Teil II 10 Kampang Rou / Sama

Europa rückt näher
„Your eyes show your heart“

Am Mittwoch, den 28. März rief Stephane an „Salut Hannes, wo treffe ich dich gerade?“ „Ich bin auf dem Weg zu Bauabschnitt 3 um dort die Strecke weiter zu vermessen. Heute morgen wurde in den einen Bagger von dem Unternehmer die Hydraulikpumpe eingebaut, ich bin mal gespannt, was Morgen defekt ist. Ich hoffe, dass wir wenigsten wieder ein paar Tage etwas arbeiten können. Nun stand vier Tage der Bagger auf der Baustelle. Ich ging schon von Wochen aus. Bei Arthur steht auch einer fest: Motorschaden. Die Arbeiter sitzen im Schatten und warten bis die Maschine repariert ist – was sollen sie auch sonst tun? Stephane, es macht kein Spaß. Nichts kann ich planen. Und nichts geht richtig voran.“ „Das ist alles sehr frustrierend.“ „Oh ja! Bernhard und Eliane haben endlich erreicht, dass die Rohre, Kies, Sand und Zement geliefert werden und hier sitzen die Arbeiter im Schatten. Eliane hat gleich 100 Kilometer in drei Größen bestellt. Wir wollen vor dem Monsun alle bestellten Leitungen an den Bauabschnitten und in den Ortschaften haben. Noch können die Lkw die Pisten ohne Probleme fahren. Gestern kam ein Lkw mit Rohre für die Hauptleitung zu mir, heute noch einer und morgen die nächsten Ladeung. Dann habe ich für 8 Kilometer Rohre. Diese Leistung wollte ich an vier Tag verlegen, bei dem Schrott kann ich mit vier Wochen rechnen. Für nächste Woche hab ich auch schon alles Bestellt was noch in den Ortschaften gebraucht wird. Alleine für die sechs Ortschaften um Kampang Rou brauche ich 20 Kilometer Rohre. Arthur braucht 25 Kilometer. Bei Bernhard sind es auch etwas in dieser Richtung. Der Rest ist die Hauptleitung oder die etwas kleinere Zuleitung zu den Zwischenpumpen. Da hört sich 100 Kilometer enorm viel an, ist aber auf die ganze Fläche gesehen nicht die Welt. Genug gejammert, du willst bestimmt nicht mit mir über Wasserrohre reden.“
„Non Monsieur, will ich nicht. Sei bitte am Freitag in Thailand. Du hast ein Treffen in Rayong bei Caterpillar“  „…..“  Bei Hannes setzte kurz der Herzschlag aus. „Hannes?“
„ Ja, ja. Ich bin da. Bin nur etwas Sprachlos.“ „Ich habe dir gesagt, ich kümmere mich darum.“ „Aha…Wow… Merci beaucoup. Warum soll ich dies machen? Bernhard ist der Projektleiter.“ „Er meinte, du hast mehr Ahnung von den Baumaschinen.“ „Aha. Was soll ich kaufen?“ „Weißt du nicht mehr deine Bestellung?“ „Hmmm. Na dann. Wir sehen uns nächste Woche. Kommst du nach Thionville oder soll ich zu dir kommen?“
„Ich komm zu euch. Au revoir.“

Ach du liebe Güte, nun sollte er auch noch die Bagger kaufen! Hannes hatte in seinem Leben noch keinen Bagger gekauft. Na ja, es wird nichts anderes sein, als bei einem Autohändler auch. Die Farbe von einem Bagger musste man schon mal nicht aussuchen.
Er sah, dass der Schrott von Kosal wieder lief, für wie lange?

In Kampang Rou ging er zu Patricia in die Schule. Er setzte sich an die Zeltwand und sah Frau Lefèvre beim Unterricht zu. Bei einer so schönen Lehrerin, wäre Hannes früher gerne in die Schule gegangen. Ihm fiel seine Grundschullehrerin Fräulein Weiß ein. Meine Güte, was warf sie so einiges durch das Klassenzimmer! Kreide war da noch Harmlos. Fingerzimbeln oder auch Becken genannt, flogen wie Ufo´s durch den Raum. Ja, was war die Schule früher noch schön. Heute würde sich kein Lehrer mehr trauen solche Gegenstände quer durch den Klassenraum zu werfen.

Patricia macht eine Pause für die Kinder. Sie kam zu ihm, setzte sich auf seinen Schoß und küsste ihn „Na, ma Chérie, was verschafft mir die Ehre eines solch hohen Besuchs in der Schule?“ Hannes nahm tief Luft, wie sollte er ihr jetzt die plötzliche Abreise beibringen? „Ooooch, ja…du…. ich…. komme dich mal besuchen… phu… du machst einen guten Unterricht…ja…. wollte ich dir nur mal sagen.“
Patricia legte den Kopf auf die Seite, da war er wieder! Den Blick denn er so liebte, ihr: Aha-geht’s noch? Jetzt ist er völlig irre! Du tust mir leid, Blick. „Kann es sein, dass du mir irgend etwas sagen möchtest?“ 
„Ooooch…. jaaa…du… da… phu…. Ja du, da wäre eine…. Kleinigkeit. Also,….ich sag mal so….phu… wwwiiiiiiir ….. müüüüüsten…. eeeetwas…. früher fliegen. Also, bald. Morgen wäre gut.“ Patricia riss die Augen auf „Ah…! Morgen? Du weißt welchen Tag wir heute haben?“ „Jaaaa….ist mir noch in Erinnerung.“ „Kannst du mir bitte erklären, warum wir morgen schon fliegen?“ „Ooooch, ich soll am Freitag 11 Bagger in Thailand kaufen. Dein Vater meinte ich sollte diesen Part übernehmen. Soooo… in etwa….also… Stephane meinte dies.“ Patricia legte den Kopf zur Seite und sah ihm fest in die Augen „So in etwa?“ Hannes verzog den Mund und biss sich auf die Lippen „Nee, bei ihm war es konkret.“  Patricia nickte gab im einen Kuss „Gut, dann gehen wir Bagger kaufen!“

Hannes wusste jetzt nicht, ob sie dies sarkastisch meinte. Er wollte auch nicht weiter darauf eingehen. Sein Anliegen war ihr nun bekannt. „Hast du auch eine genaue Anschrift in Thailand?“ „Oui Madame. Bei Caterpillar in Rayong. In U-Tapao ist ein Flughafen. Dann müssten wir von Phnom Penh mal kurz dort hin fliegen und dann weiter nach Bangkok.“ „Gut. Fliegen wir. Kümmere dich um die Tickets – bitte.“
Patricia gab ihm einen Kuss „Ich hab dich lieb, auch wenn es doch sehr überraschend kommt.“ „Es tut mir leid. Ich weiß nicht, warum dies nun so eilig ist. Ich hatte lediglich bei Stephane den Wunsch geäußert, was wir hier bräuchten. Ich dachte er würde dies alles in die Hand nimmt. Tut mir leid, Prinzessin. Ich kann auch mit deinem Vater alleine fliegen und du kommst nächste Woche nach Bangkok.“ „Non. Wir fliegen gemeinsam.“

Nun war es an der Zeit Abschied zu nehmen. Hannes ging zu Nescha um ihr zu sagen, dass sie morgen schon weg müssten. Ganz erschrocken sah sie ihn an „Ist etwas mit Patricia? Hannes!“ „Nein. Nein. Ich muss am Freitag in Thailand sein, um Bagger zu kaufen. Mit Patricia ist alles gut.“ „Gott sei dank! Mir blieb für einen Moment das Herz stehen.“
„Entschuldigung, ich wollte dich nicht erschrecken. Wie lange bleibst du noch in Kambodscha?“ „So lange ich noch keinen freien Studienplatz habe, bleibe ich hier. Bei Reto kann ich sehr viel lernen und ich brauche mir keine Aushilfsjobs in der Schweiz oder Deutschland zu suchen, wo ich doch nicht das machen kann, was ich studieren möchte und muss mir keine WG mit fremden Leuten teilen. Dann doch lieber hier. Ihr kommt doch auch bald wieder, oder?“ Hannes nickte „Wir kommen bald wieder. Wir haben keine Familien die auf uns warten. Ich denke das wir spätesten in zwei Monate wieder in Kambodscha sein werden. Dann hoffentlich mit Verstärkung.“ „Das wäre cool. Ich hatte mich schon einmal angeboten zu helfen und dies werde ich auch machen.“ „Danke meine liebe Nescha, du weißt, wie froh Patricia über deine Hilfe ist. So, ich sag deinen Kollegen auch noch bescheid.“

