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Uns steht bald das Wasser bis zum Hals

Der Mekong in Kambodscha. Dieser Fluss ist so gigantisch, dass selbst bei Hochwasser einer seiner Nebenflüsse die Fließrichtung ändert.

Die klimatologiesche Auswirkungen beim Meeresspiegelanstieg werden fatale Folgen mit sich bringen.

Autorin Naike Juchem

Sommer, Sonne, Hitze
Um in den offiziellen Wetteraufzeichnungen nicht bis ins Jahr 1970 gehen zu wollen, sollten wir uns einem Zeitraum anschauen, welchen man überblicken kann.
Mit dem Beginn des 21. Jahrhunderts fällt auf, dass der Sommer 2003 extrem heiß war und man von einem Supersommer – nicht gerade im positiven Sinne sprach.
Was früher mal die Ausnahme war, ist seit 2015 kontinuierlich zu sehen.
Die Sommer 2015, 2018, 2019, 2020 und ganz besonders 2022 zeigten in Mitteleuropa extreme Hitzerekorde auf.

Jedem modernen Mensch sollte klar sein, wenn es auf vielen Punkten der Weltkugel heißt ist, werden solche Hitzeperioden in den nordischen Ländern, Arktis, Antarktis und Hochgebirge nicht ohne Folgen bleiben. In der Geologie der Erde sind Hitzeperioden völlig normal – aber die Häufigkeit nicht.

In den Klongs von Bangkok

Südostasien versinkt

Nun möchte ich über die Erhöhung des Meeresspiegels in Südostasien schreiben. Auch hier wird es Stimmen geben, die sagen: interessiert mich nicht, was dort passiert. Blöd nur, dass ein Anstieg des Meeresspiegels auf der gesamten Weltkugel gemessen wird. Wenn die ersten Klimaleugner im Münsterland nasse Füsse bekommen, wird es diese Menschen wohl schon interessieren.

Bereits in den 90er Jahren traf ich eine junge Frau in Thailand, die an der Universität in Nakhon Ratchasima Klimatologie studierte und mir in dieser Zeit schon Prognosen und Bilder von dem
Topex/Poseidon-Satelliten zeigte, welcher die Nasa in Zusammenarbeit mit dem französische Raumfahrtinstitut CNES zwischen 1992 und 2006 im Orbit hatten.
Vor 30 Jahren wurde diese Forschung und Prognosen noch sehr belächelt – leider auch noch heute.

Mitte der 90er Jahre wurde bereits in Osttimor, Malaysia, Vietnam, Kambodscha, Thailand und auch China, ein Anstieg des Meeresspiegels gemessen. Mit der Jahrtausendwende wurden auch in Bangladesch, Indien, Indonesiens, Philippinen, den pazifischen Inseln und so gut wie alle Staaten mit Küsten ein Anstieg gemessen.

Vorhersagen darüber, wann die Küstenstaaten in Südostasien von dem
Anstieg des Meeresspiegels bedroht sein werden und um wie viele Millimeter genau dieser Anstieg sein wird, kann zur Zeit niemand mit Gewissheit sagen. Fakt ist, dass die Prognosen des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) der UN aus dem Jahr 2007 stark unterschätzt wurden.

Der Mekong in Kambodscha

Warum ausgerechnet in Ost- und Südostasien

Um die globalen Zusammenhänge zu verstehen, muss man zu erst einmal die géographie der Erde verstehen.
Deiche in den Niederlanden, Belgien und Norddeutschland sind vielen bekannt. Das diese Deiche als Schutzwall für das dahinter liegenden Land sind, erschließt sich beim genaueren betrachten. In den Niederlanden liegen immerhin 26 Prozent der Landesfläche unter dem Meeresspiegel. In Deutschland ist Schleswig-Holstein mit fast 25 Prozent der Landesfläche nur knapp über dem Meeresspiegel gleiches gilt für die Region Flandern in Belgien.
So gut wie alle Küstentaaten dieser Welt sind mit einem Anstieg des Meeresspiegels betroffen, denn viele Landesfläche liegen etwas um die 10 Meter über dem mittleren globalen Meeresspiegel. Dies ist nicht der gleiche (theoretische) Punkt, welcher in Deutschland als NN (Normalnull) gerechnet wird.
Asien und der pazifische Raum sind zum einen besonders gefährdet, weil es dort mitunter gewaltige Flussdeltas wie das Mekong-Delta, Ganges-Brahmaputra-Meghna-Delta oder Perlflussdelta gibt und zum anderen wegen ihren Sandküsten, welche sich durch oder wegen den gewaltigen Deltas bilden. Da Sandküsten auf Grund ihrer Beschaffenheit sehr dynamisch sind, gelangt bei Sturmfluten und Überschwemmungen zu viel Sand ins Meer. Somit sind alle Küstentaaten in Ost- und Südostasien, Chinas und die beiden koreanischen Staaten am Gelben Meer von einem Meeresspiegelanstieg besonders betroffen.

