Teil I Kapitel 3 „Chérie, Geographie ist nicht unsere Stärke“

Von Fréjus nach Thionville

„Chérie, Geographie ist nicht unsere Stärke“

Abschied aus Fréjus

Die Zeit in Fréjus ging viel zu schnell vorbei. Momente voller Liebe, Gespräche und Bilder blieben im Herzen.
Peter hatte sich geweigert, auch nur einen Franc anzunehmen. Er war froh, für die Zeit der Gesellschaft und der Abschied fiel ihm schwer.
Hannes musste nächste Woche auch wieder arbeiten gehen, so mussten sie am Samstagvormitag der Rückweg angetreten – wenn es auch jedem sehr weh tat. Patricia wollte die erste hälfte der Strecke fahren. So konnte Hannes die letzten Tage im Kopf noch genießen und musste sich nicht auf den Verkehr konzentrieren. Er schloss die Augen und hing seinen Gedanken und Erinnerungen nach.
Patricia war eine gute Fahrerin, sie fuhr zügig – aber sicher.
„Mon chérie, würdest du mit mir weg gehen?“ „Oui, wohin du willst“ sagte Hannes mit geschlossenen Augen.
„Auch nach Kambodscha?“
Wie vom Blitz getroffen drehte Hannes den Kopf und sah sie mit aufgerissenen Augen fragend an.
„Ich hatte dir doch gesagt, dass mein Vater für eine Hilfsorganisation arbeitet. Er ist in vielen Länder dieser Welt unterwegs und betreut, plant und organisiert Projekte für Wasserbau. Mit dir zusammen würde ich dies machen wollen. Mein Abi habe ich im Frühjahr gemacht und mich an der Uni in Metz eingeschrieben. Ich möchte Eéconomie et administration und Sciences humaines studieren, in Deutschland ist es Volkswirtschaft und Humanwissenschaften. Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich nicht erstmal eine Pause von der Schule machen sollte um etwas nützliches zu tun. Was du gesagt hast, hat mich sehr zum nachdenken gebracht. Du möchtest Kinder und Menschen helfen und Gutes für sie tun!“ „Patricia, ich muss dir etwas erklären. Ich habe kein Abitur und kann demzufolge auch nicht studieren. Ich war der Klassenkasper in der Schule. Ich hatte viel Unsinn gemacht und mich um Schule und lernen nie sonderlich gekümmert. Ich bin nicht so klug wie du.“
Patricia schüttelte den Kopf und sah ihn kurz an, um dann wieder den Blick auf die Autobahn zu richten „Chérie, du bist nicht dumm. Du hast einen brillanten Verstand und kannst unglaublich schnell denken, was spielten da Noten in der Schule noch eine Rolle? Du hast ein großes Wissen über Geschichte, du kannst dich über Themen unterhalten die ich noch nicht einmal weiß – und ich habe Abitur!“ „Ein Zeugnis ist es aber, wie ein Mensch in seinem Leben bewertet wird. Ich habe mir vieles selbst verbockt und das bisschen Wissen, welches ich habe zählt nicht überall.“
Sie sah ihn kurz an „Sehe ich nicht so! Das Herz und Charakter bewertet einen Menschen, nicht eine Zahl auf einem Blatt Papier. Mon chérie, du bist ein ganz besonderer Mensch und ich möchte mein Leben mit dir teilen. Du bist kein Kaspar! Eine Frage: hattest du in der Schule französisch?“ „No, Madame.“ „Und warum sprichst du es dann?“
Treffer! Das hat gesessen. Patricia sah ihn an und nahm seine linke Hand.

Bei Valence fuhr sie auf eine Raststätte. Es war Zeit etwas essen zu gehen.
Das Routier hatte eine große Terrasse mit Sonnenschirmen und einem großen Springbrunnen in der Mitte. Beide setzten sich links neben den Springbrunnen. Der leichten Wind von Süden brachte die Hitze vom Mittelmeer und durch den Springbrunnen kam ein leichter Schleier an kühle durch das Wasser auf sie.
Patricia bestellte für beide Aioli und eine Karaffe Rosèwein.
Hannes fragte Patricia was Aioli sei.
„Aioli sind Fisch-, Fleisch- und Gemüsegerichte aus der Provence, die mit der Knoblauchsoße, der aioli, serviert werden. Ich habe für uns Stockfisch mit Gemüsen bestellt.“ „Klingt lecker. Ich esse gerne Stockfisch.“