Hannes rief Eliane im Büro an und sagte ihr, dass er für morgen Tickets bräuchte. „Ist alles schon erledigt. Stephane rief mich vorhin an und sagte es mir.“ „Eliane, du bist ein Schatz. Wir sehen uns morgen Mittag im Büro.“

Nolan machte ihm noch ein paar Sorgen. Zuerst wollte er aber mit Asger reden.
„Hannes, mach dir keine Sorgen, wir sind hier. Wir passen auf ihn auf. Du kommst ja wieder. Kauf vernünftige Bagger.“ „Ich werde mich bemühen.“ „Du klingst so traurig. Was ist los?“ Hannes zog die Schultern hoch und sah diesen Hünen von Mann an „Ich weiß nicht ob ich mich freuen soll.“ „Für Bagger zu kaufen?“ „Quatsch. Es geht nicht um die Bagger. Ich weiß nicht was ich in Europa soll. Hier die Arbeit gefällt mir. Ihr alle seid klasse und meine Freunde. Ich verspüre noch nicht einmal Heimweh. Asger, ich kann dich immer mehr verstehen.“

Sie setzten sich auf die Ladefläche vom Pickup. „Hannes, es freut mich, wenn du nach diesen drei Monate so denkst. Ich mag dich sehr und sehe in dir meinen Sohn. Ich weiß, dass wir am Anfang einige Differenzen hatten und ich sah auch meine Fehler ein. Da kommt ein 20-jähriger daher und krempelt alles um.“ Hannes protestierte sofort „Asger, bitte…“ „Nein. Lass mich ausreden. Du hast uns allen einen völlig anderen Blick gezeigt und dieser war gut! Du bist nicht voreingenommen und hast trotz Widerstand an Liun und sein Wasserrad geglaubt. Die Party hat gezeigt, wie sehr du geachtet und respektiert wirst. Wir alle hatten die richtige Entscheidung getroffen. Der Grünschnabel vom Januar geht übermorgen 11 Bagger kaufen. Respekt.“ Hannes sah Asger fragen an „Asger – welche Entscheidung?“
„Ähh…. das du Bagger käufst.“ „Dies kam von Stephane. Ich kann mich erinnern, dass die Teamleiter bei der Besprechung für die neuen Baumaschinen dabei waren. Gerne kannst auch du morgen nach Thailand fliegen.“ „Nö, nö. Mach du dies ruhig. Du kannst dies besser als ich.“

Hannes sah diesen Hünen an und wusste, er verheimlicht ihm etwas. „So, ich mach dann mal weiter. Du hast ja auch noch etwas zu tun.“ 
Hannes nickte und dachte an Nolan. „Ich rede jetzt mit Nolan. Wo ist er überhaupt?“ „In Sama, dort ist soweit alles fertig angeschlossen und verlegt. Nun geht es mit der Zuleitung nach Kampang Rou. Ich denke wir sollten auch eine Pumpe zwischen Kampang Rou und Khsaetr einplanen.“ „Ja, auf jeden Fall. Wir müssen noch so vieles bauen, was gar nicht in dem Projekt vorgesehen ist. Die Ausläufer vom Dongrek-Gebirge kommen noch. Bis dahin brauchen wir auch Starkstrom für die Pumpen in der Region –
oder Cees und Luan bauen noch ein Dutzend Wasserräder.“

Mit dem Pickup fuhr Hannes die 6 Kilometer nach Sama. Sangkhum hatte er auf die Ladefläche gestellt. Dieses Rind war wirklich bescheuert – oder er. Cleo fiel ihm ein. Würde Sangkhum auch einen Baum aus dem Wald schleppen um diesen zu apportieren? Bei diesem Rind würde ihn auch dies nicht mehr wundern.
Sangkhum fuhr gerne mit ihm Auto. Sie sprang ohne Probleme die 70 Zentimeter mit dem Vorderbeine auf die Ladefläche. Hannes half ihr mit dem Hinterbeinen noch etwas nach. Sangkhum ging auf der Ladefläche nach vorne an die Personenkabine und drücke sich mit ihrer Brust an das Blech von der Rückwand. Sie stelle sich breitbeinig hin und war für die Fahrt bereit. Sie muhte und wedelte mit dem Schwanz.
„Madame, du hast schon eine Macke. Ist dir dies klar? Dann auf nach Sama.“
Hannes ging am Pickup vorbei und streichelte ihr das linke Vorderbein. Sangkhum wedelte mit ihren langen Ohren. „Ist schon gut Kleine. Wir fahren jetzt spazieren. Hier hast du noch ein Stück Mango.“
Hannes musste über sich selbst lachen. Wenn seine Karriere in der Humanitären Hilfe nicht mehr laufen würde, könnte er mit Sangkhum zum Circus Krone gehen.

Am Ortsrand von Sama sah er schon den Bagger und einige Männer am arbeiten.
Hannes parkte den Pickup wenige Meter hinter dem Bagger und ließ Sangkhum von der Ladefläche. Mit seiner Tierischen Verstärkung ging er zu Nolan an den Bagger. Natürlich musste Sangkhum von den Arbeiter zuerst begrüßt und gestreichelt werden.

„Nolan, mach das Ding mal aus. Ich muss mit dir reden.“ Nolan dachte sofort, er hätte etwas falsch gemacht. „Nolan, ich muss morgen schon weg. Ich habe am Freitag einen Termin bei Caterpillar in Thailand. Ich weiß, dies kommt alles etwas schnell und unerwartet. Ich hatte auch erst vor zweieinhalb Stunden diese Nachricht bekommen.“ In Nolans Augen sah er Panik aufsteigen. „Ich habe mit Asger gesprochen, er ist für dich da, genauso Mareile. Ich rede auch noch mit Cees. Ich gebe dir meine Mobilfunknummer und auch die Nummern von Frankreich, wenn irgend etwas sein sollte – ruf mich an. Mach dir um die Zeitverschiebung keine Gedanken. Ich komm bald wieder nach Kambodscha. Ich denke wir sind Anfang Juni wieder hier. Du bleibst in meinem Team, dies habe ich dir versprochen. Arthur ist mit Nhean sehr zufrieden. Nhean hat es von Bauabschnitt 2 auch nicht so weit nach Hause. Also wird er wahrscheinlich nicht mehr zu uns ins Team kommen. Ich sprach vorhin mit Mareile und sagte ihr, dass ihr beide für ein paar Tage wegfahren solltet.“ „Wie wegfahren?“ „Macht mal Urlaub und fahrt nach Kampot, Kep oder Sihanoukville ans Meer. Ihr könnt mit meinem Auto fahren. Bis nach Sihanoukville sind es ungefähr 550 Kilometer. Ich rede mit Asger, dass er uns nach Phnom Penh fährt, dann wäre mein Auto hier bei euch.“
Nolan stand der Mund offen „Ist, …ist das dein ernst?“ „Ja! Du hast Anspruch auf Urlaub. Wir können nicht immer nur arbeiten, auch wir sollten eine Zeit für uns haben.“ „Du bist ein cooler Chef.“ „Bin ich nicht! Asger ist der Teamleiter und Bernhard der Projektleiter.“ Der Blick von Nolan sprach Bände. „Nolan, sollte ich irgend etwas wissen?“ Sofort kam von ihm die Antwort „Nö. Also gut.“  „Wo sind Cees und Luan?“ „Die wollten hier im Ort einen Brunnen bauen. Wo genau das ist, weiß ich nicht.“ „Einen Brunnen? Na denn! Ich werde sie schon finden. Sangkhum komm. Wir gehen spazieren.“

Mit dem Rind ging er durch den Ort Sama. Die Bewohner winkten ihm zu und grüßten freundlich. „Hast du meinen Mitarbeiter aus Europa gesehen?“ Fragte er einen älteren Mann, der vor sein Hütte saß und eine Zigarre rauchte? Wobei es sich bei dem Duft nicht nur um Tabak handelte. Der Mann schüttelte den Kopf.

