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Teil II Im Zombie Land

Irgendwo im Dongrek-Gebirge zwischen Kambodscha und Vietnam

Im Zombie Land

Montag, 15. Januar 1990
Irgendwo im nirgendwo

Am Montagmorgen rief Hattie an, sie wollte sich mit Patricia in Phnom Penh treffen. Passte ganz gut, am Mittwoch müssten, Cees de Groot und Luan Bernasconi, die beiden anderen aus dem Team, am Flughafen abgeholt werden. So konnten sie die 140 Kilometer wunderbar verbinden.

Hannes fuhr auf die Baustelle, er wollte endlich an der Abgemessenen und Abgesteckten Strecke weiter kommen.
Auf der Baustelle waren die 5 Männer beschäftigt die Schalung für das Pumpenhaus weiter zu bauen. Der Baggerfahrer baggerte an dem Graben, den sie gestern Abgesteckt hatten. Wie zu erwarten, war seine Arbeit nicht gerade das, was man vernünftig nennen konnte. Hannes zeigte es ihm wieder auf 10 Meter Grabenlänge. Irgendwie schien der Fahrer nicht zu begreifen, was ein Bagger alles kann.

Stephane Dilbert rief am Vortag im Hotel an und sagte, dass heute ein größerer Bagger auf die Baustelle kommen werde.
Vor Wochen sei in Thailand eben jener Bagger gekauft worden.
Der Bagger vor Ort war mit seinen 16 Tonnen Einsatzgewicht für den Bau der Wasserleitung und den dafür vorgesehenen Graben etwas zu klein.
Wenn die Wasserleitungen von der Hauptleitung nach rechts abgehend verlegt werden mussten, brauchte man für diese Topografie ordentliches Gerät. Von der Baustelle waren es oft noch keine 15 Kilometer bis zur Grenze zu Vietnam. Das Geländeprofil war zum Teil sehr hügelig und felsig.

Mit dem Toyota Pickup fuhr Hannes zu dem Vereinbarten Treffpunkt an der Straße 334, um dort den Lkw mit dem Bagger in Empfang zu nehmen. Eigentlich machte es keinen Sinn, eine Uhrzeit zu vereinbaren, denn dies war in Asien etwas, um was sich die Menschen am wenigsten Gedanken machten. Man ist ja schließlich irgendwann da – oder auch nicht. Also blieb nur das warten und hoffen.

Die Klimaanlage in dem Toyota Pickup gab ihr bestes. Eine Stunde wartete er schon. Es wurde draußen immer wärmer und die Klimaanlage kam langsam an ihre Grenze. Hannes wollte die Pläne für die nächste Abschnitte studierten und die Länge der benötigten Wasserleitungen berechnen damit Eliane die Bestellung machen konnte.
Im Auto war kein Platz um diese riesigen Pläne auszubreiten. So stieg er aus dem Wagen und fixierte mit Magneten den Plan auf der Motorhaube. Trotz der weißen Farbe von dem Auto, glühte die Motorhaube wie eine Kochplatte. Die Schwüle war unerträglich.

Keine 5 Minuten, die Hannes aus dem Auto war, klebte sein T-Shirt am Körper.
Mit einer Maßstabschablone errechnete er die gebrauchten Materialien für,…. für welchen Zeitraum? Ihm war auch klar, dass bei dieser Hitze niemals das Tempo erreicht wurde und wird, wie in Deutschland. Er bräuchte eine Motivation für die Arbeiter, dass sie wenigstens regelmäßig zur Arbeit kommen würde um auch etwas leisten zu können.


Ein neuer Bagger kommt

Eine Staubwolke kam auf ihn zu. Hurra, könnte der Bagger sein. Tatsächlich, Hannes sah einen Bagger hinter dem Fahrerhaus. Mit Spannung sah er dem Fahrzeug entgegen. Was wir nun für ein Spielzeug kommen? Auf den letzten 200 Meter sah er in einer riesigen Staubwolke ein Sattelzug mit Tieflader. Es stand ein Bagger auf dem Tieflader. Ein richtiger Bagger! Ein Caterpillar Kettenbagger 225LC. Die Maschine hatte ein Einsatzgewicht von fast 26 Tonnen. Mit diesem Teil konnte man vernünftig arbeiten. Sogar zwei verschiedene Tieflöffel mit, 0,88 m3 und 1,68 m3 waren dabei. Yes, that’s right!
Die Freude war nur von kurzer Dauer. Wie kann der Lkw mit dem Tieflader zur Baustelle fahren? Sein Pickup hatte bei der Folterstrecke schon seine Probleme. Der Tieflader würde auf dieser Piste stecken bleiben. Die Fahrbahn war für diesen Sattelzug definitiv nicht geeignet.
In Asien ist es normal, dass ein Bagger auf einem Dreiachs- Lkw transportiert wurde – sofern er keine Reifen hatte. Dies wäre bei dem Gewicht und Größe von diesem Bagger gar nicht möglich gewesen.

Hannes fuhr mit dem Lkw Fahrer die Strecke ab, bis wo hin er auf jeden Fall fahren könnte.
Hannes fuhr den Fahrer zu seinem Lkw und dann weiter zum Hotel. Patricia musste mit. Sie sollte den Pickup zur Baustelle bringen, er müsste den Bagger fahren. An der Tankstelle in Svay Rieng kaufte er ein 200 Liter Fass Diesel. Pickup’s sind für alles gut.

Der Lkw war an der vereinbarten Stelle angekommen. Der Fahrer fragte, wer denn nun den Bagger abladen würde. Mit der Antwort von Hannes hatte der Fahrer nicht gerechnet.

Der neue Bagger hatte eine Dieselpumpe in der Nähe vom Tank, so konnten ohne Probleme die 200 Liter Diesel schnell und zügig umgepumpt werden und musste nicht mühsam mit 20 Liter Kanister getankt werden.

Per Kette fuhr Hannes über die Folterpiste zur Baustelle. Mit dem großen Baggerlöffel machte Hannes während der Fahrt diese Folterpiste zu einer doch erheblich besseren Straße. Er hätte es gerne ordentlicher gemacht, durch den zweiten Baggerlöffel, der in dem größeren lag, konnte er nicht so arbeiten, wie gewünscht. Ein Baggerlöffel von fast einer Tonne, konnte er schlecht nicht auf den Pickup legen.