Eine junge Kellnerin brachte den Wein und zusätzlich eine Karaffe Wasser. In Frankreich ist es üblich, dass man beim Mittagessen Eau et Vin trinkt. Der kühle fruchtige Wein mit Wasser war bei diesen Temperaturen eine Wohltat.
Patricia saß ihm gegenüber und hielt seine Hände fest „Chérie, mach dir nicht immer so viele Gedanken. Du hast selbst gesagt: lass uns die Zeit jetzt erleben. Wir waren für drei Tage im Paradies und alles was dort passierte war kein Traum!“

Patricia war eine absolute Traumfrau mit Bildung und offensichtlich auch vermögend. Was hatte er den entgegen zu stellen? Ein Junge aus einem Dorf, mit normalen Schulabschluss und einem Beruf im Tiefbau. Er wollte ihr seine Gedanken nicht sagen.
„An was denkst du?“
Hannes schüttelte den Kopf „An nichts. Wir fahren nun aus dem Paradies über die Autobahn zurück in den Alltag.“ „Oui. Die Autobahn brachte mir die große Liebe und die Autobahn ist wie die Liebe, sie geht hoch und runter, über Brücken und nach links und rechts. Sie führt aber immer dem Ziel entgegen. Hannes, ich bin angekommen! Du berührst mich nun auf zweifache Art. Deine körperliche Nähe tut mir gut und der Sex tut mir gut. Geistig erfüllst du mich vom Sonnenaufgang bis die Sterne am Firmament funkeln.“ „Merci beaucoup, für diese Liebeserklärung.“ 

Die junge Kellnerin servierte den gegrillten Stockfisch auf einer großen länglichen Platte. Auf der oberen Seite der Platte war ein Gemüsebouquet von grünen Bohnen, Karotten, Blumenkohl und Rübchen angerichtet.
Nach der Pause mit diesem vorzüglichen Mittagessen fuhr Hannes weiter. Patricia hatte recht, was sie sagte: Die Autobahn geht hoch und runter, über Brücken und nach links und rechts. Ihr linker Arm lag auf seinem Oberschenkel und sie erzählte ihm von der Arbeit ihrers Vaters.

Bei Dijon war ein Wegweiser nach Auxerre und Paris.
„Mon chérie, Croissants morgen um 7 Uhr an der Seine essen, machen wir auch noch“ sagte Patricia, als sie den Wegweiser sah. Hannes nickte stumm. „Ich möchte mir dir noch so vieles erleben. Deine Freunde sprachen immer nur davon. Wir beide hatten in den letzten Tagen solch wunderbare Momente erlebt. Ich danke dir für deine Idee mit dem Lagerfeuer am Strand.“ „Aus dem Lagerfeuer wurde leider nichts.“ „Oui, daraus wurde nichts. C’est vrai. Aber die Zeit bei Peter, den Saint-Émilion, der sehr schöne Sex und dass tausend Farben auch ein rot sein können, kann ich mit dem Umstand leben, dass wir kein Lagerfeuer machen konnten.“ „Ja Patricia, du hast recht. Was wir erlebt hatten, konnten wir uns nicht vorstellen.“ „Oui, mon chérie. Je t’aime.“


Zurück im Alltag

Die ersten Autobahnschilder auf denen Metz stand waren zu sehen. Die Monotonie der A6 war anstrengend und Hannes hatte das Gefühl, sie würden nicht mehr in Thionville ankommen. Er wollte in seinem Herz auch nicht ankommen. Wie sollte eine Liebe auf 120 Kilometer Entfernung bestehen? Er wollte auch diese Gedanken ihr jetzt nicht sagen – noch nicht.
„Chérie, wir sind auf der Autobahn!“ Patricia merkte, dass er immer langsamer fuhr „Mir geht es genau so. Ich möchte auch nicht ankommen!“ „Habe ich schon wieder laut gedacht? “ „Nein. Ich spüre es. Wie ich schon sagte, du berührst mich geistig. Mach dir nicht so viele Gedanken, es wird alles gut. Mon chérie.“

Er fuhr die Straßen durch Thionville, als ob er schon immer dort lebte. Der Kreisverkehr kam. Gleich müsste er abbiegen und dann kam auch schon das Haus. Er fuhr den Weg ans Haus und parkte wie vor Tagen an gleicher Stelle.

