Archiv der Kategorie: Transgender

Menschenrechte sind nicht automatisch Menschenrechte

Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.

So steht es im 1. Artikel der AEMR (Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte)

Autorin: Naike Juchem

Am 10. Dezember vor 72 Jahren wurde dieser entscheidende und wichtigste Artikel in der Charta der UN (Vereinte Nationen) als Resolution der Generalversammlung im Palais de Chaillot in Paris verabschiedet und festgelegt.

Vor 72 Jahre wurde die Menschenrechtscharta verabschiedet und seit 2011 haben die Vereinten Nationen 193 Mitgliedersstaaten. Man sollte davon ausgehen, dass jeder dieser Staaten jene Charta schon einmal gelesen hat und auch bestrebt ist, diese einzuhalten. Leider ist dies bis heute nicht der Fall. Ob nun von staatlicher oder zivilen Seite aus, Hass, Verfolgungen und Mord gibt täglich gegen LSBTI’s.
Ob nun Afghanistan, Ägypten, Albanien, Angola, Bahrain, Belarus, Brasilien, China, Griechenland, Iran, Jemen, Liberia, Pakistan, Russland, Sudan oder Türkei, um nur mal einige Staaten zu nennen, wo Menschenrechte nicht all zu sehr genau gesehen werden.
Verfolgungen von Minderheiten – ob ethische oder sexuelle sind an der Tagesordnung. Diese reichen von Diskriminierung über Verurteilung bis hin zu Hinrichtungen.

Die EU hat ihr menschenrechtliches Fundament nach und nach verscherbelt

Am 18. März 2020 jährte sich das Inkrafttreten des EU-Türkei-Abkommens zum vierten Mal. Seit sechs Jahren sorgt die EU dafür, dass tausende Menschen, die über die Türkei auf den griechischen Inseln ankommen, unter dramatischen Bedingungen in vollkommen überfüllten Flüchtlingslagern leben müssen. Seit dieser Zeit wird der Zugang zu rechtsstaatlichen Asylverfahren für die Ankommenden erschwert. Seit sechs Jahren warnen Menschenrechtsaktivist*innen vor einer Verschlimmerung der Lage in den Flüchtlingeslager und seit sechs Jahren verschlimmert sich diese täglich. Der Preis dafür, dass die Türkei einen Großteil der Flüchtlinge jahrelang von der Weiterreise nach Europa abgehalten hat, ist nicht nur ein finanzieller. Eine unausgesprochene Prämisse des EU-Türkei-Deals war von Anfang an, die mit der Schließung von Grenzen einhergehenden Menschenrechtsverletzungen gegen Geflüchtete an die Türkei zu delegieren. Nichts anderes hat die EU zuvor schon mit einigen afrikanischen Ländern gemacht, die zum Beispiel über die Zahlung von Entwicklungshilfegeldern zur Kooperation beim »Migrationsmanagement«, also bei der Verhinderung von Flucht und Migration nach Europa, gebracht wurden. Gerade nordafrikanische Länder wie Ägypten oder Libyen, von wo aus vor allem Geflüchtete aus Afrika die Überfahrt nach Europa wagen oder wagten, profitieren von Zahlungen aus Europa. Obwohl in diesen Ländern nachweislich gefoltert wird, investiert die EU in die dortigen Sicherheitsapparate, wenn dafür Flüchtlinge und Migrant*innen von der Überfahrt abgehalten werden. Diese Menschenrechtsverletzungen sahen und sehen wir immer wieder in den Medien und es wird von staatlichen Seiten nichts dagegen unternommen. Artikel 1 der AEMR wird selbst von dem höchsten Parlament in Europa nicht beachtet.

Nun ein paar Worte von Soussan Sarkosh aus dem iz3w (Informationenszentrum 3. Welt) der UN von Mai/ Juni 2020 Ausgabe 378.