Endlich war die Baustelle erreicht. Hannes taten von dem gequietsche der Ketten schon die Ohren weh.
Patricia kam gleich zum Bagger „Lass mich bitte mal baggern.“
Wäre ja nicht das Problem gewesen, nur wie sollte die kleine Patricia das Fahrwerk hoch in die Fahrerkabine kommen?
Hannes stellte den Oberwagen leicht nach rechts „Geh jetzt vorne die Kette hoch, dies ist für dich einfacher als seitlich über das Fahrwerk.“

Patricia saß auf seinem Schoß und Hannes erklärte ihr nun die zwei Hebel links und rechts am Sitz, die Pedale um die Kette vorwärts oder rückwärts laufen zu lassen und die Schwenkbremse vom Oberwagen. Sie nahm die beiden Hebel in die Hand und machte, was Hannes ihr sagte.
Der Bagger schaukelte wie ein Schiff, bei Seestärke 8.
„Langsam, Patricia langsam und mit Gefühl. Hydraulik ist sehr empfindlich und reagiert sofort.“
Beim dritten Versuch war es nur noch Seestärke 4. Nach 10 Minuten Schiffschaukel, hatte Patricia den Bogen raus. Diese Frau hatte vor nichts Angst. Gleich aufgeben kam für sie nicht in Frage. Sie drückte die beide Pedale nach vorne und der Bagger fuhr in die gewünschte Richtung. Sie drehte den Oberwagen um 180°, drückte die zwei Pedale nach vorne und der Bagger fuhr rückwärts. Ohne das Hannes etwas sagen musste, kam von ihr gleich die Antwort „Ist logisch. Der Bagger steht in die andere Richtung als die Kette.“ „Einfach ausgedrückt – aber richtig. Du musst immer wissen, in welche Fahrtrichtung das Fahrwerk steht. Nun kennst du die Grundbegriffe von dem Bagger, dann buddel doch mal ein Loch.“

Gleichzeitig den linken Hebel nach rechts, der rechte Hebel nach vorne, der linke zurück und der rechte nach rechts. Die war für den Anfang doch etwas viel. Als sie begriffen hatte, was der Bagger bei welcher Hebelbewegung machte, konnte sie auch ein Loch graben. Zwar war der große Baggerlöffel mit einem Teelöffel Erde gefüllt – aber immerhin klappte es.

Nach einer Viertelstunde baggern war der Löffel immerhin dreiviertel voll. Patricia lernte wirklich unglaublich schnell.
Die Handvoll Männer auf der Baustelle standen im Halbkreis um den großen Bagger und sahen der kleinen Patricia zu.
„Tsssss, tsssss, tsssss“ kam es immer wieder im Kanon von den Männer.

„Du kannst besser mit dem Bagger arbeiten, als der Baggerfahrer, der den anderen da vorne fährt. Nun kannst du seine Arbeit weiter machen. Nun müssen wir im Plan schauen, wie tief die Wasserleitung weitergeht und wo wir mit welcher Tiefe am letzten Punkt sein müssen.“ „Das ist aber sehr kompliziert.“
„Liebes, nicht komplizierter als lernen. Lass mich arbeiten, fahre du zurück nach Svay Rieng. Dein Vater kann mich gegen Abend abholen kommen. Ich brauch nur noch die Pläne aus dem Auto.“ „Sind dies alle Arbeiter?“ Fragte Patricia und zeigte auf die 5 Männer.
„Ja, ich frage mich, wie wir mit einer Handvoll Bauarbeiter eine Wasserleitung vom 170 Kilometer, die Nebenleitungen und Pumpenhäuser bauen sollen? Entweder die Männer arbeiten an dem Graben oder an dem Bau für die Pumpen. Ich weiß nicht wie ich die Arbeiter motiviert bekomme und wo ich nochmal so viele Arbeiter her bekomme. Ich kann ja schließlich nicht alles alleine machen.“ „Ich bin nun hier in der Gegend, ich fahre mal in die Dörfer um zu schauen, wie ich dort weiter komme und wie viele Kinder es überhaupt gibt und welches Alter.“

Hannes bat einen Arbeiter die Grabentiefe zu messen, damit er nicht irgendwann zu tief oder zu hoch kam. Er war ja nur Hobby-Baggerfahrer.
Mit dem großen Baggerlöffel ging es sehr zügig voran. Da eigentlich nur 1,50 Breite gebraucht würde, der Baggerlöffel aber 1,80 Meter breit war, war so auch etwas mehr Sicherheit für die Arbeiter im Graben gewährleistet. In Deutschland dürfte er ohne Verbau so etwas gar nicht machen. Daher zog er den letzten halben Meter der Wand nach links und rechts weg. Immer noch ein Alptraum für die Berufsgenossenschaft, aber besser als nichts. Unvorstellbar, wenn der Graben zusammen fällt und ein Mensch lebendig begraben werden würde.

Er korrigierte die Sohle von dem anderen Baggerfahrer wieder. Am liebsten hätte er ihm gesagt, er soll sich zum Teufel scheren. Er brauchte aber die wenigen Arbeiter um überhaupt etwas tun zu können.

Hannes baggerte schneller, als die Männer dieses Tempo gewöhnt waren. Zum einen hat ein so großer Bagger unglaublich viel Kraft und zum anderen konnte er es, trotz das er wenig Bagger gefahren war, dies besser als der Mann, der meinte Baggerfahrer sein zu wollen.
Nicht übertreiben. Nicht übertreiben, sagte er sich.
Hannes fing an zu singen
„Wer baggert da so spät noch am Baggerloch?
Das ist Bodo mit dem Bagger und der baggert noch.
Ja, wer baggert da so spät noch am Baggerloch?
Das ist Hannes mit dem Bagger und der baggert noch.“

Er kam schneller voran, als er dachte. Wollte auch nicht zu weit den Graben auf baggern, dieser musste später auch wieder verfüllt werden.
Patricia kündigte sich mit einer großen Staubwolke an. 4 Meter neben dem Bagger hielt sie an. Hannes drehte das Fahrwerk nach links und ging über die Kette – mit Schuhen vom Bagger, zu ihr. Wie der Kollege Barfuss über die Kette gehen konnte, blieb ihm ein Rätsel.
Patricia’s Gesicht sah versteinert aus. „Prinzessin, was ist los?“
Sie schüttelte den Kopf „Glaubst du nicht! Vergiss alles, was wir bis jetzt in Kambodscha gesehen haben!“
Ihr kamen die Tränen.
„Fahr mit mir. Schau es dir an. Hannes, … Mittelalter… es ist wie im Mittelalter!“