Zwei Hütten weiter fragen er eine Frau, die ihr Kleinkind mit Klebereis fütterte. Auch sie konnte ihm nichts über seine Kollegen sagen. Hannes gab es auf die Bewohner nach dem Verbleib seiner Kollegen zu fragen. „Such, such, Sangkhum. Such Cees und Luan. Such schön. Ich denke du kannst 8 Kilometer weit reichen. Nun sind wir schon 6 Kilometer gefahren. Jetzt enttäusch mich nicht.“
Sangkhum sah ihn mit ihren schönen großen schwarzen Augen an. Er gab ihr einen Kuss auf die Blesse und streichelte ihren großen Kopf. „Sangkhum, du Rindvieh, wir sind schon ganz schön bescheuert. Das du mir auch schön brav bist, bis ich wieder komme. Ja?“ 

Beide gingen weiter durch den Ort auf der Suche nach seinen Mitarbeitern. Sangkhum ging nach rechts auf eine Hütte zu, wo eine Frau im Schatten saß und Kleider nähte. Einen Meter neben der Frau stand ein Teller mit Wassermelonen.
„Sangkhum! Lass es! Nein! Nicht!“ Zu spät. Sangkhum bedienen sich an dem Teller mit Wassermelonen. Die Frau lachte und sagte, es sei in Ordnung. Hannes war es peinlich und er schimpfte mit dem Rind.

„Borsa mneak del mean ko, es ist alles gut. Deine Kuh weiß was gut schmeckt. Komm, setzt dich zu mir.“ „Sehr gerne. Ich suche meine Mitarbeiter.“ „Wenn du sie jetzt noch nicht gefunden hast, hat es auch noch etwas Zeit. Komm, setzt dich zu mir.“

Die Frau rief ihre Tochter, sie solle Wasser und noch Wassermelonen für den Besuch bringen. Wenige Augenblicke später kam ein Mädchen mit einem großen Plastikbecher Wasser und einem Teller Wassermelonen aus dem Haus. Hannes kannte das Mädchen von der Schule. Sie verbeugte sich vor ihm und gab ihm den Becher Wasser und den Teller mit den Melonenstücken.
„Arkoun chraen – vielen dank“ sagte Hannes zu dem Mädchen. „Ich kenne dich von der Schule. Wie gefällt es dir dort?“ „Sehr gut. Die Lehrerin ist sehr nett. Ich möchte viel lernen.“ Hannes nickte „dies wirst du auch. Was kannst du den schon?“ „Ich kann schreiben, lesen und rechnen.“ „Sehr gut. Willst du es mir mal zeigen?“
Bei der Frage von Hannes leuchteten die Augen von dem Mädchen. Sofort kniete sie sich hin und schrieb mit dem Finger im Sand: Haus, Baum, Sonne, Kuh, Hund und Hahn.
Dann schrieb sie ihren Namen: Pheary. 10 Jahre. „Sehr gut. Pheary, ist ein schönen Name.“

Die Mutter schickte die Tochter nochmals in die Hütte um zwei andere Farben Stoff zu holen. Hannes sah auf den Stoff, der auf ihren Beinen lag und etwas kam ihm komisch vor.
Pheary brachte zwei Stoffballen in rot und blau vor die Tür.
Die Frau merkte, dass er auf ihre Beine schaute und zog den Stoff weiter über die Beine.
„Was ist los? Was hast du – oder was hast du nicht?“ „Nichts. Ich habe Stoff auf meinen Beinen liegen.“ „Sehe ich. Sagst du es mir oder soll ich deine Tochter fragen?“ Die Frau legte den Stoff aus ihren Händen und sah Hannes an. Er erwiderte ihren Blick und wartete auf eine Antwort. Sie sah zu Boden und hob dann den Stoff hoch. Hannes sah links den Stumpf von dem was mal ein Bein war. Der Oberschenkel war stümperhaft operiert und oberhalb wo einst das Knie war, sah er braunes Fleisch. Sie sah ihn traurig an. Er nickte „Und das rechte Bein?“ Sie legte den Stoff rechts neben sich zur Seite und schaute ihn wortlos an. An ihrem rechten Bein war der Fuß und gute 30 Zentimeter vom Unterschenkel nicht mehr da. Ihr kamen die Tränen.
Hannes nahm sein Mobiltelefon und drückte auf die Schnellwahltaste. „Reto? Hast du gerade Zeit?…Gut! Komm nach Sama – sofort! Ich bin bei einer Frau die starke Nekrose nach Beinamputation am linken Oberschenkel hat. Ich bin ziemlich in der Mitte vom Ort. Du findest mich. Sangkhum ist auch hier. Bring Nescha oder Mareile mit – schnell.“


Die Frau sah Hannes an, sie verstand nicht was er ins Telefon sagte.
„Wie ist dein Name?“„Ahtchu.“ „Okay. Ahtchu, ich rief eben den Doktor in Kampang Rou an. Er kommt gleich hierher gefahren. Du brauchst Hilfe. Dein Bein sieht nicht gut aus.“ „Borsa mneak del mean ko, ich weiß. Ich habe aber kein Geld für den Doktor.“ „Mach dir um Geld keine Sorgen. Wo und wann ist dies passiert?“ „Vor drei Jahren. Wir hatten Felder für Gerste, Hafer und Zuckerrohr bei Khsaetr. Wir waren am ernten und dann….“ Ahtchu fing an zu weinen. „Du musst nicht weiter reden. Ich kann es mir vorstellen. Dein Mann?“ Ahtchu schüttelte den Kopf. Hannes sah zu Pheary „Dein einziges Kind?“ Ahtchu nickte.

Reto kam mit Nescha vorgefahren. Hannes bat Ahtchu doch bitte den Stoff zur Seite zu legen. Nescha machte sich sofort an die Wunde von Ahtchu und Reto sagte ihr, dass er sie mit nach Kampang Rou nehmen werde und dort festzustellen, was er machen könnte oder ob sie ins Krankenhaus nach Svay Rieng gebracht werden müsste.
„Was ist mit der Tochter? Der Vater lebt nicht mehr.“ „Hannes, da findet sich eine Lösung“ sagte Reto knapp. Hannes nickte „Pheary? Hast du Verwandtschaft wo du die nächsten Tage bleiben könntest?“ Pheary fing an zu weinen. „Du musst nicht weinen. Deine Mama wird in dem Zelt neben der Schule versorgt. Ihr wird es bald besser gehen. Ahtchu? Gibt es eine Unterkunft für deine Tochter?“ Sie schüttelte den Kopf. Mittlerweile kamen einige Nachbarn an die Hütte von Ahtchu und sahen, wie schnell Nescha und Reto arbeiteten. Hannes fragte in die Runde, ob sich jemand in den nächsten Tagen um Pheary kümmern könnte. Eine Frau von Mitte 30 sagte, sie würde sich um die kleine kümmern. „Ahtchu, ist dies in Ordnung für dich?“ „Ja. Ja, ist es. Thida wohnt schon immer hier“  sagte Ahtchu unter Tränen. „Okay. Gut. Ist das geklärt. Reto?“ Reto nickte „Abfahrt. Wir sehen uns später. Danke Hannes.“

Mit Thida und Pheary saß er vor dieser fremden Hütte und musste dem Kind nun einiges erklären.
„Pheary, deine Mama bekommt nun Hilfe. Ihr Bein ist entzündet und muss sauber gemacht werden. Thida passt auf dich auf. Deine Lehrerin und ich müssen morgen zurück nach Europa fliegen – wir sind aber bald wieder da. Wenn du zu deiner Mama möchtest, sprich die Bauarbeiter aus Europa an. Sie werden dich zu deiner Mama bringen. Hast du dies verstanden?“ Das Mädchen nickte.