„Nach der Islamischen Revolution 1979 wurde vieles verboten: Musizieren, Gesang der Frauen, Tanzen, Feste mit beiden Geschlechtern, der Konsum von Alkohol und vieles mehr. In all den Jahren seither kam es oft vor, dass die Sittenpolizei eine Wohnung stürmte, in der gefeiert wurde, egal ob es ein Kindergeburtstag war oder eine sonstige Familienfeier. Wehe, wenn Jugendliche feierten, sie wurden verhaftet und erst nach Peitschenhieben oder Geldstrafe freigelassen. Wobei nach den eigenen Bekundungen des Regimes die private Sphäre (Harim) im Islam heilig sein soll. Das öffentliche Leben ist stark eingeschränkt, Literatur, Film und Kunst unterliegen der Zensur, Zeitungen werden geschlossen. Wenn wir heute dennoch im Radio und Fernsehen Musik hören können und trotz großer Ein-schränkungen sogar Konzerte veranstaltet werden, wenn Frauen heute Sport treiben können und zu internationalen Wettkämpfen gehen, wenn Frauen farbig gekleidet und nur mit einem leichten Kopftuch bedeckt in den Straßen promenieren, verdanken wir all das dem kulturellen Kampf von mehreren Generationen junger Menschen. Viele von ihnen haben teuer dafür bezahlt: Mit Gefängnis, mit Verlust des Studien- oder Arbeitsplatzes, mit erzwungener Flucht aus dem Land – und nicht wenige sogar mit dem Leben. Macht das alles eine*n nicht wütend?“

Amsterdam Rainbow Dress Foto: Pinterest

Dies sind zwei Beispiele von „Nur“ Menschenrechtsverletzungen innerhalb der UN. Dieses Thema könnte ich auf alle 193 Mitgliedersstaaten ausweiten. Nun möchte ich aber zu dem eigentlichen Punkt kommen: die Verfolgungen von Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intergeschlechtliche Menschen – kurz LSBTI

Hasskriminalität

Um erstmal eine Einordnung zu diesem Thema zu schaffen, fange ich mit der Hasskriminalität an.
Die Hasskriminalität ist ein Oberbegriff für politisch motivierte Straftaten und umfasst Straftaten, die ebenso in der Allgemeinkriminalität begangen werden können, jedoch ideologisch motiviert sind. Das heißt, dass im Gegensatz zur Allgemeinkriminalität politisch motivierte Straftaten vor allem die demokratischen Grundwerte unseres Gemeinwesens und die Achtung der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte bedrohen.

Das Opfer wird dabei stellvertretend für eine zugeschriebene Gruppe angegriffen, d.h. die Tat gilt eigentlich der ganzen Gruppe. Werden diese Taten öffentlich bekannt, schüchtert und verunsichert dies letztlich eine ganze Gruppe. Dazu zählen auch Taten, die nicht unmittelbar gegen eine Person, sondern im Zusammenhang gegen eine Institution oder Sache verübt werden, z.B. Vandalismus und Sachbeschädigungen an einem Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen.

Erschreckende Zahlen an Übergriffe an LSBTI’s in Deutschland

Laut Bundesinnenministerium wurden für 2020 insgesamt 204 Straftaten dem zum 1. Januar 2020 neu eingerichteten Themenfeld „Geschlecht/Sexuelle Identität“ zugeordnet. Damit sind transphob motivierte Taten gemeint. Bei den dort registrierten 40 Gewaltdelikten handelte es sich in 35 Fällen um Körperverletzungen. Im Unterthemenfeld „Sexuelle Orientierung“ wurden insgesamt 578 Straftaten, davon 114 Gewaltdelikte, mit 109 Körperverletzungen registriert. Diese Taten gelten als homophob motiviert. 

Insgesamt wurden folglich 782 Straftaten von Hasskriminalität gegen LSBTI registriert, darunter 154 Gewalttaten (144 Körperverletzungen). Das ist ein Anstieg von 36% gegenüber 2019. Drei schwulenfeindlich motivierte Morde sind nicht in die Statistik eingegangen.

Laut der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine schriftliche Frage der Abgeordneten Ulle Schauws (Bündnis 90/ Die Grünen) wurden 2021 dem Unterthemenfeld „sexuelle Orientierung“ insgesamt 870 Fälle zugeordnet, davon 164 Gewaltdelikte.

