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Inhaltsangabe über die Hintergründe in der humanitären Hilfe in Südostasien

Inhaltsangabe über die Hintergründe in der humanitären Hilfe in Südostasien

Tausend Farben sind auch ein rot



Teil I
Der Roman beginnt im Sommer 89 am Bostalsee und Endet im Oktober 2007 in Kabul.
Am Bostalsee trifft Hannes, Patricia Lefévre aus Thionville. Mit ihr beginnt ein Roadtrip vom Saarland über Lothringen an die Côte d’Azur. In Avignon verliebt er sich in Patricia.
In einem Haus in Fréjus, welches eine Mischung aus Museum, Kathedrale und Palast ist, erleben beide die Liebe auf eine nie dagewesene Art.
Nach einem wunderschönen Sommer mit Patricia, wird er mit gerade 19 Jahren mit der Nachricht konfrontiert, dass Patricia an Leukämie erkrankt ist und entscheidet sich trotz dieser Krankheit für die Liebe seines Lebens.

Teil II
Seine Liebe zu Patricia bringt ihn im Januar 1990 in die humanitäre Hilfe nach Kambodscha. Dort wird die Katastrophalelage durch den Genozid der Roten Khmer von 1975 bis 79 an geschätzten 2,5 Millionen Menschen sichtbar und ein Alptraum aus Krankheit, bitterste Armut und einer astronomischen Zahl an Analphabetismus wird Realität.

Mit einem internationalen Team wird unter Hochdruck gegen Mangelernährung, Hepatitis-E und Kindersterblichkeit gearbeitet. Während Patricia in Phnom Penh über den US-Geheimdienst alle ihr bekannten Hilfsorganisation anschreibt, schafft sie ein Ärzteteam aus der Schweiz in die tropischen Wälder der Provinz Svay Rieng um das schlimmste abzuwenden.

Die Uneinigkeit der Weltgemeinschaft in Form der UN und ASEAN Staaten sorgt darüber hinaus für eine völlig instabile Entwicklung des Landes unter der die Zivilbevölkerung am meisten leiden. Die Ohnmacht gegen Politik und den immer noch anhaltenden Terror der Roten Khmer, macht humanitäre Hilfe zur Lebensgefahr. Hannes steht plötzlich zwischen Militär, Politik und humanitärer Hilfe – er muss sich zwischen den Forderungen von Major Bourey Duong oder der Ausweisung aus dem Land entscheiden.

Sein Traum: Bildung für Kinder, scheint an der Langsamkeit von UNICEF und dem Mangel an Lehrer zu platzen.
Auf Heimaturlaub, im April 90, wird Hannes mit Rassismus, Mobbing und Obdachlosigkeit konfrontiert, was für den Dorfjungen aus dem Nahetal bis dato fremd war.

Zurück in Kambodscha braucht er die Unterstützung vom Militär um seinen Traum weiterzuführen. Sein Chef in Reims schafft es, dass Hannes Geld für den Aufbau von Schulen vom französischen Außenministerium bekommt.
Im Juni 1990 wird mit dem Bau der ersten Schule nach dem Genozid der Roten Khmer in der Ortschaft Kampang Rou begonnen und an Weihnachten bekommen Patricia und Hannes die „Lefévre School“ als Geschenk.
Bildung für Kinder ist das eine, Infrastrukturen und Nachhaltige Projekte für tausende Menschen zu schaffen, das andere. Und immer wieder scheitert vieles an Geld. Welches Land oder Organisation kann und wird Geld geben? Hannes erlebt Weltpolitik an der Basis und sieht täglich die „Kollateralschäden“

Mit Patricia baut er 1991 ein Haus in Nakhon Ratchasima. Thailand wird ihre Heimat für fast zehn Jahre.

Die UN ist ab Frühjahr 1992 in der Vorbereitung der größten Friedensmission in der Geschichte dieser Organisation, während in Kambodscha immer noch Menschen sterben.
Über Wasserbauprojekte seines französichen Arbeitgeber bekommen wenigstens hunderte Menschen Lohn und Arbeit. Mit seinem internationalen Team muss Hannes weiter Infrastrukturen unter Hochdruck schaffen, damit nicht noch mehr Menschen verhungern.

Im Sommer 1993 plant Hannes mit seinem Freund und Geologe, Claude Moreau, ein noch nie dagewesenes Trockenfeldanbau Projekt im Osten von Kambodscha, um der Lebensmittelknappheit irgendwie entgegen zu wirken. Hannes schreibt ein Dossier für sein Projekt, denn er braucht eine Million US-Dollar um dies umzusetzen. Der Leiter von der UN Food and Agriculture Organisation in Phnom Penh zerreißt förmlich sein Dossier.
Die Agraringenieurin Sylvie Morel von „Action contre la Faim“ sucht Hannes über Wochen in Kambodscha, um sich mit ihm zu treffen.

Neben all den Sorgen um Lebensmittelknappheit hat er seit drei Jahren den Gouverneur der Provinz Svay Rieng als Gegner. Über die UNTAC Friedensmission bekommt Hannes Hilfe von einer Italienerin, die mit nur einem Telefonat den Haushalt der Provinz Svay Rieng einfriert. Im ersten Moment ist dies für Hannes ein guter Schachzug, auf der anderen Seite wurde ihm bewusst, dass er damit zum Ziel aus Macht, Gier und Korruption wird. Die Angst vor einem gezielten Terroranschlag gegen sich, wird im klar, als er Maona Sokthat in einer Markthalle in Svay Rieng trifft.


Teil III
Mit Beginn des neuen Jahrtausend verliert Patricia den Kampf gegen Leukämie und Hannes den Sinn am Leben.
Durch die jahrelange Freundschaft zu Hattie Walker, wechselt Hannes zu ihrer Organisation in den USA und wird Head Leader Security Chief.
In Kriegsgebieten von Westafrika über Nahost bis Afghanistan schafft er mit seinem Bodyguard, Marcel Chevalie, Sicherheit für Mitarbeiter internationaler Firmen und Korrespondenten aus aller Welt. Terror erlebt er und sein Team hautnah in Dschalalabad und in den Bergen bei Khost. Das PRT in Khost ist in höchster Alarmbereitschaft. Satelliten die von Ramstein aus gesteuert werden suchen eine Taliban Gruppe von 20 bis 40 Terroristen aus Pakistan, die mit einem Dutzend Raketenwerfer seit zwei Wochen in dem Gebiet zwischen Hindukusch und Pakistan unterwegs sind und am Khost-Gardez-Pass am Nachmittag einen ihrer Raketenwerfer „getestet“ haben.

Hannes muss schnellstmöglich Journalisten und Zivilisten aus diesem Gebiet schaffen – nur wie? Die International Civil Aviation Organization in Montreal verhängt am gleichen Tag ein Flugverbot für den Südosten von Afghanistan. NATO AWACS Flugzeuge konnten nicht mehr finden, als die Satelliten der US-Air Force. Sein uneingeschränktes Vertrauen zu Marcel Chevalier, seinem Freund, Bodyguard und wohl besten Scharfschütze auf diesem Planeten, gibt ihm die Gewissheit die Rückreise nach Kabul anzutreten.
Mit gepanzerten Fahrzeugen fährt er mit den beiden Scharfschützen, Marcel und Oliver, der Terrorgruppe entgegen.

Die Bildung an und für Kinder ist ihm – trotz seines neuen Jobs, immer noch wichtig. Im Februar 2007 trifft er durch Zufall Nila Khalil, eine Schulleiterin einer Mädchenschule in Gardez. Mit Nila erlebt er die Abgründe eines veralterten Weltbild von Männer in den Bergen von Afghanistan. 32 zwangsverheiratete, misshandelte, gefolterte und traumatisierte Kinder stehen vor ihm. Er setzt sich sofort ein um Hilfe zu beschaffen.
Zwei Wochen später wird in seinem Beisein in Istanbul eine internationale Hilfsorganisation für Notleidende und Traumatisierte Kinder in Gardez und Khost gegründet. Hannes wusste bis dato nicht, wie weitreichend sein Name und seine Arbeit aus Kambodscha in den USA, Europa und Australien ist. In vier Tagen wurde „Help for Gardez“ geschaffen. Die Neugegründete Hilfsorganisation verfügt über ein Startvermögen von einer Halben Million US-Dollar.

Mit der freundschaftliche Unterstützung von Major Roger Juarez im PRT in Khost gelingt der Aufbau eines Frauenhauses an einem geheimen Ort zwischen dem Khost-Gardez-Pass und Pakistan.

Im April 2007 wird er mit der Zuneigung von Nila konfrontiert. Kann er sich jemals wieder in eine Frau verlieben? Mit Nila als Schulleiterin und Direktorin der Neugegründeten Hilfsorganisation könnte er zurück zu seinen Wurzeln.
Auch wenn er für Afghanistan wenig empfindet, die Gastfreundschaft und Liebenswürdigkeit der Menschen, deren Sehnsucht nach Frieden ist, lässt ihn zweifeln wo seine Heimat sein wird.
Kann eine Liebe gegen den allgegenwärtigen Terror bestehen?

Das Chaos in Afghanistan

Afghanistan ist seit 70 Jahren der Spielball der Nationen und kaum jemand weiß es.

Um die Lage von Afghanistan zu begreifen, muss man die Machenschaften der UdSSR, CIA, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emirate kennen; und zum anderen in der Geschichte weiter zurückgehen.

Autorin Naike Juchem

Ende der 70er Jahren kam Afghanistan hin und wieder in den Medien vor, als die UdSSR in Afghanistan intervenierte. Die UdSSR war eine Weltmacht und sah eine Bedeutung durch die USA mit ihrer Kriegsmarine und Atombomben.
Das Territorium der UdSSR umfasste nach dem zweiten Weltkrieg eine Fläche von 22,4 Millionen Quadratkilometern. Dies war fast ein Sechstel des Festlandes der Erde. Von der West-Ost-Richtung erstreckte sich die UdSSR vom Schwarzen Meer, der 
Ostsee bis hin zum nördlichen Pazifischen Ozean.
Die UdSSR hat trotz dieser gewaltigen Größe keinen geografischen Zugang zum südlichen Pazifik, bzw. Indischen Ozean. Um auch dort mit der seiner Marie präsent sein zu können, wollte man einen Korridor von Usbekistan, was zur Russischen Föderation gehörte, durch Afghanistan und Pakistan. Da Pakistan an der Küste des Arabischen Meeres, eines Nebenmeeres des Indischen Ozeans liegt, wäre der militärische Zugang in den südlichen Pazifik gesichert gewesen.

Dieses Vorhaben scheiterte am Widerstand der Mujahideen, die umfassend mit finanzieller, materieller und personeller Unterstützung aus den arabischen Staaten profitiert habe.  Hier sei die CAI, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Pakistan erwähnt.
Der Begriff Mujahideen verwenden Muslime um diejenigen zu beschreiben, die sich als Krieger im Namen Allahs für den Islam zu kämpfen sehen. Das Wort ist von der gleichen arabischen Wurzel wie der Dschihad – der heilige Krieg.

Ein Sinnloser Krieg gegen einen unsichtbaren Feind

Im Februar 89 beendeten die UdSSR einen Sinnlosen Krieg und zogen sich aus Afghanistan zurück. Was übrig blieb war ein Chaos aus innenpolitischer Zerstrittenheit und ein Land das wirtschaftlich am Boden lag.
Durch den Rückzug der UdSSR sahen sich die Mujahideen als „Arbeitslos“ und durch die Zerstrittenheit der vielen Ethnien im Land, sahen diese nun endlich die Möglichkeit einen Gottesstaat nach ihrem Willen aufzubauen. Auch hier waren Religionsgelehrte aus dem arabischen Raum im Hintergrund.

Kaum ein anderes Land der Welt befindet sich seit so langer Zeit in einem permanentem Kriegszustand. Im Zuge dieses Kriegs wurde das gesamte
Land in Schutt und Asche gebombt; 1,5 Mio. Menschen verloren ihr Leben. Weitere Kriegsfolgen sind die Erblast von über 10 Mio. Anti-Personen Minen ( in keinem anderen Land der Welt liegen mehr Minen), eine Analphabetenrate von über 90 % und
die Flucht von zeitweise bis zu 6,5 Mio. der 14 Mio. Einwohner Afghanistans nach Pakistan und Iran.
Auf den ersten Blick gleicht der Afghanistankrieg einem undurchsichtigen Chaos, in dem andauernd neue Fraktionen auftreten, die sich in ständig wechselnden Koalitionen bekämpfen. Jedoch lassen sich auf den zweiten Blick zwei Konfliktebenen unterscheiden: Zum einen gibt es die internationale Konfliktebene, da der Afghanistankrieg stark von den sicherheitspolitischen, wirtschaftspolitischen und ideologischen Interessen ausländischer Mächte, insbesondere seiner Anrainerstaaten, bestimmt wird. Zum anderen gibt es
die innerafghanische Konfliktebene, auf der zunehmend Ethnizität an Bedeutung gewinnt. Beide Konfliktebenen sind miteinander verzahnt und haben in den Kriegsparteien ihre Überschneidungs-
punkte. Daher wird die Zukunft von Afghanistan nur jene gestalten können, die langfristig die Fraktionen militärisch und politisch behaupten. Da es an ausländischer Unterstützung für die Taliban nicht mangelt, ist ein erneuter Krieg unumgänglich.

Um Afghanistan zu begreifen, muss man in der Geschichte zurückgehen

Ein Reich mit der Bezeichnung Afghanistan existiert seit 1747. Afghanistan in seinen heutigen Grenzen entstand jedoch erst Ende des 19. Jahrhunderts als Pufferstaat zwischen den Interessengebieten der Kolonialmächte Britisch-Indien und
Rußland. In dieser Staatsgründung war das wesentliche Konfliktpotential Afghanistans schon von Anfang an angelegt.
Bei Afghanistan handelt es sich um einen Vielvölkerstaat, in dem über 50 ethnische Gruppen leben. Die größte Ethnie sind die segmentär organisierten Paschtunen, die in verschiedene Stammesverbände zerfallen; die Konföderationen der Durrani und Ghilzai bilden die umfaßendsten paschtunischen Stammeseinheiten. Weitere wichtige ethnische Gruppen sind die Usbeken in Nordafghanistan und die Hazara im zentralen Hochland. Unter der Sammelbezeichnung Tadschiken
wird die persischsprachige, sunnitische Bevölkerung Afghanistans zusammengefaßt.

Die ethnische Vielfalt in Afghanistan drückte sich seit Jahrzehnten in der gesellschaftlichen Schichtung aus. Die Paschtunen erschienen nach außen hin als die staatstragende Ethnie. Sie stellten
von 1747 bis 1973 mit dem Königshaus, das dem durranischen Stammesverband angehört, die Spitze des Landes. Auch die traditionelle Elite bestand in ihrer Mehrheit aus paschtunischen Adligen. Die Tadschiken bildeten das Gros der Mittel-
schicht, weshalb sie die Wirtschaft und staatliche Verwaltung dominierten. Die Usbeken hatten auf den afghanischen Machtapparat nur wenig Einfluß
und waren weitgehend auf ihren Siedlungsraum beschränkt. Die Hazara bildeten aufgrund ihres turko-mongoliden Aussehens und ihrer schiitschen Konfession eine marginalisierte Ethnie, die
weitgehend von der Partizipation an den gesellschaftlichen Ressourcen ausgeschlossen bleibt.

Die CIA tragen eine Mitschuld an dem Chaos in Afghanistan *

Der auf Drogen aufgebauten Irrsinn zeichnete sich ab, als der weltweite Drogenhandel sich auf dem Tiefpunkt seiner jüngeren 200-jährigenGeschichte befand: mitten im Zweiten Weltkrieg. In den USA war der Reinheitsgehalt illegalen Heroins von 28 Prozent 1938 auf nur drei Prozent drei Jahre später gefallen – ein Rekordtief. Zugleich hatte die Anzahl der Süchtigen rapide abgenommen: Nur noch etwa 20.000 waren es1944/45, ein Zehntel derjenigen, die noch 1924 gezählt worden waren.

Ende der 40er Jahre sah es ganz danach aus, als würde die Heroinsucht in den USA ein unbedeutendes Problem werden. Innerhalb eines Jahrzehnts jedoch blühten die Drogensyndikate wieder, die asiatischen Mohnfelder dehnten sich aus, in Marseille und Hongkong schossen Heroinraffinerien aus dem Boden. Der Grund für diese Erholung des Heroinhandels ist in einer Abfolge von CIA-Bündnissen mit Drogenhändlern zu finden.
Die CAI unterhielt sehr enge Kontakte zu korsischen Drogensyndikate in Marseille, nationalchinesischen Truppen in Birma und korrupten thailändischen Polizisten.

* lesen Sie hierzu den externen Berich: Die CIA und ihr Opium

Eine unlösbare Zwickmühle

Die weltweit zunehmende islamistische Gewalt, der Staatszerfall in Asien und Afrika und der daraus resultierende Flüchtlingsstrom nach Europa zwingen die internationale Gemeinschaft, sich verstärkt mit der Befriedung von Krisenregionen und mit gesellschaftlichem Wiederaufbau zu beschäftigen. Wie man aber Lösungen für die Konflikte und Kriege erarbeiten will, sind äußerst schwierig, da zu viele Interessen an politischen, wirtschaftlichen und nicht zuletzt religiösen Gründen auf keine Einheit hinauslaufen werden – und dies auf dem Rücken der zivilgesellschaft ausgetragen werden.

Nach fast 20 Jahre des internationalen  ISAF Einsatz in Afghanistan herrscht in der Öffentlichkeit die Ansicht vor, der ISAF Einsatz sei generell fehlgeschlagen. Zwar waren fast alle militärischen Operationen zur Bekämpfung der Taliban von Erfolg gekrönt, und dennoch gelang es trotz gewaltiger finanzieller und personaler Anstrengungen nicht, eine stabile politische und funktionierende Verwaltung, sowie eine effektive Justiz zu etablieren.
Ebenso ist ein Großteil der afghanischen Bevölkerung der Meinung, die Lasten des Krieges seien ungerecht verteilt worden und sie hätte vom bisherigen Wiederaufbau nicht ausreichend profitiert.
Bei Frauenrechten, Bildung, Gesundheit und Medien kann die internationale Allianz erfolgreiche Erfolge vorweisen, aber leider stehen diese Errungenschaften auf sehr
wackeligen Beinen, da ihnen die ökonomische und gesellschaftliche Unterstützung fehlt.
Die internationalen Beziehungen zwischen Deutschland und Afghanistan gibt es schon seit 1919. Während der kritischen Sicherheitslage von Mitte der 1980er-Jahre bis 2001, hatte Deutschland kein Botschaft in Afghanistan unterhalten. Erst nach der Afghanistan-Konferenz von 2001 wurde wieder ein deutsches Verbindungsbüro in Kabul eingerichtet, das im Folgejahr wieder zur Botschaft aufgewertet wurde. Die deutsche Botschaft war die erste diplomatische Vertretung eines Staates in Afghanistan nach Ende des Taliban-Regimes.
Afghanistan liegt laut der Weltbank beim Investitionsklima auf Platz 162 von 175 untersuchten Ländern. 60 Unternehmen aus Deutschland waren schon kurz nach dem Sturz des Taliban-Regimes in Afghanistan vertreten.
Während die großen deutschen Konzerne zumeist mit Subunternehmen in Afghanistan tätig sind, unterhalten vor allem kleine und spezialisierte deutsche Firmen Vertretungen in dem Land. Siemens baut zum Beispiel das Telefonnetz aus und ist an der Modernisierung von zwei Wasserkraftwerken beteiligt. Der Essener Baukonzern Hochtief repariert und baut Straßen.
Die in Hamburg lebende Familie Rahimi, hat das 1968 in Kabul gegründete Hoechst-Werk vor einigen Jahren gekauft und stellt dort Hustensaft, Schmerzmittel und Antibiotika her. Die Afghanistan Investment Support Agency, wirbt damit, dass ihr Land als einen der weltweit am schnellsten wachsenden Märkte anpreist und seit 2003 bereits 2,4 Mrd. Dollar investiert wurden. Der Internationale Währungsfonds rechnete im Jahr 2007 mit einem Wirtschaftswachstum in Afghanistan von zwölf Prozent.

Die Meinung der meisten in Afghanistan
engagierten Staaten lässt sich mit wenigen Worten beschreiben: Sicherheit ist Voraussetzung für politische Stabilität und politische Stabilität für wirtschaftlichen Aufbau. Heute ist klar, dass diese Strategie nicht funktioniert hat.

Alle Bemühungen der Alliierten für Sicherheit und Ordnung in Afghanistan aufzubauen, sind am Tag mit den „Friedensgesprächen“ in Doha, zwischen den USA und der Taliban gescheitet. Die USA lies mit ihrer Unterzeichnung das Volk von Afghanistan ins offene Messer laufen.
Dieses perfide Abkommen mit Terroristen und das Versprechen, die USA werde ihre Truppen abziehen, war der ungehinderte Zugang der Taliban, um wieder die Herrschaft über Afghanistan zu gewinnen.
Nichts wurde in all den Jahren an Frieden und Sicherheit gewonnen.

Die Lage in Afghanistan hat sich seit Mai 2020 dramatisch verschlechtert und mit jedem weiteren Tag rücken die Taliban in immer mehr Städte und Provinzen vor.
Es ist abzusehen, dass ohne Alliierte Hilfe Afghanistan erneut ins Mittelalter katapultiert wird. Da im letzten Jahr China schon Truppen in die Nähe von Afghanistan verlegt hat, ist nun die Frage, wer wird als erstes das aufkommenden Taliban-Regiem bekämpfen.

Die unglaublich Menge an Resourcen werden einen nächsten Krieg nicht verhindern

Der run auf Resourcen hatte nach dem Sturz des Taliban-Regimes schon einige Länder auf den Plan gerufen.
Die Türkei mischt seit 2001 in dem NATO geführten ISAF Einsatz kräft mit und arbeitete in Afghanistan mit den selben Instrumenten wie die anderen Staaten: Streitkräfte, Institutionen
der Entwicklungszusammenarbeit und Hilfsorganisation. Die Türkei hat aber zwei weitere Punke im Blick: die  Außenwirtschaftspolitik und Investitionen durch private Firmen.
Bereits 2001 hatte die Türkei ihr ökonomisches Interessen klar definiert: der Energie- und im Transportsektor.
Die nachgewiesenen Öl- und
Gasbestände in Afghanistan sind mittel- und langfristig für die türkische Wirtschaft
genauso interessant wie auch chinesische Pläne, neue überregionale Transportwege (Projekt Seidenstraße) zu bauen, die durch Afghanistan bis nach Anatolien führen soll.

Die Ressourcen sind Fluch und Segen für Afghanistan. So haben US-amerikanische Geologen vor 10 Jaher riesige Vorräte an Lithium, Kupfer, Eisen und Gold entdeckt, die bis zu 1000 Milliarden Dollar wert sein sollen. Die Vorräte an Kupfer, Lithium, Eisen, Gold und Kobalt reichten aus, das Land zu einem weltweit führenden Rohstoffexporteur zu machen. Afghanistan hat somit das Potenzial, zum „Saudi-Arabien des Lithiums“ zu werden. Lithium wird für wiederaufladbare Batterien gebraucht – für Handys, Laptops oder Elektroautos.
Die US-Geologen beschreiben zudem große Vorkommen von „seltenen Erden“, die für nahezu alle Hightech-Produkte gebraucht werden und die zu 97 Prozent in China abgebaut werden. Westliche Exportunternehmen sind auf solche Rohstoffe angewiesen. Käme der Abbau von Bauxit in der Nähe von Baghlan in Gang, könnte gleichzeitig der seltene Rohstoff Gallium gewonnen werden, der etwa für Dünnschicht-Solarzellen gebraucht wird.
Der Sensationsfund könnte das Rückgrat der Wirtschaft werden. Der Nachteil wird die weitere Destabilisierung der Region werden. Durch eben jene Vorkommnisse könnte Afghanistan zum geopolitischen und geoökonomischen Brennpunkt der Welt werden.