Die Mutter von Patricia kam ihnen auf der Steintreppe entgegen und umarmte ihre Tochter. Hannes gab sie die Hand und lächelte. Ihr Gesicht strahlte eine Freundlichkeit aus, wie es auch ihre Tochter hat.
„Bonjour Madame Lefèvre.“„Bonjour Hannes. Sag Franziska zu mir. Kommt rein. Ich habe Kuchen gebacken.“
Franziska ging nach dem eintreten in der Halle nach rechts in die Küche. Auch dieser Raum war mit viel Liebe eingerichtet. Der Tisch war mit buntem Porzellan gedeckt. Der Duft vom Käsekuchen erfüllte den ganzen Raum. „Setzt euch. Der Kuchen braucht noch einem Moment. Ich hatte viel später mit euch gerechnet. Wie war es an der Côte d’Azur?“
Patricia fing bei dem Routier in der Nähe von Avignon an zu erzählen. Hannes hörte nun die Erlebnisse aus ihrer Sicht. Franziska fragte und fragte. Natürlich antwortete Patricia auch sehr detailliert – was Hannes schon sehr peinlich war. Franziska sah ihn oft an und wusste das die Ausführungen ihrer Tochter ihm peinlich waren. Sie nahm seine Hand und sah ihn lächelnd an „Du machst Patricia glücklich!“
Hannes musste raus aus dieser Situation. Er fühlte sich am Küchentisch bei dem Gespräch der Frauen sehr deplatziert. Zumal Franziska und Patricia offensichtlich sehr offen über eben jene Frauenthemen sprachen, die ihm peinlich waren.

Ein schwarzer Labrador kam vom Garten durch die Terrassentür in die Küche. Der Hund begrüßte Patricia und kam dann neugierig zu Hannes.
„Sei vorsichtig, er beißt schon mal: sagte Patricia.
Der schwarze Labrador sah Hannes an und wedelte mit der Rute, er setzte sich und legte seine riesigen Pfoten auf sein linkes Bein.
„Cleo, no! Étre un bon chien“ schimpfte Franziska den Hund.
„Tout va bien – ist alles gut. Ich bin mit einem Schäferhund aufgewachsen.“
Cleo legte den Kopf auf das Bein von Hannes und wollte gestreichelt werden. Hannes kam dieser Aufforderung sehr gerne nach.
„Voulez-vous sortir?“ Bei diesen Worte von Hannes sprang der Hund auf und rannte durch die Terrassetür wieder in den Garten. Hannes folgte Cleo. Gott sei dank kam der Hund, sagte Hannes zu sich selbst als er auf der Wiese war. Cleo wollte spielen und brachte ständig sein Hundespielzeug. Hannes spielte und knuddelte mit Cleo auf dem Rasen.

Patricia kam mit Geschirr für den Kaffee und Kuchen in den Garten. Franziska brachte den Käsekuchen und eine große Thermoskanne. Nun war der Fluchtweg für Peinlichkeiten vollends abgeschnitten.
Zum Glück wurde bei Tisch der Roadtrip nicht mehr angesprochen.


Hammerwerfen mit einem Baum

„Allez, wir gehen mit dem Hund spazieren“ sagte Patricia nach dem sie Kaffee getrunken hatten.
Über den großen Rasen gingen sie rechts am Haus vorbei um auf die Einfahrt zu gelangen.
Als beide um die Hausecke waren, nahm Patricia seine Hand und hielt ihn fest „War es dir vorhin peinlich, was ist zu meiner .
Mutter sagte?“ „Oui! War es. Es ist ja gut, dass du den Sex unter der Dusche nicht erwähnt hast.“ „Oh, hatte ich vergessen“ und knuffte ihm gegen den Arm.
Cleo zog an der Leine wie eine Lokomotive. Als sie die letzten Häuser der nächsten Querstraße erreicht hatten und die Felder und Flure nur noch wenige Meter entfernt waren, machte Hannes die Leine ab und Cleo stürtmte wie eine Rakete los. Er rannte nach links und rechts über die Wiesen. Patricia hakte sich bei Hannes unter und legte ihren Kopf an seine Schulter. Es war ein schöner Moment mit ihr.
„Ich bin glücklich mit dir. Hannes, ich bin so glückliche.“
Er streichelte ihr über den Rücken und gab ihr einen Kuss „Ich auch.“