Patricia fuhr von der Baustelle die Piste Richtung Osten, dann die nächste Kreuzung recht. Nach ca. 4 Kilometer kam die erste Ortschaft. Patricia fuhr langsam über die Sandpiste an den… den was… vorbei? Hütten, Baracken, Kaluppen, Katen? Es gibt kein Wort für etwas das schief, kaputt und irgendwie zusammen genagelten einen umbauten Raum auch nur im Ansatz beschreiben kann.
Müll und Fäkalien wo er hinsah. Patricia hatte recht, so etwas hatten sie noch nie gesehen. Die Ortschaft war eine Müllhalde.
Unbegreiflich wie so wenig Menschen in dieser Ortschaft so viel Müll haben konnten! Im Umkreis von bestimmt 30 Meter um diesem Ort lagen Plastikfolien, Flaschen, Bleche, Reifen, Ölfässer und Kanister. In den Bäumen hing Plastik das vom Wind weggeweht wurde.

„Was schätzt du, wie viel Menschen leben hier?“ „Patricia, wie soll ich dies beurteilen? Von dieser Piste gehen links und rechts insgesamt sieben Wege ab. Was ich hier an Baracken sehr, würde ich diese Zahl mal vier nehmen, könnte auch nur mal drei sein.“ „60 Hütten. Mal drei oder vier Personen pro Hütte. Spekulationen bringen uns nicht weiter. Jemand fragen, wir wenig Sinn machen, da wird keiner hier sein, der vernünftig rechnen kann. Du musst auch nicht mehr weiter fahren, ich kann mir ein Bild von den anderen Ortschaften machen.“ „Sind auf deinen Plänen diese Ortschaften eingezeichnet?“
„Ja. Kampang Rou, Khum Nhour und Khsaetr liegen laut Plan an dieser Piste. Zwischen Kampang Rou und Khum Nhour geht es ab nach Sama. Hier sind die Ortschaften Samlei, Thmei und Tnaot. Hannes zeigte ihr mit dem Finger auf der Karte, wo die Ortschaft eingezeichnet waren.
„Ob die Angaben von der Entfernung stimmten, bezweifle ich auch. Fahr zurück, wir messen jetzt. Der Maßstab auf den Karten wird ja bestimmt richtig sein. Ich hatte heute morgen die Länge für die Wasserleitungen berechnet.“


Irgendwo im Dongrek-Gebirge

Patricia fuhr zurück an die Kreuzung zur Baustelle und stellte den Kilometerzähler auf Null. Auf dem Plan markierte Hannes den Nullpunkt.
„Dann mal los.“ „Bis Kampang Rou sind es jetzt 5,6 Kilometer. Was sagt dein Plan?“ „3,2 Kilometer. Welchen Faktor soll ich da annehmen? Fahr bitte weiter zur nächsten Ortschaft. Dies müsste Khum Nhour sein.“ „8,2 Kilometer“ sagte sie in der Mitte der Ortschaft. „Fahr weiter. Laut Maßstab habe ich 5 Kilometer.“ Patricia fuhr weiter bis nach Khsaetr.
„Was sagt der Kilometerzähler?“„Knapp 13 Kilometer. Wo ist die Grenze zu Vietnam?“ „Nach meinem Plan bin ich jetzt bei 7,5 Kilometer. Folglich müsste nach dem Maßstab in circa 7 Kilometer die Grenze kommen.“

Patricia fuhr weiter und Hannes schaute mit einem Auge auf seine Karte und mit dem anderen auf den Kilometerzähler. 19 Zeigte dieser an. Die Piste wurde steiler und nach eine scharfe links Kurve wurde die Piste enger. Patricia stoppte den Pickup und stieg aus. Hannes blickte noch auf den Kilometerzähler, bevor auch er ausstieg.
„Chérie, schau. Da hinten ist eine Siedlung.“ Patricia zeigte mit dem rechten Arm in die Richtung, wo sie Hütten gesehen hatte.
„Patricia, hier ist nur Wald. Wie soll man an diese Siedlung kommen? Ich habe keine Piste von rechts kommen gesehen. Ist diese Siedlung überhaupt noch in Kambodscha?“
Patricia sah ihn fragend an „Wo soll diese Siedlung sonst sein?“ „Na ja, auf dem Kilometerzähler steht 22. Sind wir noch in Kambodscha?“ „Du hast doch die Karte.“ „Klasse. Ja, ich habe die Karte. Aber nichts passt auf dieser verfluchten Karte zusammen. Die Siedlung ist hier nicht eingezeichnet.“
Patricia schaute auf die Karte und zeigte mit ihrem Finger auf Samlei „Und was ist dies bitteschön für eine Ortschaft oder Siedlung?“ „Samlei. Korrekt. Nun erklärte mir bitte mit deinem exzellenten Abi, wie wir von Khsaetr im Kreis gefahren sein müssten um eine Ortschaft zu sehen, die zwischen Kampang Rou und Khum Nhour links liegt und die wir jetzt rechts von uns sehen.“
Patricia boxte ihn gegen den Oberarm „Boeuf stupide.“

Patricia fuhr langsam weiter, in der Hoffnung einen Weg zu finden, um an die Unbekannte Siedlung zu kommen.
Hannes hatte ein ungutes Gefühl im Bauch „Patricia, es macht keinen weiter zu fahren. Bitte dreh um.“
Er zeigte ihr den Plan, wo sie in diesem Augenblick sein könnten und wo nach seiner Karte die Grenze zu Vietnam war. „Wir sind hier wie in einem Quadrat. Nach Süden ist von dem Ausgangspunkt, wo du den Kilometerstand auf Null gedrückt hast, ist die Entfernung zur Grenze zu Vietnam zwischen 14 und 22 Kilometer. Dann sind es von dem Punkt, wo die Straße 334 aufhört, 25 Kilometer bis zur Grenze nach Osten. Ich kann dir in diesem Augenblick noch nicht einmal sagen, in welchem Land wir sind!“ „Wie?“ „Nix, wie? Nach diesem Plan und das was du an Kilometer gefahren bist, kann ich dir nicht sagen in welchem Land wir uns in diesem Augenblick befinden. Die Piste geht laut Plan nicht bis an die Grenze und die Siedlung, die wir gesehen haben, ist hier nicht eingezeichnet. Du bist nun über 30 Kilometer gefahren. Auch wenn ich großzügig die Serpentinen und Kurven abziehe, sind wir nach diesem Plan jetzt in Vietnam.“ „Meinst du? Ich habe nichts gesehen was irgendwie auf eine Grenze hindeutet.“ „Patricia, ich weiß es nicht. Kann sein, dass wir noch in Kambodscha sind und noch eine oder zwei unbekannte Siedlungen hinter der nächsten Kurve oder Hügel kommen. Es kann aber auch sein, dass der nächste Ort von Vietnamesen bewohnt ist.“ „Und nun?“ „Du fährst. Du entscheidest.“