Die Geschichte zeig, dass solche Ressourcen für die betroffenen Länder eher Fluch als Segen sind. Gleiches ist heute schon im Kongo zu sehen.

Entdeckt wurden viele der Rohstoffreserven mithilfe von Karten- und Datenmaterial sowjetischer Bergbauexperten, die noch aus der Zeit der sowjetischen Besatzung in den 80er Jahren stammen. Nach dem Rückzug der sowjetischen Truppen und dem darauffolgenden Chaos nahmen afghanische Geologen die Karten an sich und brachten sie nach dem Sturz der Taliban 2001 in offizielle Dokumentensammlungen zurück. Dort fanden die US-Geologen die Aufzeichnungen 2004 und stellten auf ihrer Basis eigene Forschungen an. 2007 bereits veröffentlichten sie Berichte über die zur Rede stehenden Riesenvorkommen, allerdings ohne auf großeres Interesse der Regierung zu stoßen. Erst 2009 wurde eine Pentagon-Abteilung zur Wirtschaftsförderung auf die Erkenntnisse aufmerksam und ließ die Unterlagen nochmals prüfen.
Nun bleibt abzuwarten, wie politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich dieses enorme Kapital einsetzen lässt um eine weitere Eskalation des Terrors zu verhindern.

2012 investierte TPAO, die staatliche Ölfirma der Türkei, 100 Millionen US-Dollar und startete Bohrungen auf bereits explorierten Öl- und Gasfeldern im Norden Afghanistans.
Die eigenen Interessen offen zu verfolgen hat der Türkei bislang nicht geschadet. Im Gegenteil, die afghanische Seite sieht sich eher auf gleicher Augenhöhe, wenn sie als
Wirtschaftspartner und nicht als Hilfeempfänger angesprochen wird. Etlichen türkischen Bauunternehmen
gelang es in relativ kurzer Zeit, auf dem afghanischen Markt Fuß zu fassen. Im Hoch- und Tiefbau hatten sie in den ersten Jahren des westlichen Engagements mehrere Nato-Aufträge übernommen. Dank der Erfahrungen, die sie dabei sammelten, konnten sie sich später größere öffentliche Bau- und Infrastrukturprojekte sichern.
So wurden mehrere Abschnitte der afghanischen Ringroad, die die größeren Städte des Landes miteinander verbinden soll, von türkischen Unternehmen gebaut.
Auch in der Handelspolitik machte die Türkei lokale wirtschaftliche Engpässe für die eigene Wirtschaft zu nutzte. So sind türkische Geschäftsleute auf dem afghanischen Markt stark vertreten. Türkische Produkte sind begehrt.
Oft sind sie der chinesischen, pakistanischen und iranischen Konkurrenz qualitativ überlegen und bezahlbar. Ein Vorzug türkischer Unternehmer ist zweifellos, dass sie risikobereiter sind als die meisten europäischen und US-amerikanischen Unternehmen.

Auch türkische Unternehmer und ihre Mitarbeiter wurden entführt oder gar getötet. Dennoch haben sie es größtenteils vermieden, sich hinter hohen Mauern und Stacheldraht zu verschanzen. So vermittelten sie den Einheimischen das Gefühl, sich nicht von ihnen abzuheben. Türkische Firmen werden vor Ort aber auch deshalb geschätzt, weil sie afghanische Arbeitskräfte einsetzen. Zwar ist der Verdienst bescheiden, doch einen Arbeitsplatz zu haben ist in Afghanistan mit seiner extrem hohen Arbeitslosigkeit bereits ein Privileg.

Die Türkei zieht die Fäden im Hintergrund

Die Türkei befürwortet eine regionale Lösung des Konflikts und initiierte deshalb den sogenannten Istanbul-Prozess. Die Türkei bindet darin nicht nur alle Nachbarn Afghanistans ein, sondern kooperiert auch mit USA, Russland, China sowie auch mit Großbritanien und Deutschland.
Türkische Generäle hatten mehrfach die Leitung verschiedener Teile der ISAF-Truppen. Zweimal kommandierten türkische Offiziere den gesamten ISAF-Einsatz. Dreimal übernahm die Türkei
die Verantwortung für die Sicherheit in der
Hauptstadt Kabul und in der Provinz Wardak. Heute schützen türkische Truppen den internationalen Flughafen in Kabul – auch dies aus wirtschaftlichen Gründen, für deren Export.
Auch ist die Türkei maßgeblich an der
Ausbildung der Afghanischen Natio-
nalarmee und der Nationalpolizei beteiligt und finanziert mehrere Militärschulen. So kommen Waffen aus Deutschland, Frankreich und Israel legal ins Land. Da die türkischen Geheimdienste mit internationalen Partnern zusammen arbeiten, ist es für andere Dienste sehr schwer – wenn nicht gar unmöglich, dieses Netzwerk zu durchschauen.

Ein falsches Spiel von „Brüder im Glauben“

Ungeachtet dieser engen Zusammenarbeit wird die türkische Beteiligung an
militärischen Maßnahmen oft nur als symbolisch bezeichnet. Denn die Türkei hat es von Beginn an abgelehnt, sich an militärischen Aktionen gegen die Taliban, an der Terrorbekämpfung, aber auch an Operationen gegen die Produktion von Drogen und den Handel mit ihnen zu beteiligen; selbst bei der Minenräumung enthält sich die Türkei.
Die Türkei sieht sich nicht als Besatzungsmacht und signalisieren – mit Erfolg, der afghanischen Bevölkerung.  Das dieser „brüderliche Glaube“ sehr zum Nachteil der Bevölkerung werden kann, wird seit Jahren nicht gesehen – und dies ist ein fataler Fehler in anbetracht der immer stärker werdenden Taliban.

Nicht einmal wurde Militärcamps der Türkei seitens der Taliban angegriffen, womit sich bei der Bevölkerung ein positives Bild für die Türkei zeigt.

Doch solange die türkische Regierung immer noch im Glauben ist, sich in einem Konkurrenzkampf mit dem Westen zu befinden, wird Afghanistan von Menschen gleichens Glaubens still und heimlich unterwandert.

Die Taliban braucht keinen Drogenhandel – sie bekommen Steuern

Opium ist trotz allem für Afghanistan eine sehr lukrative Einnahmequelle und dies weiß eigentlich jeder. Die Taliban war in Afghanistan nie weg. In den letzten 10 Jahren haben sie immer wieder Provinzen und Städte eingenommen. So kamen sie auch immer an Waffen und Munition, die sie bei den Stürmungen auf Militär- oder Polizeikasernen erbeuteten.
Die Taliban haben in Afghanistan eigene staatsähnliche Strukturen aufgebaut, mit sogar eigenen Gerichten.
Durch den illegalen Landraub, verfügt die Taliban quasi über ihr eigenes Land – so hat diese Terrorgruppe Steuereinnahmen. Auch durch die Besetzung und Kontrolle von Grenzübergänge, bekommen die Taliban Einnahmen durch Zollgebühren.

Der Geldstrom aus dem Ausland, wie dieser noch in den 90er Jahren war, ist nicht mehr in dem Maße, wie einst. Auch wenn Geheimdienste Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Pakistan im Visier haben, dementieren dies vehement.

Durch den alltäglichen Terror und seit Wochen das schnelle Vorrücken auf Städte und Provinzen, mangelt es den Taliban nicht an finanziellen Mitteln. Sie plündern und rauben was ihnen unter die Finger kommt.

Was kommt wird alle bisherigen Prognosen übersteigen

Der Krieg rückt näher, und somit auch die Angst vor einer erneuten Übernahme der Taliban. Die nächsten Wochen werden zeigen, wie sich die internationale Gemeinschaft in Afghanistan verhält. Je mehr Staaten ihre Botschaften schließen werden, desto mehr verliert die Bevölkerung den Glauben an die Regierung und das bisherige Staatssystem.

Es ist nue noch eine Frage der Zeit, bis die Taliban Kabul angreift und die jetzige Regierung stürzen wird. Die Apokalypse steht vor der nächsten Stufe und das was kommt, wird ein Massenmord.
Die Menschen wissen nicht mehr wohin sie noch fliehen sollen, und die hochausgebildeten Militärs werden sich wohl kaum der Taliban beugen. Wenn das jetzige Staatssystem zusammen bricht und die Soldaten und Polizisten keinen Soldt und Lohn bekommen werden, steht einem Bürgerkrieg kaum noch was im Weg.

Die Taliban wird ihrerseits die zivil Bevölkerung als Schutzschilde nutzen, wie sie dies vor 20 Jahren schon einmal taten und in den von ihnen kontrollierten Provinzen schon seit Jahren tun.

Mit jedem Tag, an dem die Taliban Städte und Provinzen einnehmen, sinkt die Hoffnung auf ein Ende der Gewalt und Terror.

Naike Juchem 14. August 2021

Quelle
– Alfred W. McCoy. Professor an der Universität Wisconsin für südostasiatische Geschichte. Die CIA und das Heroin. Weltpolitik durch Drogenhandel
– Bundeszentrale für politische Bildung
– Library.fes.de Conrad Schetter
– Stiftung Wissenschaft und Politik

Frauenrechte in Afghanistan

Unter dem Taliban-Regime, dass sich ab 1994 in Afghanistanlangsam wie ein Geschwür ausbreitete und bis zum Ende ihrer Herrschaft, im Jahr 2001, wurden den afghanischen Frauen ihre Menschenrechte und ihr Würde abgesprochen. Als die internationale Gemeinschaft unter der Führung der USA mit dem Versprechen auf Demokratie, Schutz der Menschenrechte undsoziale Gerechtigkeit nach Afghanistan kam, war die Hoffnunggroß, dass sich die Situation der Frauen wieder verbessern würde und sie endlich die gleichen Rechte wie Männer bekämen. Internationale Organisationen, insbesondere die UN, die Europäische Union und die Entwicklungsagentur der USA, sagten ihre Unterstützung zu, um die Lage der afghanischen Frauen zu verbessern. Die UNO machte ihre Unterstützung der afghanischen Regierung davon abhängig, dass diese die Rechte der Frauen und ihre stärkere Beteiligung in der Afghanischen Gesellschaft gewährleistete. Die UN koordinierten diese Hilfen für Frauen und allmählich zeichnete sich eine Verbesserung der Situation ab: Frauen erhielten mehr Zugang zu Bildung und beteiligten sich vermehrt an der Gestaltung von Politik und Gesellschaft. Die unabhängige Menschenrechtskommission Afghanistan, UNAMA (United Nations Assistance Mission in Afghanistan) wurde gegründet, und die Gleichberechtigung der Frau wurde in der Verfassung Afghanistans festgeschrieben. Mädchen durften wieder in Schulen und Universitäten, Frauen nahmen an Wahlen teil, und fünfundzwanzig Prozent der Sitze des afghanischen Parlaments wurden Frauen zugewiesen. Auch in anderen Bereichen der Politik, der Gesellschaft und der Wirtschaft wurden Frauen aktiv und Arbeits- und Bildungsmöglichkeiten für Frauen nahmen zu. Im Schlussdokument der Afghanistan-Konferenz in Bonn im Dezember 2011 hat die internationale Gemeinschaft bekräftigt, auch nach 2014 und dem Abzug der ISAF-Truppen Afghanistan weiter helfen zu wollen. Bundeskanzlerin Angela Merkel sicherte damals Afghanistan langfristige Hilfe über den Abzug der internationalen Kampftruppen hinaus zu. „Afghanistan kann sich auch nach 2014 auf die Unterstützung der internationalen Staatengemeinschaft verlassen“,sagte Merkel. Da die UNO, wie auch die NATO ihre militärische Präsenz in Afghanistan zurückschraubte und sich dadurch auch die Hilfenverringerten, erlahmte seitens der UNO, insbesondere der USA, auch das Interesse und die Aufmerksamkeit für den Schutz dersozialen Gerechtigkeit, der Demokratie und der garantierten Beteiligung von Frauen an der Politik. Da die Regierung unter Hamid Karsai auch nicht gerade mit Zuverlässigkeit glänzte,
erfüllte diese ihre Verpflichtungen gegenüber Frauen nicht, denn die Gesetze und Vorschriften, die zur Sicherung der Frauenrechte eingeführt worden waren, standen lediglich auf dem Papier, wurden jedoch nicht angewandt. Die Erwartung, dass die UNO und die Regierung Afghanistans die Gleichstellung und die Menschenrechte von Frauen gewährleisten würden, erfüllte sich nicht. Im Gegenteil – niemand arbeitete ernsthaft an der Erfüllung dieser Verpflichtungen. Es zeigte sich beispielsweise, dass Frauen nur eine symbolische Rolle in der Struktur der afghanischen Regierung inne hatten. Inzwischen hat sich, insbesondere aufgrund von wieder zunehmenden Sicherheitsproblemen, Armut, langlebigen Traditionen sozialer Unterdrückung und der Bedrohungen durch die Taliban, den IS und andere extremistische Gruppen, die Lage der afghanischen Frauen wieder verschlechtert, bis hin zu Lebensgefahr, und die Arbeits- und Bildungsmöglichkeiten haben sich verringert und sogar dramatisch verschlechtert.

Fortsetzung von Krieg und Unsicherheit

Der fortdauernde Krieg und Terror und die insgesamt unsichere Lage hat für Frauen das Leben in vielen Provinzen wo die Taliban wieder die Macht stark erschwert. Die Recherchen von Afghan Women ́s Network ergab mit rund 100 Vorfällen in nur 71 Tagen (01.11.2018 – 10.01.2019)
ein erschreckendes Bild: In fast allen der 34 Provinzen Afghanistans waren mindestens zwei Vorfälle zu finden. In den unsicheren Teilen des Landes können derzeit Mädchen, wie auch in der Vergangenheit, keine Schulen besuchen; viele Familien erlauben ihren Töchtern nicht, zur Schule zu gehen, weil es zu wenig weibliche Lehrkräfte gibt. Heute, im einundzwanzigsten Jahrhundert, können sechzig Prozent der afghanischen Frauen und Mädchen weder lesen noch schreiben.
Viele Frauen, die in mehreren Provinzen für Regierungs- und
Nichtregierungsorganisationen gearbeitet hatten, mussten Arbeit aufgrund der Sicherheitslage einstellen, oder haben schon in den letzten Jahren im Verborgenen gearbeitet und auch agiert. Darüber hinaus töteten und erschossen die Taliban mehrere Frauen wegen des bloßen Verdachts, mit der Regierung zusammen gearbeitet zu haben.

Gewalt gegen Frauen in der Familie und in der Öffentlichkeit.

Traditionen sozialer Unterdrückung gibt es heute überall in Afghanistan; immer noch leiden rund drei von vier Frauen unter unterschiedlichen Formen von Gewalt, nicht nur in der Familie, sondern auch in der Gesellschaft– am Arbeitsplatz, an Ausbildungsorten und sogar auf offener Straße. Viele Familien bevorzugen klar die Geburt eines Jungen und sind unglücklich
über die Geburt eines Mädchens.
Kinder und Frauen werden zwangsverheiratet oder an ältere Männer verkauft, manchmal werden sie getauscht, gegen Vieh oder gegen die Lösung eines Konfliktes. Frauen und junge Mädchen werden vergewaltigt und Gewalt gegen Frauen wird von manchen im Namen der Religion gerechtfertigt. Polygamie stellt eine weitere Herausforderung für Frauen dar. Ein Mann hat beispielsweise das Recht, mit bis zu vier Frauen gleichzeitig verheiratet zu sein, und diese Frauen besitzen keinerlei Rechte.
Viele Fälle von Gewalt gegen Frauen werden mittels informeller Gerichte oder in Stammesversammlungen entschieden. Die Entscheidungen dieser Stammesversammlungen sind unfair und ungerecht, vor aller Augen werden Frauen gesteinigt oder ausgepeitscht. 2015 wurde in der Provinz Ghor eine Frau gesteinigt, obwohl sie kein Verbrechen begangen hatte.
Nicht wenigen Frauen werden durch ihre Ehemänner Ohren und Nasen abgeschnitten. Viele Frauen suchen in den Frauen- und Schutzhäusern der wenigen Internationalen oder auch private
Organisationen Zuflucht vor dieser immer stärker um sich greifenden Gewalt. In vielen Provinzen sind die Täter dieser
Gewaltakte mächtige Männer, Kriegsherren, Regierungsbeamte oder Parlamentsabgeordnete, und die Regierung sieht sich nicht in der Lage, sie zu verhaften und oder zu bestrafen.

Basierend auf Zahlen von Afghan Women ́s Network wurden im Jahr 2017 rund 3800 Fälle von Gewalt gegen Frauen registriert; 19 der betroffenen Frauen haben sich selbst verbrannt. 2018 nahm die Zahl der Verbrechen weiter zu und lag bei knapp 4200. Im vergangen Jahr blieb die Zahl auf gleich hohem Niveau.
Menschenrechtsorganisationen können durch die instabile Lage in vielen Regionen gar keine Hilfe, bzw. Registrierungen vornehmen und so liegt die Zahl der tatsächlichen Opfer um ein vielfaches höher.
Die sehr lasche Verfolgung der Behörden, lässt somit eine Straffreiheit für die Männer zu und ist als Hauptgrund
für die Zunahme dieser Gewalt zu nennen. Selbst in Kabul sind Frauen und Mädchen nicht vor körperlicher Gewalt sicher. Als Beispiel hierfür sei der Mord an Farkhunda genannt. Dieses Mädchen wurde vor 2015 von Dutzenden Männern brutal getötet und verbrannt – nur wenige Kilometer entfernt vom Präsidentenpalast und vor den Augen von Sicherheitskräfte. Dieser Vorfall spiegelt die Tragweite der Tragödie wider, mit der afghanische Frauen konfrontiert sind. Zwar wurden mehrere Personen im Zusammenhang mit diesem Mord verhaftet, jedoch gingen sie letztendlich straffrei aus. Frauen und Mädchen sind selbst an ihrem Arbeitsplatz oder an den Universitäten nicht sicher. Sie werden auf dem Arbeitsmarkt und in Bildungseinrichtungen von Männern auf unterschiedliche Arten belästigt und aufgefordert, illegitime Dinge zu tun; es gibt keinerlei Gesetze zur Unterstützung von Frauen in diesen Bereichen.
Die Erfolge der afghanischen Frauen und deren mangelnde Anerkennung
Menschenrechtsaktivistinnen haben in den letzten Jahren bedeutende Erfolge in Afghanistan und über die Grenzen Afghanistans hinaus erzielen können, sie haben nationale und internationale Preise gewonnen und damit der Welt ein anderes
Gesicht von Afghanistan gezeigt, als das von Krieg und Gewalt.
Doch die Beteiligung von Frauen an der politischen Entscheidungsfindung ist immer noch verschwindend gering.
Trotz positiver Errungenschaften im Leben der afghanischen Frauen beschränken sich der Fortschritt und die
Entwicklungsmöglichkeiten von Frauen in vielerlei Hinsicht auf Worte und Slogans. Zahllose Gesetze, Programme und Strategien wurden entwickelt, um die Stellung der afghanischen Frau zu stärken, doch deren Umsetzung war weniger erfolgreich. Immer wieder wurden diese Maßnahmen seitens der Regierung ignoriert.

Es ist offensichtlich, dass Frauenrechte in Afghanistan nur eine symbolische Rolle spielen, diese Doppelmoral und die
frauenfeindlichen Einstellungen zeigen sich an folgendem Beispiel: Hamid Karsaihatte dem Parlament zwölf
Ministeramtskandidaten zur Aussprache des Vertrauens präsentiert; das Parlament hat daraufhin den elf männlichen
Kandidaten das Vertrauen ausgesprochen, Nargis Nehan aber, die als einzige Frau als Ministerin für Bergbau und Erdöl
vorgeschlagen war, wurde abgelehnt. Dies zeigt, dass in allen drei Organen der afghanischen Regierung Frauenfeindlichkeit herrscht und nach wie vor politische Entscheidungen auf der Grundlage gefällt werden, die männliche Dominanzkultur zu erhalten. In all den Jahren konnte keine einzige Frau Mitglied des Obersten Gerichtshofs von Afghanistan werden, stets lehnte das Parlament die Mitwirkung von Frauen in dieser Institution ab; Frauen gelten in Afghanistan immer noch als Menschen zweiter Klasse.
Die allgemein unsichere Lage, das Versagen der afghanischen
Regierung bei der Gewährleistung von Sicherheit für Frauen, die Einschränkungen und verschiedenen Arten von Diskriminierung sind Gründe dafür, dass Frauen nicht in der Lage sind, in Frieden in Afghanistan zu leben, und sich gezwungen sehen, allein oder mit der Familie in andere Länder zu gehen, insbesondere nach
Europa, um dort Asyl zu beantragen.

Afghanische Frauen in Europa und Gewalt in der Familie

Abgesehen von mentalen und psychischen Gesundheitsproblemen erleben afghanische Frauen und Mädchen in vielen europäischen Ländern, insbesond
ere in Deutschland sexuelle und auch häusliche Gewalt. Nach Quellen deutscher Medien wurden allein 2017 zwei
afghanische Frauen in den Städten Frankfurt und Herzogenrath von ihren Ehemännern getötet. Gewalt ereignete sich auch in einem Flüchtlingslager in
Schwerin, wo im November 2017 eine afghanische Frau durch einen iranischen Mann vergewaltigt wurde. Gemäß der Aussage eines Verteidigers von Frauenrechten in Frankfurt leben einige afghanische Familien hier nach den selben traditionellen Vorstellungen wie in Afghanistan und erlauben ihren Frauen nicht einmal, an Sprachkursen
teilzunehmen. Die Hilfsangebote vieler Organisationen und Vereinigungen, die Geflüchtete bei ihren Integrationsbemühungen
unterstützen, laufen dann ins Leere. Ein weiterer schwerer Fall von Gewalt afghanischen Männer ist der Mord an Mia im Dezember 2017.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Unsicherheit, Ungerechtigkeit, mangelnde Rechtsstaatlichkeit und fehlende Gleichberechtigung der Männer die Hauptgründe dafür sind, dass viele afghanische Frauen in Europa Asyl beantragt haben.
Niemand würde ohne die oben genannten Gründe derart viele Risiken eingehen, ohne dazu gezwungen zu sein, niemand würde seinen Geburtsort verlassen und in einem Land mit einer anderen Kultur und Sprache
Asyl suchen.
Das Leben in Deutschland, oder deren westlichen Nachbarstaaten, ist nicht einfach, es muss von Null aufgebaut werden und es braucht Zeit, sich der Gesellschaft anzupassen und die neue Sprache und Kultur zu lernen. Angesichts der Situation afghanischer Asylbewerberinnen ist klar, dass diese mehr als manche andere Unterstützung benötigen – von Organisationen, die die Menschenrechte verteidigen, sowie von der deutschen und den europäischen Regierungen. Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland heißt es, dass alle Menschen in diesem Land die gleichen Rechte haben und dass dieses Land demokratisch regiert wird. Aus diesem Grund erhoffen sich die afghanischen Frauen mehr von der Regierung dieses Landes. Gerade Frauen, die alleine sind oder allein die Verantwortung für ihre ganze Familie tragen, sind auf die Unterstützung der Bundesregierung und von Menschenrechtsorganisationen angewiesen. Geflüchtete
Afghaninnen wünschen sich, dass ihre Fälle in Bezug auf die Situation in Afghanistan und die politischen und sozialen Probleme von Frauen in diesem Land überprüft werden.


P.S. Mir ist durchaus bewusst, dass ich mit meinem Text den Unmut einiger Menschen auf mich ziehe, die sich für Flüchtlinge einsetzen. Ich schreibe keine Märchen, ich schreibe Fakten und diese sollen dann auch so verstanden werden. Ich kann und werden diese Welt nicht schön reden.