Dem Unterthemenfeld „Geschlecht/sexuelle Identität“ 340 Fälle, davon 57 Gewalttaten. Aufgrund von Mehrfachnennungen können diese Zahlen nicht einfach addiert werden. So ergeben sich insgesamt 1.051 Straftaten im Bereich der Politisch-Motivierten Kriminalität Unterthemenfeld „Geschlecht/Sexuelle Identität“ UND/ODER „Sexuelle Orientierung“ registriert, davon sind 190 Gewalttaten.

In diesem Jahr gab es allein in Münster, Augsburg und Bremen drei brutale Übergriffe auf LSBTI’s. In Münster endet ein solcher Angriff auf einen Transmann tödlich. Malte C. hatte sich am Rande des CSD in Münster schützend vor eine Gruppe lesbischer Frauen gestellt, die von einem Mann bedrängt und beleidigt wurden. Dieser schlug daraufhin auf ihn ein, Malte C. schlug auf den Asphalt und erlitt ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. Er starb nach sechs Tagen im Koma an seinen Verletzungen.

Nun ein Artikel vom Auswärtigen Amt vom 18. September 22 aus Buenos Aires

Dieses Kleid ist uns eine Nummer zu groß. Das liegt aber nicht an seinem Durchmesser von fast 16 Metern. Sondern: Das „Amsterdam Rainbow Dress“ steht für all die Länder, in denen LGBTQI+ mit Unterdrückung, Verhaftung, Folter und sogar der Todesstrafe rechnen müssen. Es besteht aus mehr als 70 Flaggen – symbolisch für die über 70 Länder, in denen es bis heute strafbar ist, LGBTQI+ zu sein. Das sind mehr als 70 Staaten, in denen eine freie Selbstentfaltung und geschlechtsunabhängige Liebe immer noch gesetzlich verboten sind.

Wir finden, das muss sich ändern. Passend dazu hat Deutschland gerade gemeinsam mit Mexiko den Co-Vorsitz der Equal Rights Coalition übernommen. Aus diesem Anlass „durften“ – wenn man das bei der Symbolik des Kleides überhaupt so sagen kann – unsere Kolleg*innen in Buenos Aires das Kleid vor Ort zeigen.

Wir hoffen, dass das Kleid möglichst bald noch viel bunter ist. Denn: Wenn die betreffenden Länder ihre diskriminierende LGBTQI+ – Gesetzgebung abschaffen, werden die Landesfahnen durch Regenbogenflaggen ersetzt.


Naike Juchem, 18. September 22

Quelle:
– Auswärtiges Amt
– Bundesinnenministerium: Straf- und Gewalttaten im Bereich Hasskriminalität 2019 und 2020 (04.05.2021)
– Dr. phil. Ramona Lenz, medico international. 
– Dr. Soussan Sarkosh, Teheran
– Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) 

Diversity Day

Und schon wieder ein Tag an dem man irgend etwas gedenken soll.
Was wird diese wohl sein?

Autorin Naike Juchem

Den internationalen Frauentag oder Internationaler Aidstag ist mittlerweile fast jedem bewusst.
Der 17. Mai steht für – International Day Against Homophobia und ist seit 2005 auch so gelistet.
Kaum zu glauben, dass kaum jemand diesen Tag kennt, aber all zu oft seine „Meinung“ zu Homosexuelle, Trans- oder Intergeschlechtliche Menschen raushaut.

Braucht man einen solchen Tag ?

Braucht man überhaupt einen solchen Tag, an dem bewusst an „Anderen“ gedacht wird?
Eine einfache Antwort: Ja!
Leider braucht es diesen Tag, denn auch im 21. Jahrhundert hat sich der ein oder andere Zeitgenossen ab dem Homo rudolfensis (vor 2,5 bis 1,9 Mio Jahren) nicht besonders weiter entwickelt.
Immer noch gibt es Angriffe auf LGBT- Menschen – die hin bis zu einem gezielten Mord gehen.
Noch immer werden LGBT-Menchen diskriminiert.
Wir alle sind nur eine beschränkte Zeit auf diesem Planeten und wir alle sind Bewohner von eben diesem. Also, sollte man den „Anderen“ Menschen so respektieren wie dieser ist.

Viele Prominente Schauspieler, Musiker oder Sportler trauen sich oft nicht zu ihrer sexuellen Orientierung oder Identität zu stehen. Es ändert nichts an dem Charakter der Person, wenn er / sie sich outet.
All zu oft bricht ein Shitstome über jene Personen herein die sehr Menschenverachtend sind.