Aus Richtung Kampang Rou kam ein Jeep vom Militär gefahren. Hannes signalisierte dem Fahrer anzuhalten. Zwei Soldaten und ein Unteroffizier stiegen aus dem Fahrzeug.
„Euch schickt der Himmel.“ Hannes erklärte den drei Männern die Situation und bat diese auch um Hilfe „Schaut euch in der Hütte um. Entsorgt bitte den Müll und Unrat in der Hütte. Fahrt danach nach Kampang Rou und bringt Essen für das Kind.“ Die Männer nickten und machten sich sogleich an die Arbeit.
„Pheary, diese Soldaten sind Freunde von uns. Du brauchst keine Angst zu haben.“
Hannes musste nun endlich Cees und Luan suchen gehen „Pheary, wir sind hier um euch allen zu helfen – auch deiner Mama.“ „Borsa mneak del mean ko, ich weiß. Ihr seid gute Menschen.“

Nach 10 Minuten bei fast 40° fand er das kleine Team um Cees außerhalb von Soma an einem Hang.
„Na, Jungs wie läuft es?“ „Alles super! Wir machen uns Gedanken über einen Brunnen.“ Hannes sah Cees und Luan fragend an „Einen Brunnen? Noch kann ich ein Loch von einem Rad unterscheiden. Wo soll der hin?“ „30 Meter nach recht.“ Hannes schaute Cees sehr irritiert an „Wo ist das Wasser?“ „Da wo du jetzt stehst.“ „Cees, hast du etwas aus dem Coffee Shop geraucht? Da ist kein Wasser!“ „Doch.“ „Woher willst du wissen, dass da Wasser ist?“ „Der Boden ist feucht.“ „Der Boden ist feucht? Kanne es sein, dass dies an der Luftfeuchtigkeit von 185% liegt? Wenn es regnet ist der Boden auch feucht.“ „Dann bemühe dich und gehe den Hang hoch. Dann siehst du das Wasser.“ „Aha, sollte ich bei einer Backofentemperatur den Mount Everest besteigen?“ „Sind wir heute gereizt? Dies ist ein Hügel und nicht der Mount Everest und an 38° könntest du mittlerweile gewöhnt sein.“ „Ein Niederländer erklärt mir den Höhenunterschied von einem Hügel und einem Berg! Na toll! Das höchste bei euch sind die Deiche an der Nordsee. Und selbst dort geht ihr nicht rauf, sondern lasst den Schafen den Vortritt. Aber wenn Herr Käseroller meint, dass dies ein Hügel ist, werde ich diesen jetzt erklimmen.“ „Godverdomme Duits.“ „Das hab ich gehört!“ „Ich weiß. Könnte Absicht gewesen sein. Ich geh auch mit dir. Bist du dann zufrieden?“ „Geht doch.“

600 Meter einen Hang hoch zu gehen bei 38° Celsius und einer Luftfeuchtigkeit von 250% kam einem Suizid gleich.
„Siehst du, selbst Sangkhum kommt bei dieser Luftfeuchtigkeit von 380% nicht den Berg hoch. Das Rindvieh hat recht und ich blödes Rindvieh besteige bei 80° im Schatten den Mount Everest. Mir kommt es vor als ob wir zum Erdmittelpunkt laufen und nicht dem davon. Godverdomme hitte!“ „War heute morgen dein Kaffee schlecht oder die Milch sauer? Du bist heute sehr gereizt.“

Hannes blieb stehen und sah den großen Niederländer an „Cees, ich muss dir etwas sagen.“ Hannes erzählte Cees von der letzten halben Stunde und seine Angst vor Landminen. Cees nickte „Ich verstehe dich sehr gut. Ich blende diese Gedanken aus- oder versuche es zumindest nicht daran zu denken. Es klappt auch nicht immer. Das Mädchen ist nach deinen Worten bei Patricia in der Schule. So ist es doch in der Nähe der Mutter und über den Tag in der Schule versorgt.“ „Eben nicht. Ich fliege morgen nach Thailand. Ich soll am Freitag bei Caterpillar in Rayong ein paar Bagger kaufen.“ „Wow. Dies wusste ich nicht. Ist jetzt eine blöde Situation. Das mit den Bagger bekommt du hin. Ist ja keine große Sache.“ „Cees! Keine große Sache? Weißt du über welche Summe es sich dabei handelt?“ Cees nickte „Ja und?“ „Wie, ja und?“ Cees sah Hannes schweigend an. „Was weißt du was ich nicht weiß?“ Cees zog die Schultern hoch. „Verdammt noch mal! Du Käseroller,  jetzt sag endlich was los ist. Asger eierte vorhin auch nur herum.“ „Du bekommst die Gesamtleitung. Sag nur du weiß dies nicht?“
Hannes sah Cees an, als ob sich in dem Moment der Boden auf tat. „Was redest du da?“ „Haben wir so beschlossen.“ Hannes zog die Augenbrauen zusammen „Cees, wer ist wir?“ „Alle. Alle aus den Teams. Deine Freundin weiß es auch. Sie war doch dabei, als wir dies beschlossen hatten.“ „Aha! Wann wurde dies beschlossen?“ „Am Samstag auf der Party. Patricia hat dir nichts gesagt?“ Hannes schüttelte den Kopf „Jetzt verstehe ich den Satz, denn sie vorhin sagte: „was verschafft mir die Ehre eines solch hohen Besuchs in der Schule?‘ Dieses Bist! Im Übrigen könnt ihr beschließen was ihr wollt, das letzte Wort hat immerhin noch Jean und Stephane.“„Die wissen es doch!“ Kam es trocken von Cees. „Na dann. Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.“

Endlich waren sie an dem Quellmund angekommen. Die 13.000 Kilometer über die Eiger-Nordwand waren bei einer Hitze jenseits des Siedepunkt eine Qual für ihn. Hannes zog sein T-Shirt aus, tränkte es in dem Wasser und wrang es über seinem Kopf aus. „Was für eine Wohltat. Wo läuft das Wasser hin? Nach ein paar Meter sehe ich es nicht mehr. Soll dies hier ein Karstgebirge sein? Ich dachte ihr wolltet ein Wasserrad in dem Ort bauen, nun einen Brunnen?“ „Es sieht danach aus, dass hier in dem Gebiet Wasser ist.“ „Cees, dreh dich um, dann siehst du dein Wasser.“ „Hier ist Wasser! Hier in dem Gebiet ist Wasser.“ „Ja, nach drei Meter ist dein Wasser verschwunden. Frag mal den Copperfield wo es ist. Cees, bei einem Karstgebirge, kann es sein, dass das Wasser 100, 200 oder mehr Meter in die Tiefe geht.“ „Hannes, nun schau dich hier mal um und sag mir was du bei deiner Luftfeuchtigkeit von 380% siehst. Oder ist diese Luftfeuchtigkeit schon in deinem Hirn angekommen?“ „Käseroller.“ Cees knuffte ihn gegen den Oberarm.
„Also gut, ich sehe das Gelände ist links und rechts von uns grüner. Die Vegetation ist eine andere als 300 Meter weiter links oder rechst. Ich sehe einen Keil in der Landschaft – wenn auch nur gering. Der Keil geht bis weit in den Wald und wahrscheinlich den Berg hinunter. Die Bäume sind in dem Keil dicker und saftiger grün.“ Cees nickte eifrig. „Wasser! Hier ist genügend Wasser im Boden und keiner merkt es!“ „Warum ist unten im Tal dann alles Staubtrocken?“ „Kann es sein, dass das Wasser 100, 200 oder mehr Meter in die Tiefe geht? – Deine Worte, Hannes. Hier ist ein riesiger Wasserspeicher, aber durch die Struktur von den Sedimenten läuft das Wasser in eine andere Richtung. Denkbar nach Westen, im Osten kommt das Gebirge.“ „Leuchtet mir alles ein. Wie willst du einen Brunnen bohren? Wir haben Bagger, da ist bei 10 Meter Tief Schluss.“ „Kauf noch einen Bohrer.“
Hannes riss die Augen auf „Einen Bohrer? Ich kaufe nicht auf Verdacht einen Bohrer für eine viertel Million Dollar. Selbst als Chef der Gesamt- Gesamt- Gesamtleitung nicht!“ „Nun komm mal auf die Erde zurück. Ich weiß – fällt dir bei 380% Luftfeuchtigkeit nicht leicht. Denk mal nach welche Möglichkeiten mit einem Bohrer machbar sind?“ „Ein Loch zum Erdmittelpunkt zu bohren und den ganzen Müll aus Kambodscha verdampfen zu lassen?“ Sagte Hannes sarkastisch. „Auch. Ich hatte an ein anderes Element als Feuer gedacht.“ „Käseroller. Wir sind keine Geologen. Natürlich sehe ich die Beschaffenheit der Umgebung. Ich kann aber nicht sagen, wie die Struktur von dem Boden unter uns in 80 Meter Tiefe aussieht – und du auch nicht! Wenn es unter uns wirklich deinen Wasserspeicher gibt, könnten Brunnen diesem Tal ein ganz neues Gesicht geben. Da stimme ich dir zu.
Ich mache dir einen Vorschlag: ich bin nächste Woche in Frankreich und werde mich mit einem Geologen treffen und Karten über dieses Gebiet suchen und auswerten. Ist das ein Wort?“ Cees sah ihn nachdenklich an „Hmmm.“ „Cees, ich kann nicht einfach so einen Bohrer kaufen. Ups, ich hab ich mich bei der Bestellung vertan. Ich wollte doch einen Bagger kaufen. Bo und Ba sind ja auch sehr ähnlich. Ich verspreche dir, ich kümmere mich darum. Wenn ich Fachleute gefragte habe und ich eventuell auch eine Bestätigung deiner Theorie bekomme, werden wir bohren. Dann sei du dir gewiss, dass du dieses Gerät auch bedienst. Wir haben schon Probleme Baggerfahrer zu finden. Ein Bohrer ist wieder etwas völlig anderes. Okay?“
Cees nickte zustimmend „Okay. Und hier ist Wasser!“ „Ja. Wird auf dem Mars auf vermuten.“ Cees boxte Hannes erneut gegen den Oberarm.