Cleo brachte ein Stock zu Hannes, wobei Stock etwas untertrieben war. Es war ein zweieinhalb Meter langer Ast von einer Birke. Cleo wollte das Hannes den halben Baum warf, damit er ihn apportieren konnte.
„Nun wirf doch endlich. Cleo hört sonst nicht mehr auf zu nerven.“ „Was meinst du, wie weit ich einen halben Baum werfen kann?“ „Mon dieu! Du stellt dich aber auch an! Mach es wie die Hammerwerfer. Drehen, drehen, drehen und dann weg damit. Du wirst hier auf der Wiese nix kaputt werfen.“ „Na gut.“ Hannes packte den bestimmt 15 Kilo schweren Ast mit beiden Händen und drehte sich zweimal um die eigene Achse und ließ dann in der Drehung das Monstrum los. Die geworfene Entfernung gab doch sehr zu wünschen übrig.
„Va encore! Reicht zwar nicht für Olympia – ist aber ausbaufähig.“
„Dankeschön. Ein Hammer bei Olympia wiegt auch nur die Hälfte.“ „Hab ich nicht gewusst. Siehste – trotz Abitur“
Patricia legte beide Arme um ihn und küsste ihn lange „Bleib bis morgen bei mir. Ich brauche dich.“

Völlig durchgeschwitzt kamen Patricia und Hannes zuhause an. Cleo wollte nicht ins Haus und legte sich im Garten unter einen der Ahornbäume. Franziska lag im Liegestuhl unter einem riesigen Sonnenschirm. Sie winkte ihnen zu „Ich möchte bald das Abendessen machen. Ich dachte an gefüllte Paprika.“ „Maman, attend une minute. Nous voulons prendre une douche rapide.“ „Wir?“ Fagte Hannes leise an Patricia gewandt.
„Wir!“ Mit diesen Worten zog Patricia ihn über die Terrasse in die Küche und dann die Treppe hoch in den zweiten Stock.


Sternbild der Cassiopeia

Patricia öffnete die Tür zu ihrem Zimmer. Ihr Zimmer war so groß wie manche Leute kein Wohnung haben. Ein riesiges halbrundes Bett stand nah dem große Panoramafenster. Der Blick aus dem Fenster war grandios, man sah die Felder und den Wald in der Ferne. Ein Schreibtisch stand links neben dem Fenster, der locker eineinhalb Meter breit und 2 Meter lang war. Ein riesiger Computerbildschirm fiel bei der Dimension von dem Schreibtisch kaum auf. Ein sechstüriger Kleiderschrank, eine Sitzecke mit Couch, ovalen Holztisch und zwei Sessel. Ein Fernseher und Stereoanlage stand in unmittelbarer Nähe der Sitzecke. Regale an zwei Wänden, die voll mit Bücher waren. Die Wände waren in weiß und eisenoxidrot tapeziert. Feinste Eichenholzdielen lagen auf dem Boden. Die Decke war unglaublich hoch und von Stuck, wie der Raum im Erdgeschoss, in diesem er am ersten Tag gesessen hatte.
Das Deckengemälde zeigte den Sternenhimmel der Cassiopaia.
Hannes betrachtet dieses Gemälde lange und sah dann zu Patricia „Das Sternbild der Cassiopeia? Die Königin, die den Zorn der Götter auf sich zog?“
Patricia schüttelte den Kopf „Nein! Also doch. Aber trotzdem nein.“ „Häää?“ „Meine Interpretation ist das Sternbild als sich. Cassiopaia rotiert um den Polarstern, welcher im Zentrum der Sternbewegungen steht und ist ein zirkumpolares Sternenbild. Was so viel heißt, dass ihre Sterne nie untergehen. Cassiopeia ist somit immer irgendwo am Himmel zu finden.“ „Aha. Wow.“ „Ja. Nun ist es gut mit an die Decke schauen, ich möchte mit dir duschen gehen.“

Patricia kramte in einem Sidebord rechts der Wand von ihrem Bett und zog aus zwei Schubladen neue Unterwäsche hervor.
„Nun komm ins Bad. Ich klebe und bin verschwitzt.“ „Auf einmal ist dir dies unangenehm?“ „Mon chérie, hatten wir Sex? No! Kommt aber noch!“ „Bist du immer so direkt?“ „Oui, chérie. Allez, la douche!“ Sagte sie befehlerisch.