Warum wird sich plötzlich über etwas aufgeregt, was einen gar nicht selbst betrifft? Warum muss Hass verbreitet werden über Personen die man gar nicht kennt?
Weil man Anders ist? Wer setzt den Maßstab für das „Anders“?

Die BILD titelelte nach dem BGH Urteil  über den Eintrag „divers“, „NUN SIND WIR ALLE DIVERS“ – was für ein Schwachsinn! Der allgemeinen BILD Leserschaft ist aber eines völlig entgangen – es betriftt diese Leseschaft in 99,9% der Fälle noch nicht einmal!

Personen mit einer lediglich empfundenen Intersexualität können aber entsprechend nach § 8 Abs. 1 TSG erreichen, dass ihre auf „weiblich“ oder „männlich“ lautende
Geschlechtsangabe im Geburtenregister gestrichen oder durch „divers“ ersetzt wird.
So steht es in dem Beschluss vom 22. April 2020.

Also wen betrifft dies wohl?
Es wird Zeit, dass auch der letzte unterbelichtete begreift, dass eine sexuelle Orientierung oder Transidentität nicht ansteckend ist und kein Mensch seine Biologie selbst bestimmen kann. Auch nicht jene, die welches Fachblatt für Medizin, Fussball, Wetterbericht, Hass und Hetze – BILD lesen.

Es gibt Schwule, Lesben, Bi-, Inter- und Transsexuelle, die sich in Vereinen oder politischen Gremien engagieren – und dies mitunter auch sehr erfolgreich.
Der Mensch zählt in seinem Charakter und Können und nicht wen er / sie liebt.

Zeichen setzen

In vielen Städten dieser Welt werden Zeichen für die Vielfalt gesetzt. Ob nun als Fahnen, Banner oder Fußgängerüberwege.
Jeder Mensch ist individuell – und dies ist auch gut so.
Wenn man die Akzeptanz des „Anderen“ begreift und sich mit diesen Menschen unterhält – wird man feststellen, wie gleich man doch im Denken, Hobby, Sport oder wo auch immer ist.

Naike Juchem 17. Mai 2020

Was ist Trans*

Eine kleine Einordnung was Transgender oder Transsexualität ist.

Autorin Naike Juchem

Trans* , Transident, Transsexuelle, Intergeschlechtlich was tun?
Diese oder andere Begriffe sind den meisten schon einmal begegnet. Die genaue Bedeutung, und was diese geschlechtliche Identität mit sich bringt oder was diese bedeutet wissen Trans* Personen selbst am Besten. Den nur der Mensch selbst hat die Hoheit über die Definition seiner/ihrer geschlechtlichen Identität.

Alleine bei der Schreibweise kann man schon den Überblick verlieren. Mit *, mit _, mit -. Ich schreibe in diesem Artikel Transidentität, denn es wird anderen Trans* Menschen sowieso falsch sein.

In unserer Gesellschaft gibt es leider immer noch eine klare und sehr fundamentale Vorstellung von Mann und Frau. Ganz nach dem Motto „Bist du als Mädchen geboren, bist du dein Leben lang eine Frau!“
Jedoch stimmt die eigene Geschlechtsidentität, wie man sich fühlt, nicht immer mit dem biologischen Geschlecht überein. Es gibt innerhalb von Männlichkeit und Weiblichkeit sehr viel dazwischen.
Manche Menschen bezeichnen sich als „nicht-binär“, da sie sich weder in Mann noch Frau wiederfinden. Andere definieren sich als „agender“, da sie generell die Kategorisierung von Männlichkeit und Weiblichkeit als Geschlecht in Frage stellen. Wiederum gibt es andere, die sich als „gender-fluid“ bezeichnen, das bedeutet das die Geschlechtsidentität nicht festgelegt ist und sich aufgrund von Situation oder Empfinden verschieben kann. Um diese kleine Einordnung nicht in eine Enzyklopädie von hunderten an Seiten ausufern zu lassen, belasse ich es dabei. Die Welt von Menschen mit einer Transidentität ist schon schwierig genug und wird in Zeiten von “Genderwahn“ noch verstärkt.