Sangkhum war etwas bockig und wollte nicht auf die Ladefläche steigen. „Das nächste mal bleibst du zu Hause. Auf die Rückbank passt du nicht“ sagte Hannes, als er die Bordwand vom Pickup schloss.

Auf dem “Europa Platz“ war das Gelächter groß, als Sangkhum von der Ladefläche sprang. Sie ging auf direktem Weg zur Feldküche um sich ein Stück Mango abholen. „Bockig sein, dann aber Leckerli haben wollen“, rief er ihr hinterher.

Hannes ging zu Nescha und sah sie fragend an. „Ahtchu hat eine feuchte Nekrose. Wir vermuten, dass diese schon seit mindestens einem halben Jahr so ist. Ahtchu stand vor einer lebensbedrohlichen Sepsis. Wir haben das nekrotische Gewerbe soweit entfernt. Ihr Wunde ist jetzt offen und wir werden sehen, wann wir zu nähen. Hannes, sie hatte unglaubliches Glück, dass du bei ihr warst.“ „Sangkhum war zu ihr gegangen und aß bei ihr die Wassermelone.“  „Dann ist dein Rind die Lebensretterin.“ „Offensichtlich. Nescha, ich wäre an Ahtchu vorbei gegangen ohne ihr zu helfen.“ Ihm kamen die Tränen. „Hannes! Du konntest es doch gar nicht wissen. Du hast aber sofort und richtig gehandelt! Bitte, mach dich jetzt nicht verrückt.“ Nescha nahm ihn in die Arme und drückte ihn fest.

„Hallo Frau Lefèvre, ich hätte da mal eine Frage…“ sagte Hannes, als er in die Schule zu Patricia ging. „Oui, ma Chérie?“ „Warum macht ihr dies mit mir?“ „Je ne sais pas ce que tu veux dire?“ „Doch! Du weißt was ich meine! Wer kam auf die Idee, dass ich die Gesamtleitung bekommen sollte? Und bitte lass diesen Unschuldsblick weg.“ „Ma Chérie, wer sollte es denn sonst machen?“ „Asger ist der Teamleiter von uns. Arthur ist der Teamleiter an Bauabschnitt 2. Roman und Eliane sind mit deinem Vater für die Gesamtleitung da.“ „Du bist der Teamleiter von Bauabschnitt 3. Hast du dies vergessen?“ „Nein! Ihr habt auch dies einfach beschlossen ohne mich überhaupt zu fragen. Asger hat dies bis heute nicht bestätigt. Und solange er dies nicht tut, bin ich auch kein Teamleiter. Nun setzt ihr noch einen obendrauf! Auch da hätte man mich zumindest mal fragen können.“
„Hätten wir. Wie wäre dann deine Antwort gewesen?“ „Nein!“ „Oui. Darum haben wir – also die anderen, dich nicht gefragt.“ Hannes nahm tief Luft und sah diese wunderschöne Frau an. Es machte keinen Sinn in dieser Sache mit ihr weiter zu diskutieren. Er setzte sich in die erste Reihe der Schule und versuchte seine Gedanken einzuordnen. Bagger kaufen, Gesamtleitung, Ahtchu, Bohrer für Cees, Nolan und Landmienen.

Patricia setzt sich zu ihm und umarmte ihn.
„Patricia, ich kann dies nicht! So ein großes Projekt, kann ich nicht leiten. Warum macht dein Vater dies nicht weiter? Warum nicht jemand anderes?“ „Ma Chérie, du leitest doch schon die ganze Zeit und merkst es gar nicht. Papa ist ja noch da, du bist doch nicht alleine.“ Hannes sah Patricia durchdringend an „Wie? Bernhard ist noch da. Verstehe ich jetzt nicht.“ „Papa wird im Juni nicht mit und nach Kambodscha zurück fliegen.“ „Aha. Und seit wann weißt du dies?“ „Seit Samstag. Komm, wir fahren nach Hause. Ich möchte noch etwas zum essen kaufen für heute Abend. Wir sollten noch alle zusammen kommen.“ „Oui, gute Idee. Ich bringe Sangkhum noch auf die Weide.“

Patricia fuhr vom “Europa Platz“ und viele Mitarbeiter und Soldaten winkten zum Abschied. Patricia und Hannes hatten Tränen in den Augen. Schweigsam fuhr sie den Pickup durch den Wald den Berg hinunter in Richtung der Piste 334.

„Ich hätte nie gedacht, dass mich diese Menschen so berühren. Was hast du deinen Schüler gesagt?“ „Wir kommen wieder. Die Kinder hatten geweint, es fällt auch mir sehr schwer.“ Sie nahm seine Hand und gab ihm auf den Handrücken einen Kuss. Mit der linken Hand wischte sie sich die Tränen weg.

Patricia kaufte Fisch zum Abendessen. Drei Eimer Schlangenkopffische. Der Name ist eigentlich schlimmer als es wirklich ist. Sie wollte die Hälfte der Fische gegrillt und die anderen gekocht haben. Dazu Klebereis und Papaya Salat. Die Frauen in der Hotelküche würden alles so machen, wie Patricia es wünschte.

Auf dem Hotelzimmer packte Patricia eine kleine Tasche mit Kleider für die nächsten Tage in Thailand. Der Rest an Kleider, Schuhe und Hygieneartikel blieb im Zimmer.

Sie lagen eng zusammen auf dem Bett. Die Lamellen der Klimaanlage bewegten sich auf und ab. Wie konnte man sich in einem viertel Jahr an so vieles gewöhnen? Die Schwüle vom den ersten Tagen wurde mit der Zeit gar nicht mehr wahr genommen. Der Staub war das einzige, was wirklich nicht schön war. Nach dem duschen war man ein anderer Mensch.

„Ich möchte wieder so eng mit dir tanzen, wie am Samstag. Wir haben in der ganzen Zeit, die wir uns kennen, noch nie so zusammen getanzt.“ Sie drehte sich auf ihre linke Seite und gab ihm einen langen Kuss „Wir haben so vieles noch nicht gemacht seid wir uns kennen. Was wir aber gemacht habe, war das beste in meinem Leben. Du bist das Beste in meinem Leben. Komm, lass uns tanzen.“

Patricia sang das Lied “Your Eyes“ von Cook da Books:
Your eyes opened wide
as i looked your way
couldn’t hide what
they meant to say
feeling lost in
a crowded room
it’s too soon for a new love
when you smile
your eyes show your heart
lost inside a suit on a bar
feeling alone with
people around
true love is hard to find now…

Ihr Kopf lag an seiner Schulter, seine Hände fühlten diesen zierlichen Körper. Er drückte Patricia fest an sich und  küsste sie immer wieder, bei den langsamen Kreisen in ihrem kleinen Hotelzimmer. Er liebte diese Frau in ihrer ganzen Art, Denken und Handeln.
Es klopfte an der Tür und beide erschraken. Er wusste nicht, wie lange sie schon tanzten, als sie zurück in die Realität von einem dumpfen klopfen gegen Holz geholt wurden.
„Oui?“ „Nescha.“ „Entre.“ Immer noch tanzten sie eng umschlungen in dem kleinen Hotelzimmer. Patricia sang immer noch: „Your eyes opened wide as, i looked your way couldn’t hide, what they meant to say. Feeling lost in a crowded room it’s too soon, for a new love when you smile. Your eyes, show your heart lost inside a suit on a bar feeling alone, with people around true love is hard to find now.“

Sie gab ihm einen Kuss und sah dann zu Nescha „Entschuldigung Liebes, ich konnte nicht aufhören zu tanzen.“ „Eine solche Liebe gibt es selten. Tut mir leid, dass ich störe, wir warten auf euch, das Essen ist fertig.“ „Merci beaucoup. Haben wir so lange getanzt?“ Nescha nickte und lächelte beide an.

