokumente und gab in ihr. „Sabine, für dich ist es der erste Einsatz in einem Kriegsgebiet. Den Ordner den du jetzt in deinen Händen hältst, ist die Transportliste der Waffen und Ausrüstung von Marcel, Oliver und Samuel.“ Er zog drei DIN A4 Blätter aus dem Ordner „das ist meine Liste. Damit du mal einen Vergleich hast, was die drei an Waffen und Ausrüstung mit sich schleppen. Dir wird nichts passieren, dass verspreche ich dir.“ Sabine legte den Kopf zur Seite „Wie war das: hundertprozentigen Schutz gibt es nie?“ „Punkt für dich. Das Hotel in Kabul ist sicher. Ich habe an den Baupläne mitgearbeitet und war beim letzten Einsatz bei den Bauarbeiten dabei. Ich habe ein Sicherheitskonzept erarbeitet, welches dieses Haus zu ein Festung macht. Natürlich kann ich nie einen Anschlag auf dieses Gebäude ausschließen, für deinen Schutz sind die besten Scharfschützen und Personenschützer in diesem Flugzeug, die die Firma hat.“
Informativ,beeindrückend,empathisch, berührend,danke!
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Dankeschön. Dies ist die Wahrheit über mein Leben.
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