Naike Juchem, 20. April 2020

Wenn fanatische Religion die Kultur vernichtet

Afghanische Frauen unter einer Burka Foto:UNHCR

Ein Gesetz, welches keines ist: das Burka-Verbot in Europa

Wenn fanatische Religion die Kultur vernichtet

Kultur ist bunt, ausdrucksstark, musikalisch und freude.
Alleine diese vier Punkte gelten für Millionen Frauen auf dieser Welt nicht.

Seit einigen Jahren hat sich in der Bevölkerung eine Bild von muslimischen Frauen eingeprägt, welches nie das Bild der Frauen war: die Vollverschleierung

Der Niqab ist ein Gesichtsschleier, der in Verbindung mit einem Tschador oder einem anderen, zumeist schwarzen Ganzkörpergewand getragen wird. Er bedeckt das ganze Gesicht und lässt nur einen Sehschlitz frei.

Die in Afghanistan verbreitete Burka  ist ein weites, meist blaues Gewand, das über den Kopf gezogen wird und die Frau bis zu den Zehenspitzen komplett verhüllt. Die Augen sind hinter einem feinmaschigen Gitter versteckt.

Durch religiöse Fanatiker wurde und wird eine jahrhundert alte Tradition und Kultur zu Grabe getragen.
Musik und Gesang gehören auf der ganzen Welt zu den Menschen, wie das ein- und ausatmen.
Egal ob mal ein Fest feierte zum Frühlings- oder Sommerbeginn. Ob eine Erntedankfest, eine Gottheit oder den eigenen Geburtstag. Mit Farben und Schmuck brachten die Kinder, Frauen und Männer ihre Freude zum Ausdruck.

All dies wurde in Ländern der muslimischen Welt immer mehr verboten, bis schließlich auch die Farben, Frohsinn, Musik und Tanz verboten wurde.
Durch eine Burka oder Nikab wird den Frauen jegliche Freiheit, Menschenrechte und Würde genommen.

Bettelnte Frau in Afghanistan Foto:RFERL

Heiße Diskussionen über die Burka oder Niqab

Am 11. 4. 2011 trat in Frankreich ein Gesetz in Kraft, das die gänzliche Bedeckung des Gesichts an öffentlichen Orten, etwa in öffent￾lichen Verkehrsmitteln, Parks, Schulen, Geschäften und anderen Einrichtungen, verbot. Damit war Frankreich das erste europäische Land, das das Tragen des Vollschleiers in der Öffentlichkeit verbot; im selben Jahr folgte ein ähnliches Verbot in Belgien. Auch in Österreich, Schweiz, Dänemark und Niederlande gibt es mittlerweile Gesetze für die Vollverschleierung von Frauen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) stellt in einem Urteil vom 1. Juli 2014 fest, das das Gesetz vom Frankreich vom 11. Oktober 2010 rechtens ist. Nach Ansicht des EGMR verletzt das Gesetz weder die Freiheit des Glaubens, der Gedanken oder des Gewissens (Art. 9 EMRK) noch das Recht auf ein Privat- und Familienleben (Art. 8 EMRK). Dieses Urteil wurde natürlich nicht ohne starken Widerstand hingenommen.
So waren auch zwei Richterinnen vom EGMR gegen dieses Urteil.
Eine deutsche und schwedische Richterin beurteilten die Sachlage in gewissen Punkten etwas anders. Sie hielten in der Urteilsbegründung fest: „Konkrete individuelle Rechte, welche die Konvention garantiert, wurden hier abstrakten Prinzipien unterworfen. Unserer Ansicht nach ist ein dermassen generelles Verbot, welches das Recht einer jeden Person auf eine eigene kulturelle und religiöse Identität tangiert, in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig.“

„Dies ist eindeutig ein Angriff auf die muslimische Gemeinschaft in der Schweiz. Ziel ist es, Muslime noch mehr zu stigmatisieren und an den Rand zu drängen“, sagte Inès El-Shikh, Mitglied von Les Foulards Violets, einem muslimischen feministischen Kollektiv in der Schweiz, im Mai 2021 in einem Interview mit „The Guardian“.

„Wir müssen der Regierung signalisieren, dass wir uns der Diskriminierung und einem Gesetz, das speziell auf eine religiöse Minderheit abzielt, nicht beugen werden“, sagte eine Niqab-tragende Studentin gegenüber Reuters, bei einer Demonstration in Kopenhagen, im August 2016.

Auch befürchten Hotel- und Gastronomieverbände in einigen Ländern von Europa einen Rückgang an Besucher, vornehmlich aus den Arabischen Emiraten, wenn solche Verbote Landesweit, in diesem Fall die Schweiz, eingeführt werden.

Foto:Poster of Iran

Eine Vollverschleierung verstößt gegen Menschenrechte – oder doch nicht

In Sure 2 Vers 256 heißt es: „Es gibt keinen Zwang in der Religion“, was eben bedeutet, dass sich jeder Mensch frei für seine religiöse Überzeugung entscheiden darf. Ebenso kann man einen Menschen nicht zu bestimmten Handlungen zwingen, auch wenn es ihm seine Religion vorschreibt. Man ist letztlich einzig vor Allah/Gott verantwortlich, wenn man durch sein Verhalten nicht die Rechte anderer Personen verletzt.
Alleine dieser Vers wird von fast allen islamisch geprägten Staaten missachtet.

Aus islamischer Sicht, also der Religion – und nicht den Religionswächter, ist das Tragen einer Kopfbedeckung Pflicht, die Allah im Koran offenbarte. Frauen und Männer sollten sich aus Überzeugung an die von Allah offenbarten Kleidervorschriften halten. Da der Islam für Nüchternheit eintritt und die Menschen sich nicht von vordergründigen Reizen beeinflussen lassen sollen, ist es wichtig, im öffentlichen Leben dafür zu sorgen, dass jene Anziehungsbereiche menschlicher Sexualität, die sofort ins Auge springen können, bedeckt gehalten bleiben. Dies bedeutet jedoch keine Ungleichheit von Frauen und Männern.

Auch steht in Sure 33, Vers 59: Frauen sollten in der Öffentlichkeit „etwas von ihrem Überwurf“ über sich ziehen. Es wird aber nicht geschrieben, welcher Teil des Körpers verdeckt werden soll und ob dies auch die Haare betrifft.

Um noch einmal auf das Urteil des EGMR zu kommen, heißt es dort, dass es weitgehend den einzelnen Staaten überlassen ist, ob und wo sie Frauen in Burka, Niqab oder auch mit weniger verhüllenden Kopftüchern akzeptieren und wo nicht. Entsprechend hält der EGMR auch ein Burka-Verbot nicht für ein Verstoß die Menschenrechte – wie sie insgesamt das Recht des Staates, die Verwendung religiöser Symbole zu reglementieren, tendenziell höher bewerten als das Recht des einzelnen Bürgers auf freie Religionsausübung

Der UN-Menschenrechtsausschuss hat das Verbot der Vollverschleierung in Frankreich bereits 2018 kritisiert, denn das Urteil des EGMR verstoße gegen die Religionsfreiheit und die Menschenrechte der Trägerinnen, denn das tragen von einer Burka sei
angemessen um ein friedliches Zusammenleben zu gewährleisten.

Fazit

Bei allen Debatten, Vorschriften und Gesetze gibt es keine Einigung über eine stoffliche Hülle, in einer patriarchalisch geprägten Religion. Niemand wird im öffentlichen Raum eine Burka oder Nikab tragende Frau fargen, ob sie dieses Kleidungsstück freiwillig trägt.

Jene Befürworter sollten doch mal für mehrer Tage, vorzugsweise im Hochsommer, ein solches Kleidungsstück tragen.
Toleranz hin oder her, eine Burka ist die schlimmste Entwürdigung für eine Frau.

Die Ethnologie in Afghanistan

Um Afghanistan zu begreifen, muss man sehr weit in der Geschichte zurück gehen und auch die Ethnologie wie auch die Anthropologie in Betracht ziehen.

Was wir in Europa bis Anfang 1990 als Jugoslawien kannten, funktionierte in diesem – ebenfalls Vielvölkerstaat nur, weil man von Grund auf alles an Ethnien bekämpfte. Der Jugoslawien Krieg zeigte, wie verfeinert die Menschen in diesem Staatsgebiet waren. Es endete im Völkermord.

Wenn Afghanistan eine Zukunft haben sollte, kann es nur die Aufteilung des Staatsgebiet zur Folge haben.

Die Probleme in Afghanistan liegen in den vielen Ethnien die in diesem Land leben. Seit Jahrzehnten kämpft jeder gegen jeden. Dies ist und war der Nährboden für den Fundamentalismus, aus den der Terror resultiert.
Auf lange Sicht gesehen, wird es in Afghanistan niemals Frieden geben, solange es ein territoriales Land gibt.
Es muss endlich in Betracht gezogen werden, dass diese Form als Land so nicht existieren kann und wird.

Die Ethnologie in Afghanistan

In der Ethnologie und Anthropologie bezeichnet man als Clan eine Verwandschaftsgruppe, die sich auf einen gemeinsamen Ahn bezieht, ohne dabei jedoch die Abstammung lückenlos herleiten zu können. Eine genauere Definition von Clan, die sich in der englisch- und deutschsprachigen Forschungsliteratur durchgesetzt hat, geht auf den US-amerikanischen Anthropologen George P. Murdock (1897–1985) zurück. Murdock bezeichnet eine Verwandtschaftsgruppe, die gemeinsam auf einem Territorium zusammen lebt, als Clan. Eingeschlossen werden hier die angeheirateten Ehepartner, ausgeschlossen die wegheiratenden. Die Zugehörigkeit wird durch die Patrilinearität bestimmt. Diese Definition trifft auch auf Afghanistan zu.

Die Rolle der Ethnien und Stämme in der afghanischen Staatsbildung und Politik geht auf eine Zeit zurück, als Afghanistan im 18. Jahrhundert im Anschluss an eine neuntägige „Jirga“ gegründet und die Regierung von Ahmad Shah Abdali konstituiert wurde. Der Chronist der afghanischen Geschichte Mir Mohammad Ghobar schrieb, dass diese „Jirga“ sich aus Khans der Gheljaeis, Usbeken, Hazaras, Belutschen und Tajiken zusammensetzte.

Nach der Machtübernahme durch die Paschtunen wurde die Rolle andere Ethnien in der Geschichte Afghanistans unbedeutender. Die Paschtunen versuchten, den neuen Staat alleine zu prägen.
Der deutsche Afghanistan-Experte Conrad Schetter schreibt dazu: „Die herrschende paschtunische Familie, welche durch Britisch Indien an die Macht gekommen war, favorisierte paschtunische Elemente bei ihrem Konzept von Staat und Nation Die Politik der herrschenden Familie setzte die eigenen ethnischen Muster ein, um öffentliche Güter und die Verwaltung unter ihre Kontrolle zu bringen.“
Die nicht-paschtunischen Ethnien, d.h. Tajiken, Hazaras und Uzbeken, verloren allmählich unter dem Druck der herrschenden Ethnie an Einfluss. Der Prozess der „Staats- und Nationsbildung“ beschränkte sich damit auf Aktionen und Reaktionen zwischen der Zentralregierung in Kabul und paschtunischen Stämmen. Aber auch zwischen den paschtunischen Stämmen gab es ständig Kämpfe und politische Rivalitäten.

Der iranische Soziologe Hossein Boshiria schreibt in seinem Dossier: „Die wichtigsten politischen Spannungen ereigneten sich unter paschtunischen Stämmen selbst; insbesondere zwischen Durranis und Barekzais gab es immer politische Rivalitäten.“ Man kann also sagen, dass der Prozess der „Staats- und Nationsbildung“ mit oder ohne Erfolg untrennbar mit der Rolle der Paschtunen in Bezug auf die Zentralregierung im Zusammenhang stand.

Stämme als Hindernis der Staatsbildung

Der italienische Afghanistan-Experte Antonio Giustozzi meint, dass Spannungen zwischen regionalen Fürsten und der Zentralregierung geschichtliche Wurzeln haben. Diese Spannungen lassen sich in verschiedenen Phasen der afghanischen Geschichte beobachten:

Amir Abdul Rahman Khan (Regierungszeit 1880 bis 1901) ist der erste afghanische Herrscher, der große Anstrengungen zur Stärkung der Nation und Errichtung einer Zentralregierung unternahm. Er ging dabei so grausam vor, dass man ihm den Titel „eiserner Emir“ gab. Abdul Rahman Khan siedelte Bevölkerungsteile um und setzte Paschtunen an ihre Stelle. Trotzdem konnte er die Prozesse der Staats- und Nationsbildung nicht vorantreiben, denn einerseits unterdrückte er wichtige afghanische Ethnien, und andererseits gelang es ihm nicht mit den Stammesfürsten der ländlichen Regionen eine produktive Beziehung herzustellen. Barfield schildert diese Situation so:

„Mit der Unterdrückung von Rivalen innerhalb seines Clans, der religiösen Bewegungen und ländlichen Unruhen durch Abdul Rahman Khan, entstand in Afghanistan eine Schicht der ‚politischen Elite‘, die sich zunächst aus wenigen Personen zusammensetzte, aber großen Einfluss durch die Regierung von Abdul Rahman Khan hatte. Da diese Elite ihre ethnischen und ländlichen Bindungen abgelegt hatten, spielten die autonomen regionalen Stammesfürsten eine Vermittlungsrolle zwischen der Kabuler Zentralregierung und dem Volk. Die Loyalität dieser Stammesfürsten basierte auf deren ethnischen, regionalen, religiösen Netzwerken und Stammesrivalitäten. Die Loyalität ihrer Anhänger galt an erster Stelle diesen Stammesführern und erst an zweiter Stelle der Zentralregierung.“

Nach Abdul Rahman Khan versuchte Amanullah Khan mit einer unterschiedlichen Art und sanfter Annäherung den Prozess der Staats- und Nationsbildung voranzutreiben. Er unterdrückte andere Ethnien nicht und schaffte die bis dahin geltende Versklavung der Hazaras ab.

Auch die Anstrengungen Amanullahs blieben ohne Ergebnis. Erschöpft vom Krieg gegen England widmete er sich der Modernisierung Afghanistans. Scheinbar hatte er es aber versäumt, tiefgehende Beziehungen zu Paschtunen herzustellen. Er hat versucht sensible Punkte der paschtunischen Tradition, wie das Verbot der Heirat von Minderjährigen, das Verbot der Polygamie und Bildung für Frauen uvm. zu etablieren. Das war für die Paschtunen ein rotes Tuch. Gerade diese Unzulänglichkeit war ein Grund für das Scheitern der Modernisierung und den Prozess der Staats-und Nationsbildung.

Jules Stewart erklärt beispielsweise, wie die paschtunischen Stämme Amanullah provozierten. Im Dezember 1927 unternahm der König auf Einladung der italienischen Regierung eine Europareise. Er kam im Juni 1928 wieder zurück und begann, inspiriert von seiner Eindrücken, mit neuen Reformen. Die Engländer verteilten indessen ein Bild von Königin Soraya unter den paschtunischen Stämmen; in diesem Bild war sie ohne Kopftuch zu sehen während eines gemeinsamen Essens mit ausländischen Männern, wobei der französische Präsident ihr die Hand küsst. Dies war der Grund, warum Amanullah gleich bei seiner Rückkehr nach Afghanistan mit einer schweren Welle der Unruhe unter den Stämmen und Geistlichen konfrontiert wurde, die ihn am Ende, ein Jahr später, seine Herrschaft kostete.

Die Stammesfürsten kontrollierten unter Amanullah nicht nur ihre eigenen Stämme, sondern übten über einen „Stämmebund“ Einfluss auf das Land aus und widersetzten sich der Modernisierung des Landes. Die „Loya Jirga“ widersetzte sich dem Wunsch Amanullahs das Mindestalter für die Heirat bei Mädchen auf 18 und bei Männern auf 21 festzulegen und die Polygamie abzuschaffen. Die Regierung Amanullahs stand kurz vor dem Sturz. Den beschriebenen Stämmebund bezeichnet Ibn-e Khaldoun als „asabieyeh“. Es ist jene strategische Koalition unter Mitgliedern eines Stammes oder mehrerer Stämme, die sie in einer Krisensituation zusammenbindet. Diese Form des Widerstandes ist alteingesessen und wird immer wieder dann ins Leben gerufen, wenn die Traditionen und Religion gefährdet wird. Im Fall Amanullahs haben sich Stammesführer, Geistliche und Feudalherren bereits 1924 erstmalig in Paghman getroffen, um gegen die Reformen des Königs vorzugehen.

Der Islam in Afghanistan

Islamischer Fundamentalismus, eine rückwärtsgewandte Religiosität und mittelalterliche Denken und Lebensweisen bestimmen häufig das Bild von Afghanistan. Dabei hat das Land mittlerweile eine Verfassung, einen direkt gewählten Präsidenten und ein demokratisch gewähltes Parlament. Trotzdem können sich bestimmte religiöse Kräfte über das Gesetz stellen. Wie groß ist ihr Einfluss? Wie wird der Islam in Afghanistan verstanden?

Am 12. August 2012 musste ein beliebter afghanischer Sänger, Shafiq Monir, sein seit langem geplantes Konzert in der Stadt Herat absagen. Grund war der Aufruf einiger Gelehrter der Stadt, allen voran der
des populären Predigers Sheikh Mojib ar-Rahman Ansari. Ansari wollte das Konzert verhindern, weil er es für unmoralisch hielt. Dem Druck Ansaris und seiner Befürworter folgend, strichen die Behörden das Konzert schließlich. Das ist nicht das erste und wird wohl auch nicht das letzte Mal sein, dass bestimmte religiöse Kräfte in Afghanistan eine eigenwillige Interpretation des Islam vornehmen und sie den anderen aufzwingen. Auch vielen Afghanen diente der Vorfall als Beleg dafür, warum Afghanistan in der allgemeinen Wahrnehmung als ein rückschrittliches und vormodernes Land gilt. Mit Afghanistan werden seit mittlerweile über dreißig Jahren islamischer Fundamentalismus,
rückwärtsgewandte Religiosität und mittelalterliche Denk- und Lebensweisen assoziiert. Es gilt als ein Land, in dem es keine Spur von Zivilität und Zivilisation gibt. Viele können vielleicht den politischen
Anarchismus und die damit einhergehende religiös legitimierte bzw. motivierte Gewalt in der Zeit des Bürgerkrieges bis Ende 2001 noch nachvollziehen; es herrschte letztlich überall im Land Krieg und es
gab keine souveräne Zentralregierung, die für Gesetz und Ordnung sorgen konnte. Inzwischen hat Afghanistan eine mit viel Aufwand verabschiedete Verfassung, einen vom Volk direkt gewählten
Präsidenten und ein demokratisch gewähltes Parlament. Trotzdem können bestimmte religiöse Kräfte sich über das Gesetz stellen, ihre Meinung der Politik aufzwingen und letzten Endes die Souveränität des Staates sabotieren. Wie groß ist der Einfluss religiöser Akteure? Wie wird der Islam in Afghanistan verstanden?

Religiöse Akteure

Religiöse Akteure und insbesondere die offiziellen Träger des Islam, die ‘olama’, haben in der politischen Geschichte Afghanistans immer wieder eine weitreichende Rolle gespielt. Diese Tatsache geht nicht zuletzt darauf zurück, dass sie im Prozess der Meinungsbildung und der politischen Orientierung vieler
Menschen ein wichtiger Faktor sind. Die politische Klasse ist stets darum bemüht gewesen, für ihre Regierungsbeschlüsse und -praktiken die Zustimmung der ‘olama’ zu gewinnen. Die ‘olama’ wurden aber andererseits oft für bestimmte Politiken, die im Grunde mit eindeutigen Anforderungen des Islam nicht konform waren, benutzt. Amir Abdorrahman Khan (1881-1901), der sogenannte Eiserne Emir, konnte seine nationalistische Unterdrückungspolitik beispielsweise im Namen des Islam durchführen. Legitimiert durch Fatwas der ‘olama’ ging er erbarmungslos gegen religiöse und ethnische Minderheiten vor. Unterstützt durch einige ‘olama’ ließ er sogar religiöse Stiftungen in Beschlag nehmen. Dem als Reformkönig geltenden Amanullah (1919-1929) dagegen verweigerten die ‘olama’ ihre Unterstützung. So gelang es ihm nicht, liberale Reformen durchzusetzen.
Nach einer Europareise in Begleitung seiner freizügig gekleideten Frau teilte Amanullah der „Großen Ratsversammlung“ (Loya Jirga) seine Pläne zur Modernisierung des Landes mit. Dazu gehörten das Verbot der Sklaverei, die Religions- und Meinungsfreiheit und die Schulpflicht für Mädchen. Die religiösen Akteure, allen voran der einflussreiche Fazl Omar Mojaddadi, bekannt als Hazrat-e Shur Bazar, lehnten die Reformmaßnahmen ab und bezeichneten sie als nicht islamisch. Der anschließende Volksaufstand gegen Amanullahs Modernisierungsvorhaben führte letztlich zu seinem Sturz. Trotz
derartiger Einflussnahmen wurden ‘olama’ nicht als eine politische Größe, sondern als eine religiöse Instanz angesehen. Die politisch zentrale Bedeutung, die den ‘olama’ in der Zeit des Widerstandes gegen die sowjetische Usurpation und des damit einhergehenden Bürgerkrieges zukam, war allerdings eine ganz neue Erscheinung, die das Selbstverständnis der ‘olama’ und ihr Bild in der Gesellschaft völlig veränderte. Diese neue gesellschaftspolitische Position religiöser Akteure ist u.a. auf die großzügigen finanziellen und militärischen Zuwendungen der Länder zurückzuführen, die die Widerstands- bzw. Bürgerkriegsparteien unterstützten. Die Führung dieser Parteien war zumeist in den Händen religiöser Akteure. Bald beanspruchten die ‘olama’, welche gewohnt religiöse Orientierung der Menschen bestimmten, auch die politische Führung. Während sie vor Kriegsbeginn allgemein auf die Gnade der politischen Klasse angewiesen waren, stellten sie während des Kriegs selbst die
politische Führung dar. Diese Rolle wollen sie auch unter der neuen politischen Ordnung weiter ausüben, solange sie sich nicht als zivile sondern als religiös legitimierte politische Akteure verstehen