Hand in Hand gingen sie die Treppe herunter in den Speisesaal und alle klatschten als sie durch die Tür kamen.
An diesem Abend gab es kein Jung und Alt, die Tische standen in der Form von einem T. Der Haupttisch war für sie reserviert. Was für eine schöne Geste dachte Hannes.

Asger stand auf, als Hannes und Patricia am Kopfende der Tafel saßen. „Liebe Freunde und Kollegen, ich muss etwas sagen, was mir schon seit Samstag auf der Zunge brennt. Hannes, ich habe dich vom ersten Augenblick gemocht, du bist ein cooler Typ. Wir beide hatten auch so manche – nicht gerade schöne Diskussion geführt. Ich hatte aber auch eingesehen, dass du recht hattest. Die junge Landratte erklärte einem alten Seebär wie gearbeitet werden sollte. Heute ist der alte Seebär auf dich sehr stolz. Ich hatte noch nie einen so jungen Chef gehabt. Die Arbeit mit dir macht unglaublich viel Spaß. Du hörst jedem zu, überlegst jeden Gedanke von uns und wir habe immer eine Lösung gefunden. Das Wasserrad von Cees und Luan hast du nie verspottet oder gänzlich Abgelehnt. Selbst als der Gouverneur es verspottete, hast du dich zu diesem Projekt gestellt. Kampang Rou bekam durch dich ein neues Gesicht. Dein “Abfluss-Frei“ war das verrückteste, was ich jemals gesehen habe. Das wir dich – ohne dein Wissen zur Gesamtleitung von diesem Projekt ernannt haben, tut mir schon etwas leid. Ich weiß aber auch, dass du es sowieso abgelehnt hättest.“ Hannes nickte in die Runde und Asger sprach weiter „Du bist der Mann für dieses Projekt. Wir alle stehen hinter dir und ziehen die nächsten Jahre dieses Projekt gemeinsam durch.“ Alle klatschen bei den Worten von Asger.
„Danke meine Freunde. Danke für dieses Vertrauen und ganz großen Dank an diese Teamarbeit. Ich bin unglaublich stolz auf euch. Auch ich kann sagen, dass die Arbeit mit euch sehr viel Spaß macht. Da ich nun die Gesamtleitung von euch bekommen habe, kann ich die Teamleitung ja wieder offiziell – die auch nie irgendwie mit mir abgesprochen wurde, wieder an Asger zurückgeben.“ „Hatten wir nicht über den Job als Teamleiter gesprochen?“ Fragte Asger ganz erstaunt. „Nein. Hatten wir nicht. Es wurde von euch und vor allem von dir einfach so beschlossen.“ Asger nickte in die Runde „Da sieh mal an. Dann hatte ich dies wohl ganz vergessen dir zu sagen.“ Alle am Tisch lachten.
„Nun lasst uns endlich essen, bevor der Fisch als Sushi serviert werden kann.“

Wie zu erwarten, wurde der Abend sehr lange. Viele Gespräche über das letzte viertel Jahr, über das was noch kommen wird und auch über die Freundschaften zu diesen wunderbaren Menschen wurden geführt.

Im Team der Schweizer saßen Hannes und Patricia und auch dort wurde über das was geleistet wurde gesprochen. Reto gab noch den Gesundheitszustand von Ahtchu bekannt und das Hannes alles richtig gemacht hatte. Patricia sah fragen zu Reto und Hannes. Nescha erzählte ihr, was sich am Nachmittag ereignet hatte. Voller Stolz gab sie Hannes einen Kuss.

Der Abschied zu Liun, Mareile, Nescha und Reto tat beiden sehr weh. „Sehen wir uns wieder?“ Fragte Hannes als es Zeit wurde sich von den Schweizer zu verabschieden. Reto nickte und erhob sich. Er bat um Ruhe. „Freunde, es ist schon wieder ein langer Tag für uns all und ich möchte nun auch noch schnell etwas sagen.“ Reto machte eine Pause und sah in die Gesichter der einzelnen Personen in dieser Gruppe. „Wir kennen uns nun auch seit Mitte Januar und ich – wie auch mein Team, möchten uns bei euch allen herzlich bedanken. Wir alle haben Teamarbeit auf einem Niveau erlebt, wie wir es wohl alle noch nie hatten. Uns wurde vor unserer Ankunft eine Infrastruktur aufgebaut die ihresgleichen sucht. Jeder von ODHI packte an und es wurde sehr professionell gearbeitet. Wir sind nach unserem Auftrag in der Provinz Siam Reap eingesetzt und werden auch bald dorthin zurückkehren.“ Bei diesen Worten sah er Patricia und Hannes an „Wir werden aber auch wieder nach Kampang Rou kommen. Eure Teamarbeit ist Beispiellos und wir werden euch auch in Zukunft unterstützen. Dieses Geschenk und Versprechen gebe ich nun Patricia und Hannes mit auf dem Weg nach Europa.“ Reto hatte dies noch nicht zu Ende gesprochen, da fielen sich Patricia, Nescha und Mareile in die Arme. Hannes saß neben Liun und hatte Tränen in den Augen. Liun nahm ihn in seine Arme. „Du bist schon ein richtig cooler Typ.“ Hannes konnte in dem Moment gar nichts sagen. Reto stand noch. Hannes erhob sich und umarmte ihn. „Danke. Danke Dr. Reto Lamesch. Ich weiß gar nicht was ich sagen soll.“ „Ist gut. Wir sind Freunde.“

Die Uhr ging schon auf 2 Uhr, als Hannes und Patricia endlich im Bett lagen. Noch 4 Stunden Schlaf.

In dieser Nacht schlief er sehr schlecht und wenig. Die Gedanken rasten durch sein Hirn. Patricia lag mal wieder quer im Bett. Er streichelte sie zart und dachte an die vielen schönen – aber auch unschöne Stunden zurück.
Oft hatte er sie im Schlaf beobachtete. Wie leicht sich ihre Brut hob und senkte, wie friedlich sie neben ihm lag. Manchmal hatte er nur 50 Zentimeter Platz im Bett. Durch eine verrückte Idee lernte er diese unglaubliche Frau kennen und durch seine Gedanken oder Träume lag er nun über 10.000 Kilometer Fluglinie von seiner Heimat in einem Hotelzimmer am 10. Breitengrad im Bett. Die Gesamtleitung für ein Wasserbauprojekt von 24 Millionen Dollar wurde ihm übertragen. Konnte er dieser Aufgabe überhaupt gerecht werden? War er der Mann dafür? Diese Last machte ihm große Angst. Für Patricia war dies alles selbstverständlich. Nun musste er noch den Kauf der Baumaschinen über die Bühne bekommen. Stephane machte sich dies auch so leicht „fahr mal hin und kauf.“

Er sah auf die Uhr neben dem Bett. Das Display zeigte 5:24. Er gab Patricia einen Kuss und ging duschen.
Das kleine Bad hatte sich in den letzten Monaten auch sehr verändert. Keine Tristesse auf den paar Quadratmeter mehr. Mit künstlichen Orchideen aus Seide, mit verschiedenen Dekorationen wurde dies ein schönes kleines Badezimmer.

Patricia kam zu ihm in die kleine Dusche und Erinnerungen an Fréjus kamen zurück und sie liebten sich unter dem lauwarmen Wasser.
Der Sex war in den letzten Wochen nicht mehr so, wie er diesen kannte oder liebte. Zu viel Arbeit, zu viele Gedanken oder einfach nur völlig erschöpft eingeschlafen. Zu Nolan sagte er, dass er und Mareile ans Meer fahren sollten. Hannes selbst hatte noch nicht einmal die Zeit sich richtig um Patricia zu kümmern. Durch es wahrscheinlich noch weniger werden. Niemand aus dem Team hatte seinen Partner oder Partnerin dabei – nur er. Dann sollte er die Gesamtleitung machen. Dankeschön für diese Mehrarbeit, liebe Kollegen.

Der Abschied nach dem Frühstück war der gleiche wie ein paar Stunden zuvor. Nur eben Zeitversetzt und tat genau so weh.