Neben dem Sidebord war eine Tür die in das angrenzenden Badezimmer führte, in dem Hannes sich vor Tagen duschte, bevor sie an die Côte d’Azur aufbrachen.
Badezimmer war hierfür auch das falsche Wort – Baderaum oder eineinhalb Zimmerwohnung kam dem schon eher nah. Zwei große halbrunde Panoramafenster, eine Eckbadewanne, ein Spiegelschrank der fast 2 Meter lang war und natürlich zwei Waschbecken. Die Fliesen in diesem Raum waren an zwei Wänden dunkelblau und grau. Dazwischen immer wieder gebeiztes Eichenholz vom Fachwerk. Die beiden anderen Wänden waren in weiß gestrichen und das Fachwerk setzte sich mit seiner dunklen Farbe im Kontrast zum Putz ab.
Die Bodengleiche Dusche war rechteckig und trennte die Dusche mit einer circa zweieinhalb Meter langen Glasplatte vom Rest des Badezimmer ab. So brauchte man keine Tür für die Dusche. Die beiden anderen Duschwände waren mit gleichen Fliesen wie an den beiden anderen Wänden gefliest. Das Fachwerk an der einen Wand der Dusche war durch Glasscheiben geschützt.

Patricia war schon nackt und flutschte in die Duschkabine. Man konnte das Wasser so einstellen, dass es von oben oder von zwei Seite heraus kam. Hannes sah beim ersten mal die ganzen Knöpfe und hatte Mühe, diese so einzustellen, dass überhaupt Wasser kam.

Aus dem, komm-lass-uns-schnell-duschen-gehen, wurde es doch erheblich länger.
Patricia wollte Sex mit ihm in der Dusche und hatte mal wieder ihren Willen durchsetzen können.


Wegbeschreibung in den Keller

In der Küche half Patricia ihrer Mutter den Tisch decken.
„Hannes, würdest du bitte einen Weißwein in den Keller aussuchen gehen?“ Fagte Franziska „An der Treppe vorbei ist links eine Tür, dann rechts durch den Flur, wieder rechts und dann links.“
Mein Gott, war dies nun eine Wegbeschreibung durch einen Ort oder nur zum Keller, dachte er bei sich „Oui, Madame.“
„Findest du den Keller?“ Rief Patricia als er durch die Halle auf besagte Tür zuging. „Wenn ich in einer halben Stunde nicht zurück bin, kannst du mich suchen kommen. Ich könnte ja noch Mehl auf den Boden streuen, dann wird der Rückweg leichter – oder die Suchaktion.“ „Oui, mon chérie.“

Hannes traute seinen Augen nicht, als er durch die Tür neben der Haupttreppe ging.
In diesem Flur war noch eine Treppe im Haus, die man von der Halle überhaupt nicht sah. Dieser Flur und Treppe war nicht so prunkvoll wie die Treppe in der Halle – aber immerhin chic. Diese weitaus schmälere Treppe führte nach oben.
Vor dieser Treppe sah er links eine Tür, dies musste die Tür zum Keller sein. Er trat ein und sah seine Vermutung bestätigt. Vom einem Keller, wie er es kannte, war dieser Raum weit entfernt.
Regale mit Lebensmittel und Getränke standen links der Tür an der Wand. In diesem Raum war eine komplette Küche eingebaut. Hannes schätze das Baujahr von dem Mobiliar der Küche auf Mitte der 60er Jahre. Diese Küche war um einiges größer als jene aus der er eben losgeschickt wurde. Die Türen der Schränke waren in blassrosa und türkis pastell lackiert. Er fühlte sich in die Zeit der Liselotte Pulver Filme zurück versetzt. Bis aus einen riesigen modernen Gefrierschrank glich dieser Raum einem Museum. Selbst die Kücheutensilien waren im Stil dieser Jahre.
Das Regal mit dem Wein war weitaus moderner und stand von der Küche aus gesehen, links an der Wand. Auf sieben Etagen konnten je12 Flaschen Wein gelagert werden. Das Weinregal war über dreiviertel mit den verschiedensten Sorten gefüllt. Er sollte Weißwein bringen. Selbst da blieb die Frage offen nach welchem Wein? Lieblich oder Trocken. Frankreich, Italien oder Deutschland?
„Ene mene muh und getrunken wirst du.“ Er zog einen 84er Riesling-Kabinett aus der Pfalz aus dem Regal. „Yes, that’s right, sagte er beim Anblick von dem Etikett. Es war ein Wein von einem Winzer aus der Nähe von Landau.