Patricia fuhr weiter bis der Kilometerzähler 40 anzeigte.
„Noch eine Kurve. Okay?“
Hannes nickte stumm. Innerlich war er angespannt, versuchte dies aber vor Patricia zu verbergen.
Die Piste ging weiter den Berg hoch. In 300 Meter sah er eine links Kurve. Patricia fuhr noch zwei Kilometer weiter bis sie stoppte. Die Aussicht nach Süden und Südosten war grandios. Sie standen irgendwo in Südostasien im Dongrek-Gebirge und waren von Wäldern und Hügel umgeben.
„Mon chérie, ist dieser Anblick nicht überwältigend?“ „Doch. Ist er. Ich habe solche massiv bewaldeten Hügel und Täler noch nie gesehen. Prinzessin, bitte lass uns zurückfahren. Ich habe kein gutes Gefühl. Ich weiß, dass du Menschen suchst und diese auch erreichen möchtest, aber ohne vernünftige Karten machte dies keinen Sinn. Unsere entdeckte Siedlung kann auch ein Lager von versprengten Kämpfer der Roten Khmer sein.“
Patricia nickte „Du hast recht. Ich sehe deine Sorgen in deinen Augen.“ „Danke. Ich habe keine Lust, wegen einem illegalen Grenzübertritt Ärger zu bekommen. Patricia, nichts passt zusammen. Laut diesem Plan sind zwischen Kampang Rou und Khum Nhour die drei Ortschaften Samlei links, sowie Thmei und Tnaot rechts auf den Hügeln – wenn die Höhenangaben auf dem Plan auch nur annähernd stimmen. Lass uns zurückfahren. Wir haben irgendwo zwischen Kampang Rou und Khum Nhour
die Abfahrten übersehen. “

Patricia wendete den Pickup auf der Piste und fuhr in entgegengesetzte Richtung zurück. Der Puls von Hannes war schon leicht erhöht. Hinter jeder Kurve vermutete er eine Straßesperre oder eine Horde Kämpfer mit Gewehren im Anschlag.

Endlich sah er die ersten Hütten von Khsaetr in Sicht kommen. Hannes atmete tief aus.
Nach den letzten Hütten von Khum Nhour fuhr Patricia langsamer.
„Ist das hier eine Einfahrt? Was meinst du?“
Hannes schaute auf seinen Plan und rechnete mit der Maßstabsschablone die Kilometer von Kampang Rou bis nach Khum Nhour.
„Ich weiß es nicht. Könnte passen. Könnte aber auch nur ein Weg ins Zuckerrohrfeld sein. Fahr den Weg hoch, dann wissen wir es. Irgendwo werden wird schon rauskommen.“

Diese Piste verlangte von dem Auto, wie auch von Patricia alles ab. Es ging gute 20 % den Berg hoch. Schlagloch auf der linken Seite, einen Buckel rechts, dann eine Bodenwellen von über 40 Zentimeter und danach ging es 50 Zentimeter runter. Der Pickup stand oft so schräg, dass nur 3 Reifen auf dem Boden gripp fanden.
„Du musst die Buckel schräg anfahren und die Löcher versuchen zu meiden. Fahre mit der Piste und nicht gegen sie. Wenn es sein muss fahr mit einer Seite vom Auto durch den Zuckerrohr. Nimm die Wellen nicht frontal. Immer etwas versetzt. Soll ich weiter fahren?“ „Non, ich habe doch einen guten Co-Piloten.“
Hannes lachte „Wir beide würde auch ein gutes Rallye Team abgeben.“

Das Auto kam den Berg immer schlechter voran. Da diese Piste auch nur aus Sand und Lehm bestand, drehten die Reifen immer mehr durch.
„Bleib stehen. Zieh die Handbremse an und mach den Gang raus. Mach die Getriebeunterstützung rein. Das ist der Knopf rechts vor dem Schalthebel. Dann rechts von dir den Knopf drücken, dass ist die Sperrdifferentialsperre. Nun wird die Kraft von den durchdrehenden Reifen auf die, die stehen übertragen. Nun löse die Handbremse und lenke nach links. Es kann sein, dass jetzt das Auto nach rechts zieht, dann fahr trotzdem weiter, wenn du merkst das du im Lenkrad Kontakt spürst lenke gerade. Das Auto wird sich dann in Richtung zu dem Feld bewegen. Wenn ich sage nach links lenken, machst du dies auch. Okay?“ „Oui Monsieur.“ „Dann Attacke. Gibt Vollgas.“

Die zierliche Patricia machte es genau so, wie Hannes es ihr sagte. Sie steuerte das Auto mit dem ihm zu Verfügung stehender Kraft, diese Hindernisse hoch. Immer wieder schlug eine Seite vom Auto auf der Piste auf. Es knirschte und schrubbte der Sand, Erde und Steinbrocken an der Karosserie.
„Weiter. Nicht stehen bleiben. Immer weiter mit Vollgas. Die Kiste fällt nicht um.“

Nach weiteren 300 Meter Folterpiste wurde das Gelände flacher und die Piste führte in einem leichten Bogen nach rechts noch gute 250 Metern durch den Wald, bis die ersten Hütten von Samlei zu sehen waren. Dieser Ort war wesentlich kleiner als die 3 Ortschaften im Tal.
„Geschafft. Wir sind da. Bist du sicher, dass du nicht mit Michèle Mouton verwandt bist?“
Patricia grinste und gab ihm einen Kuss.