Asger fuhr die Stecke nach Phnom Penh ruhig und gelassen. Es war noch genügen Zeit. Bernhard wartete in Büro auf sie. Eliane gab ihnen die Tickets. Sie hatte Tränen in den Augen. „Ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit. Was ich von dir weiß und am Samstag in Kampong Rou gesehen habe, bist du ein cooler Typ. Nun schau nicht so! Wir sind ja auch noch da. Du bist die junge Verstärkung in unserem Team.“ „Danke, Eliane. Wir sehen uns Anfang Juni.“

Hattie wartete in der Flughafenhalle auf sie „Ich habe euch noch einen Stapel Fotos abgezogen. Vielleicht braucht ihr diese für Unterstützung, Werbung oder nur für euch.“ Hattie wurde in den letzten drei Monate eine sehr gute Freundin für beide.

Auf dem eineinhalb Stunden Flug von Phnom Penh nach U-Tapao sah Hannes oft aus dem Fenster. Diese Wälder und große Flächen waren schon beeindruckend. Die Ortschaften waren nie so groß wie in Deutschland oder Frankreich. Immer wieder große Felder von Zuckerrohr, Weizen oder Mais. Reisfelder sah er sehr wenig, dafür war dieses Gebiet viel zu trocken. Jeder denkt bei Südostasien sofort an Reisfelder und Menschen mit Stohhüten im Wasser stehen. Er sah seit Januar ein völlig anderes Südostasien.

„Ma Chérie?“ Sagte Patricia, die links neben ihm saß. „Hmmm.“ „Unser Flug geht am Dienstagabend von Bangkok, sollten wir bis Dienstag in Rayong bleiben?“ „Super. Machen wir. Lieber hier als in Bangkok. Es gibt bestimmt genügend Hotels in dieser Gegend.“


Flughafen U-Tapao, Thailand
Donnerstag 29. März 1990. 15. 35 Uhr

Die 10 Kilometer Taxifahrt von U-Tapao nach Ban Chang war schnell gefahren.
An dem vierten Hotel an der Promenadenstraße fragten sie nach zwei Zimmer und bekamen auch diese. Das „The Lord Nelson Hotel“ war mir seinen fünf Stockwerke ein kleines gemütliches Hotel. Hannes wollte kein Hotel in der Größe einer Kleinstadt. Klein, gemütlich und überschaubar war ihm viel lieber.

Das Lord Nelson lag fast am Meer, trotzdem hatte es einen Pool. Diesen Sinn konnte er noch nie verstehen. Entweder fahren Leute ans Meer um eben in jenes zu gehen oder fahren in ein Freibad. Nun, des Menschen Wille ist sein Himmelreich.

An der kleinen offenen Bar, mit Blick über den Pool und weit ins Meer, war doch etwas anderes als Staub, Müll und Chaos. Sie bestellten Fisch mit Gemüse.

Die Ruhe tat ihm gut. Auch wenn er die Mopeds und Autos auf der Straße hörte, war diese Ruhe vom Meer eine Wohltat. Erst jetzt fiel ihm auf, wie laut es in Svay Rieng, Kor An Doeuk oder Phnom Penh war.

Nach dem Essen gingen alle drei am Strand spazieren und an nichts denken – wobei dies nicht der Wahrheit entsprach. Hannes dachte an den Freitagmorgen. Wann auch immer er dieses Thema bei Bernhard anschnitt, hieß es immer: „du bekommst das schon hin, ich bin ja bei dir.“

Am Strand im Golf von Thailand lagen sie auf Strohmatten und tranken Dosenbier. Patricia sah Hannes an und gab ihm einen Kuss „Auch ohne einen Saint-Émilion von 1943 ist dies ein schöner Moment.“ Hannes nickte ihr zu. In einem viertel Jahr war es ein Jahr her. Wie die Zeit verging

Es wurde langsam dunkel, als sie die paar Meter zum Hotel zurück gingen. Bernhard bestellte an der Rezeption für den nächsten Tag ein Taxi für 10 Uhr.
Bis spät am Abend saßen sie an einem kleinen Tisch, die um den Pool und der Außenterrasse standen und sprachen über so vieles. Bernhard war ein guter Schwiegervater, Freund und toller Mensch.
Um 21 Uhr wurde Hannes müde und wollte ins Bett gehen.

„Ma Chérie, an was denkst du schon wieder?“ „An morgen.“ „Nun mach dich doch nicht so verrückt. Ein Bagger zu kaufen wird wohl nicht so schwer sein.“ Hannes schüttelte den Kopf „Ein Bagger nicht. 11 ist schon eine andere Zahl.“ „Tout ira bien.“ „Ja, es wird alles gut. Es wird nur eine Bestellung von ungefähr eineinhalb Millionen Dollar sein, macht der Klassenkasper mit links.“ Patricia boxte ihn „Warum sagst du dies immer? Du hast in drei Monaten mehr bewiesen, mehr voran gebracht und mehr geholfen als es alle deine Schulkameraden jemals erreichen werden! Du bist kein Kasper! Du führst Menschen auf eine unglaublich tolle und menschliche Art. Dein Verstand über so vieles ist brillant. Egal ob Technik, Geographie oder Anthropologie. Du bist nicht dumm! Du warst vielleicht immer nur zu faul zum lernen. Ich konnte früher oft nichts anderes machen als lernen. Spielen gehen wie andere Mädchen aus meiner Klasse war nicht!“ „Ist gut Schatz. Lass uns bitte nicht daran denken. Du bist die klügste von uns und das ich auch ganz gut so.“ „Die klügste von uns möchte jetzt mir dir schlafen.“

Das Frühstück war gleich dem in Svay Rieng. Der Kaffee die gleiche braune Flüssigkeit wie im Januar. Bei ihrer Rückkehr nach Kambodscha müsste zuerst die Kaserne der UN in Phnom Penh aufgesucht werden, um wieder eine große Menge Kaffee zu kaufen. In ein paar Stunden wird er über eineinhalb Millionen Dollar für Baumaschinen verhandeln, dagegen wird die nächste Kaffeebestellung ein Klacks.

Das Taxi war kurz vor 10 Uhr am Hotel.
In Thailand war der Verkehr genau so chaotisch wie Kambodscha, nur fuhr hier wesentlich weniger Schrott auf den Straßen. Die Autos fuhren um einiges schneller – aber alles andere war gleich. Straßenstände links und rechst, Mopeds die auf vierspurigen Straßen in entgegen gesetzter Richtung fuhren schien auch in Thailand völlig normal zu sein.

Um 10.45 Uhr fuhr das Taxi in der Nong Lalok Road im Stadtteil Amphoe Ban Khai von Rayong vor. Dies war die Adresse vom Caterpillar Werk in Thailand.
Frau Natthathida Aningaen stellte sich auf englisch der Gruppe vor. Sie sei eine der Verkäufer für Baumaschinen in Thailand und Kambodscha.

Zu Beginn machte sie eine kleine Werksbesichtigung. Sie führte die drei durch zwei riesige Fertigungshallen. Große Radlader und Muldenkipper für Minengruben auf der ganzen Welt wurden in diesem Werk gebaut. Dort standen Fahrzeuge und Baumaschinen die die Höhe von einem Wohnhaus hatten. Planierraupen bis 150 Tonnen Einsatzgewicht, Kettenbagger bis 75 Tonnen und Mobilbagger bis 19 Tonnen Einsatzgewichte wurden hier gebaut. Diese Baumaschinen waren eine andere Liga, als das was die zwei Unternehmer in Kambodscha hatten. Hier standen Maschinen und kein Playmobil.

Im Büro von Natthathida wurde nun über die Bestellung von ODHI gesprochen. Bei 11 Baumaschinen und den ganzen Zusatzteile, wie Baggertieflöffel, Grabenräumlöffel, Palettengabeln für die Radlader war eine Grundlage, die nicht alle Tage gekauft wurde. Frau Aningaen hatte im Vorfeld schon diesen Auftrag kalkuliert und in zwei Teilen gerechnet. Bei Teil 2 stand eine Null. Diese Frau verstand ihren Job.
Bernhard rief vor der Unterzeichnung des Vertrages nach Reims an und gab Stephane die genaue Summe durch. Frau Aningaen faxte auch gleichzeitig die Verträge nach Frankreich. Stephane wollte noch zwei weitere Mehrzweckgeräte haben.
Hannes unterschrieb einen Kaufvertrag über 8 Caterpillar 215B Allrad Mobilbagger, 2 Caterpillar 926 Radlader und fünf 416 Hecklader Mehrzweckgerät. Alle Baggerlöffel und Zusatzteile waren gratis. Auf Wunsch von Hannes sollten noch 20 Polohemden und Baseball Mützen mit dem CAT Logo mitgeliefert werden.