Zurück in der Küche zeigte er Franziska das Etikett und fragte, ob dies ihrem Wunsch entspreche.
„Excellent. Guter Wein. Lieblich mit einer leichten Süße. Passt super zum Essen. Ich denke in fünf Minuten ist der Paprika auch fertig.“

Er stand am Küchenfenster und schaute in den Garten, wo Cleo auf dem Rasen lag. Patricia kam in die Küche und stellte sich hinter ihn. Sie legte ihre Arme um seine Taille und ihr Kinn auf seine rechte Schulter. Patricia gab ihm einen Kuss an den Hals und sagte leise „Je t’aime, mon chérie“
Er streichelte mit der linken Hand ihre Wange „Je sais. Je sais.“

Nach dem Abendessen saßen sie zu dritt im Wohnzimmer. Dieser Raum war links neben dem mit der Schiebetür. Auch im Wohnzimmer waren Eichenholzdielen verlegt. Die Wände waren in einem pastellfarbenen mint, weiß und grau
tapeziert. Große Fotos von der Familie, Landschaften und Kunst hingen an den Wänden. Eine große orangefarbene L-Couch mit zwei Sessel und Glastisch stand einer großen modernen Wohnwand gegenüber. Links von dem Sofa war eine circa vier Quadratmeter große Kakteenlandschaft im Stil von Wild West Filmen aufgebaut. Die Landschaft sah aus wie eine Modelleisenbahn Anlage – nur eben ohne Eisenbahn.

Hannes saß mit Patricia auf der Couch. Sie lag der Länge nach auf der Couch und hatte ihren Kopf auf seinem Schoß. Franziska saß beiden im Sessel gegenüber und Cleo lag bei Hannes an den Füßen.
Beim Wein und Snacks hatten sie Gespräche über viele Themen.
„Cleo mag dich. Es wundert mich sehr, dass er bei dir liegt. Er braucht lange bis er zu Fremden kommt“ sagte Franziska.
„Ich bin mit einem Schäferhund aufgewachsen. Wir hatten schon alles mögliche an Tiere im Elternhaus. Nun ist es nur noch eine Volière mit Kanarienvögel und Wellensittiche. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir im Haus keine Tiere hatten.“ „Erzähle uns von deinem Elternhaus“ sagte Patricia.

Hannes erzählte von seinem Elternhaus. Das sein Vater bis vor einigen Jahren immer auswärts gearbeitet hatte und nun bei einer Firma in Idar-Oberstein sei. Zu seinen beiden älteren Schwestern habe er guten Kontakt und trotz deren Partner, das Elternhaus noch groß genug sei.

Es war kurz vor Mitternacht als Franziska sich für die Nacht verabschiedete „Ihr lieben, ich gehe ins Bett. Ich wünsche euch eine angenehme Nacht.“ „Gute Nacht, Franziska.“ „Bonne nuit maman.“


Angenehme oder Gute Nacht

Hannes lag mit dem Rücken auf dem riesigen halbrunden Bett und schaute an die Decke. Es schaute sich das Sternenbild von Cassiopaia an und fragte sich, ob dies ein Foto oder Malerei sei. Die nächtlichen Farben von diesem Himmelsbild waren faszinierend. Von antikblau über blauschwarz, blauanthrazit bis schwarz war so ziemlich alles dabei. Die Sterne hatten unterschiedliche weißtöne oder lichtgelb, blasgelb bis hin zu orange.

Patricia kam in einem roten Negligee aus dem Bad und trug ein Parfüm das ihm die Sinne nahm. Sie setzte sich im Reitersitz auf ihn, beugte sich zu ihm und küsste ihn lange und innig.
„Oh chérie, an was denkst du schon wieder?“ „Zu vieles. Mein Kopf dreht sich seit Tagen um tausend Dinge.“ „Hör doch auf über tausend Dinge zu denken. Es gibt nur zwei Dinge: dich und mich!“ „Oui, du hast recht. Trotzdem kann ich mein Hirn nicht ausschalten wie das Licht.“
Sie küsste und streichelte ihn wieder sehr innig und ihre Berührungen waren erotik pur. Mit einem Ruck setzte sich auf und boxte ihn in die rechte Seite „Du sollst aufhören zu denken!“ „Was meinte deine Mutter vorhin, als sie sagte, sie wünscht uns eine angenehme Nacht?“
Völlig irritiert sah sie ihn an „Was? So sagt man, wenn man ins Bett geht oder sich am Abend verabschiedet.“ „Es ist ein Unterschied, ob ich eine „Angenehme“ oder „Gute“ Nacht wünsche.“
Patricia boxte ihn wieder „Mon dieu! Du hast Probleme! Ich will jetzt mit dir schlafen und dies angenehm und auch gut. Compris?“