In China leben circa 244 Millionen Menschen direkt oder im gefährdeten Hinterland. In Indien sind es ungefähr 216 Millionen Menschen. In Bangladesch um die 109 Millionen. In Indonesien sind es 93 Millionen Menschen und in Vietnam geht man von 50 Millionen Menschen aus.
In diesen Schwellen- und Entwicklungsländer fehlt schlichtweg das Geld für geeignete Schutzmaßnahmen.

Die vielen kleinen pazifischen Inseln, wie zum Beispiel: Kiribati, Solomon, Französisch-Polynesien, Fiji, Nuku Hiva oder Taveuni haben bei weitem nicht die Einwohnerzahlen, wie bereits erwähnt, trotzdem stehen auch dort 1 Million Menschen vor der gefährdung ihrer Existenz – oder könnten sogar Staatenlos werden, wenn ihre Heimat buchstäblich im Wasser versinkt.

Die Apokalypse ist noch weit entfernt
In dem IPCC Sonderbericht über Emissionsszenarien aus dem Jahr 2007 steht, dass der Meeresspiegel in dem vergangenen Jahrhundert im weltweiten Durchschnitt um etwa 1,7 Millimeter pro Jahr anstiegen ist. Der Bericht kam auch zu dem Schluss, dass der globale Meeresspiegel in den nächsten 50 Jahren auf 0,22 bis 0,44 Meter über dem Niveau von 1990 ansteigen wird – dies sind etwa 4 Millimeter pro Jahr, also über das Doppelte des Niveaus vom vergangenen Jahrhundert.
Diese Zahlen sind besorgniserregend, aber noch nicht katastrophal.

Auf der Neumayer-Station III, der deutschen Polarforschungsstation des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) in der Antarktis, sieht man mit Sorge die thermische Ausdehnung von Schelfeisflächen.
Auch eine veröffentlichte Studie in der American Association for the Advancement of Science’s (AAAS) von 2018 stellte fest, dass das Abschmelzen von Gletschern in einigen Regionen der Antarktis dazu führte, dass eine Schicht kalten Süßwassers über wärmerem, salzhaltigerem Wasser schwamm, was sowohl die Ozeanzirkulation verlangsamte, als auch die unteren Teile der Eisschilde zum Schmelzen brachte. Dies führt natürlich dazu, dass sich die Schelfe vom gefrorenen Festland lösen, was wiederum das Festlandeis der Verflüssigung aussetzt. Dies wird dann zu einem raschen – und aggressiven – Anstieg des Meeresspiegels führen, der verheerende Auswirkungen auf die niedrig gelegenen Küstentaaten haben wird.

Im Jahr 2019 veröffentlichte das in Princeton, New Jersey, ansässige Climate Central Institut einen Bericht, in welchem steht, dass der Meeresspiegel im Laufe des 21. Jahrhunderts weltweit zwischen 0,60 Meter und 2,1 Meter ansteigen wird, möglicherweise sogar noch mehr. Weiter heißt es, dass sich die Bedrohung auf die asiatischen Küstengebiete konzentriert und noch zu Lebzeiten der heute lebenden Menschen tiefgreifende wirtschaftliche und politische Folgen haben könnte. Zwar sieht man auf der interaktive Bedrohungskarte von Climate Central einen sehr starken Meeresspiegelanstieg im südosasiatischen Raum und es wird in dem Bericht vor unvorstellbaren Ausmaßes an Küstenüberschwemmungen in Thailand und Malaysia zwischen 2030 und 2050 geschrieben, ich halte diesen Anstieg als utopisch. Wie hoch der Anstieg des Meeresspiegels genau sein wird, ist jedoch Gegenstand von Spekulationen. Fakt ist, es wird Millionen Menschen in den Küsten- und Deltaregionen treffen und die wirtschaftlichen Folgen werden astronomisch sein.

In den Klongs von Bangkok

Menschliche Fehler mit fatale Folgen

In den großen Küstenstädten in Malaysia, Philippinen, Thailand, Kambodscha oder auch Vietnam geht man seit Jahren hin und pumpt das Grundwasser ab, um die Trinkwasserversorgung für Menschen oder Landwirtschaft zu sichern. Dies hat zur Folge, dass sich der Boden im den sowieso schon tiefen Küstenregionen weiter absenkt. Auch die Sedimentablagerungen werden in vielen Deltagebieten durch Dämme und Stauseen an den Oberläufen der Flüsse und Eindeichungen im Delta selbst eineschränkt. Folglich versanden die Flüsse immer mehr und die Biodiversität nimmt immer mehr und schneller ab. Bei einem Meeresspiegelanstieg wird mehr Salzwasser in die Flüsse gedrückt oder versickert über die Landfläche ins Grundwasser, was folglich zu eine Versalzung führt.

Naike Juchem, 9. September 2022

Quelle:
– climatecentral.org
– gerics.de
– ippc.ch

Fotos:
– privat