Patricia wollte unbedingt einen dieser neuen Bagger fahren. Den Wunsch von Patricia konnte Natthathida nicht so recht glauben.
Auf dem Gelände standen Vorführgeräte aller gebauten Größen von diesem Werk. Ein Caterpillar 245B war es, was Patricia fahren wollte. Ein Bagger der mal eben locker 60 Tonnen auf die Waage brachte.

„Schatz, das Fahrwerk ist so hoch, da könntest du fast im stehen drunter durch laufen.“ „Oui, der Bagger ist groß – aber geil.“  Patricia sah zu Natthathida. Sie wollte unbedingt diesen Bagger fahren.
„Natthathida, I would like to drive this excavator.“ „Whatever you want“ sagte Natthathida Fassungslos.
Natthathida nahm ihr Mobiltelefon und rief einen Mitarbeiter von dem Kundenservice an, er sollte den Schlüssel und eine Einweisung für den 245er Bagger geben.

Ein Mann Ende 30 sprach mit ihnen über diesen Bagger. Hannes kannte dies alles von seinem 225er. Der Mann hielt es für einen Scherz, als Natthathida ihm erklärte, wer den Bagger fahren wollte.
Hannes ging die fast zweieinhalb Meter an der Seite des Fahrwerk hoch in die Kabine und ließ den Motor an. Die 340 PS hatten einen anderen Klang als die 200 PS im 225er. Er stellte den Sitz so ein, dass Patricia an die Pedale kam und kletterte vom Bagger.
Bernhard half seiner Tochter die zwei Stufen am Fahrwerk hoch, die Kette war gute 20 Zentimeter breiter, als die vom 225er und zusätzlich hatte der Bagger noch ein Trittbrett vor der Kabine.

Nun saß die kleine Frau Lefèvre in einer Masse von 60 Tonnen Stahl und bewegte die Hebel so wie Hannes es ihr im Januar zeigte. Sie drehte den Oberwagen um 180°, streckte den Ausleger so weit und auch so hoch dieser ging. Zwölfeinhalb Meter in der Länge von der Kabine bis zum Baggerlöffel war schon eine gewaltige Entfernung. Patricia fuhr 30 Meter auf ein Gelände zu, welches wie ein Überdimensionaler Sandkasten aus sah und fing an die 3,5 Kubikmeter große Schaufel zu fühlen.

Es dauerte nur Minuten, bis ein Pulk von Caterpillar Mitarbeiter um den Sandkasten stand und schauten zu, mit welch einer Präzision eine so zierliche Frau diese 60 Tonnen bewegte. Bernhard stand mit geöffnetem Mund neben Hannes und konnte gar nicht fassen was er sah. Was sollte er auch sagen? Patricia war schon eine Nummer für sich. Hannes hätte vor Stolz platzen können.

„Schatz, komm ist gut. Jeder hat gesehen wie du dieses Monster bewegen kannst, ich bekomme Hunger, lass uns ins Hotel fahren.“
Patricia drehte den Oberwagen um 180° und fuhr die paar Meter an den Rand des Sandkasten zurück und stellte den Oberwagen leicht schräg.
„Nein! Nicht bei dieser Höhe. Du musst den Oberwagen in die Flucht der Ketten stellen.“ Patricia ignorierte die Rufe von Hannes und legte den Ausleger ab, wie sie es von ihm gelernt hatte. Sie stellte den Motor ab und kam aus der Fahrerkabine.
Patricia sand auf dieser gewaltigen Kette und sagte „Fang mich.“ Sie sprang ihm in die Arme.
Der Applaus für ihre Fahrkünste war ihr sicher. Bernhard gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Meine Tochter. Ich bin stolz auf dich.“ „Merci, Papa c’est moi.“
Frau Aningaen sah Patricia an konnte gerade zwei Wörter sagen: Wow! Respect!

Im Büro bestellte Natthathida ein Taxi für die drei Kunden aus Europa. Bernhard reichte ihr eine Visitenkarte vom Hotel.
„Das Hotel ist gar nicht weit weg, wo ich wohne. Dürfte ich Sie besuchen kommen?“ „Gerne“ kam es gleich von Patricia. So wurde sich für den Abend an der Hotelbar verabredet.

Die 30 Kilometer zum Hotel waren schnell gefahren und Hannes wollte noch ins Meer schwimmen gehen.
Der Tag war doch sehr erfolgreich, nun konnte er allen Ballast ablegen und schwimmen. Er hätte bis nach Koh Samui schwimmen können. Jetzt hatte er Urlaub. Vier Tage an nichts mehr denken. Keine Wasserleitungen bestellen und keine Gedanken über Hydraulikpumpen machen. Urlaub! Nur Patricia, er und Bernhard. Abschalten von allem.

In seinen Gedanken schwamm er so weit, dass es schon Dämmerte. Er sah das Hotel nicht mehr. Im Wasser eine Orientierung zu halten war sehr schwierig. Er sah Lichter von den Hotelburgen. Wo zum Teufel war das „Lord Nelson Hotel“ nach links oder doch besser nach rechts schwimmen? Was für eine blöde Idee so spät noch schwimmen zu gehen.

Am Stand fragte er zwei Männer, ob sie wüsten wo das „Lord Nelson Hotel“ sei. „Ganz einfach. Hier runter, dann kommt es bald.“
Hannes bedankte sich bei den Passanten und ging in die gesagte Richtung. „Hier runter“ war eine Längenangabe, die ihm nach 20 Minuten laufen am Strand doch etwas Misstrauisch werden ließ. „Ganz einfach. Hier runter“ äffte er den Mann nach, der im offensichtlich die falsche Richtung gab.

Irgendwann wurde es ihm zu blöd und er ging an die Straße und rief sich ein Taxi. Das Taxi fuhr in die entgegen gesetzte Richtung von „Fanz einfach. Hier runter.“

Nach drei Minuten war er am Hotel angekommen. Natürlich war der Besuch schon an der Bar bei Bernhard und Patricia.
„Salut, Prinzessin, gib mir mal bitte ein paar Bhat, ich muss ein Taxi bezahlen.“ Patricia drehte sich um und schaute auf das Meer, dann wieder zu ihm. „Ja, ist gut. Ich war nach Koh Samui geschwommen, die Ebbe kam und ohne Wasser konnte ich nicht zurück schwimmen. Jetzt gib schon Geld, sonst kostet das Taxi mehr als ein Flugticket.“ Wortlos reichte sie ihm 100 Bhat. „Merci beaucoup Madame.“

Hannes ging noch schnell duschen und war dann endlich auch bei Frau Aningaen an der Bar. Er musste Patricia dann noch erklären, wenn man ins Meer schwimmen ging und dann von vorne mit dem Taxi die Hoteltür wieder herein kam, wie so etwas ginge.
„Am Äquator beträgt der Erdradius etwa 6.378 Kilometer, also einen Umfang von rund 40.075 Kilometern, bei der Geschwindigkeit von 24 Stunden macht ein Punkt auf Erde ein Entfernung von 1.670 Kilometern pro Stunde. Ich war über eineinhalb Stunden im Wasser, kannst dir jetzt ausrechnen wo ich war – du hast ja schließlich Abi!“ „Bœuf stupide.“ „Du hast angefangen.“

Natthathida war eine angenehme Frau. Sie war Anfang dreißig und von deren Arbeit in Kambodscha begeistert, fassungslos und schockiert.
Patricia zeigte ihr die vielen Fotos von Hattie. Natthathida wollte gerne mal nach Kambodscha kommen um sich dies anzuschauen.
„Dann komm uns Besuchen, wenn wir wieder in Kambodscha sind. Bei einem solch großen Auftrag sollte schon ein vor Ort Zufriedenheits-Gespräch drin sein.“
Hannes fragte sie noch, ob sie eine Möglichkeit wüsste für ein Bohrgerät zu mieten oder kaufen. „Ich kümmere mich darum und werde dich anrufen, sobald ich etwas weiß.“

Das rauschen vom Wasser war eine Wohltat und die Gespräche mit Natthathida wurden länger als gedacht. Am Ende des Abends verabredete man sich für den Sonntag. Natthathida wollte ihnen etwas von Thailand zeigen.

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