Der gelebte Islam in Afghanistan

Wie überall in der islamischen Welt zeichnet sich der Islam in Afghanistan durch eine Vielzahl von heterogenen Prägungen und Eigenheiten aus. Noch vor Kriegsbeginn wurde diese „Kultur der
Ambiguität“ im Alltag gelebt. Trotz aller Diskriminierung lebten auch nichtmuslimische Gemeinschaften
wie Sikhs, Hindus, Juden neben schiitischen und sunnitischen Muslimen. Viele Gelehrte sahen den unterschiedlichen Islamauffassungen und -praxen gelassen entgegen und richteten sich dabei nach der bekannten Tradition des Propheten, dass der Dissens muslimischer Gemeinschaft ein Zeichen der Gottesgnade sei eine Tradition, die in der islamischen Geschichte vielerorts jahrhundertelang praktiziert wurde. Dieser Usus kennzeichnete die sogenannte Blütezeit der muslimischen Kultur (750-1250) mit ihren Zentren wie Bagdad, in denen sich Kunst, Wissenschaft und Forschung glanzvoll entfalten konnten. Schon in der frühislamischen Zeit gab es ganz legitim nebeneinander existierende divergente Lesarten des Korans und damit der Scharia. Diese Tatsache hat bis zum Aufkommen des ideologisierten Islam im 19. Jahrhundert kaum jemanden in der
islamischen Welt gestört. Mehrdeutigkeit sprach nicht gegen eine göttliche Herkunft des Korans oder der Scharia. Wer kann schon behaupten, die Scharia gänzlich zu erfassen? Als Gelehrte hatte man
lediglich den bescheidenen Anspruch, eine eigene Interpretation der Scharia zu präsentieren und nicht die Scharia. Daher hat man die Meinung eines Gelehrten als Ergebnis seiner individuellen wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Scharia, als seinen ijtihad verstanden und nicht als „den einen wahren Islam“. Dementsprechend haben auch die meisten Gelehrten in Afghanistan andere Meinungen und Praktiken respektiert.
Darüber hinaus weist der Islam in Afghanistan mystische Züge auf. Bis zum Aufbruch des Widerstandskampfes gegen die sowjetische Usurpation und des damit einhergehenden Bürgerkrieges hielt der mystische Islam Distanz zur Politik und forderte gemäß seines Selbstverständnisses Toleranz von den Menschen. Erst in der Kriegszeit mischte er sich zunehmend in die Politik ein und kämpfte wie die anderen Strömungen um mehr politischen Einfluss.
Eine der wichtigsten Bruderschaften in Afghanistan stellt die Naqshbandeyya dar. Der Orden geht auf Muhammad Bahaoddin an-Naqshbandi (gestorben 1389) zurück und hat sich zunächst in Zentralasien verbreitet. In Afghanistan hat die Nashbandeyya vor allem unter den Tadschiken der Großstädte, aber auch unter einigen paschtunischen Stämmen im Süden und Südosten ihre Anhänger. Ein weiterer mystischer Orden in Afghanistan ist die Qadereyya. Der Begründer der ebenfalls einflussreichen Bewegung, Abd al-Qader Gilani (gestorben 1166), stammte aus Bagdad. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam die Bruderschaft nach Afghanistan. Im Gegensatz zu diesen beiden Orden, die vor allem in der Hauptstadt präsent waren, hatte der Chishteyya-Orden seine Anhängerschaft insbesondere in und um Herat, im Westen des Landes. Die Chisteyya wurde von Moinoddin Muhammad Chishti (gestorben 1236) gegründet und hat sich über die Grenzen des heutigen Afghanistans hinaus vor allem auf dem indischen Subkontinent verbreitet.
Viele Menschen haben zwar die ‘olama’ als offizielle Träger des Islam betrachtet, sie hatten aber gleichzeitig ihre Beziehungen zu mystischen Bruderschaften und pflegten in ihrem Alltagsleben deren in der Regel offene Haltung, z.B. zur Musik oder zum Verkehr mit anderen religiösen Gruppen. Man legte ebenfalls viel Wert auf große zumeist mystisch orientierte Dichter. Ihre Gedichte wurden als Interpretation der koranischen Botschaft angesehen, ihre Einstellungen zum Leben und zur Welt wurden besonders geschätzt. Man nahm die Aufforderungen von Hafez (1320-1389) „In diesen beiden
Ausdrücken liegt der Schlüssel zum Frieden im Diesseits und Jenseits“ und „Übe den Freunden gegenüber Großmut und den Feinden gegenüber Toleranz“ genauso ernst wie die Botschaft von Saadi (1190-1283): „Die Kinder Adams sind aus einem Stoff gemacht als Glieder eines Leibs von Gott, dem Herrn, erdacht Sobald ein Leid geschieht nur einem dieser Glieder dann klingt sein Schmerz sogleich in allen wider.“
Auch die Gedichte von Maulana Jalaloddin Balkhi (1207-1273) haben einen großen Platz im Alltagsleben der Menschen gehabt. Maulana sah die Liebe als Hauptkraft des Universums und das Universum als ein harmonisches Ganzes. Sein kultureller Kontext prägte selbstverständlich seine Vorstellungen von Gott, sein Gott kannte aber keine religiösen oder sonstigen Grenzen: „Was soll ich tun, o ihr Muslime? Denn ich kenn‘ mich selber nicht. Weder Christ noch bin ich Jude, und auch Pars und Muslim nicht. Nicht von Osten, nicht von Westen, nicht vom Festland, nicht vom Meer Nicht stamm‘ ich vom Schoß der Erde und nicht aus des Himmels Licht.“
Noch mehr als Hafez und Maulana wird in Afghanistan der große mystische Dichter Abdolqader Bidel Dehlavi (1645-1721) verehrt und gelesen. Er lebte und wirkte im Mogulreich und gehörte dem
Qadereyya-Orden an. Seine Gedichte wurden von vielen Afghanen wie Koranverse rezitiert. Man beschäftigte sich mit ihm und seiner Philosophie in Lesungen und Diskussionsrunden. Eine Abendreihe über ihn unter dem Shab-e Aschoqan Bidel“ ist vielen Afghanen immer noch in Erinnerung geblieben. Der Meister der afghanischen klassischen Musik, Ostad Muhammad Hosain Sarahang (1923-1982), war der bekannteste Interpret der Dichtung von Bidel und sorgte mit seiner faszinierenden Stimme für die Omnipräsenz von Bidels Gedanken im Alltag vieler afghanischer Familien. Bidel wird als Anhänger einer gewissen pantheistischen Philosophie Vahdat al-vojud („Einheit der Existenz“) bezeichnet, der in dem als sehr komplex angesehenen Indischen Dichtungsstil dichtete. Indem er diese komplexe Ausdrucksweise pflegte, machte er doch die Ambiguität des Seins deutlich. „Solange die Einzelnen nicht zueinanderfinden, kann keine Gemeinschaft existieren.“
„Eine Ähre ist keine, wenn die Körner nicht zusammenwachsen.“

Die Kriegszeit

Krieg wurde in vielen Fällen der Religion halber geführt. So spricht man in der Geschichtswissenschaft vom „Religionskrieg“ oder „Glaubenskrieg“ oder auch vom „Konfessionskrieg“. Krieg verändert gleichzeitig den Zugang zur Religion und deren Textgrundlagen. In der Kriegssituation duldet man keine Dissidenten und keinen Zweifel an eigenen, eindeutig formulierten und für absolut richtig gehaltenen Zielen. Auch die Religion soll im Dienste des Krieges und der mit ihm einhergehenden Gewalterscheinungen stehen und sie legitimieren. Auf diese Weise entsteht religiöser Fundamentalismus. So entstand er in der Geschichte des Christentums und so erschien er in der islamischen Geschichte. Der über dreißig Jahre andauernde Kriegszustand in Afghanistan hat kaum Platz fürs Weiterbestehen einer Kultur der Pluralität und Toleranz übrig gelassen. Vielmehr setzte sich ein einseitiges, für eindeutig gehaltenes und damit fundamentalistisches Verständnis des Islam durch.
Bereits im „Jahrzehnt der Verfassung“  1963-1973 haben sich vor allem in Kabul kleine islamistische Kreise gebildet. Ihr vordergründiges Anliegen war die Bekämpfung von marxistisch orientierten Gruppen, die über eine beachtliche Anhängerschaft unter den Studenten verfügten. Sie bezeichneten sich teils als „Jungmuslime“ und teils als
„Islamische Gemeinschaft“ und wurden hauptsächlich von Persönlichkeiten geführt, die an der Al-Azhar-Universität in Kairo ausgebildet worden waren und mit dem Gedankengut der „Muslimbrüder“  vertraut waren. Zu den Führungskadern dieser Gruppen gehörten die Dozenten Gholam Muhammd Neyazi (gest. 1978) und Borhanoddin Rabbani (1940-2011)
und die Studenten Golboddin Hekmatyar (geb. 1947) und Ahmad Shah Massud (1951-2001).
Die drei Letzteren führten später nicht nur die wichtigsten Widerstandsparteien gegen die sowjetischen Truppen, sie lieferten sich auch gegenseitig blutige Kämpfe, die nach dem Rückzug der sowjetischen Armee noch erbitterter weitergeführt wurden. Die Logik des Krieges hat sich mit der Zeit fast aller
religiösen Akteure und der mystischen Bruderschaften bemächtigt. Die herausragende Figur des Naqshbandeyya-Ordens Sebghatollah Mojaddadi (geb. 1925) mit seiner Partei Nationale Rettungsfront und der geistliche Führer des Qadereyya-Ordens Pir Sayyed Ahmad Gailani (geb. 1932) mit seiner Organisation Nationale Islamische Front und die Chishteyya-Bewegung in der Herat-Region waren nicht nur an dem Widerstandskampf beteiligt, sondern auch an den schmutzigen Brüderkriegen der Mujahidin. Die intellektuelle Nahrung der Gruppen waren nicht mehr und konnten auch nicht mehr die Gedichte von Maulana oder Bidel sein, sondern die Gedanken von den fundamentalistischen Vordenkern Sayyid Qutb (1906-1966) und Abu Ala Maududi (1903-1979). Die großzügigen finanziellen und militärischen Mittel, die die Kriegsparteien über Jahrzehnte erhielten, begünstigten und verfestigten die fundamentalistische Auffassung des Islam umso mehr. Fundamentalismus war schließlich der Marktrenner.
Trotz einer einigermaßen demokratisch gewählten und halbwegs funktionierenden Zentralregierung herrscht weiterhin der Kriegszustand in Afghanistan und in den Köpfen einiger religiöser Akteure. Viele Menschen, insbesondere viele junge Männer und Frauen in den Großstädten, wollen dennoch zu einem normalen Leben zurückfinden. Geschäfte, wissenschaftliche Tätigkeiten, künstlerische Aktivitäten und literarisches Schaffen kehren in den Lebensalltag zurück und damit auch eine Kultur der Vielfalt. Wenn man einen Augenblick die kriegerischen Momente, die ebenfalls zum Alltag der Menschen gehören, ausblendet, spürt man in Kabul, in Herat, in Kandahar und in Mazar einen Hauch, einen sehr dünnen Hauch vom Bagdad des 10. Jahrhunderts voller Tüchtigkeit und Pluralität.

Die Ethnien in Afghanistan

Iranische Völker
Über 85 % der Menschen sprechen eine iranische Sprache als Muttersprache und gehören somit einem iranischer Volksgruppen an.

Die größte und einflussreichste Ethnie in Afghanistan sind die Paschtunen, nach denen Afghanistan auch benannt ist. Seit der Abspaltung Afghanistans vom Iran im 18. Jahrhundert prägen die Paschtunen das Land. Historisch waren sie Nomaden, heute sind jedoch die meisten Paschtunen sesshaft, sind aber in viele Stämmen eingeteilt, die bekanntesten sind die Durrani und die Ghilzai, die vor allem im Osten des Landes leben. Auch ein Großteil der Taliban-Bewegung war bzw. ist paschtunisch, weshalb sie in der Region ein schlechtes Bild haben. Deren Sprache, das Paschtu, ist jedoch nicht die häufigste Muttersprache, da mehrere Volksgruppen Persisch sprechen, dazu gehören die Tadschiken, Hazara, Aimaken und Perser.

Tadschiken und Perser machen mit etwa 27 % die zweitgrößte ethnische Gruppe aus, sprechen Persisch und sind genau wie die Paschtunen in der Regel sunnitisch, was sie von den Hazara und den iranischen Persern unterscheidet, es gibt jedoch im Norden und Westen einige schiitische Tadschiken. Der Begriff „Tadschike“ ist in Afghanistan nicht genau definiert, häufig werden alle Sunniten, die Persisch sprechen, als Tadschiken bezeichnet. Die Tadschiken machen die Mehrheit der Stadtbevölkerung aus und beherrschen die Basare. Sie teilen sich in viele Stämmen auf.

Die Hazara sprechen den persischen Dialekt Hazaragi und sind schiitisch. Sie haben eine mongolische Abstammung, man geht davon aus, dass sich mongolische Soldaten nach der Expansion im 13 Jh. in der Region niedergelassen haben und mit der schiitischen, persischen Bevölkerung vermischt haben. Aufgrund der ethnischen Herkunft, Sprache und des schiitischen Glaubens sind sie immer wieder Opfer von Diskriminierung und Gewalt, insbesondere von paschtunischer Seite. Im Bürgerkrieg wurden einige Hazara gezielt von sunnitischen Islamisten getötet. Viele Hazara sind ins Ausland geflüchtet, vor allem in den Iran, nach Pakistan und Europa. In den Zielländern werden sie ebenfalls häufig diskriminiert.

Die Aimaken stellen ebenfalls eine bedeutende persischsprachige Minderheit dar, sind sunnitisch und bezeichnen sich häufig auch als Tadschiken oder Perser. Sie sind ebenfalls in zahlreiche Stämmen aufgeteilt, die im Westen und Zentrum des Landes leben.

Die Belutschen leben im Süden des Landes, sprechen Belutschisch und sind sunnitisch. Viele sehnen sich nach einem belutschischen Nationalstaat mit den Belutschen in Pakistan und im Iran.

Weitere iranische Volksgruppen in Afghanistan sind die Kurden, die etwa 0,6 % der Bevölkerung ausmachen, sowie zahlreiche ostiranische Volksgruppen im Pamirgebirge wie die Wakhi, Sanglechi, Shughni, Ishkamini, Munji oder Tangshewi. Deren Zahlen sind rückläufig, da zu wenig getan wird, um die Sprachen und Kulturen dieser Völker zu erhalten. Einige Sprachen sind gefährdet, da die Menschen persisch oder paschtu annehmen und an ihre Nachkommen weitergeben. Mit dem Aussterben der Sprache ist in der Regel auch die Grundlage der ethnischen Kultur dieser Völker in großer Gefahr.

Die Turkvölker

Die Usbeken sind mit rund 9 % die größte turksprachige Ethnie Afghanistans und leben vor allem im Norden nahe Usbekistan. Afghanistan hat die größte usbekische Bevölkerung nach Usbekistan. Sie sind sunnitisch und in Konflikten mit den Tadschiken verbündet.

Die Turkmenen leben entlang der 
turkmenischen Grenze im Norden des Landes und machen zwischen 3 und 5 % der Bevölkerung aus. Sie sind sunnitisch. Einige Turkmenen, Usbeken, Kirgisen und Tadschiken sind in den 1920er Jahren wegen der stalinistischen Politik und der daraus folgenden Hungersnöte wegen der Zwangskollektivierung nach Afghanistan geflohen. Viele leben direkt an der Grenze zu Turkmenistan und wünschen sich einen Anschluss an Turkmenistan.

In der Provinz Wakhan leben einige 
kirgisische Nomaden, die faktisch von der Außenwelt isoliert sind. Sie sind teilweise ebenfalls Flüchtlinge des Kommunismus nach der russischen Revolution.

Auch gibt es noch zahlreiche weitere kleine turksprachige Gruppen wie die Qizilbasch, Kasachen, Türken oder Afscharen, die nur eine geringe Zahl ausmachen. Sie leben teilweise nomadisch.

Die Sadat werden in Afghanistan als ethnische Gruppe anerkannt.
Die mehrheitlich in Balch und Kundus im Norden und in Nangarhar im Osten lebenden Sayyiden sind sunnitische Muslime, aber es gibt auch einige, darunter in der Provinz Bamiyan, die dem schiitischen Islam angehören. Diese werden oft als Sadat bezeichnet, ein Wort, das traditionell „im nördlichen Hedschas -Gebiet und in Britisch-Indien gleichermaßen auf die Nachfahren von Hasan und Hussein, Söhnen von Ali und Enkeln von Mohammed, angewendet wurde“.

Die dravidischen Brahui machen 0,8 % der Bevölkerung aus und leben vor allem im Süden mit den Belutschen zusammen.

Die Nuristani leben nordwestlich von Kabul. Deren Sprachen: Kati und Ashkun sind zwar indoiranisch, aber weder iranisch noch indoarisch. Es wird behauptet sie seien die direkten Nachfahren der Griechen, die sich während des Indienfeldzugs Alexander des Großen in Nuristan niedergelassen haben. Diese These wird jedoch von verschiedenen Experten angezweifelt. Da sie lange Zeit nicht muslimisch waren, wurden sie früher als Kafiren bezeichnet.

Auch leben in Afghanistan noch zahlreiche kleine indoarische Völker, die zusammen etwa 1,5 % ausmachen. Die Paschai sind die größte Ethnie, weitere sind die: Punjabi, Sindhi, Kohistani, Gujjar und Roma. Die Indoarier, die nicht in den letzten Jahrhunderten eingewandert sind, sprechen dardische Sprachen. Die meisten Indoarier in Afghanistan sind sunnitisch, wobei es auch einige Sikhs und Hindus gibt. Urdu gilt als Lingua Franca der indischen Völker in Afghanistan.

Durch die teilweise verfeindeten Ethnien und Stämme existiert in weiten Teilen der afghanischen Bevölkerung kein Nationalgefühl. Viele Bewohner Afghanistans fühlen sich unterdrückt und möchten nicht als „Afghanen“ bezeichnet werden. Eskaliert ist die Situation, als es elektrische Personalausweise mit dem Eintrag „Nationalität: Afghane“ geben sollte. Ethnische Konflikte spielen eine wichtige Rolle im Bürgerkrieg. Durch die Spaltung des Landes und Sprachprobleme ist eine politische Entwicklung kaum möglich. Daher ist auch ein gemeinsamer Kampf gegen die Taliban schwer möglich.

Viele Volksgruppen, vor allem Hazara und Tadschiken, fühlen sich gegenüber den Paschtunen benachteiligt. Paschtunische Nationalisten versuchen, einen paschtunischen Nationalstaat auf Kosten der Minderheiten aufzubauen Ethnischer Separatismus ist entstanden. Viele Turkmenen möchten ihre Siedlungsgebiete an Turkmenistan anschließen,
Usbeken an Usbekistan. Die Hazara streben nach einem unabhängigen Hazaristan.

Fazit

Afghanistan ist entgegen der herrschenden Auffassung kein stammesorientierter Staat. Vielmehr ist der „Stamm“ nur die „politische Einheit“ eines Teils von Afghanistan und bezieht sich auf die Paschtunen. Nations- und Staatsbildung sind in den vergangenen 100 Jahren in einer Wechselbeziehung zwischen der Zentralregierung und Stämmen aus zwei wesentlichen Gründen misslungen:

a) Der Widerstand der Stämme gegenüber dem „modernen Staat“.
b) Die „ineffiziente“ Politik der Zentralregierungen gegenüber den Stämmen und die mangelnde Verbreitung des Verwaltungsapparates in den Stämmen und ländlichen Regionen.

Um die Nations- und Staatsbildung in Afghanistan zu verwirklichen, müssen alle „politischen Einheiten“ berücksichtigt und in einem weiteren Schritt die Art ihrer Beziehung zut Zentralregierung definiert werden. In der gegenwärtigen Phase, nach 2001, sind im Prozess der Nations- und Staatsbildung zwar auch andere politische Gruppierungen auf die Bühne getreten, die zu verschiedenen Ethnien gehören, d.h aber nicht das sie auch die Interessen ihrer Ethnie vertreten, da sie nicht demokratisch gewählt worden sind. Beispielsweise bedeutet die Präsenz von nicht-paschtunischen Stammesfürsten nicht zwangsläufig, dass sie ihren eigenen Stamm vertreten. Es muss deshalb in Kabul eine politische Struktur entstehen, an der sich in natürlicher Form verschiedene politische Einheiten beteiligen können.

In der jetzigen Situation ist die Macht in Form von „Kontingentierung“ unter bestimmte Personen verteilt worden, und zwar unter der Annahme, dass die jeweiligen Personen einen Stamm repräsentieren. Das führt zur Unterdrückung der politischen Dynamik in den Ethnien und dazu, dass politische Akteure einer Ethnie gezwungen sind, zur Teilnahme an politischen Entscheidungen den Führer des jeweiligen Stammes als Brücke zu nutzen. So muss z. B. eine neu unter den Uzbeken entstandene politische Einheit zu ihrer Bestand- und Beteiligungssicherung auf der politischen Landschaft von General Dostum genehmigt werden. Dostum ist seit den Neunziger Jahren der Anführer der usbekischen Miliz. Nach dem Sturz der Taliban 2001 hat er an Macht gewonnen und ist der Anführer aller Usbeken. Daher muss jeder Usbeke, der sich politisch engagieren will, die Linie Dostums einhalten.

Weiter lässt sich feststellen, dass ein moderner Staat auch moderne Strukturen verlangt. Die Loya Jirga stellt ein Parallelorgan zu anderen Institutionen wie Parlament und Senat dar und verringert deren Einfluss. Darüber hinaus verstärkt sie die Legitimation von Anführern in Stämmen und ländlichen Regionen. Dies wiederum bewirkt eine Stärkung der traditionellen Institutionen und Schwächung des staatlichen Verwaltungsapparates in diesen Regionen. Moderne Institutionen müssen in den zentralen Blickwinkel der Regierung rücken, damit durch ihre Stärkung die politische Struktur rational und effizient gestaltet werden kann.

Quellen
–  Conrad Schetter, Ethnicity and the Politics Reconstruction in Afghanistan. Bonn: Center for Development Studies (ZEF), Universität Bonn.

– Dr. Abbas Poya, Freiburg Institute for Advanced Studies (FRIAS), School of History.

– Dr. Najibullah, Retrieved June 28, 2012, from Afghanistan’s Information Network

– Mohammad Hossein Allafi:Islamistischer Wirrwarr kontra Demokratie?  2014


– Thomas Bauer, Die Kultur der Ambiguität. Eine andere Geschichte des Islams, Berlin 2011

– Thomas Barfield, Afghanistan; A Cultural and Political History. Princeton and Oxford: Princeton University / WordPress

Zur Stellung der Frau im Islam

Photo by: My stealthy freedom

Zur Stellung der Frau im Islam ( kleiner Auszug)

Um es gleich vorweg zu nehmen, ich verurteile KEINE Religion, denn auch Frauenrechte waren in der christlichen Gesellschaft und westlichen Ländern auch lange nicht da, wo sie heute sind.
Nur, leben wir im 21. Jahrhundert und man könnte sich schon mal so langsam von einem überalterten Weltbild befreien.

Photo by Iran Journal from the Facebook Page „Ex-Muslims of North America

In den islamischen Ländern beinhaltet das Familienrecht heute zahlreiche die Frauen diskriminierende Bestimmungen, da das Familienrecht auf einem hierarchischen Rollenverständnis von Mann und Frau basiert. Zwar wurden in den letzten Jahren in diversen muslimischen Ländern verschiedene Reformversuche unternommen. Doch diese wurden von konservativen Kräften oft als Angriff auf das islamische Recht und seine Werte zurückgewiesen, und so bleibt das Familienrecht bis heute Gegenstand kontroverser Debatten um kulturelle, rechtliche und religiöse Identität. Die Islamisierung in Afghanistan, Irak, Iran, Syrien oder Türkei, um nur einige der Länder zu nennen, erschwert eine Reform des Familienrechts und somit auch die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau zusätzlich.

Photo by Iran Journal from the Facebook Page „Ex-Muslims of North America

Familienrecht in islamischen Ländern

Die Ehe im Islam ist ein Vertrag zwischen Mann und Frau. Dieses Verständnis gilt eigentlich auf der ganzen Welt als Ehe; und eine Einwilligung von beiden Seiten ist grundsätzlich erforderlich.
Die Heiratsfähigkeit wird im klassisch-islamischen Recht mit der Pubertät erreicht. Allerdings gibt es verschiedene Ansichten darüber, wann dieses Alter erreicht ist. Das positive Recht kann ein höheres Alter vorsehen. Die Altersschranken vor allem für Mädchen bleiben in vielen islamischen Staaten jedoch tief und geht mitunter auf ein Alter von 10 Jahren der Mädchen aus. Auch wenn das positive Recht ein höheres Heiratsalter vorsieht, bleibt eine Ehe, die bereits zuvor nach islamischem Recht geschlossen wurde, oftmals gültig. Somit bleiben Kinderehen weiterhin möglich. Arrangierte Ehen sind in den Städten und gut florierenden Provinzen der Länder in dem der Islamische Glaube vorherrschend ist, seltener geworden, in ländlichen Gebieten jedoch immer noch oft praktiziert.
In Artikel 16 Absatz 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte steht: Die Ehe darf nur auf Grund der freien und vollen Willenserklärung der zukünftigen Ehegatten geschlossen werden. Zwangsverheiratung ist und bleibt eine Form von Gewalt im Namen der Ehe.
Um es gleich vorweg zu nehmen, Zwangsehen gibt es NICHT nur in de Islamischen Welt. Darauf habe ich in anderen Text auch schon öfter hingewiesen.

