„Brecht den Krieg ab und stellt die deutschen Feindschaften ein. Die innere Feindschaft richtet uns zugrunde.“
Autorin Naike Juchem
Stromberg, die Stadt der drei Täler, drei Burgen und drei Bäche – der Welsch-, Dörre- und Guldenbach. Die kleine historische Stadt liegt am südöstlichen Rand des Hunsrücks. Im Westen befindet sich der Soonwald und im Norden der Binger Wald. Stromberg zählt heute circa 3200 Einwohner und die erste Besiedlung wird bereits in der Jungsteinzeit angesehen.
Marianne Wilbert Marktplatz in Stromberg
Stromberg liegt an einer historischen Römerstraße die von Bingen nach Trier führte und wurde erstmals im Jahr 1056 erwähnt.
Am 9. Dezember war eine Nachtwächter Führung in Stromberg im Hunsrück. Geführt und in Mundart vorgetragen vom Marianne Wilbert.
Mimi und Mira waren natürlich dabei
Marianne Wilbert führte die kleine Gruppe von circa 20 Besucher sehr ausführlich durch die Geschichte von dem kleinen Ort im Hunsrück.
Geschichte ist sehr interessant, wenn man die Geschichten von Häuser, Plätze – oder gar Luftschutzbunker kennt. Letzteres war im der Führung nicht enthalten. Dazu später mehr.
Der Start der Führung begann auf dem historischen Marktplatz. Dort steht eine Figur des hl. Jakobus in Pilgertracht. Diese wurde 1780 von dem Mainzer Barockbildhauer Johann Matthäus Eschenbach geschaffen.
Der hl. Jakobus in Pilgertracht auf dem Marktplatz
Über die Marktstraße ging es in die Gerbereistraße zum ehemaligen Forsthaus, wo heute das Heimatmuseum untergebracht ist. Dort kann man mittelalterlicher Relikte und Schriftstücke des 16.-20. Jahrhunderts betrachten. Das Haus stellt eine komplett eingerichtete Uhrmacherwerkstatt, die »Gute Alte Stube«, Omas Küche, Schlaf- und Wohnzimmer aus dem frühen 19. Jahrhundert aus.
Altes Forsthaus
Marianne Wilbert erzählte sehr ausführlich von den einst 20 Gerber im Ort und deren Lederherstellung. Bei Bauarbeiten in den 1990er Jahren wurde ein sehr gut erhaltener Gerber-Bottich gefunden, welcher heute in der Straße „Im Zwengel“ steht.
Staatsstraße Nummer 5
An der „Staatsstraße 5“ steht die ehemalige Posthalterei. 1779 wurde dem Stromberger Johann David Sahler vom Fürsten Thurn und Taxis die offizielle Festhalterei verliehen – also eine Poststadion. In dem Bereich von dem Haus wurden die Pferde getauscht oder getränkt.
Im Gasthaus „Zur Post“ konnte man sich von den Strapazen der Reise erholen oder eine Herberge für eine Übernachtung der Weiterreise finden.
Die St. Jakobus Kirche
Die St. Jakobus Kirche an der Rathausstraße aus dem Jahr 1863 ist im neugotischem Stil nach den Plänen des Kölner Dom-Baumeisters Vinzens Stahts aus behauenem Stromberger Kalkstein errichtet.
Zwischen der „Rathausstraße“ und „Im Zwengel“ sprach Frau Wilbert über die mittelalterliche Fustenburg, oder auch Stromburg genannt. Nach der Legende wurde im Jahre 1574 auf jener Burg der »Deutsche Michel« Hans Michael Elias von Obentraut geboren und auch dort seine Jugend verbraucht haben. Im Dreißigjährigen Krieg erwarb sich Obentraut als Reitergeneral Achtung und Anerkennung auf dem Schlachtfeld.
Die Stromburg
Er starb am 25.Oktober 1625, auf dänischer Seite kämpfend, in der Schlacht gegen Tilly bei Seelze. Der Überlieferung nach ließ Tilly daraufhin das Gefecht abbrechen und begab sich zu dem sterbenden Obentraut, um dessen Heldenmut ein letztes Mal zu ehren. Obentraut soll schwerst verletzt mit letzter Kraft gesagt haben: „Brecht den Krieg ab und stellt die deutschen Feindschaften ein. Die innere Feindschaft richtet uns zugrunde.“
Womit nun die Redewendung für Aufrichtigkeit, Ehrenhaft und Tapferkeit für den »Deutschen Michel« geklärt wäre.