Gottes vergessenen Menschen

Nach den ersten Hütten im Ort blieb Patricia stehen „Auf geht’s. Dann lass uns die Expedition beginnen.“
Hannes nickte „Oui Madame.“
Sie stiegen aus dem Pickup und schauten sich um. Hunde bellten sie an, Hühner liefen umher oder pickten im Sand nach Körner. 12 Hütten sahen sie und auch hier im Ort lag überall Müll. Zwar nicht so viel wie sie zuvor gesehen haben, aber dennoch Müll. Nach 20 Metern ging ein kleiner Pfad nach rechst. Hannes zählte 5 Hütten „Wo sind die Menschen?“
Patricia sah ihn wortlos an und zuckte mit den Schultern. Sie gingen zurück zur Mitte der Siedlung. Ein Kind huschte ein Haus weiter in ein anderes Haus. Patricia rief auf khmer und sagte wer sie seien und auch der Grund für den Besuch. Nichts! Kein Mensch zu sehen. Es war unheimlich. Patricia rief nochmal.
Eine ältere Frau mit wettergegerbter Haut und schwarzen faulen Zähne kam langsam aus einer Behausung und blieb im Abstand von 5 Meter von ihnen stehen. Hannes vermochte das Alter dieser Frau nicht zu schätzen. 50, 60 oder 80 Jahre konnte diese Frau sein.
Aus einer Hütte links von ihnen kam ein Mann mit einem 2 Meter langen Knüppel heraus.
„Die Menschen haben Angst.“ „Warum? Ich habe doch gerufen wer wir sind.“ „Patricia! Wir könnten auch von der Miliz sein.“ Patricia sah Hannes mit einem versteinerten Blick an und reagiere sofort „Suostei! Yeung chea vechchobandet mk pi eurob. kroupety!“
Hannes riss die Augen auf „Hallo, wir sind Ärzte aus Europa?“ „Fällt dir etwas besseres ein? Soll ich rufen wir sind Baggerfahrer? Boeuf stupide!“

Patricia rief noch drei mal diesen Satz in die andere Richtung der Siedlung. Langsam kamen die Menschen aus ihren Hütten auf die Straße. Alle waren zerlumpt, dreckig und krank. Beiden stockte der Atem beim Anblick solcher Menschen.
„Mon dieu, wo sind wir hier?“ „Bei Gottes vergessenen Menschen! Patricia, ich habe in meinem Leben noch nie solche Menschen gesehen!“
Die Menschen kamen langsam näher, blieben aber in gebürtigem Abstand im Halbkreis stehen. Immer wieder sagte Patricia, dass sie Ärzte seien und die Menschen zählen wollten. Es dauerte unglaublich lange, bis die Zahl der Einwohner ermittelt war. 32 Personen. Davon 14 Kinder. Nach dem Alter fragen? Schätzen? Es ging nur über Schätzen. Patricia schätzte die Kinder zwischen 4 und 13 Jahren. Diese Kinder, wie Eltern und Großeltern kannten gar keine Zivilisation – Müll schon!
Patricia machte sich Notizen von den Leute, Anzahl an Jungen und Mädchen, wie auch Frauen und Männer. Alter konnte auch bei ihnen nur geschätzt werden. Plus minus 10 oder 15 Jahre. Durch mangelnde Hygiene, Versorgung und wahrscheinlich auch einseitiger Ernährung, sahen diese Menschen aus, wie aus einem Gruselfilm. Viele hatten Pusteln auf der Haut. Effloreszenzen teilweise oder am ganzen Körper. Faule oder gar keine Zähne mehr.
Patricia ging langsam auf einzelne Menschen zu, bei denen sie starke Pusteln im Gesicht oder Oberkörper sah, um diese besser dokumentieren zu können. Immer wieder sagte sie „Vechchobandet mk pi eurob“ zu den Leuten. Patricia hatte mehrer Seiten vollgeschrieben und schüttelte immer wieder den Kopf.

„Komm, sag denen, dass wir wieder kommen – denke ich doch. Wir müssen irgendwie Hilfe organisieren. Diese Menschen sind alle krank und brauchen dringend ärztliche Versorgung.“

Patricia fuhr zurück durch den Wald und dann die Höllenpiste herunter. Die Piste im Tal kam in Sichtweite. Statt nach rechts Richtung Svay Rieng zu fahren, fuhr sie links in die Ortschaft Khum Nhour.
Sie fuhr bis ziemlich in die Mitte von dem Ort und rief wieder ihren „Doktor aus Europa“ Spruch.
Auch in diesem Ort zeigte sich das gleiche Bild. Hannes notiere 50 Personen. Davon 21 Kinder. Alle waren krank, ausgemergelt und verlebt.
Auf dem Rückweg wurden in der ersten und größere Ortschaft, im Kampang Rou, die Personen gezählt. Die Anzahl der Person passte nicht zu der Anzahl der Hütten.
„Wo sind all die Menschen von den Hütten?“
Hannes sah sie mit schrägem Blick an „Tod, Verschleppt oder auf der Suche nach Arbeit in anderen Provinzen.“ „Mon Dieu! Du machst mir Angst.“ „Prinzessin, es ist wahrscheinlich die Realität.“
Die Piste bis auf die Straße 334 fuhr Patricia nun auch in einer anderen Fahrweise.
„Siehst du, nun fährt sich das Auto viel besser. Du musst die Fahrweise von Europa hier vergessen. Du musst mit der Strecke fahren und wenn du die ganze Straße brauchst, dann ist das eben so. Du kannst nicht nur rechts fahren. Hier kommt doch sowieso nichts entgegen. So ist es auch, wenn du mit einem Motorrad fährst, immer schräg über die Wellen oder Buckel fahren.“ „Was du alles weißt. Und dann sagst du immer, du bist dumm. Mon chérie, ich mag nicht, dass du dies immer sagst. Du hattest vorhin schneller den Faktor vom Maßstab ausgerechnet als ich.“ „Lass mich auch hin und wieder ein paar Glücksmomente haben.“
Sie boxte ihm gegen den linken Oberarm.