Depressionen oder Leben

Sehr viele Menschen mit einer Transidentität trauen sich nicht an die Öffentlichkeit und leben ihre Gefühle im geheimen aus. Angst vor den Nachbarn, Angst vor der Gesellschaft, Angst vor dem Verlust der Arbeit oder der Existenz lässt diese Menschen in eine Welt abtauchen, in der sie sich selbst sein können. Dadurch kommt die Sozialevereinsammung und sehr schnell geht es in Depressionen bis hin zum Suizid.
Es gibt zum Glück in Deutschland viele Selbsthilfegruppen und Therapeuten für jene Menschen mit einer Transidentität. Nur braucht es auch den Mut diesen ersten Schritt zu gehen. Wer von selbst die Kraft für den ersten Schritt hat, steht am Anfang oft vor vielen verwunderten Blicken oder auch Fragen des Umfeld. Durch erklären, dass man bis zu diesem Zeitpunkt nur eine Rolle gespielt hat und um eben nicht in jene Depressionen hinein zu fallen, nun jener Schritt notwendig ist oder war. Nach dem Outig tritt ein völlig neues Lebensgefühl ein und ab dann fängt die eigentliche “Arbeit“ erst an.
Die Suche nach Therapeuten und Ärzten beginnt. Dies sind rechtliche Grundlagen um überhaupt mit einer Hormontherapie beginnen zu können. Menschen mit einer Transidentität müssen sich vor Krankenkassen, Therapeuten und Gutachter offenbaren um den nächsten Schritt gehen zu können. Personenstandsänderung oder auch geschlechtsangleichende Operationen dauern oft Jahre. Viele Kosten für all dies kommen dann auch noch hinzu und müssen selbst bezahlt werden.

Diskriminierung  durch Gesetze

Das deutsche Transsexuellengesetz (TSG) wurde im Jahre 1980 mit Wirkung ab 1. Januar 1981 unter dem Titel: Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen, verabschiedet und in den letzten Jahren auch immer wieder überarbeitet und angeglichen. Trotzdem sind in dem TSG sehr viele Defizite erkennbar.
Im August 2006 trat das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft, in dem es zum Ziel ist, Diskriminierungen aus ethnischen Gründen, Gründen der Religion oder Weltanschauung, aufgrund einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern und zu beseitigen. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes arbeitet nach dem „horizontalen Ansatz“, das heißt, jeder Diskriminierungsgrund ist gleich wichtig. Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetz steht: Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Soweit die Theorie. Die Praxis ist eine andere. Transgender sind der Willkür von Endokrinologen, Gutachter, Behörden und Krankenkassen ausgeliefert, obwohl es dafür die Gesetzliche Grundlagen gibt, diese aber in fast allen Fällen außer acht gelassen werden.

Viel besser sieht es in Dänemark, Malta, Irland und Norwegen aus, dort ist keine psychologische Begutachtung notwendig, wenn es um die rechtliche Anerkennung der geschlechtlichen Identität in Form von Personenstands- und Namensänderungen geht.

Heute ist jeder Transgender

„Das Aufkommen von immer mehr Transgender ist eine Neuzeitliche Mode.“ Dieser Satz ist schon völlig falsch. In der Antike wird schon über Transgender berichtet. In der Bibel steht bei Paulus an die Korinther in 5,17 oder Galater 3,28 wie auch Epheser 4,23-24 schon etwas über Transgender.
Die Kirche war mit einer der Hauptgründe, warum Menschen mit einer Transidentität verpönt, geächtet und verfolgt wurden. Die Gesellschaft hat dies aufgegriffen und weiter geführt. Menschen mit einer Transidentität werden im 21. Jahrhundert immer noch verfolgt, beleidigt, bedroht und sogar ermordet. Schätzungen zufolge wurden in den letzten 11 Jahren weltweit über 3500 Menschen mit einer Transidentität ermordet. Menschen die nicht Gewalttätig, Krank oder Verrückt sind. Die Wissenschaft geht von 1% der Weltbevölkerung aus, die eine Transidentität haben und das Verhältnis von Frau zu Mann, wie auch umgekehrt ist 1:1.