Das Familienrecht in islamischen Ländern stützt sich grundsätzlich auf drei Rechtsquellen; das positive Recht, das klassisch-islamische Recht und das Gewohnheitsrecht. Ähnlich anderen Rechtsbereichen wie das Strafrecht wurde das Familienrecht zwar in den letzten Jahren als positives Recht kodifiziert, enthält aber inhaltlich so viele Verweise auf das klassisch-islamische Recht wie kein anderer Rechtsbereich.
In den islamischen Ländern beinhaltet das Familienrecht noch heute zahlreiche diskriminierende Bestimmungen für Mädchen und Frauen, da das Familienrecht auf einem hierarchischen Rollenverständnis von Mann und Frau basiert.

Masih Alinejad, eine der bekanntesten Kämpferinnen für die Frauenrechte im Iran. Photo from Facebook Page

Polygamie in der Religion

Nächstes ist die Polygamie in der Religion des Islams. Ein Mann hat nach dem Koran das Recht, vier Frauen zu heiraten, wenn er fähig ist, sie gleich zu behandeln. Im Zuge der Reformierungsbemühungen haben Ägypten, im Jahr 2000, und Marokko, 2004, Einschränkungen im Familienrecht eingefügt, die zum Beispiel die Einwilligung der ersten Frau verlangen. Ausserdem muss gerichtlich überprüft werden, ob ein Mann die ökonomischen Voraussetzungen erfüllt, um eine polygame Ehe einzugehen. Fraglich bleibt dabei oftmals, ob bei der Einwilligung der ersten Ehefrau eine tatsächliche Wahlmöglichkeit im Hinblick auf die Konsequenzen besteht oder bestanden hat. In der Türkei und in Tunesien ist die Polygamie gesetzlich verboten.
Die umstrittene und viel diskutierte Sure 4:34 des Korans sieht ein Züchtigungsrecht des Ehemannes vor, das er kraft seiner Autorität gegenüber seiner Ehefrau im Falle von Ungehorssam habe. Dies verstößt schon gegen Menschenrechtsverletzungen in den Artikel 1 bis 5 der AEMR ( Allgemeine Erklärung der Menschenrechte).
Entsprechend hat die Ehefrau dem Ehemann gegenüber die Pflicht zum Gehorsam, auch dies verstößt eindeutig gegen Menschenrechte.
Die „Pflichten“ beinhaltet die Führung des Haushalts, die Kindererziehung, aber auch das Ersuchen um Erlaubnis, falls sie arbeiten oder reisen möchte. Falls der Ehemann seinen Pflichten zum Unterhalt nicht nachkommt, kann die Frau ihm ihren Gehorsam verweigern. Dies gilt auch umgekehrt: Kommt die Frau ihren Pflichten nicht nach, ist der Ehemann nicht verpflichtet, für ihren Unterhalt zu sorgen. Auch hier finden wir weiter Verstöße gegen Artikel 18, 19, 22 und 23 der AEMR.
Artikel 6 der AMER ist auch ein oft kontrover geführter Grundsatz von Menschenrechtskonvention. Je nach Land bestehen für Frauen zudem eine Bekleidungsvorschriften oder gar Vorschriften zur Geschlechtersegregation etwa im Bildungsbereich. Teilweise werden Frauen vom öffentlichen Leben bzw. von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen. In Gerichtsverfahren, so etwa bei Zeugenaussagen oder der Bemessung einer Kompensationszahlung, hat eine Frau eine deutlich geringere Position als ein Mann. Oft wiegt ihre Aussage nur halb so viel wie die des Mannes.
Weitere Vorbehalte gegenüber der UN-Frauenrechtskonvention ist
das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau ist von fast allen Staaten weltweit ratifiziert worden. Die meisten islamischen Länder haben jedoch zahlreiche Vorbehalte angebracht bzw. den Vorrang des islamischen Rechts reklamiert, so etwa das Königreich Saudi Arabien wörtlich: «In case of contradiction between any term of the Convention and the norms of islamic law, the Kingdom is not under obligation to observe the contradictory terms of the Convention.» Auch wenn die Zulässigkeit solch genereller Vorbehalte höchst umstritten ist, zeigt sich damit klar der Unwille vieler muslimischen Staaten, den Frauen Rechte einzuräumen, die über das islamische Recht hinausgehen.

Vor der islamischen Revolution von 1979 gab es im Iran keinen staatlich verordneten Kleiderzwang. Photo by Iran Journal

Die Revolution der Frauen

Seit den 1980er Jahren hat sich neben der schon existierenden säkularen feministischen Bewegung in verschiedenen islamischen Ländern eine islamische Frauenrechtsbewegung entwickelt, die versucht, durch Neuinterpretation der religiösen Quellen für eine Gleichstellung von Mann und Frau im Islam zu argumentieren. Eine andere Argumentationsstrategie greift auf ein „goldenes Zeitalter“ im Islam zurück und möchte damit frauenfeindliche Interpretationen und Praktiken als unislamisch darstellen. Dazu gab es erst vom 25. November, der Tag gegen Gewalt an Frauen, bis zum 10. Dezember, dem Tag der Internationalen Menschenrechte, in Afghanistan sehr viele Kundgebungen und Veranstaltungen. Die „Orange Days“ fanden 2019 in 70 Länder der Welt statt. Die Hauptthemen der islamischen Feministinnen beziehen sich auf rechtliche Fragen wie die Gleichstellung der Ehepartner, Zwangsehe, Kinderehe, Scheidung bzw. Verstossung, die männliche Vormundschaft einer Frau und das Sorgerecht, sowie auf Kleidervorschriften der Frau Kopftuch Hijab bzw. Gesichtsschleier Niqab. Auf Fragen zur Sexualität der Frau und insbesondere sexuellen Gehorsam, Gewalt gegen Frauen, wie das Züchtigungsrecht oder die Einbindung von Frauen in religiösen Berufen und in der Moschee, Frau als Vorbeterin, etc.

Im Iran ist es Frauen gesetzlich vorgeschrieben, aufgrund des religiösen Glaubens einen Hidschab zu tragen. Trotzdem begannen Frauen damit, sich dem zu widersetzen. Photo by Iran Journal

Der islamische Feminismus stösst wie der säkulare Feminismus in der islamischen Welt zwar manchmal auf Zustimmung, aber auch vielfach auf Ablehnung. Gerade muslimische Traditionalisten und islamische Fundamentalisten lehnen die Neuinterpretation der religiösen Quellen ab. Unter Umständen werden Vorwürfe wie Verwestlichung und Häresie, also eine verdammende Meinung, gegen islamische Feministinnen angeführt.

Naike Juchem, 28 Dezember 2019

Quellen
– Prof. Dr. Susanne Schröter
– Iran Journal, Women’s rights in Islam
– UN- Frauenrechtskonvention CEDAW 
– Laurel Zwissler, Feminism and Religion: Intersections between Western Activism, Theology and Theory. First published: 16 August 2012
– Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM)

Weiterführender Link

https://www.google.com/url?sa=t&source=web&cd=&ved=2ahUKEwiwoJimqKb6AhWoSvEDHSCbBs0QFnoECAYQAQ&url=https%3A%2F%2Fwww.igfm.de%2Ffrauen-im-iran%2F&usg=AOvVaw3s1tMyAEkRc3ROZz3zia8f

Auch ist die Seite My Stealthy Freedom zu empfehlen.

Eine Rose für all die Todesopfer

Ground Zero in New York

Meine Gedanken zum 11. September 2001 und was dieser Tag brachte.

Dieser Tag bleibt vielen Menschen in Erinnerung, da dieser Tag einer der schwärzesten Tage in unserer Geschichte der Neuzeit ist.
Viele Menschen sind gestorben und noch mal so viele haben ihre Angehörigen in wenigen Stunden verloren.
Es gab Telefonate aus einem Flugzeug, die schilderten, dass sie entführt werden.
Es gab Telefonate aus Büros, die die verzweifelte Lage schilderten.
Es gab Filme, die man einem Hollywood Film zuordnen könnte – aber nicht der Realität, als um 8.46 Uhr in New York City, an der Südwestspitze des Bezirks 
Downtown Manhattan, ein Flugzeug in den Nordturm (WTC 1) einschlug.
Etwa 1.300 Menschen in den Stockwerken oberhalb der Einschlagstelle war es unmöglich, zu fliehen. Das Flugzeug hatte alle Treppenhäuser und Aufzugsschächte im Nordturm durchtrennt. Schon wenige Minuten nach dem Crash stürzen sich erste Personen aus Verzweiflung in die Tiefe.
Um 9.03 Uhr flog das zweite Flugzeug im den Südturm des World Trade Center (WTC 2) und 56 Minuten stürzten Tausende Tonnen Stahl und Beton in nur 10 Sekunden ein. Zahlreiche Feuerwehrleute befanden sich zu diesem Zeitpunkt in den Treppenhäusern auf dem Weg nach oben. Über 600 Menschen im und um dieses Gebäude kamen beim diesem Einsturz ums Leben.
Am Ende haben fast 3.000 Menschen ihr Leben verloren; wofür?

Wem hat dieser Sinnlose Terroranschlag etwas genützt? Dem Islam? Einigen Verrückten, die im Namen von Allah die Ungläubigen dieser Welt bestraften wollten? Einem Land das die „Achse des Bösen“ suchte?

Was bleibt nach 9/11 ?

Schutt, Asche, Tod, Trauer und Wut – und diese nicht nur in den USA.
Die USA erklärten ihrem ehemaligen Agenten, Osama bin Laden, den Krieg.
Einen Krieg, der noch viel mehr Leid, Tod und Trauer brachte.
Die USA haben in Afghanistan als Vergeltung das hundertfache an Leid, Not, Zerstörung, Armut und Flucht gebracht, als ein Tag in New York.
7. 300 Tage habe die Menschen in Afghanistan diese Vergeltung gespürt und erleben immer noch Leid, Kummer Not und Tod.

Es gibt in Afghanistan kaum eine Familie die durch diesen Terroranschlag und die folgende Intervention der USA und ihre Alliierten Truppen keinen Vater, Mutter, Onkel, Tante oder Kind verloren haben.
Niemand spricht für diese Menschen. Niemand leutet eine Glocke. Niemand legt Rosen auf ein Grab.

Die Folgen der Intervention der USA nach dem 11. September 2001 für Afghanistan.

Bisher kamen rund 3.600 Koalitionssoldaten ums Leben, darunter 59 Soldaten der Bundeswehr und drei deutsche Polizisten. Die Vereinigten Staaten als größte Truppensteller haben mit etwa 68 Prozent der insgesamt getöteten Soldaten der Koalition die höchsten Verluste zu verzeichnen. Die Anzahl gestorbener afghanischer Soldaten und Aufständischer ist unbekannt. Offizielle Angaben zu zivilen Opfern liegen nur unvollständig vor, Schätzungen sind sehr unterschiedlich:

Professor Marc Herold, von der University of New Hampshire, schätzte im Oktober 2003, dass 3.100 bis 3.600 Zivilisten bei US-Bombardierungen und Special forces attacks ums Leben kamen.

Ende Juli 2008 haben afghanische und internationale Hilfsorganisationen erklärt, dass bis zu diesem Zeitpunkt im Jahr 2008 bereits 2.500 Menschen ums Leben gekommen seien, darunter 1.000 Zivilisten, und dass für zwei Drittel der Opfer Terrorgruppen verantwortlich waren.

Im Juli 2010 veröffentlichten  „Afghan War Diary“ eine Liste von 2004 bis 2009, nach der es 24.155 Tote im Zusammenhang mit dem Krieg und Terror gab.

Im Jahr 2010 wurden laut einem von den Vereinten Nationen und der 
Afghanischen Menschenrechtskommission (AIHRC) herausgegebenen Jahresbericht 2.777 afghanische Zivilisten getötet.

Seit 2003 führten die Taliban Krieg gegen Afghanistan sowie gegen die ISAF Truppen. Dabei richteten sich ungefähr 50 Anschlägen pro Tag gezielt gegen die afghanische Zivilbevölkerung.

Im Jahr 2009 war die Taliban nach Angaben der Vereinten Nationen für über 76 Prozent der Opfer der afghanischen Zivilisten verantwortlich. Die AIHRC nannte die gezielten Anschläge der Taliban gegen die Zivilbevölkerung ein „Kriegsverbrechen“. Religiöse Führer verurteilten die Anschläge der Taliban als Verstoß gegen die islamische Ethik.

Im Jahr 2011 berechnete die 
Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA), 3.021 zivile Opfer. 77 Prozent waren Opfer von dem Terror der Taliban. 14 Prozent starben bei Operationen der NATO und der afghanischen Armee. Bei 8 Prozent war keine Zuordnung möglich. 967 Zivilisten kamen durch Sprengfallen (IED’s) von Terrorgruppen ums Leben, 450 bei Selbstmordanschlägen, 187 bei Luftangriffen und 63 bei nächtlichen Angriffen. Seitdem haben sich die Opferzahlen merklich erhöht.

– im Jahr 2009 starben 5.969 Menschen
– im Jahr 2010 kamen 7.162 Menschen ums Leben.
–  2011 lag die Zahl bei 7.842 Todesopfer.
–  2012: 7.590
–  2013: 8.638
–  2014: 10.535
–  2015: 11.034
–  2016 gibt die UNAMA die Zahl der zivilen Opfer mit 11.418 an (3.498 Todesopfer, 7.920 Verletzte)
– 2017 starben 3.442 Menschen und 7.019 wurden verletzt
– 2018 haben 3.803 Menschen ihr Leben verloren
– 2019 gab es 3.409 Todesopfer
– 2020 waren es 3.035 Tote und 5.785 Verletzte
– in den vergangenen 8 Monate haben bereits 1.659 Menschen ihr Leben verloren  – Tendenz steigend.

Bei den US-Streitkräften, dem mit Abstand größten Truppensteller in Afghanistan, gab es bis einschließlich September 2012 eine Verwundetenzahl von 17.674 Soldaten. Davon waren 12.309 Verwundete Angehörige der US Army, 4.630 Angehörige der Marines, 396 solche der Air Force und 339 solche der Navy.

2010 haben 711 Soldatinnen und Soldaten ihr Leben verloren.
2013 waren es 161 Todesopfer und 2014 noch 66.

Nach einem Quartalsbericht des Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) der US-Regierung für den US-Kongress sind im Krieg in Afghanistan allein von Januar bis zum 28. August 2016 insgesamt 5.523 afghanische Soldaten getötet und 9.665 Soldaten verwundet worden. Zudem kontrollierte der Staat nur 258 von 407 Bezirken. 33  Provinzen waren zu dieser Zeit unter der  Kontrolle oder Einfluss der Taliban.

In Pakistan verloren in diesen Krieg und Terror bis Ende 2020 insgesamt 70.000 Staatsangehörige ihr Leben.
Die pakistanischen Stammesgebiete, die an Afghanistan grenzen, wurden nach  Aussagen des pakistanischen Premiers Imran Khan, verwüstet und die Hälfte der Menschen in diesen Gebieten, etwa 1,5 Millionen Pakistani, sind auf der Flucht.

Mittlerweile gibt es in Afghanistan eineinhalb Millionen Menschen Binnenflüchtlinge. Sie versuchen dem Terror, Hunger und Bomben zu entkommen. Es gibt kein Ort, der sicher ist. Durch viele Überschwemmungen und Hitzewellen haben zweieinhalb Millionen Menschen ihre Existenz verloren. Dreiviertel der Kinder bis 12 Jahre haben Mangelernährung. 46 Prozent der Erwachsene leiden unter den Folgen von Unterernährung. Das Gesundheitssystem steht vor dem Kollaps und der alltägliche Terror durch Al-Qaida, IS oder Taliban haben viele Gesundheits Centren zerstört.
Arbeit gibt es seit Jahren kaum noch. Tagelöhner versuchen irgendwie ihre Familien zu ernähren. Kinder müssen für ein paar Afghanis arbeiten, damit die Familie Mehl und Öl kaufen kann.

All diese Folgen haben Menschen in  Zentalasien ein paar dumme Menschen zu verdanken, die ihren Dschihad gegen die westliche Welt führen zu wollen. Die Verlieren sind die Menschen in der muslimischen Welt.

Quellen
– Afghanischen Menschenrechtskommission (AIHRC)
– Professor Marc Herold, von der University of New Hampshire, USA
– Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR)
– UNAMA

Titelfoto: CNN

Foto: privat

Menschenrechte sind nicht automatisch Menschenrechte

Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.

So steht es im 1. Artikel der AEMR (Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte)


Am 10. Dezember vor 72 Jahren wurde dieser entscheidende und wichtigste Artikel in der Charta der UN (Vereinte Nationen) als Resolution der Generalversammlung im Palais de Chaillot in Paris verabschiedet und festgelegt.

Vor 72 Jahre wurde die Menschenrechtscharta verabschiedet und seit 2011 haben die Vereinten Nationen 193 Mitgliedersstaaten. Man sollte davon ausgehen, dass jeder dieser Staaten jene Charta schon einmal gelesen hat und auch bestrebt ist, diese einzuhalten. Leider ist dies bis heute nicht der Fall. Ob nun von staatlicher oder zivilen Seite aus, Hass, Verfolgungen und Mord gibt täglich gegen LSBTI’s.
Ob nun Afghanistan, Ägypten, Albanien, Angola, Bahrain, Belarus, Brasilien, China, Griechenland, Iran, Jemen, Liberia, Pakistan, Russland, Sudan oder Türkei, um nur mal einige Staaten zu nennen, wo Menschenrechte nicht all zu sehr genau gesehen werden.
Verfolgungen von Minderheiten – ob ethische oder sexuelle sind an der Tagesordnung. Diese reichen von Diskriminierung über Verurteilung bis hin zu Hinrichtungen.

Die EU hat ihr menschenrechtliches Fundament nach und nach verscherbelt

Am 18. März 2020 jährte sich das Inkrafttreten des EU-Türkei-Abkommens zum vierten Mal. Seit sechs Jahren sorgt die EU dafür, dass tausende Menschen, die über die Türkei auf den griechischen Inseln ankommen, unter dramatischen Bedingungen in vollkommen überfüllten Flüchtlingslagern leben müssen. Seit dieser Zeit wird der Zugang zu rechtsstaatlichen Asylverfahren für die Ankommenden erschwert. Seit sechs Jahren warnen Menschenrechtsaktivist*innen vor einer Verschlimmerung der Lage in den Flüchtlingeslager und seit sechs Jahren verschlimmert sich diese täglich. Der Preis dafür, dass die Türkei einen Großteil der Flüchtlinge jahrelang von der Weiterreise nach Europa abgehalten hat, ist nicht nur ein finanzieller. Eine unausgesprochene Prämisse des EU-Türkei-Deals war von Anfang an, die mit der Schließung von Grenzen einhergehenden Menschenrechtsverletzungen gegen Geflüchtete an die Türkei zu delegieren. Nichts anderes hat die EU zuvor schon mit einigen afrikanischen Ländern gemacht, die zum Beispiel über die Zahlung von Entwicklungshilfegeldern zur Kooperation beim »Migrationsmanagement«, also bei der Verhinderung von Flucht und Migration nach Europa, gebracht wurden. Gerade nordafrikanische Länder wie Ägypten oder Libyen, von wo aus vor allem Geflüchtete aus Afrika die Überfahrt nach Europa wagen oder wagten, profitieren von Zahlungen aus Europa. Obwohl in diesen Ländern nachweislich gefoltert wird, investiert die EU in die dortigen Sicherheitsapparate, wenn dafür Flüchtlinge und Migrant*innen von der Überfahrt abgehalten werden. Diese Menschenrechtsverletzungen sahen und sehen wir immer wieder in den Medien und es wird von staatlichen Seiten nichts dagegen unternommen. Artikel 1 der AEMR wird selbst von dem höchsten Parlament in Europa nicht beachtet.

Nun ein paar Worte von Soussan Sarkosh aus dem iz3w (Informationenszentrum 3. Welt) der UN von Mai/ Juni 2020 Ausgabe 378.

„Nach der Islamischen Revolution 1979 wurde vieles verboten: Musizieren, Gesang der Frauen, Tanzen, Feste mit beiden Geschlechtern, der Konsum von Alkohol und vieles mehr. In all den Jahren seither kam es oft vor, dass die Sittenpolizei eine Wohnung stürmte, in der gefeiert wurde, egal ob es ein Kindergeburtstag war oder eine sonstige Familienfeier. Wehe, wenn Jugendliche feierten, sie wurden verhaftet und erst nach Peitschenhieben oder Geldstrafe freigelassen. Wobei nach den eigenen Bekundungen des Regimes die private Sphäre (Harim) im Islam heilig sein soll. Das öffentliche Leben ist stark eingeschränkt, Literatur, Film und Kunst unterliegen der Zensur, Zeitungen werden geschlossen. Wenn wir heute dennoch im Radio und Fernsehen Musik hören können und trotz großer Ein-schränkungen sogar Konzerte veranstaltet werden, wenn Frauen heute Sport treiben können und zu internationalen Wettkämpfen gehen, wenn Frauen farbig gekleidet und nur mit einem leichten Kopftuch bedeckt in den Straßen promenieren, verdanken wir all das dem kulturellen Kampf von mehreren Generationen junger Menschen. Viele von ihnen haben teuer dafür bezahlt: Mit Gefängnis, mit Verlust des Studien- oder Arbeitsplatzes, mit erzwungener Flucht aus dem Land – und nicht wenige sogar mit dem Leben. Macht das alles eine*n nicht wütend?“

Amsterdam Rainbow Dress Foto: Pinterest

Dies sind zwei Beispiele von „Nur“ Menschenrechtsverletzungen innerhalb der UN. Dieses Thema könnte ich auf alle 193 Mitgliedersstaaten ausweiten. Nun möchte ich aber zu dem eigentlichen Punkt kommen: die Verfolgungen von Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intergeschlechtliche Menschen – kurz LSBTI

Hasskriminalität

Um erstmal eine Einordnung zu diesem Thema zu schaffen, fange ich mit der Hasskriminalität an.
Die Hasskriminalität ist ein Oberbegriff für politisch motivierte Straftaten und umfasst Straftaten, die ebenso in der Allgemeinkriminalität begangen werden können, jedoch ideologisch motiviert sind. Das heißt, dass im Gegensatz zur Allgemeinkriminalität politisch motivierte Straftaten vor allem die demokratischen Grundwerte unseres Gemeinwesens und die Achtung der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte bedrohen.

Das Opfer wird dabei stellvertretend für eine zugeschriebene Gruppe angegriffen, d.h. die Tat gilt eigentlich der ganzen Gruppe. Werden diese Taten öffentlich bekannt, schüchtert und verunsichert dies letztlich eine ganze Gruppe. Dazu zählen auch Taten, die nicht unmittelbar gegen eine Person, sondern im Zusammenhang gegen eine Institution oder Sache verübt werden, z.B. Vandalismus und Sachbeschädigungen an einem Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen.

Erschreckende Zahlen an Übergriffe an LSBTI’s in Deutschland

Laut Bundesinnenministerium wurden für 2020 insgesamt 204 Straftaten dem zum 1. Januar 2020 neu eingerichteten Themenfeld „Geschlecht/Sexuelle Identität“ zugeordnet. Damit sind transphob motivierte Taten gemeint. Bei den dort registrierten 40 Gewaltdelikten handelte es sich in 35 Fällen um Körperverletzungen. Im Unterthemenfeld „Sexuelle Orientierung“ wurden insgesamt 578 Straftaten, davon 114 Gewaltdelikte, mit 109 Körperverletzungen registriert. Diese Taten gelten als homophob motiviert. 

Insgesamt wurden folglich 782 Straftaten von Hasskriminalität gegen LSBTI registriert, darunter 154 Gewalttaten (144 Körperverletzungen). Das ist ein Anstieg von 36% gegenüber 2019. Drei schwulenfeindlich motivierte Morde sind nicht in die Statistik eingegangen.