Im Büro in Svay Rieng

In Svay Rieng gingen beide zu Asger und Bernhard in das kleine Büro im zweiten Stock, und brachten ihre Erlebnisse vor.
„Wo wart ihr gewesen? Im Zombie Land?“ Asger sah beide ungläubig an.
Hannes legte die Karte mit seinen Notizen auf den großen Tisch „Hier“ und zeigte er mit dem Finger auf die Karte. „Asger, hier waren wir gewesen. Von diesem Punkt an, den ich als Nullpunkt markiere, passt nichts auch nur annähernd zu diesem Plan. Ist euch dies noch nicht aufgefallen? Alle Berechnungen sind völlig für die Füße. Wir müssen aufpassen, dass die Pumpen in der richtigen Entfernung stehen, es könnte sein, dass am Ende kein Wasser kommt. Ich bin kein Ingenieur, aber geradeaus denken kann ich.“
Bernhard und Asger schauten sich fragend an. Hannes gab seinen Worten Zeit zu wirken, bevor er weiter sprach.
„Wir haben ein etwas größeres Problem zu lösen. Es sollen Wasserleitungen verlegt werden, dass ist immerhin etwas gutes. Blöd nur, dass wir keine Arbeiter haben die regelmäßig auch ihren Aufgaben nach kommen oder können. Fahrt in die Ortschaften, schaut euch diese Menschen an! Ja, Asger, es war Zombie Land! Wir müssen und sollten umdenken. So wie wir jetzt arbeiten ist es falsch.“ „Was willst du umdenken? Wasser kommt von der Hauptleitung zu den Ortschaften die links und rechts liegen. Wir sind ja am arbeiten. Nur geht es nicht so schnell wie du dir dies vorstellst.“ Hannes nickte ruhig, innerlich war er am kochen „Entschuldigt bitte, wenn ich mich hier so einbringe und eure Arbeit in Frage stelle, wir müssen und sollten von hinten anfangen“ wiederholte er.
Asger sah Bernhard an und schüttelte den Kopf „Hannes, was soll das? Hier ist der Plan. Von da nach da arbeiten wir“ dabei fuhr er mit dem Zeigefinger über die bunten Linien.
Hannes konnte und wollte sich jetzt nicht den Gegenwind von den beiden Männer antun. Er setzte sich auf den freien Stuhl neben dem großen Kopierer ohne noch ein Wort zu sagen.
Patricia stand noch am Tisch, sie schüttelte den Kopf und fuhr mit ihren Fingern immer wieder von den Nebenleitungen zur Hauptleitung hin „So! Und nicht andersrum! Papa, Asger, ich bin nur 6 Kilometer von dieser Linie nach rechts gefahren. Müll und Fäkalien wo ich auch hin sahen. Ich fuhr zurück zu Hannes an den Bagger und war nur am heulen. Ich hatte bis zum Bagger noch den Gestank in der Nase gehabt. Ich habe Menschen gesehen, die Krank sind! Papa, du weißt, dass ich viele medizinische Bücher zu Hause habe, was ich live gesehen, ist ein Dreck gegen mich.“
Asger sah Bernhard und Hannes irritiert an. Hannes schüttelte wortlos den Kopf um ihm zu signalisieren – ist alles gut.
„Wie stellt ihr euch dies vor? Bernhard!“

Bernhard sah zu Asger, dann zu seine Tochter und schließen zu Hannes „Asger, jetzt lass doch mal Hannes sagen was er vor hat.“ „Danke, Bernhard. Die Menschen sind krank durch Bakterien, durch den Müll und wahrscheinlich auch durch Mangelernährung. Ich bin kein Fachmann für solche Fragen. Nur weiß jeder, dass Bakterien, insbesondere Hepatitis-E durch Kot übertragen wird. Der Müll und die Fäkalien müssen weg!“
Asger lachte laut auf „Willst du ein Müllauto dort hinschicken?“ Sagte er spitz an Hannes gerichtet.
„Asger!“ Sagte Bernhard streng.
Hannes nickte „Ja! Ja, Asger, dass will ich!“ „Junge, bekommt dir die Hitze nicht?“ Bernhard sah streng zu Asger.
Hannes nahm leicht Luft und sah die beiden Männer an „Heute kam der neue Bagger. Ein 26 Tonnen Bagger. Mit dem Bagger kann man ein 5 Meter tiefes Loch graben. Müll rein und anzünden. Ist nicht die Umweltfreundlichste Methode, aber besser als nichts. Zur Zeit liegt der Müll links und rechst der Hütten, also auch nicht gerade Umweltfreundlich. Im Mittelalter gab es Latrinen. Wir verwenden die größeren Wasserleitungen als Kanal zu einer Latrine oder auch mehreren. Diese graben wir tief genug, damit beim Monsunregen genügend Wasser zur Verdünnung da ist. Die Fäkalien versickern in den Boden. Bei mir im Hunsrück gibt es heute noch Ortschaften mit Sickergruben. Ich weiß nicht ob hier in der Gegend überhaupt so etwas wie Klärwerke sind oder wo das Abwasser hingeht.“

Schweigen in der Runde.
Bernhard sprach als erstes „Wenn dies die Umstände für all diese kranken Menschen sind, bleiben wenig Alternativen. Wer soll diese Arbeiten bezahlen?“ „Du hast doch die Kontakte zur Weltbank.“ „Ja, Hannes, die habe ich. Nur ist die Weltbank nicht für humanitäre Hilfe ausgelegt. Wir tun zwar etwas für diese Humanität, aber wie Asger schon sagte: eben den anderen Weg. Dies ist unsere Aufgabe und keine Klärgruben zu graben.“

Patricia stand vom zweiten Schreibtisch auf und ging zur Tür. Die Männer sahen sie fragend an. „Ich geh mal telefonieren. Noch etwas: Hannes hat mit allem recht was er sagt, wir müssen an der Basis anfangen und nicht am Ende.“ Sie gab ihm einen Kuss „Du bist nicht dumm!“

Die nächste halbe Stunde verlief schweigend im Büro. Asger sah durch das Fenster nach draußen und Bernhard immer wieder auf die Karte auf dem Schreibtisch. Hannes verabschiedete sich und ging zu Patricia. Sie telefonierte auf englisch. Er wusste wer am anderen Ende der Leitung war. Da dieses Gespräch mit aller Wahrscheinlichkeit länger dauerte, ging er duschen.

Die Klimaanlage schaffte eine angenehme frische in dem Raum. Er lag auf dem Bett und dachte an Zombie Land. Es klopfte an der Tür. Durch leichtes nicken des Kopfes signalisierte Patricia, dass er zur Tür gehen sollte. Es konnten ja nur zwei Bekannte Personen sein, dafür reichte als Kleidung ein T-Shirt und Boxershorts.