Transgender sind krank

„Transgender sind krank.“ Nein!
Nach dieser Schlussfolgerung wären Linkshänder, Kurz- oder Weitsichtige, oder gar Gehörlose krank.
Kein Mensch kann seine eigene Biologie beeinflussen. Das es zu ungleichmäßigen Geschlechtschromosomen kommt, ist eine Laune der Natur. Es gibt auch Große, Kleine, Dicke, Dünne Menschen und eben auch welche die Transidentitär sind. Es ist kein Verbrechen, keine Phase und erst recht keine Modeerscheinung.

„Trans* sein ist eine sexuelle Orientierung.“ Auch dies ist einer der Vorurteile der Gesellschaft. Es geht um Identität und nicht darum was man liebt.

„Transgener leben am Rand der Gesellschaft.“ Diese Aussage stimmt auch nicht. Menschen mit einer Transidentität leben IN der Gesellschaft, nur fallen diese Menschen nicht auf, oder wollen auch gar nicht auffallen. Transgender spielen keine Rolle wie zum Beispiel Olivia Jones – sie ist eine Travestiekünstlerin.
Transidentitäre Menschen sind in der Politik, bei der Bundeswehr, Lehrer, Selbständige Handwerker, Ingenieure, Models, bei Film und Radio. Also, ganz normale Menschen die ihren Alltag gestalten.
Vielleicht war der nette Mann am Bankschalter vorher eine Frau, oder die freundliche Bedienung im Restaurant ein Mann? Wer weiß es? Es zählt der Mensch einem gegenüber und nicht das Geschlecht.

Viel Fragen und kaum eine richtige Antwort

Viele Menschen mit einer Transidentität haben bereits aus ihrer Kindheit oder Jugend Erinnerungen daran, dass sie sich nicht mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren können. Dies kann zum Beispiel ein Mädchen sein, das nie mit „typischen“ Mädchendingen spielte oder Mädchenkleidung tragen wollte. Andere Menschen wiederum fühlen sich als etwas „Andersartiges“ oder „Falsches“, da das persönliche Empfinden von Geschlecht nicht mit dem körperlichen Empfinden übereinstimmt.
Ist das persönliche Umfeld nicht auf dieses Thema vorbereitet oder sanktioniert das Ausbrechen aus der vorgesehenen Geschlechterrolle, sprechen transidentitäre
Personen oft jahrelang nicht darüber oder schämen sich dafür. Der Mensch kann solche Gedanken und Gefühle bis zu einem gewissen Grad verdrängen. Erst wenn der Innere Druck so stark wird und es kaum noch ein zurück gibt und die Selbsterkenntnis eine Trans*Person zu sein, erfolgt dies meist über Schlüsselerlebnisse wie zum Beispiel der Kontakt mit geouteten Transgender, einem Film oder Dokumentation aus dem Fernsehen oder der Lektüre eines Buches zum Thema.
Der erste Schritt ist das innere outing, was bedeutet für sich persönlich festzustellen: „Ich bin trans*“ oder „Ich bin eine Frau, ein Mann oder definiere mich dazwischen“. Darauf folgt das äußere Outing, welches die öffentliche Mitteilung der Selbstdefinition im sozialen Umfeld, Schule oder Arbeitsplatz bedeutet sowie Veränderungen im Aussehen und/oder der Kleidung. Hierbei ist es hilfreich mit anderen Transgender ein solches Outing vorzubereiten oder Fachpersonal aus Beratungsstellen als Unterstützung einzubeziehen.

Das soziale Outen ist schließlich das „Ankommen“ und der komplette Wechsel in die gewünschte Identität. Je nachdem wie das soziale Umfeld auf das Thema reagiert oder bereits sensibel ist kann dieser Weg einfach oder auch mit kleinen Stolpersteinen verlaufen. Diese sind jedoch durch eine Vertrauensperson zu meistern und es lohnt sich diesen Weg zu gehen.
Beratungen für dieses Thema gibt es mittlerweile genügend. Queernet, dgti e.V., Bundesverband Trans*. In den ersten Gesprächen merken Betroffene schon, dass sie NICHT alleine sind und oft andere Transgender in der Nähe wohnen.

Naike Juchem, 20. Januar 2019

Foto: privat