Laut der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine schriftliche Frage der Abgeordneten Ulle Schauws (Bündnis 90/ Die Grünen) wurden 2021 dem Unterthemenfeld „sexuelle Orientierung“ insgesamt 870 Fälle zugeordnet, davon 164 Gewaltdelikte.

Dem Unterthemenfeld „Geschlecht/sexuelle Identität“ 340 Fälle, davon 57 Gewalttaten. Aufgrund von Mehrfachnennungen können diese Zahlen nicht einfach addiert werden. So ergeben sich insgesamt 1.051 Straftaten im Bereich der Politisch-Motivierten Kriminalität Unterthemenfeld „Geschlecht/Sexuelle Identität“ UND/ODER „Sexuelle Orientierung“ registriert, davon sind 190 Gewalttaten.

In diesem Jahr gab es allein in Münster, Augsburg und Bremen drei brutale Übergriffe auf LSBTI’s. In Münster endet ein solcher Angriff auf einen Transmann tödlich. Malte C. hatte sich am Rande des CSD in Münster schützend vor eine Gruppe lesbischer Frauen gestellt, die von einem Mann bedrängt und beleidigt wurden. Dieser schlug daraufhin auf ihn ein, Malte C. schlug auf den Asphalt und erlitt ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. Er starb nach sechs Tagen im Koma an seinen Verletzungen.

Nun ein Artikel vom Auswärtigen Amt vom 18. September 22 aus Buenos Aires

Dieses Kleid ist uns eine Nummer zu groß. Das liegt aber nicht an seinem Durchmesser von fast 16 Metern. Sondern: Das „Amsterdam Rainbow Dress“ steht für all die Länder, in denen LGBTQI+ mit Unterdrückung, Verhaftung, Folter und sogar der Todesstrafe rechnen müssen. Es besteht aus mehr als 70 Flaggen – symbolisch für die über 70 Länder, in denen es bis heute strafbar ist, LGBTQI+ zu sein. Das sind mehr als 70 Staaten, in denen eine freie Selbstentfaltung und geschlechtsunabhängige Liebe immer noch gesetzlich verboten sind.

Wir finden, das muss sich ändern. Passend dazu hat Deutschland gerade gemeinsam mit Mexiko den Co-Vorsitz der Equal Rights Coalition übernommen. Aus diesem Anlass „durften“ – wenn man das bei der Symbolik des Kleides überhaupt so sagen kann – unsere Kolleg*innen in Buenos Aires das Kleid vor Ort zeigen.

Wir hoffen, dass das Kleid möglichst bald noch viel bunter ist. Denn: Wenn die betreffenden Länder ihre diskriminierende LGBTQI+ – Gesetzgebung abschaffen, werden die Landesfahnen durch Regenbogenflaggen ersetzt.


Quelle:
– Auswärtiges Amt
– Bundesinnenministerium: Straf- und Gewalttaten im Bereich Hasskriminalität 2019 und 2020 (04.05.2021)
– Dr. phil. Ramona Lenz, medico international. 
– Dr. Soussan Sarkosh, Teheran
– Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) 

Landraub in Afghanistan

Foto: Facebook Group

„Stattdessen hätten in einigen Gebieten arme und landlose Menschen sowie die Angehörigen von Märtyrern Grundstücke erhalten, um darauf Häuser zu bauen.“
Soweit die Worte von dem Sprecher der Taliban, Zabihullah Mujahed.

In Anbetracht von einem Jahrzehnte herrschenden Krieg in Afghanistan wird die Landbevölkerung immer ärmer und da wundert es niemand, dass die Taliban in den letzten 20 Jahren nie vollends aus Afghanistan verschwunden waren.

Nun ein fachlicher Artikel von Afghanistan Analysts Network vom 15. April 2020, in dem deutlich wird, warum jegliche Bemühungen westlicher Staaten in Afghanistan gescheitert sind.

Ein Bericht von Fazl Rahman Muzhary
(aus dem englischen übersetzt und gekürzt.)

In dem Maße, in dem die Taliban ihre Kontrollgebiete im ganzen Land ausgeweitet haben, sind vereinzelte Berichte aufgetaucht, wonach Kommissionen und Kommandeure der Taliban in mehreren Provinzen staatliches Land verkauft haben. Ein genauerer Blick auf die drei bekanntesten Beispiele – Helmand, Uruzgan und Takhar – zeigt jedoch ein undurchsichtigeres Bild, als Medienberichte und Behauptungen von Regierungsvertretern vermuten lassen. Obwohl es klar ist, dass die Taliban an der „Landverwaltung“ beteiligt waren – einschließlich der Umverteilung, Verpachtung und Besteuerung von Land sowie der Errichtung neuer Basare und Gemeinden – gibt es keine eindeutigen Beweise dafür, dass sie systematisch staatliches Land verkauft haben. Das bedeutet nicht, dass ihre Interventionen nicht problematisch sind, nicht zuletzt wegen des Fehlens eines angemessenen Dokumentationssystems oder auch nur der Klarheit darüber, ob das Land verschenkt, verkauft, verpachtet oder vermietet wurde. Fazal Muzhary von AAN (mit Unterstützung von Christian Bleuer) stellt fest, dass die Taliban, sollten sie jemals Teil einer neuen Regierung werden, mit der Verwirrung und den Streitigkeiten, die sie derzeit säen, umgehen müssen.
Die Erbringung von Dienstleistungen in von Aufständischen heimgesuchten Gebieten wurde als gemeinsames Forschungsprojekt des Afghanistan Analysts Network (AAN) und des United States Institute of Peace (USIP) gestartet.

Staatliches Land, Verkauf und Verteilung

Landstreitigkeiten sind seit langem ein Auslöser für gewaltsame Konflikte in Afghanistan, wobei der Wettbewerb um Land in einer Zeit wachsender Bevölkerung und wirtschaftlicher Not noch zunimmt. Privates Landeigentum in Afghanistan ist ein komplexes rechtliches Problem, da Landeigentum sowohl auf staatlichen Gesetzen als auch auf informellen Systemen des lokalen Konsenses beruht, wobei beide Systeme Mängel aufweisen. Die formellen und informellen Systeme widersprechen sich manchmal und weisen ein und dasselbe Stück Land verschiedenen Eigentümern zu.
Das System, das staatliches Land regelt, ist noch komplexer, da diese Kategorie rechtlich nicht nur Land umfasst, das der Regierung gehört, sondern auch jedes Land, dessen privater Besitz nicht rechtlich nachgewiesen werden kann, was angesichts der Zahl der Menschen, die keine Eigentumsurkunden oder andere Dokumente besitzen, von Bedeutung ist. Nicht alle staatlichen Grundstücke kommen für den Verkauf oder die Verteilung an private Eigentümer in Frage; es gibt viele Unterkategorien, die nach dem Landmanagementgesetz (2008) nicht verkauft werden können. Dazu gehören Land, das in den letzten fünf Jahren als Acker- und Weideland genutzt wurde, Weiden, Wälder, Minen, historische Stätten oder jeder Landabschnitt, der vom Staat für einen öffentlichen Zweck benötigt wird, einschließlich Stadtentwicklungspläne.

Alle afghanischen Regierungen im Laufe der Geschichte – einschließlich der Taliban-Regierung von 1996-2001 – haben Land als Instrument eingesetzt, wobei es insbesondere in Zeiten von Krieg und Eroberung zu Beschlagnahmungen, Umverteilungen und Verkäufen kam. Politiker auf lokaler und nationaler Ebene haben staatseigenes Land verkauft und verteilt, um ihre Anhänger zu belohnen und zu stärken. In der modernen Geschichte Afghanistans war dieses Phänomen in den Jahrzehnten der Herrschaft von Amir Abdul Rahman (1880-1901) am stärksten ausgeprägt, als die Regierung in Kabul Land in Zentral- und Nordafghanistan beschlagnahmte und es an eine große Zahl paschtunischer Siedler aus anderen Teilen des Landes verschenkte oder verkaufte. Dieser Landtransfer setzte sich auf niedrigerem Niveau bis in die 1970er Jahre fort.

Der Sturz der Taliban im Jahr 2001 und die anschließende Umverteilung der Macht brachten eine neue Runde des Landraubs mit sich, als mächtige Politiker, Kommandeure und Einheimische im ganzen Land Land beschlagnahmten (oder zurücknahmen). Dazu gehörten auch neue Regierungsbeamte und andere einflussreiche Persönlichkeiten, die staatliches Land für ihren persönlichen Profit verkauften. Die afghanische Regierung reagierte im April 2002 mit dem Erlass 99 und ordnete einen landesweiten Verteilungsstopp für staatliches Land an, um, wie Conor Foley (2005) berichtet, „dem entgegenzuwirken, was als weit verbreitete Verteilung von öffentlichem Land an unverdiente Begünstigte auf lokaler, provinzieller und nationaler Ebene wahrgenommen wurde.“ Dennoch wurde die Verteilung von staatlichem Land an mächtige Militärkommandeure, politische Persönlichkeiten und bereits wohlhabende Einzelpersonen auch nach diesem Datum fortgesetzt.

Im Rahmen ihres Mandats zum Staatsaufbau erließ die afghanische Regierung nach 2001 mehrere neue Gesetze über Eigentum und Staatsland und übertrug die Zuständigkeit an verschiedene Regierungsstellen, Abteilungen und Kommissionen. Dieser Rahmen sah eine hyperzentralisierte Verteilung von Staatsland vor, bei der jeder einzelne Verkauf von Staatsland vom Präsidenten genehmigt werden muss. Andere an dem Verkauf beteiligte Stellen können lediglich Empfehlungen abgeben, die dann vom Präsidenten genehmigt werden müssen. Afghanistan verfügt zwar über einen rechtlichen Rahmen (mit detaillierten Leitlinien, Regeln und Normen), aber nicht über die institutionellen Kapazitäten für die konsequente Durchsetzung dieser Gesetze. Eine Untersuchung der UNAMA aus dem Jahr 2015 ergab, dass das afghanische System für die Verteilung von staatlichem Land unter dem „Fehlen einer übergreifenden Landverteilungspolitik und dem weitgehenden Fehlen eines integrierten, transparenten und rechenschaftspflichtigen Landverteilungssystems“ leidet.

Erschwerend kommt hinzu, dass der größte Teil der besten staatlichen Flächen bereits vergeben ist. Wie lokale Beamte gegenüber UNAMA erklärten: 

… Landraub ist weit verbreitet, und es gibt nur noch wenig bis gar kein staatliches Land mehr, das verteilt oder verkauft werden könnte, weil es von den Taliban oder mächtigen Einzelpersonen gestohlen und vom Staat noch nicht zurückerobert wurde. Weitere Nachforschungen ergaben, dass es sich bei den genannten Ländereien um begehrtes staatliches Land handelte, d. h. um Land, das für einen bestimmten Zweck genutzt werden konnte, z. B. für den Wohnungsbau in oder in der Nähe einer Gemeinde, für die Landwirtschaft oder für die gewerbliche Entwicklung, oder weil das Land wertvoll oder potenziell wertvoll war.

Die Möglichkeiten der Regierung, durch den Verkauf staatlicher Ländereien beträchtliche Einnahmen zu erzielen, scheinen nun relativ begrenzt zu sein, da es sich bei dem, was noch verkauft werden kann, in der Regel um Land handelt, das nicht attraktiv genug war, um bereits gestohlen oder verkauft zu werden. 

Berichte, dass die Taliban staatliches Land verkaufen (oder umverteilen)

Berichte, dass die Taliban in den von ihnen kontrollierten Gebieten staatliches Land verkaufen, erreichten den Autor erstmals 2013 bei mehreren Besuchen in Helmand. Im Jahr 2017 gab es Medienberichte, wonach die Taliban in der Provinz Uruzgan staatliches Land verkauft und in der Provinz Takhar im Norden sogar eine ganze neue Stadt eingeweiht hatten. Aufgrund dieser Berichte beschloss der Autor, das Thema näher zu beleuchten. In den drei untersuchten Provinzen Helmand, Uruzgan und Takhar wurde zwar die Umverteilung von staatlichem Land durch die Taliban bestätigt, doch ist das Bild in Bezug auf den Verkauf von staatlichem Land weniger klar. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts konnte der Verfasser keine weiteren Fälle finden, in denen die Taliban staatliches Land verkauft oder umverteilt haben. Es muss eingeräumt werden, dass es schwierig ist, mit den Bewohnern der von den Taliban kontrollierten Gebiete zu sprechen, da die Mobilfunkunternehmen in diesen Gebieten nicht oder nur sporadisch tätig sind. Anwohner in den von der Regierung kontrollierten Gebieten konnten die erforderlichen Angaben nicht machen.

Der Sprecher der Taliban, Zabihullah Mujahed, wies den Gedanken an Landverkäufe in einem Whatsapp-Interview entschieden zurück und erklärte gegenüber AAN, dass dies nicht die Politik der Taliban während des Krieges sei. Stattdessen hätten in einigen Gebieten arme und landlose Menschen sowie die Angehörigen von Märtyrern Grundstücke erhalten, um darauf Häuser zu bauen. Er sagte, dass diese Art der Verteilung in „toten Wüsten“, d.h. auf unkultivierbarem Land oder auf Land, das noch nie kultiviert wurde, stattgefunden habe, dass aber angesichts des Krieges und der Unbeständigkeit der Situation kein Plan für eine breitere Verteilung existiere. Mujahid machte keine Angaben darüber, wie viel Land an Landlose oder Arme verteilt wurde und in welchen Provinzen dies geschehen ist. Er räumte jedoch ein, dass in einigen Fällen Land für Geschäfte verteilt worden sei, wie dies in Takhar der Fall gewesen sei.

In Helmand gaben die Anwohner widersprüchliche Berichte ab. Einige sagten der AAN, die Taliban hätten Land an Behinderte, Arme, Landlose und Verwandte von Opfern militärischer Operationen verteilt. Andere sagten, die Taliban hätten tatsächlich Land verkauft, konnten aber keine Angaben darüber machen, welche Taliban-Befehlshaber oder Kommissionen an den angeblichen Transaktionen beteiligt gewesen seien. In Uruzgan konnte die AAN erneut die Umverteilung von Land – sowohl staatlichem als auch privatem Land – bestätigen, nicht aber die Behauptungen, die Taliban hätten staatliches Land verkauft. In Takhar herrschte große Verwirrung über die Bedingungen, unter denen die Menschen Land für eine ganz neue Gemeinde erhalten hatten, was vielleicht nicht überrascht, da die Gemeinde zum Zeitpunkt der Befragung erst wenige Wochen alt war. Laut Mujahed hatten die Menschen in Takhar das Land erhalten, ohne etwas dafür zu bezahlen. Einheimische erzählten der AAN, dass sie für die Grundstücke und die Läden bezahlt hätten, obwohl die Beträge recht niedrig waren. In allen drei Provinzen befand sich das verkaufte oder verteilte Land in Wüstengebieten (dasht) und war in der Vergangenheit nicht bewässert worden. Wie später noch erörtert wird, haben andere Forschungsarbeiten jedoch die zunehmende Erschließung zuvor ungenutzter Wüstengebiete festgestellt, die vor allem auf den Opiumanbau zurückzuführen ist. 

Link zum original Artikel

https://www.afghanistan-analysts.org/en/reports/economy-development-environment/one-land-two-rules-three-case-studies-on-taleban-sales-of-state-land/


Fotos: Facebook Group


Weiterführende Links


https://www.google.com/url?sa=t&source=web&rct=j&url=https://unama.unmissions.org/sites/default/files/unama_land_report_2_state_land_distribution_system_final_19march15_0.pdf&ved=2ahUKEwjLn7_h88r5AhXqnf0HHaHJDrEQFnoECCUQAQ&usg=AOvVaw2RzJQngh0bS1xYmtBavRbr

https://www.google.com/url?sa=t&source=web&rct=j&url=https://www.reuters.com/article/afghanistan-corruption-idUSL3N0T948M20141119&ved=2ahUKEwjLn7_h88r5AhXqnf0HHaHJDrEQFnoECBkQAQ&usg=AOvVaw1WGmxzZj9Mot_UTtVYdHKi

https://www.google.com/url?sa=t&source=web&rct=j&url=https://tolonews.com/afghanistan/almost-16000%25C2%25A0land-grabbing-suspects-2-years-ministry&ved=2ahUKEwjLn7_h88r5AhXqnf0HHaHJDrEQFnoECBgQAQ&usg=AOvVaw21lNucHSG323w5leKIbBso

Ein Jahr Taliban

Photo: Facebook Group

15. August 2021, die Welt schaut schockiert nach Afghanistan, als vor einem Jahr die Taliban erneut die Macht und Kontrolle über dieses seit Jahrzehnten gebeutelte Land übernommen hat.

Die Weltgemeinschaft wollte in Form von dem NATO ISAF Einsatz das Volk von Afghanistan von der Taliban befreien. Seit einem Jahr wissen wir, dass dieser Einsatz und Gedanke völlig gescheitert ist. Alleine Deutschland kostete der Afghanistan Einsatz 20 Milliarden Euro und 59 Bundeswehr Soldaten verloren ihr Leben.

Elite Soldat in den USA ausgebildet   Foto: Facebook Group

In den 20 Jahren Bundeswehr Einsatz wurde nie über Krieg in Afghanistan gesprochen. Man wollte der Bevölkerung (oder sich selbst) die Wahrheit nicht zumuten. Man versprach Polizisten und Soldaten für eine innenpolitischen Stabilisierung auszubilden. Man führte Konferenzen mit Vertretern der Afghanen unter anderem in der Nähe von Bonn und ließ die vielen Ethnischen Minderheiten in Afghanistan mal eben unter den Tisch fallen. Man wollte die Korruption in Afghanistan besiegen und saß mit eben jenen korrupten Stammesältesten an einem Tisch.

Die Armut wird täglich größer           Foto: Facebook Group

Was bleibt nach einem politischen Desaster über?

Deutschland hatte in Afghanistan nie eine Führungsrolle gehabt. Man tat es mehr aus Gefallen für die USA. Das die USA mit ihrer glorreichen CIA ein sehr perfides Doppelmoralisches Spiel mit der NATO, UN und dem Volk von Afghanistan gespielt hatte, sahen offensichtlich zu wenige oder man wollte es nicht sehen.
Seit der Intervention der UdSSR in Afghanistan, geht dieses Land stetig bergab. Trotz ISAF von 2002 bis 2021 waren insgesamt 76 Kontingenten mit 93.000 Soldatinnen und Soldaten im Einsatz und alle schafften es nicht, eine Stabilität für dieses Land hinzubekommen.
Mit dem Friedensabkommen von Doha, am 29. Februar 2020, wurde von den USA das Volk von Afghanistan verraten und verkauft.
Seit nun einem Jahr stürzt Afghanistan in den wirtschaftlichen Abgrund. Fundamentaliste Terroristen können dieses Land nicht führen. Dies hat auch der IS sehr schnell begriffen und so kämpfen Fundamentalisten gegen Fundamentalisten. Das Volk, insbesondere Mädchen und Frauen, sind die leidtragenden zwischen Macht, Gier, geopolitische Interessen und Terror.
Menschenrechte werden mit Füßen getreten

Ein Mann wird gesteinigt                     Foto: eastcoastdaily

In den vergangenen 365 Tagen gab es immer wieder Berichte über Folter, Vertreibung und Menschenrechtsverletzungen gegen Frauen in Afghanistan.
Nun folgt ein Text, den ich bereits im September 2021 geschrieben habe.

„Wir werden nach den islamischen Regeln bestrafen. Was auch immer der Islam uns vorschreibt, wir werden es entsprechend bestrafen. Der Islam hat seine Regeln für die wichtigsten Sünden. Wenn man zum Beispiel jemanden tötet, gelten andere Regeln. Wenn man es absichtlich tut, wenn man die Person kennt und sie absichtlich tötet, wird man auch getötet. Wenn man es nicht absichtlich tut, kann es eine andere Strafe geben, z. B. die Zahlung eines bestimmten Geldbetrags. Bei einem Diebstahl wird die Hand abgeschnitten. Bei illegalem Geschlechtsverkehr werden die Täter gesteinigt.“

Eine Frau wird ausgepeitscht             Foto: eastcoastdaily

Nein, dies ist kein Text aus einer historischen Schrift der vergangenen 500 Jahre  – es ist ein Text von August 2021.

Viele Afghanen sind beunruhigt, als die Taliban verkündete, das Ministerium „Für die Verbreitung von Tugend und die Verhinderung von Lastern“ wieder einzuführten. Jenes Ministerium, das von Mohamad Khalid geleitet wird, ist von Grund auf eine Menschenverachtende Institution.

Das berüchtigte Ministerium ist dafür bekannt, dass es die strenge Auslegung der Scharia umsetzt, zu der auch das Verbot für Frauen gehörte, ihr Haus ohne männliche Begleitung zu verlassen, sowie ein Verbot von Musik und anderen Formen der Unterhaltung. 

„Das Hauptziel ist es, dem Islam zu dienen. Deshalb ist ein Ministerium für Laster und Tugend obligatorisch. Wir wollen ein friedliches Land mit islamischen Regeln und Vorschriften.“ So steht es in einer Mail, die mit von einem Freund geschickt wurde.

Während der letzten Taliban-Herrschaft, die von 1996 bis 2001 dauerte, mussten Frauen eine Burka tragen und durften nicht ohne einen männlichen Vormund ins Freie gehen. Auch wurden die Gebetszeiten streng vorgeschrieben, und Männer wurden gezwungen, sich einen Bart wachsen zu lassen.
Mit dem Sturz der Regierung wurde vor Wochen damit begonnen in jeder Straße eine Sittenpolizei eingerichtet, die Verstöße mit harten Strafen wie Auspeitschungen, Amputationen und öffentlichen Hinrichtungen ahndete.

In vielen Städten und Ortschaften gibt es inzwischen wieder viele solche Vorfälle. 

Noch etwas zu der aktuellen Leistung des Innenministerium, des Islamischen Emirats Afghanistan, das von Sirajuddin Haqqani geleitet wird. Er ist der Sohn von Dschalaluddin Haqqani. Die CIA und das FBI haben für Hinweise, die zu seiner Ergreifung führen, eine Belohnung von bis zu 10 Millionen US-Dollar 
ausgesetzt.

Wer nun immer noch der Meinung ist, das es für Afghanistan eine Zukunft geben wird, sollte endlich mal aufwachen und der Realität ins Auge sehen.

Naike Juchem, 16. August 2022

Quelle:
– ARD Studio Neu-Delhi
– Reuters
– Tolo News

Kinder in Afghanistan

Foto Weltspiegel

TRIGGERWARNUNG: Darstellung von leidenden Kindern.

Die Korrespondentin Silke Diettrich besuchte die Kinderstation im Mirwais Krankenhaus in Kandahar, Afghanistan. Hier werden unterernährte Kinder behandelt – gerade sind 90 Kinder auf der Station, dabei gibt es gerade einmal 30 Betten. Das liegt zum einen daran, dass die Menschen nun nach dem langen Krieg endlich auch aus entfernteren Ecken die Klinik erreichen können. Aber innerhalb des letzten Jahres sind auch viele noch ärmer geworden, unter dem neuen Taliban-Regime haben sie ihre Jobs verloren.

Foto: Weltapiegel

Sie können sich nicht genug zu Essen leisten. Mehr als die Hälfte der Menschen im Land wissen nicht, wann und ob sie eine nächste Mahlzeit haben werden. Mehr als eine Millionen Kinder, so Hilfsorganisationen, seien akut unterernährt. Die Mirwais-Klinik wird derzeit komplett vom Internationalen Roten Kreuz finanziert, die Taliban haben nicht genügend Geld, um das Krankenhaus am Laufen zu halten.

Quelle: Weltspiegel

Foto Weltspiegel
Foto Weltspiegel

Der Rückschritt vom Fortschritt

Photo: Pixabay

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.“

So steht es in Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.