Es war Asger, der vor der Tür stand „Tut mir leid was ich vorhin gesagt hatte“ und reichte Hannes seine rechte Bratpfanne. Hannes schlug ein. Diese Entschuldigung hatte Hannes ihm gar nicht zugetraut „Asger, ich weiß was du denkst, da kommt ein Grünschnabel die ersten paar Tage nach Kambodscha und macht eure Arbeit schlecht“ „Könnt ihr bitte vor der Tür weiter reden? Danke!“ „Ich hab nur Unterhosen an.“ „Wird dir schon niemand etwas wegschauen und jetzt raus!“

Asger verzog die Mundwinkel, als Hannes die Tür zu zog „Dicke Luft?“ „Nein! Patricia redet gerade mit jemand von der UN.“ Asger zog die Augenbrauen hoch.
„Jep.“ „Hannes, es macht durchaus Sinn, was du vorhin gesagt hast. Ich teile auch deine Meinung, nur sei doch ehrlich, es ist nicht unsere Aufgabe. Wir buddeln, vermessen und verlegen Rohre.“
Hannes legte den Kopf schief und schaute diesen Bär von Mann an „Würden wir dies im anderen Fall nicht auch machen?“
Asger schlug ihm seine Pranke gegen die rechte Schulter „Du gibst nie auf. Komm mit auf mein Zimmer, ich hab noch etwas Bier da. Erzähl mal von dem Bagger und was ihr in den Ortschaften erlebt habt.“

Nach zwei Bier und allen beantworteten Fragen von Asger ging Hannes zurück zu Patricia. Sie legte in dem Moment das Mobiltelefon auf den Tisch, als er die Tür öffnete.
„Und?“ „Morgen fahren wir nach Phnom Penh und holen Hattie ab. Sie muss das sehen. Sie wird auch eine Kamera mitbringen um Fotos zu machen.“ „Ich dachte, wir fahren am Mittwoch. Dann müssten wir doch sowieso zum Flughafen.“ „Asger und Papa sind auch noch da. Einer von denen kann doch fahren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass im Büro in Kâmpóng Trâbêk keiner ein Auto hat, um eventuell zum Flugplatz zu fahren um die beiden abzuholen. Hattie kann auch eine Nacht hier bleiben und wir fahren am Mittwoch nach Phnom Penh zurück. Où est le problème?“„Okay. Kein Problem, Madame, kein Problem. Lass uns morgen früh losfahren, dann sind wir zügig in Phnom Penh. Ich habe kein Bock auf dreieinhalb Stunden Fahrt für 180 Kilometer.“ „Ich geh zu meinem Vater und sage ihm, was ich mit Hattie besprochen habe. Kommst du mit?“ „Nee, ich leg mich ins Bett. Was ich heute gesehen habe, war ein realer Alptraum.“

Patricia kam spät von ihrem Vater zurück. „Mon chérie, wann möchtest du losfahren?“ „Zwischen 5.30 und 6 Uhr.“
„Okay, gute Nacht mein Schatz.“

Im dunkel in Südostasien zu fahren, kann mitunter Lebensgefährlich sein. Die Straßen sind nicht immer in einem guten Zustand. Hinzu kommen die Vehikel, die wenig oder gar kein Licht haben. Es kann ein Lkw mit Vollgas und dem Schein einer Funzel entgegen kommen oder ein Mofa welches wie ein Kirmesplatz beleuchtet ist und gerade mal 25 km/h fährt.
Der Straßenverkehr ist wie ein Lotteriespiel, dass aber leider sehr viele Tote fordert.
Hannes hatte all seine Sinne zusammen um die gewünschte Geschwindigkeit auch ohne Schaden fahren zu können.

Inhaltsangabe über die Hintergründe in der humanitären Hilfe in Südostasien

Inhaltsangabe über die Hintergründe in der humanitären Hilfe in Südostasien

Tausend Farben sind auch ein rot



Teil I
Der Roman beginnt im Sommer 89 am Bostalsee und Endet im Oktober 2007 in Kabul.
Am Bostalsee trifft Hannes, Patricia Lefévre aus Thionville. Mit ihr beginnt ein Roadtrip vom Saarland über Lothringen an die Côte d’Azur. In Avignon verliebt er sich in Patricia.
In einem Haus in Fréjus, welches eine Mischung aus Museum, Kathedrale und Palast ist, erleben beide die Liebe auf eine nie dagewesene Art.
Nach einem wunderschönen Sommer mit Patricia, wird er mit gerade 19 Jahren mit der Nachricht konfrontiert, dass Patricia an Leukämie erkrankt ist und entscheidet sich trotz dieser Krankheit für die Liebe seines Lebens.

Teil II
Seine Liebe zu Patricia bringt ihn im Januar 1990 in die humanitäre Hilfe nach Kambodscha. Dort wird die Katastrophalelage durch den Genozid der Roten Khmer von 1975 bis 79 an geschätzten 2,5 Millionen Menschen sichtbar und ein Alptraum aus Krankheit, bitterste Armut und einer astronomischen Zahl an Analphabetismus wird Realität.

Mit einem internationalen Team wird unter Hochdruck gegen Mangelernährung, Hepatitis-E und Kindersterblichkeit gearbeitet. Während Patricia in Phnom Penh über den US-Geheimdienst alle ihr bekannten Hilfsorganisation anschreibt, schafft sie ein Ärzteteam aus der Schweiz in die tropischen Wälder der Provinz Svay Rieng um das schlimmste abzuwenden.

Die Uneinigkeit der Weltgemeinschaft in Form der UN und ASEAN Staaten sorgt darüber hinaus für eine völlig instabile Entwicklung des Landes unter der die Zivilbevölkerung am meisten leiden. Die Ohnmacht gegen Politik und den immer noch anhaltenden Terror der Roten Khmer, macht humanitäre Hilfe zur Lebensgefahr. Hannes steht plötzlich zwischen Militär, Politik und humanitärer Hilfe – er muss sich zwischen den Forderungen von Major Bourey Duong oder der Ausweisung aus dem Land entscheiden.

Sein Traum: Bildung für Kinder, scheint an der Langsamkeit von UNICEF und dem Mangel an Lehrer zu platzen.
Auf Heimaturlaub, im April 90, wird Hannes mit Rassismus, Mobbing und Obdachlosigkeit konfrontiert, was für den Dorfjungen aus dem Nahetal bis dato fremd war.