Gedanken an Erwartungen

Am Sonntagmorgen um 8 Uhr saß Hannes mit Cleo und einer Tasse Kaffee im Garten. Franziska kam vom Joggen und fragte wo Patricia sei.
„Sie wollte mit dem Fahrrad zum Bäcker fahren.“ „Très bien.“
Franziska setzte sich zu ihm an den Gartentisch und sah ihm in die Augen „Hannes, was ist los mit dir? Seit eurer Ankunft bist du immer so nachdenklich. Jungs in deinem Alter sind nicht so. Schau, wie glücklich meine Tochter mit dir ist.“
„Ich weiß. Seit Avignon hat sie sich verändert. Am Bostalsee war sie ruhig und reserviert – dies ist jetzt nicht negativ gemeint. Seit Avignon ist sie ganz anders, sie ist quirliger, lacht und springt umher. Ich habe Angst dass ich sie enttäusche oder ihre Erwartungen nicht erfülle kann. Ich hatte gestern Abend von mir und meinem Elternhaus erzählt. Dies hier, ist eine ganz andere Liga. Patricia ist eine andere Liga.“
Franziska nahm seine Hand „Das Haus ist schön, da gibt es keinen Zweifel. Es war das Haus von meinen Schwiegereltern. Wir haben es geerbt. Die Unterhaltung ist teuer und für uns auch nicht leicht. Ich bin Lehrerin am Gymnasium in Thionville und verdiene keine Millionen Franc. Es ist doch nur ein Haus, welches auch für uns kleine Familie sehr viel Arbeit macht. Wir haben keine Bediensteten, wie dies noch bei meinen Schwiegereltern war.“ „Daher die andere Treppe und die Küche. Dann waren oben unter dem Dach bestimmt die Zimmer oder Wohnung für das Gesinde.“ Franziska nickte anerkennend „Ich merke, du bist nicht dumm.“ „Merci beaucoup. Ich hab mich schon gewundert, dass es im zweiten Stock nicht weiter geht und von hier sehe ich drei Stockwerke.“ „Ja, du bist nicht dumm. Den einzigen Luxus den wir uns gönnen, ist eine Gartenpflege Firma und zwei Mal die Woche kommt eine Haushaltshilfe. Ich würde dies alleine nicht schaffen. Bernhard ist monatelang in Asien oder Westafrika unterwegs. Hannes, Patricia liebt dich, mehr zählt doch nicht. Du machst auf mich einen klugen, freundlich und sehr netten Eindruck. Ich unterrichte die Oberstufe und glaub mir, denen bist du in deinem Verhalten um Lichtjahre voraus.“

Patricia kam mit einer großen Tüte Croissants und Baguette aus der Küchentür in den Garten „Très bien, wir frühstücken heute im Garten.“ Sie kam um den Tisch, umarmte Hannes von hinten, küsste ihn an den Hals und sagte leise „Danke für die angenehme und gute Nacht.“
Franziska grinste, erhob sich und wollte vor dem Frühstück noch duschen.

„Machst du dies extra?“ Fagte er lauter und genervter als es eigentlich sein sollte. „Was ist denn nun schon wieder, oh Monsieur?“ „Musst du mich so vor deiner Mutter hinstellen?“
In Windeseile kam sie um den Stuhl, sprang ihm auf den Schoß und boxte ihn. Links, rechts, links, rechts, gab ihm einen Kuss und boxte weiter „Ich bin glücklich. Ich liebe dich. Bin verrückt nach dir. Darf ich nicht glücklich sein? Darf ich dich nicht lieben?“ Sie boxte nochmals.
„Doch. Natürlich. Aber musst du der ganzen Welt sagen, dass wir Sex hatten?“
„Oui, mon chérie. Ich würde sogar einen Banner an ein Flugzeug hängen und über Lothringen fliegen lassen: Ich-hatte-eine-angenehme-und-gute-Nacht.“ „Für einen solchen Banner ist Lothringen zu klein.“
Sie küsste ihn „Chérie, Geographie ist nicht unsere Stärke“ sie gab ihm noch einen Kuss, wuschelte seine Haare und ging in die Küche.

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