Auch der Artikel 21 des Kapitels „Gleichheit“ der Charta der Grundrechte
der Europäischen Union verbietet die Diskriminierung aufgrund der
sexuellen Ausrichtung.


Bei dem ersten Gedanken über die Menschenrechte werden aber sehr viele Menschen vergessen: die Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen (Lesbian, Gay,
Bisexual and Transgender, LGBT).

Es gibt viele Studien über LGBT und deren damit einhergehende Diskriminierungen. Aber es gibt bis heute keine verlässlichen Zahlen über diese Menschen. Dies liegt zum einen daran, dass in vielen Ländern der Welt Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen verfolgt weden – auch in Europa.

Durch eine Staatliche und auch Gesellschaftliche Diskriminierung können und werden sich Millionen von Menschen nicht outen.
In vielen Ländern steht nicht nur die Homosexualität, sondern alles, was von Heterosexualität und dem binären Geschlechtermodell abweicht, unter Strafe – im Iran, Jemen, Sudan, Saudi-Arabien und Mauretanien, sowie in Teilen Nigerias und Somalias ist für gleichgeschlechtliche Liebe sogar die Todesstrafe ausgeschrieben. Jedoch ist die Lage für LGBT-Personen auch in manchen EU-Länder nach wie vor bedenklich.

Da die sexuellen Präferenzen nicht zu den offiziell erfassten ‚Personenstandsmerkmalen‘ zählen, gibt es dazu nur Daten aus empirischen Umfragen, wie viele Menschen sich als LGBT verstehen.

Die Umfrage „Sexual identity, UK: 2018“ des „Office of National Statistics” – nennt einen Anteil von rund 2 Prozent der Bevölkerung als LGBT, wobei die Anteile von 2014 bis 2018 leicht von 1,6 auf 2,2 Prozent ansteigen, was unter anderem darauf verweist, dass die Anzahl der Bisexuellen in Großbritannien, vor allem unter den Jüngeren, deutlich gestiegen ist.

Die YouGov-Studie „1 in 2 young people say they are not 100% heterosexual” (2015) nennt 46 Prozent unter den 18-24-jährigen Briten, die auch gleichgeschlechtliche Sex-Partner haben.

Eine europaweite Dalia-Studie: „Counting the LGBT population: 6 % of Europeans identify as LGBT“ (aus dem Jahr 2016) kommt zu dem Ergebnis, dass sich rund 6 Prozent der Europäer als LGBT bezeichnen. Die Spannweite beträgt dabei von 7,4 Prozent (in Deutschland) bis 1,5 Prozent (in Ungarn).

In den USA ist, nach den Ergebnissen der Studie: „Changes in American Adults’ Reported Same-Sex Sexual Experiences and Attitudes, 1973–2014“, der Anteil gleichgeschlechtlicher Sex-Partner im Zeitraum 1972 – 2014 bei den Frauen von 3,6 auf 8,7 Prozent gestiegen, bei den Männern von 4,5 auf 8,2 Prozent.

Diese Ergebnisse beruhen auf der Verwendung der Kinsey-Skala.

Nun ein Beispiel aus Afghanistan

Die Situation für LGBT-Menschen in Afghanistan ist nachdem die Taliban zur
Rückkehr an die Macht kam katastrophal.

Ein Interview mit Nimat* (*Sein Name wurde zum Schutz seiner Identität geändert), einem homosexuellen Mann, der im August 2021aus Afghanistan floh, als er hörte, dass die US-Streitkräfte mit den Taliban verhandelten .
Nimat hält sich derzeit als Migrant ohne Papiere in einem europäischen Land auf.

Afghanistan war vor der Machtübernahme durch die Taliban schon kein einladender Ort für LGBT-Menschen, dass sich die Lage für diese Menschen noch viel weiter verschlechtern wird, liegt auf der Hand.
Die Taliban wird eine extreme Auslegung der Scharia durchsetzen, in deren Folge viele Frauen, Oppositionelle und auch LGBT-Menschen hingerichtet werden.

„Mir wurde klar, dass es für mich in Afghanistan keine Hoffnung auf eine Zukunft gibt. Ich habe meiner Mutter gesagt, ich muss das Land verlassen, bevor sie mich finden und mir unter Folter viele Fragen stellen werden. Meine Mutter sagte: ‚Nein, warte, bis sich eine legale Möglichkeit ergibt. Du bist klug und vielleicht schaffst du es über ein Stipendium in ein europäisches Land zu kommen.“ Meine Mutter glaubt immer noch an ein gutes Ende, obwohl auch sie unter der Willkür der Taliban leidet. Zwei Tage später legte ich ihr nachts meinen Abschiedsbrief und Entschluss auf den Tisch. Ich konnte mit der Situation in Afghanistan nicht mehr umgehen, weil sie sehr hart für mich war. Ich hatte es satt, meine Identität, meine Sexualität und meine Ideologie zu verbergen. Ich konnte mit niemandem sprechen. Du bist die Erste, die mir ruhig und gefasst zuhört.
In den letzten drei Jahren in Afghanistan war ich die ganze Zeit zu Hause. Ich habe Bücher gelesen, Filme gesehen und bin aus Angst zu Hause geblieben. Ich habe mich nicht getraut auszugehen. Ich ging nur für ein oder zwei Stunden mit meinen engsten Freunden und meiner Familie aus dem Haus. Noch nicht einmal mit Klassenkameraden oder anderen Jungs, weil ich Angst hatte.“

Seine Reise ins Asylverfahren verlief turbulent. Schließlich musste er einen Schleuser bezahlen, der ihn aus dem Iran in ein Land in Europa brachte. Er stellte einen Asylantrag, der jedoch später fälschlicherweise geschlossen wurde, wie er mir sagte. Er weiß nicht, wie es um seine Rechtsstellung bestellt ist.

Nimat verbrachte einige Zeit auf der Straße, bevor er einen Mann kennenlernte und bei ihm einzog. Er räumt ein, dass die Situation für LGBT- Menschen in Afghanistan düster ist, aber er glaubt, dass es für diejenigen, die aus dem Land geflohen sind, genauso schlimm ist. Komplizierte Verfahren und feindselige Systeme haben dazu geführt, dass einige Afghanen wie Nimat in einem rechtlichen Schwebezustand gestrandet sind.

Nimat lebt zwar nicht mehr auf der Straße, aber er hat immer noch Angst um seine Zukunft. Er erwägt, das Land, in dem er sich derzeit aufhält, in ein anderes europäisches Land zu verlassen, in der Hoffnung, dass das Asylverfahren anderswo nicht so turbulent verläuft.

Als Nimat noch in Afghanistan lebte, verheimlichte er seine Sexualität. Jetzt macht er sich Sorgen um die LGBT-Menschen, die nicht aus Afghanistan fliehen können.
Unter Tränen erzählt er: „Es gibt keine Untergrundgemeinschaft für LGBT, es gibt keine Oberschicht – nichts. Niemand spricht über seine Sexualität. Jeder versteckt sich. Niemand kennt meine Sexualität, nicht einmal meine Freunde – außer meinem Cousin weiß es niemand.“ 

Wie der Rest der Welt hat auch er in den letzten Tagen mit Entsetzen beobachtet, wie die Taliban die Kontrolle über Afghanistan übernommen haben.

„Es ist, als würde man The Walking Dead sehen“, sagt Nimat über die Taliban. „Es ist einfach so, als ob die Zombies das Land übernehmen würden. Sie haben das Land bereits übernommen, und es gibt keinen sicheren Ort mehr.“

Nimat macht sich große Sorgen um die LGBT’s in Afghanistan, aber er hat auch Angst um seine atheistischen Freunde, von denen er befürchtet, dass sie von den Taliban verfolgt werden.
Als Nimat noch in Afghanistan lebte, traf er sich einmal pro Woche mit einer Gruppe befreundeter Atheisten, um über die Bücher zu diskutieren, die sie lasen, und über verschiedene Ideologien zu sprechen. Da viele von ihnen ihren Atheismus offen zur Schau trugen, befürchtet Nimat, dass sie auf der Verfolgungsliste der Taliban ganz oben stehen könnten.

„Wir waren eine kleine Gemeinschaft, die donnerstags zusammenkam, um Bücher zu lesen und über verschiedene Ideologien in verschiedenen Ländern zu sprechen, wie Marxismus, Kapitalismus, Sozialismus und all das, und jetzt mache ich mir große Sorgen um diese Leute, weil sie versuchen wollten, das Land zu verlassen, und jetzt sind alle Wege versperrt. Ich mache mir große Sorgen um die Atheisten, weil sie sich exponiert haben, aber die LGBT-Gemeinschaft hat sich nicht exponiert. Nur vielleicht ein oder zwei haben sich geoutet. Ich habe Freunde, die ihre Facebook-Konten gelöscht haben, sie haben alle ihre Beiträge gelöscht, um sich zu verstecken, aber ich glaube nicht, dass das der richtige Weg ist. Es gibt keine Gemeinschaft, die Atheisten in Afghanistan unterstützt.“
Nimat weinte immer mehr und ich bat ihm eine Pause an. Dankbar nahm er dieses an.

„Die Taliban sagen: ‚Wir sind wegen der Scharia hier, wir wollen nur das islamische Recht‘, und das islamische Recht ist sehr eindeutig in Bezug auf Atheisten und LGBT’s. Es ist ganz klar, dass ein Atheist ein Ungläubiger ist und dass ein Ungläubiger gesteinigt oder gehängt werden muss. Für die LGBTs gilt das Gleiche. Niemand kann mit den Taliban verhandeln. Sie wollen zurück in die Zeit vor 1.400 Jahren, als Mohammed in den Wüsten Saudi-Arabiens lebte. Sie wollen so leben, und es gibt nichts Gutes an ihrem Denken und Tun. Nila, du weißt selbst wie es für Mädchen und Frauen in Afghanistan steht. Wie erst um mich? Für Atheisten und LGBT-Menschen gibt es keine Zukunft in Afghanistan. Alle diejenigen, die für Menschenrechte und Freiheit kämpfen sind weg, leben in Angst oder werden Hingerichtet. Du selbst hast dein Leben der Aufklärung und Bildung gewidmet und sitzt nun mit mir in einem fremden Land.“


Einige Begriffe im Zusammenhang mit LGBTQ

Um nicht noch mehr Verwirrung in den in dieses Thema zu bringen, verzichten die Autorinnen bewusst auf das Gendersternchen.
Diese nachfolgende Aufstellung stellt nur einen Auszug dar, neben diesen Begriffen gibt es noch zahlreiche weitere, die hinsichtlich dieser Thematik relevant sind und wären – aber auch den Rahmen sprengen würden.

Die Sexualität

Die Sexualität in der Definition im weiteren Sinn: Alle psychischen und physischen Vorgänge, die mit dem eigenen Geschlecht und dem Sexualtrieb zusammenhängen.
– Definition im engeren Sinn: Geschlechtliches Verhalten zwischen Sexualpartnern.

Geschlechtsidentität: Bewusstsein, einem Geschlecht anzugehören.
Cisgender: Personen, bei denen die Geschlechtsidentität dem Geschlecht entspricht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde.
Binär: Begriff steht für „zweiteilig“ und reduziert auf zwei Geschlechter: männlich und weiblich.
Non-Binär: Sammelbezeichnung für Geschlechtsidentitäten, die sich also außerhalb der binären Einteilung befinden.
Genderfluid: Personen, die sich zwischen zwei oder mehr Geschlechtern bewegen, welches sich mit der Zeit oder in Abhängigkeit von Situationen verändern kann.
Genderqueer:
– Nicht eindeutig gegen die Begriffe “genderfluid“ oder und „non-binär“ abzugrenzen.
– Überbegriff für Personen, die nicht in die geschlechterbinäre Norm passen.
– Geschlechtsidentität von Personen, die sich sowohl als Frau und Mann (gleichzeitig oder abwechselnd) oder weder als Frau noch als Mann identifizieren.

Sexuelle Orientierung: Begehren einer Person hinsichtlich des Geschlechts einer Partnerin oder eines Partners für emotionale Verbundenheit, Liebe und Sexualität an. Zum Beispiel Homosexualität, Bisexualität und Heterosexualität.
Pansexuell: Sexuelle Orientierung, bei der Personen in ihrem Begehren keine Vorauswahl nach Geschlecht bzw. Geschlechtsidentität treffen.
Asexuell: Kein oder kaum Empfinden von sexueller Anziehung gegenüber anderen Menschen.
Demisexuell: Personen, die nur sexuelle Erregung verspüren, wenn zwischen ihnen und einer anderen Person eine starke emotionale Bindung besteht.
Autosexuell: Personen, die sich bevorzugt zu sich selbst hingezogen fühlen.


Politischer Hintergrund

Die Entwicklung der letzten Jahre belegt, dass das Bewusstsein für die Rechte
von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen (Lesbian, Gay,
Bisexual and Transgender, LGBT) in der Europäischen Union zunimmt. Mit
der rechtsverbindlichen Charta der Grundrechte der Europäischen Union
stärkt der Vertrag von Lissabon den Rahmen für eine Gesetzgebung zur
Nichtdiskriminierung. Die EU ist nun verpflichtet in all ihren Politikfeldern und
Tätigkeiten Diskriminierung zu bekämpfen, auch Diskriminierung aufgrund
der sexuellen Ausrichtung.
Auf internationaler Ebene ist man sich darüber einig, dass Diskriminierung
aufgrund der sexuellen Ausrichtung und Geschlechtsidentität bekämpft
werden muss; bestätigt wurde dies durch die Annahme zweier Empfehlungen
und einer Entschließung des Ministerkomitees des Europarates und der
Parlamentarischen Versammlung.
Vor diesem Hintergrund hat das Europäische Parlament im Jahr 2009 die
Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) aufgefordert,
die Situation von LGBT-Personen nach dem Inkrafttreten restriktiver
Rechtsvorschriften in Bezug auf ihre Rechte in einigen EU-Mitgliedstaaten
zu untersuchen.

Wichtigste Ergebnisse

Der Bericht der FRA über Homophobie, Transphobie und Diskriminierung
aufgrund der sexuellen Ausrichtung und Geschlechtsidentität zeigt drei
wesentliche Probleme auf, mit denen LGBT-Personen in der Europäischen
Union konfrontiert sind: dass sie gezwungen sind, ein Leben in
Verschwiegenheit und im „Verborgenen“ zu führen; dass sie gewalttätigen
Angriffen ausgesetzt sind; und dass sie keine Gleichbehandlung erfahren,
z. B. bei der Arbeit, bei Mietangelegenheiten oder beim Umzug innerhalb der Europäischen Union.
Unterschiedliche Entwicklungen
Was den Schutz von LGBT-Rechten anbelangt, so gibt es bei der Entwicklung im Bereich der Gesetzgebung in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten Unterschiede.
Im Rahmen der Untersuchung der FRA wurden sechs zentrale (miteinander
verknüpfte) Punkte ermittelt, bei denen sich sowohl positive als auch negative
Tendenzen erkennen lassen:


• Versammlungsfreiheit und freie Meinungsäußerung
Schwierigkeiten bei Paraden von LGBT-Personen oder aggressive Gegenproteste,
aber auch Verbesserungen beim Schutz von Demonstrationsteilnehmern.
Informationsverbot gegenüber Minderjährigen hinsichtlich gleichgeschlechtlicher
Beziehungen.
• Hassreden und Hassverbrechen
Begrenzter Schutz vor Intoleranz und Gewaltakten gegen LGBT-Personen; nur
wenige Mitgliedstaaten verfolgen solche Vorfälle in zunehmendem Maße
strafrechtlich.

• Ungleichbehandlung und Diskriminierung
Trotz EU-Rechtsprechung bleibt der Schutz von Transgender-Personen unklar;
eine beträchtliche Anzahl von Gleichbehandlungsstellen befasst sich jedoch
mit dem Thema der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigungsangelegenheiten
und anderen Bereichen.

• Freizügigkeit und Familienzusammenführung
Der Gleichbehandlungsgrundsatz in diesem Kontext wird nicht überall in
derselben Weise angewandt: einige EU-Mitgliedstaaten beschränken oder
verweigern die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und Ehen, die in einem anderen Mitgliedstaat geschlossen wurden, andere Mitgliedstaaten
hingegen weiten die Gesetzgebung in diesem Bereich aus.

• Internationaler Schutz von LGBT-Asylbewerbern
In zahlreichen Mitgliedstaaten herrscht nach wie vor die Haltung, dass
Asylbewerber, die Schutz vor Verfolgung aufgrund ihrer sexuellen Ausrichtung
oder Geschlechtsidentität beantragen, keinen Anspruch auf diesen Schutz
haben, wenn sie in ihrem eigenen Land leben können, ohne „sich zu
offenbaren“.

• Geschlechtsangleichung
Erschwerter Zugang zu Behandlungsmöglichkeiten, Schwierigkeiten bei der
rechtlichen Anerkennung und Gleichbehandlung in den meisten Bereichen
des gesellschaftlichen Lebens; in einigen EU-Mitgliedstaaten hat sich diese
Situation jedoch gebessert.
Ungleiche Verhältnisse
Diese unterschiedlichen Entwicklungen zeigen, dass Fortschritte in der
Europäischen Union verschieden schnell und ungleichmäßig erfolgen:
Zwischen den EU-Mitgliedstaaten bestehen weiterhin gravierende
Unterschiede. Die Hauptursachen für die Hindernisse sind in der anhaltenden
Intoleranz und der negativen Einstellung gegenüber LGBT-Personen zu finden.


Abschließend noch die Resolution der Generalversammlung 217 A (III).

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

PRÄAMBEL

Da die Anerkennung der angeborenen Würde und der gleichen und unveräußerlichen Rechte aller Mitglieder der Gemeinschaft der Menschen die Grundlage von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt bildet, da die Nichtanerkennung und Verachtung der Menschenrechte zu Akten der Barbarei geführt haben, die das Gewissen der Menschheit mit Empörung erfüllen, und da verkündet worden ist, daß einer Welt, in der die Menschen Rede- und Glaubensfreiheit und Freiheit von Furcht und Not genießen, das höchste Streben des Menschen gilt, da es notwendig ist, die Menschenrechte durch die Herrschaft des Rechtes zu schützen, damit der Mensch nicht gezwungen wird, als letztes Mittel zum Aufstand gegen Tyrannei und Unterdrückung zu greifen, da es notwendig ist, die Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen zwischen den Nationen zu fördern, da die Völker der Vereinten Nationen in der Charta ihren Glauben an die grundlegenden Menschenrechte, an die Würde und den Wert der menschlichen Person und an die Gleichberechtigung von Mann und Frau erneut bekräftigt und beschlossen haben, den sozialen Fortschritt und bessere Lebensbedingungen in größerer Freiheit zu fördern, da die Mitgliedstaaten sich verpflichtet haben, in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen auf die allgemeine Achtung und Einhaltung der Menschenrechte und Grundfreiheiten hinzuwirken, da ein gemeinsames Verständnis dieser Rechte und Freiheiten von größter Wichtigkeit für die volle Erfüllung dieser Verpflichtung ist, verkündet die Generalversammlung diese Allgemeine Erklärung der Menschenrechte als das von allen Völkern und Nationen zu erreichende gemeinsame Ideal, damit jeder einzelne und alle Organe der Gesellschaft sich diese Erklärung stets gegenwärtig halten und sich bemühen, durch Unterricht und Erziehung die Achtung vor diesen Rechten und Freiheiten zu fördern und durch fortschreitende nationale und internationale Maßnahmen ihre allgemeine und tatsächliche Anerkennung und Einhaltung durch die Bevölkerung der Mitgliedstaaten selbs wie auch durch die Bevölkerung der ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Gebiete zu
gewährleisten.

Frühehen

Foto: WordPress

Der Begriff Kinderehe ist in Früh- und Kinderehe definiert.

Der Begriff Frühehe bezieht sich sowohl auf die formelle als auch auf die informelle Ehe, die ein Mädchen mit einem Partner eingeht, ob diese noch nicht das 18. Lebensjahr erreicht hat und somit physisch, psychologisch und soziologisch die Verantwortung für Ehe und Geburt nicht übernehmen kann.

Bei einer Kinderehe hingegen habe entweder einer oder beide Ehepartner das 18. Lebensjahr noch nicht erreicht und solche „Ehen“ findet mit oder ohne formelle Registrierung von irgendwelchen Behörden statt.

Sonita Alizadeh. Foto: The Guardian

Auf YouTube gibt es einen sehr guten Bericht über Sonita Alizadeh
https://youtu.be/-AFwAtPPEjE

Foto: WordPress

Frühehen in Afrika

Frühe Eheschließungen sind in Afrika seit Jahrzehnten zur Norm geworden und die Mädchen werden immer jünger verheiratet. Einige Beobachter von Internationalen Hilfsorganisationen gehen mittlerweile von sogar schon 8-jährigen „Ehefrauen“ aus.

Während die meisten Frauen in
Industrieländer zu einem späteren Zeitpunkt heiraten, heiraten in Afrika viele aufgrund einiger kultureller und traditioneller Implikation zu einem frühen Zeitpunkt. Zwanzig bis fünfzig Prozent der Frauen in Entwicklungsländern sind im Alter von 16 Jahren bereits verheiratet, wobei der höchste Prozentsatz in Afrika südlich der Sahara, in Süd- und Zentralasien zu verzeichnen ist.
Im Norden Nigerias, ziehen es viele Eltern aus kulturellen und wirtschaftlichen Gründen vor, ihre Töchter in einem Alter vom 10 oder noch jüngeren Jahren zu heiraten. Die Analphabetenrate unter Frauen ist im Norden von Nigeria um dreiviertel höher als im Süden.
Zwar wurde auf Druck von UNICEF der Aufbau von Schulen und Präventivmaßnahmen die Einschulungsquote für Mädchen verbessert, trotzdem ist die Quote der Schulabbrüche immer noch emens hoch, weil wahrscheinlich die Mädchen in eine Frühehe gezwungen werden.
Auch werden viele Mädchen erst gar nicht in Schulen eingeschrieben, da die Familien zum einen kein Schulgeld haben und zum anderen der Glaube vorherrscht, dass Mädchen sowieso verheiratet werden und somit keine Bildung brauchen.

Die negativen Folgen von Frühehen

Es besteht tendenziell ein Zusammenhang zwischen dem Alter der Eheschließung,
dem Bildungsniveau, der Armut und der Gesundheit.
Weniger gebildete Mädchen neigen dazu, früher zu heiraten, und führen daher oft zu gesundheitlichen Problemen wie zum Beispiel: Frühgeburten und oder ungewollte Schwangerschaften.
Junge Mädchen werden meist gezwungen einen viel älteren Mann zu heiraten und somit auch zum Geschlechtsverkehr. Schwangerschaften, Schwangerschaftsabbrüche und Fehlgeburten von Mädchen die gerade in die Pubertät kommen, sind mittlerweile an der Tagesordnung. Dies hat schwerwiegende gesundheitliche Folgen, da die Mädchen psychisch, körperlich und sexuell noch gar nicht reif sind.
Ein weiterer schwerwiegender Punkt ist die häusliche Gewalt, sowie der sexuelle Missbrauch an Minderjährigen.
Die extrem hohe Morbidität und Mortalität von Müttern steigt seit Jahren an.
2019 lag die HIV-Prävalenz in Nigeria bei 1,4% der Erwachsenen im Alter von 15 bis 49 Jahren. Frühere Schätzungen hatten eine nationale HIV-Prävalenz von 2,8% angegeben. UNAIDS und die National Agency for the Control of AIDS schätzen, dass mittlerweile mehr als ein Zehntel der Menschen in Nigeria mit HIV infiziert sind – Tendenz steigend.