Zurück in Kambodscha braucht er die Unterstützung vom Militär um seinen Traum weiterzuführen. Sein Chef in Reims schafft es, dass Hannes Geld für den Aufbau von Schulen vom französischen Außenministerium bekommt.
Im Juni 1990 wird mit dem Bau der ersten Schule nach dem Genozid der Roten Khmer in der Ortschaft Kampang Rou begonnen und an Weihnachten bekommen Patricia und Hannes die „Lefévre School“ als Geschenk.
Bildung für Kinder ist das eine, Infrastrukturen und Nachhaltige Projekte für tausende Menschen zu schaffen, das andere. Und immer wieder scheitert vieles an Geld. Welches Land oder Organisation kann und wird Geld geben? Hannes erlebt Weltpolitik an der Basis und sieht täglich die „Kollateralschäden“

Mit Patricia baut er 1991 ein Haus in Nakhon Ratchasima. Thailand wird ihre Heimat für fast zehn Jahre.

Die UN ist ab Frühjahr 1992 in der Vorbereitung der größten Friedensmission in der Geschichte dieser Organisation, während in Kambodscha immer noch Menschen sterben.
Über Wasserbauprojekte seines französichen Arbeitgeber bekommen wenigstens hunderte Menschen Lohn und Arbeit. Mit seinem internationalen Team muss Hannes weiter Infrastrukturen unter Hochdruck schaffen, damit nicht noch mehr Menschen verhungern.

Im Sommer 1993 plant Hannes mit seinem Freund und Geologe, Claude Moreau, ein noch nie dagewesenes Trockenfeldanbau Projekt im Osten von Kambodscha, um der Lebensmittelknappheit irgendwie entgegen zu wirken. Hannes schreibt ein Dossier für sein Projekt, denn er braucht eine Million US-Dollar um dies umzusetzen. Der Leiter von der UN Food and Agriculture Organisation in Phnom Penh zerreißt förmlich sein Dossier.
Die Agraringenieurin Sylvie Morel von „Action contre la Faim“ sucht Hannes über Wochen in Kambodscha, um sich mit ihm zu treffen.

Neben all den Sorgen um Lebensmittelknappheit hat er seit drei Jahren den Gouverneur der Provinz Svay Rieng als Gegner. Über die UNTAC Friedensmission bekommt Hannes Hilfe von einer Italienerin, die mit nur einem Telefonat den Haushalt der Provinz Svay Rieng einfriert. Im ersten Moment ist dies für Hannes ein guter Schachzug, auf der anderen Seite wurde ihm bewusst, dass er damit zum Ziel aus Macht, Gier und Korruption wird. Die Angst vor einem gezielten Terroranschlag gegen sich, wird im klar, als er Maona Sokthat in einer Markthalle in Svay Rieng trifft.


Teil III
Mit Beginn des neuen Jahrtausend verliert Patricia den Kampf gegen Leukämie und Hannes den Sinn am Leben.
Durch die jahrelange Freundschaft zu Hattie Walker, wechselt Hannes zu ihrer Organisation in den USA und wird Head Leader Security Chief.
In Kriegsgebieten von Westafrika über Nahost bis Afghanistan schafft er mit seinem Bodyguard, Marcel Chevalie, Sicherheit für Mitarbeiter internationaler Firmen und Korrespondenten aus aller Welt. Terror erlebt er und sein Team hautnah in Dschalalabad und in den Bergen bei Khost. Das PRT in Khost ist in höchster Alarmbereitschaft. Satelliten die von Ramstein aus gesteuert werden suchen eine Taliban Gruppe von 20 bis 40 Terroristen aus Pakistan, die mit einem Dutzend Raketenwerfer seit zwei Wochen in dem Gebiet zwischen Hindukusch und Pakistan unterwegs sind und am Khost-Gardez-Pass am Nachmittag einen ihrer Raketenwerfer „getestet“ haben.

Hannes muss schnellstmöglich Journalisten und Zivilisten aus diesem Gebiet schaffen – nur wie? Die International Civil Aviation Organization in Montreal verhängt am gleichen Tag ein Flugverbot für den Südosten von Afghanistan. NATO AWACS Flugzeuge konnten nicht mehr finden, als die Satelliten der US-Air Force. Sein uneingeschränktes Vertrauen zu Marcel Chevalier, seinem Freund, Bodyguard und wohl besten Scharfschütze auf diesem Planeten, gibt ihm die Gewissheit die Rückreise nach Kabul anzutreten.
Mit gepanzerten Fahrzeugen fährt er mit den beiden Scharfschützen, Marcel und Oliver, der Terrorgruppe entgegen.

Die Bildung an und für Kinder ist ihm – trotz seines neuen Jobs, immer noch wichtig. Im Februar 2007 trifft er durch Zufall Nila Khalil, eine Schulleiterin einer Mädchenschule in Gardez. Mit Nila erlebt er die Abgründe eines veralterten Weltbild von Männer in den Bergen von Afghanistan. 32 zwangsverheiratete, misshandelte, gefolterte und traumatisierte Kinder stehen vor ihm. Er setzt sich sofort ein um Hilfe zu beschaffen.
Zwei Wochen später wird in seinem Beisein in Istanbul eine internationale Hilfsorganisation für Notleidende und Traumatisierte Kinder in Gardez und Khost gegründet. Hannes wusste bis dato nicht, wie weitreichend sein Name und seine Arbeit aus Kambodscha in den USA, Europa und Australien ist. In vier Tagen wurde „Help for Gardez“ geschaffen. Die Neugegründete Hilfsorganisation verfügt über ein Startvermögen von einer Halben Million US-Dollar.

Mit der freundschaftliche Unterstützung von Major Roger Juarez im PRT in Khost gelingt der Aufbau eines Frauenhauses an einem geheimen Ort zwischen dem Khost-Gardez-Pass und Pakistan.

Im April 2007 wird er mit der Zuneigung von Nila konfrontiert. Kann er sich jemals wieder in eine Frau verlieben? Mit Nila als Schulleiterin und Direktorin der Neugegründeten Hilfsorganisation könnte er zurück zu seinen Wurzeln.
Auch wenn er für Afghanistan wenig empfindet, die Gastfreundschaft und Liebenswürdigkeit der Menschen, deren Sehnsucht nach Frieden ist, lässt ihn zweifeln wo seine Heimat sein wird.
Kann eine Liebe gegen den allgegenwärtigen Terror bestehen?