Prävention und Aufklärung fängt an zu greifen

In den letzten Jahren haben die nördlichen Provinzen Niger und Bauchi Gesetze erlassen, die den Abbruch von Kindern aus der Schule für Verheiratete verbieten. Dies wird jedoch nicht durchgesetzt. Die nigerianische Bundesregierung und die 19 nördlichen Provinzen haben eine Initiative eingeleitet, um die frühe Heirat und ihre Auswirkungen auf die Bildung zu überprüfen (z. B. Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die reproduktive Gesundheit und die Rechte von Mädchen sowie die Bedeutung, Mädchen den Abschluss von weiterführenden Schulen zu ermöglichen und die Verbindungen zwischen Schule und Gemeinde zu stärken) Verbesserungen der Mädchen für Bildung und mehr Schulen nur für Mädchen und Frauen. Einige dieser Initiativen haben zu positiven Ergebnissen geführt. Verheiratete Mädchen und Mütter, die die Schule abgebrochen hatten, haben die Schule wieder aufgenommen, und die Eltern haben damit begonnen, den Mädchen eine Sekundarschule vor der Heirat abzuschließen oder sogar eine höhere Schule zu besuchen.

Auswirkungen der Frühehe auf die Ausbildung der Mädchen

Die Schule ist die wichtigste Einrichtung außerhalb der Familie, die sich mit der Sozialisierung junger Menschen in allen Dimensionen der Rolle und Verantwortung von Erwachsenen befasst.
Die Frühehe hingegen verweigert Kindern im schulpflichtigen Alter, ihrem Recht auf Bildung, der Notwendigkeit ihrer persönlichen Entwicklung für das Erwachsenenalter und ihren wirksamen Beiträgen zum Wachstum ihrer Zukunft, Gesellschaft und Familie.
Das Recht auf Bildung und Gesundheit besteht im Wesentlichen darin, dass sie die wirksame Wahrnehmung der Menschenrechte erleichtern und auch verbessern.
Für sehr viele ärmerer Familien ist die potenzielle Bildung für die Erziehung eines weiblichen Kindes zu weit entfernt, weshalb ihre Erziehung nicht als Investition anerkannt wird. Familien behaupten, dass die Bildung von Mädchen nur dem Haushalt des Mannes zugute kommt, nicht ihren Eltern. Einige Eltern glauben, dass Mädchen keine Bildung für ihre Rolle als Ehefrau und Mutter brauchen, dass Bildung kulturelle Praktiken untergräbt und dass Bildung die Mädchen lehrt, Traditionen abzulehnen.
Bei Bildung selbst auf der Basisebene geht es jedoch nicht nur um Lebensunterhalt und technische Fähigkeiten, sondern vor allem darum, soziale Verbindungen zu schaffen, die es einem ermöglichen, auf wichtige Ressourcen zuzugreifen, um die Armut zu lindern.
Die Bildung kann auch das Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen der Mädchen entwickeln, um ihre Meinung zu äußern oder die Kontrolle über ihre eigenen Handlungen, ihr Leben und ihren Körper zu übernehmen.
Ein weiterer positiver Vorteil der Bildung ist die Verbesserung der reproduktiven Gesundheit und des Überlebens der Kinder.
Gebildete Frauen können dann auch über ein Mitspracherecht bei der Entscheidungsfindung in Bezug auf die Größe ihrer Familien und den Abstand der Kinder einbringen. Es wäre auch ein weiterer positiver Schritt zu Informationen und Kenntnisse über Empfängnisverhütung und den Gesundheitsbedarf ihrer Kinder.

Fazit

Bildung ist das wichtigste was die Menschen im 21. Jahrhundert braucht um aus der Spirale der Armut und Abhängigkeit zu kommen.
Wer seine Menschenrechte kennt, kann diese auch verteidigen.

Quelle: UNICEF, Terres des Homes

Zwangsheirat ist Vergewaltigung auf Lebenszeit

Foto gefunden im www

Weltweit wird jede fünfte minderjährige Frau zwangsverheiratet. Nach Angaben von UNICEF gibt es 650 Millionen Mädchen und Frauen, die in einer Zwangsehen leben. Jährlich werden geschätzte 12 Millionen Mädchen zwangsverheiratet. Die Zahl ist in den letzten Jahren zwar auf 10 Millionen gesunken, trotzdem spricht diese Zahl eine eindeutige Sprache.
In den Zwangsehen ist Perversion sehr weit verbreitet, es gibt keinerlei Aufklärung in der Sexualität. Frauen haben nach der Meinung und Religion von dem Mann keine Rechte und werden dann auch so behandelt. Mädchen und Frauen haben in den muslimischen Ländern nicht die gleiche Stellung wie ein Mann und sind in deren Augen auch nichts wert.
Eine Zwangsheiratung ist Vergewaltigung auf Lebenszeit!
Die Perversion geht über das sexuelle noch weiter. Mädchen und Frauen werden wie Leibeigene behandelt und es ist völlig in Ordnung was der Mann mit „seiner“ Frau macht. Sklavenhaltung in einem Käfig, tägliche Vergewaltigung oder sogar Totschlag ist erlaubt. Hat ein Mann genügend Geld, kauft er sich für ein paar Hundert Euro wieder eine neue Frau.

Mädchen aus Pakistan vor der Hochzeit. Foto gefunden im www

In Afghanistan ist es verboten Mädchen unter 16 Jahren zu verheiraten und trotzdem wird es getan. Oft sind die Mädchen erst 10 Jahre alt!
Viele Männer und Stammesälteste berufen sich bei einer Hochzeit, die gegen alle Menschenrechteverstößt, auf den Koran in dem steht, dass
Mohammed einst eine neun Jährigen geheiratet hat.
Mohammed lebte 571 bis 632 nach Christus. Wenn ich 600 nach Christus annehme, sind es immerhin 1419 Jahre bis zum Dezember 2019. Wer in diesen 1419 Jahren noch nicht begriffen hat, dass sich die Welt weiter gedreht hat, steht etwas weit in der Intelligenz zurück.

Männer mit ihren „Frauen“ Foto gefunden im www

Zwangsehen gibt es nicht nur in der islamischen Welt. Auch in Europa, Afrika, Asien und Lateinamerika sind solche Ehen zu finden. Selbst den deutschen Behörden sind Kinderehen bekannt.


In einer Zwangsehe dürfen Mädchen und Frauen keine Schule mehr besuchen, keine Ausbildung machen und auch sonst nicht am Gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Es ist ein Leben in ständiger Angst und Isolation. Den Mädchen wird alles verwehrt um ein Leben in Würde oder Selbstbestimmung zu führen. Sie sind in der Abhängigkeit von den Mann. Die Mädchen können nie richtig schreiben und lesen lernen und nur ihr bisschen Wissen an ihre Kinder weitergeben. So bleibt folglich auch die Bildung der Familie immer auf dem untersten Stand stehen. Bekommt die Frau ein oder zwei Mädchen, ist deren Leben auch schon vorprogrammiert.

A/RES/22/2263

A/RES/22/2263
A/RES/67/146
A/61/438, Ziff. 27

Dies sind die Resolutionsnummern der Vereinten Nationen zur Diskriminierung der Frauen und zur Ächtung der Genitalverstümmelung bei Mädchen.
Zwangsehe mit minderjährigen Mädchen

Um nun all meine Wut zu schreiben, würde dieser Artikel ins Endlose gehen. Ich beschränke mich nur auf die Genitalverstümmelung und Zwangsehen bei minderjährigen Mädchen – dies auch nur in Auszügen.

Zu Punkt 1: Genitalverstümmelung

Bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen, in New York, wurde am 20. Dezember 2012 einstimmig die Resolution zur Verstärkung der weltweiten Bemühungen um die Durchführung der weiblichen Genitalverstümmelung beschlossen.
Die UN hat weibliche Genitalverstümmelung weltweit als Menschenrechtsverletzung geächtet und durch zahlreiche internationale Übereinkommen verboten. Dennoch werden jeden Tag bis zu 8.000 Mädchen, zum Teil bereits im Alter von 5 Jahren auf schlimmste Weise verstümmelt. Dies überwiegend in muslimisch geprägten Länder.
Die Genitalverstümmelung von Mädchen ist ein globales Gewaltphänomen mit mindestens 4 Millionen Opfern jedes Jahr. Mittlerweile haben zwar viele Länder, in denen die genitale Verstümmelung von Mädchen verbreitet ist, Strafgesetze erlassen. Dennoch müssen derzeit über 264 Millionen Mädchen und Frauen in afrikanischen, arabischen und asiatischen Ländern mit den schwerwiegenden Folgen weiterleben. Weltweit jede 20. Frau wurde Opfer dieser barbarischen „Tradition“ und leidet unter dieser seelischen Vergewaltigung.
In manchen Ländern ist nahezu die gesamte weibliche Bevölkerung betroffen, wie etwa in Ägypten, Guinea und Somalia.
Diese systematische Gewalt gegen die weibliche Bevölkerung ist in etwa 28 afrikanischen Ländern verbreitet und tritt verstärkt sowohl im Nahen Osten als auch in Asien und Zentralasien auf.

Die von Unicef herausgegebenen Verbreitungszahlen führen außer den afrikanischen Ländern nur auch den Irak und Jemen an. Allerdings hat Unicef im Februar 2016 die Opferzahlen nach oben korrigiert, da die Verbreitung in Indonesien und Malaysia mit mindestens 50 Millionen Betroffenen repräsentativ belegt ist. Studien unter anderem aus dem Iran, Oman, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Pakistan zeigen das wahre geographische Ausmaß. Es bleibt abzuwarten, ob die wichtige Feldforschung in diesen Ländern den Weg in die offizielle Verbreitungsstatistik finden wird.
Da in letzter Zeit vermehrt die Arbeit von Menschenrechtsorganidationen in vielen afrikanischen und asiatischen Ländern massiv behindert und blockiert wird, können die Organisationen oft nur auf Fallzahlen zurückgreifen.

FGM auf dem Weg nach Europa

Durch Migration tritt die Genitalverstümmelung auch immer mehr in den USA, Australien und Europa in Erscheinung. Recherchen von UNICEF und der Waris Dirie Foundation haben ergeben, dass in Europa mindestens 500.000 betroffene Frauen und Mädchen leben und circa 180.000 minderjährige Mädchen als akut gefährdet eingestuft werden.
Allein in Deutschland sind nach Schätzung etwa 81.000 Mädchen von dieser besonders schweren Form der Gewalt bedroht oder bereits betroffen.
Die Gewalt macht also keineswegs vor europäischen Rechtsstaaten Halt. Um in Deutschland Mädchen umfassend vor der Verstümmelung ihrer Genitalien schützen zu können, sollten effektive präventions Maßnahmen, wie die Einführung einer Meldepflicht nach französichem Vorbild mit verpflichtende Kindervorsorgeuntersuchungen, schnellstmöglich greifen. Ein Gesetz mit der Strafbarkeit zur Genitalverstümmelung gibt es in Deutschland bereits seit September 2013. Dort wird die Verstümmelung weiblicher Genitalien als Straftatbestand gemäß § 226 a Strafgesetzbuch (StGB) eingestuft und kann mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft werden.

Auch in Österreich zählt die Genitalverstümmelung als Tatbestand einer schweren Körperverletzung nach
§ 84 Abs. 1 StGB, unter bestimmten Voraussetzungen, etwa wenn die Tat ein schweres
Leiden zur Folge hat, sogar den Tatbestand einer Körperverletzung mit schweren
Dauerfolgen nach § 85 StGB, und ist als solche strafrechtlich zu ahnden.

So in etwa lautet jedes Gesetz in den Mitgliedstaaten der EU.
Unter der Resolutionsnummer: COM/2013/0833 final, kann man auch den Handlungsbedarf zur FGM in der Europäischen Union nachlesen.

Eine Auflistung von FGM Fälle in den EU-Mitgliedstaaten.

Land, Jahr der Erhebung, Zahl der Frauen mit Genitalverstümmelung, Zahl der in Bezug auf Genitalverstümmelung gefährdeten Mädchen und die Zahl der Strafsachen.

Belgien: 2011. Frauen mit FGM: 260 und die Zahl der gefährdeten Mädchen: 975.
Dänemark: Keine Daten verfügbar lediglich ein Straftatbestand.
Deutschland: 2007. Frauen mit FGM:19 000 und 4 000 gefährdete Mädchen.
Irland: 2011. Frauen mit FGM: 3170. Keine weiteren Daten verfügbar.
Spanien: Keine Daten verfügbar. Dafür sechs Strafbestände.
Frankreich: 2007. Frauen mit FGM: 61 000. Bei den Mädchen keine Daten verfügbar. Dafür 29 Fälle von Straftatbestände.
Italien: 2009. Frauen mit FGM:35000. Gefährdete Mädchen circa 1 000 und 2 Fälle von Strafbarkeit.
Ungarn: 2012. 170 – 350 Frauen mit FGM und sonst keine Daten verfügbar.
Niederlande: 2013. Frauen mit FGM: 29 210 und  40 – 50g efährdete Mädchen jedes Jahr. Eine Strafbarkeit ist bekannt.
Schweden: Keine Daten verfügbar, dafür 2 Strafbestände.
Im Vereinigten Königreich lag 2007 die Zahl der Frauen mit FGM bei 65 790. Die unglaubliche Zahl von 30 000 gefährdeten Mädchen ist erschreckend hoch.

Nun eine Auflistung der Länder in denen die Genitalverstümmelung praktiziert wird. Die Angaben sind in Prozent der Frauenanteile in den jeweiligen Ländern.

Ägypten: 87%
Äthiopien: 65%
Benin: 9%
Burkina Faso: 76%
Côte d’Ivoire: 37%
Dschibuti: 93%
Eritrea: 83%
Gambia: 75%
Ghana: 4%
Guinea: 97%
Guinea-Bissau: 45%
Indonesien: 49%
Irak: 8%
Jemen:19%
Kamerun: 1%
Kenia: 21%
Liberia: 44%
Mali: 83%
Mauretanien: 67%
Niger: 2%
Nigeria: 18%
Senegal: 23%
Sierra Leone: 86%
Somalia: 98%
Sudan: 87%
Tansania:10%
Togo: 8%
Tschad: 38%
Uganda: 1%
Zentralafrikanische Republik:24%

Foto: Google

Punkt 2: Frühehen

Zwangsehen mit minderjährigen Mädchen oder der Menschen als Wegwerfartikel.

Um eines gleich vorweg zu nehmen, mir ist durchaus bewusst das es auch Zwangsehen mit Jungen gibt. Diese sind in der weltweiten Statistik mit unter 1% angeführt.

In den meisten Ländern gilt man zwar erst ab 18 Jahren als „ehemündig“, aber in vielen Ländern gibt es eine Reihe von Ausnahmen, wenn zum Beispiel die Eltern oder ein Gericht zustimmen. Das ist problematisch, da es häufig die Eltern sind, die die Ehe arrangiert haben. In einigen Ländern gibt es außerdem ein unterschiedliches Mindest-Heiratsalter für Mädchen und für Jungen. Wie so oft ist außerdem die Frage, ob auf dem Papier bestehende Gesetze auch wirksam durchgesetzt werden. Gesetze gegen Kinderehen sind also wichtig, aber nur ein Element von vielen zur nachhaltigen Bekämpfung von Kinderehen.

Lückenhafte Gesetze zum Schutz vor Kinderehen gibt es übrigens nicht nur in Ländern des globalen Südens: In einigen US-Bundesstaaten sind beispielsweise Kinderehen in Ausnahmen erlaubt. Auch in Deutschland war bis vor kurzem eine Heirat ab 16 möglich, wenn das Familiengericht zustimmte – diese Regelung wurde erst 2017 geändert und auf 18 Jahre erhöht.

Was nun folgt ist die brutale Realität in der ein Mädchenleben nichts wert ist und in der Frauen keine Rechte haben, wie ich es an der Situation von Pakistan zeigen werde. Ich verzichte bewusst auf Fotos von verbrannten und getöteten Kinder.

In Pakistan dürfen Männer minderjährige Mädchen heiraten, sobald sie ihre erste Periode hatten. Dies hat ein Gericht im Februar 2020 in der Stadt Sindh entschieden und verstößt damit gegen das Verbot von Kinderehen, welches die Vereinten Nationen in der Resolution 61/144 Verabschiedet auf der 81. Plenarsitzung am 19. Dezember 2006 verabschiedet hat.
Das Gericht in Pakistan hat auf Grundlage der Scharia entschieden. Die Scharia ist das islamische Recht, dass sich auf die Lehren des Korans bezieht. Da die Scharia im Islam die Ordnung Gottes repräsentiert, steht sie für strenggläubige Muslime über dem Gesetz.
Der Rechtsspruch wurde durch das Höchste Gericht in Sindh, einer der vier pakistanischen Provinzen, am 3. Februar 2020 verkündet. Er war das Ergebnis einer Klage, bei der ein 14-Jähriges katholisches Mädchen zur Konvertierung zum Islam und anschließender Kinderehe gezwungen wurde.
Diese Urteil verstößt gegen geltendes Völkerrecht.

Um zu beweisen, dass die Eheschließung ungültig und illegal war, zeigten die Eltern des Mädchens die Taufurkunde und eine Schulbescheinigung bei der Anhörung vor. Beide Beweise bestätigten, dass ihre Tochter zum Zeitpunkt der Ehe noch minderjährig war. Die Familie berief sich in ihrer Klage auf das Verbot von Kinderehen, dass das Höchste Gericht in Sindh 2014 verabschiedet hatte. Entgegen dieser Rechtslage entschieden die Richter, dass die Eheschließung zwischen dem Mädchen und ihrem Mann nach der Scharia rechtsgültig sei, da das junge Mädchen ihre erste Periode bereits hatte.

Wie Frauenverachtend das patriarchalischen Denken am Beispiel Pakistans ist, zeigt der nachfolgende Text.


Ein sechsjähriges Mädchen wurde vergewaltigt, gefoltert und mit einem Stein zu Tode geprügelt, bevor man ihren Körper im Müll fand. Ein 5-jähriges Mädchen in Südpakistan wurde vergewaltigt, auf den Kopf geschlagen und in Brand gesteckt. Eine Frau im Osten des Landes wurde aus ihrem Auto gezerrt und auf der Straße vor ihren Kindern sexuell missbraucht.
Wie in Indien werden auch in Pakistan Neugeborene auf Müllhalden entsorgt oder verkauft, weil sie Mädchen sind. Sie sind ungewollt, überflüssig – Müll eben. Oft werden sie direkt nach der Geburt von den Hebammen in einem Müllsack entsorgt.
Mädchen werden täglich brutal vergewaltigt und anschließend umgebracht und einfach auf einer Müllhalde weggeworfen. Wenn Opfer überleben werden diese oft wie Kriminelle behandelt oder für die sexuellen Angriffe verantwortlich gemacht.

Ein weiter Bericht zeigt, dass Mädchen und Frauen in Pakistan keinen Wert darstellen. So eurde ein 16-jähriges Mädchen lebendig verbrannt, weil sie einen Heiratsantrag abgelehnt hatte.

In Pakistan gibt es jedes Jahr Tausende Fälle von Gewalt gegen Frauen, von Vergewaltigungen und Säureangriffen. Das gezielte abtreiben weiblicher Föten, das Töten und Aussetzen geht täglich bis zum Ehrenmord.

Hunderte von Kindern werden in Pakistan jährlich ausgesetzt. Andere werden gleich getötet und entsorgt. Viele sind das Ergebnis einer Vergewaltigung, manchmal vom eigenen Ehemann oder dessen Familienangehörigen. Die Kinder dürfen nicht leben, weil sie unehelich sind, weil sie daran erinnern, wie sie gezeugt wurden, weil sie ein lebender Beweis wären. Niemand will sie haben.

Die pakistanischen Medien veröffentlichen regelmäßig Berichte über die brutale Vergewaltigung und Ermordung von Mädchen und Frauen.
Immer wieder kommt es in Pakistan zu Protesten, wie im Falle der Entführung, Vergewaltigung und Ermordung eines 10-jährigen Mädchens aus Islamabad. Nachdem sich das Mädchen in einem Park verirrt hatte, in dem sie spielen ging, wurde die Leiche gefunden und das Foto ihres Körpers, das in den sozialen Medien verbreitet wurde, zeigte Anzeichen von Folter. Obwohl die pakistanischen Gesetze die Rechte und Freiheiten von Frauen unterstützen, werden sie nicht umgesetzt. Als sich die Familie an die Polizei wandte, um den Fall ihrer Entführung zu melden, spielte die Polizei die Vermisstenanzeige herunter, dass 10-jährige Mädchen sei nur davongelaufen. Nach der Untersuchung des Leichnam wurde bei dem Mädchen inneren Blutungen durch Vergewaltigung festgestellt. Daraufhin verhaftete die Polizei einen nahen Verwandten von dem Mädchen und auch drei Polizeibeamte. Den Polizeibeamten konnte Fahrlässigkeit nachgewiesen werden, aber auch nur, weil Menschen nach dem Mord an dem Mädchen auf die Straße gingen.

Laut der pakistanischen Kinderschutzorganisation Sahil wurden in den ersten sechs Monaten des Jahres 2020 durchschnittlich mehr als acht Kinder täglich sexuell missbraucht. In seinem im September 2020 veröffentlichten sechsmonatigen Bericht „Cruel Number“ berichtete Sahil, dass allein bis Juni dieses Jahres 497 Kinder sexuell missbraucht wurden. Laut Sahil wurden 38 Kinder getötet, nachdem sie sexuell missbraucht worden waren.

Im August 2020 sorgte ein Mord an einem sechsjährigen Mädchen in für Empörung. Sie wurde vergewaltigt, gefoltert und mit einem Stein zu Tode geprügelt, bevor ihr Körper in einen Sack gesteckt wurde.

Ein 5-jähriges Mädchen in Südpakistan wurde vergewaltigt, auf den Kopf geschlagen und in Brand gesteckt. Das Mädchen wurde am 04. September 2020 entführt, nachdem es in einem Geschäft in der südlichen Hafenstadt Karachi Kekse gekauft hatte, teilte die Polizei mit. Ihre Leiche wurde zwei Tage später gefunden und eine Autopsie ergab, dass sie sexuell angegriffen worden war. Die Polizei hat in dem Fall mehr als 20 Verdächtige festgenommen.

Studien zur Gewalt gegen Frauen schätzen, dass alle zwei Stunden eine Frau in Pakistan vergewaltigt wird. Etwa 70 bis 90 Prozent der Frauen leiden unter häuslicher Gewalt. Nur 5 Prozent der missbrauchenden Ehemänner und Familienmitglieder werden überhaupt verurteilt. Oft werden die Opfer auch von ihren eigenen Familienangehörigen gezwungen zu schweigen oder sie werden bestraft.

Eine Frau wandte sich an ihren Schwiegervater, als ihr Ehemann sie schlug, aber dieser befahl stattdessen, sie zu verbrennen, nachdem ihr Ehemann sie beschuldigt hatte, weniger als 35 Dollar aus seiner Brieftasche gestohlen zu haben. Ihr Mann und ihr Schwager übergossen sie mit Öl und zündeten sie lebendig an.
Allein in den letzten acht Jahren wurden in Islamabad viertausend Frauen von ihren Familienmitgliedern in Brand gesteckt und weniger als 4 Prozent überlebten. Die Mehrheit der Opfer war zwischen achtzehn und fünfunddreißig Jahre alt und ungefähr 30 Prozent waren schwanger.

Auch werden Mädchen und Frauen unter dem bloßen Vorwurf getötet, „illegale“ sexuelle Beziehungen eingegangen zu sein. Sie erhalten nie die Gelegenheit, ihre Version der Behauptung zu geben, da dies keinen Sinn macht – die Behauptung allein reicht aus, um die Ehre eines Mannes zu beschmutzen, und sie reicht daher aus, um die Ermordung der Frau zu rechtfertigen.

Nach dem Gesetz, das das Parlament im März 2020  verabschiedet hat, kann jeder, der ein Minderjährigi entführt, vergewaltigt oder ermordet, mit lebenslanger Haft oder Todesstrafe rechnen. Aber bisher sei niemand nach den Gesetzen strafrechtlich verfolgt worden.

Naike Juchem, 1. Oktober 2020

Quellen:
Afghan Women’s Network, Global Citizen, Terres des hommes, UNICEF, WHO.