Gerber-Bottich
„Im Zwengel“ kamen wir an dem alten Gerber-Bottich aus dem 18. Jahrhundert vorbei, welcher bei Bauarbeiten in den 1990er gefunden wurde.
In der „Schloßstraße“ steht einer der ältesten Häuser von Stromberg.
Luftschutzbunker
Anm. Ich sprach während der kleinem Tour mit verschiedenen Leuten, so auch mit Herr Fuchs, der auch sehr vieles über den Ort wusste und auch sehr viele Chroniken hat.
Auf dem Weg zurück in den Ortskern, sah ich rechts einen Felsen mit einer Tür. Ich dachte an eine Bunkertür. Konnte mir aber nicht erklären, wofür diese Tür sei und ob mein Vermutung richtig war. Wahrscheinlich konnte Herr Fuchs meine Gedanken lesen und erzählte mir, dass er neben diesem Luftschutzbunker wohne und er sich für eine touristische Besichtigung einsetzt. Herr Fuchs sagte mir, dass mit dem Baubeginn erst 1944 begonnen wurde und die Frauen aus dem Ort mit Karren den Abraum aus dem Berg geschafft hätten. Als im Mai 1945 der Krieg zu Ende war, wurde der weiteren Ausbau von dem Bunker eingestellt.
Alles in allem war es eine sehr schöne abendliche Tour zur einen Ort, den ich so nicht kannte.
Der 9. und 10. November 1938 liegt nun 84 Jahre zurück und viele Menschen in Deutschland wissen oder wollen nicht von jenen zwei Tagen verstehen.
Autorin Naike Juchem
Im November 38 gipfelte der Hass gegen Menschen, welche einen anderen Glauben hatten. Eine andere Herkunft war es in den allermeisten Fällen nicht, denn jene Menschen wurden in Deutschland geboren und dies war ihre Heimat. Den Hass den die NSDAP über ihre Propaganda in die Köpfen der Menschen brachte, nahm seinen Lauf.
Synagogen, Häuser, Wohnungen und Geschäfte wurden zerstört oder in Brand gesetzt. Die Kristallnacht ging in die Geschichte ein und es war der Beginn der dunkelsten Epoche von Europa und Deutschland sowieso. Menschen wurden deportiert, gequält und brutal ermordet. Die „ethnische Säuberung“ von Deutschland und Europa begann.
Zerstörte Synagoge in Bensheim
Durch eine Wahn aus Dummheit, Fanatismus und blinden Hass starben bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs geschätzte 70 Millionen Menschen! Und Europa lag in Schutt und Asche. Wofür dies alles?
Wir schreiben das Jahr 2022 und sehen den Europaweiten Rechtspopulismus immer weiter aufsteigen. In Deutschland zeigt die AfD öffentlich ihr hässliches Gesicht und sieht sich selbst als die Alternative für Deutschland. Wo blinder Hass hingeführt hat, können wir alle nachlesen. Ob in den Niederlanden, Frankreich, Polen, Ungarn, Österreich oder auch Italien, sehen wir Rechtspopulistische Parteien und wie ihnen zugejubelt wird. Wollen diese Menschen wirklich zurück ins Jahr 1938? Die Parolen jener Parteien sind die gleichen wie einst von Hitler, Göbbels oder Mussolini. In der Diktatur von Mussolini kamen ungefähr ein Million Menschen ums Leben. Dies ist bis heute noch nicht ins kollektive Bewusstsein der Italiener gelangt.
In den letzten Jahrzehnten hat sich auch in Deutschland der Fremdenhass langsam und stetig ausgebreitet. Häuser wurden angezündet, Menschen auf offener Straße verfolgt, angegriffen und gar ermordet. Der Hass den die Rechtspopulisten über ihre Propaganda in die Köpfen der Menschen bringt, nimmt seinen Lauf.
KZ Gedenkstätte Dachau
Ich möchte nun eine Begegnung zeigen welche bereits 29 Jahre zurückliegt und mir wohl für immer im Gedächtnis bleiben wird. Der folgende Text wird so in einem Buch erscheinen, welches ich am schreiben bin. Ich schreibe dieses Buch unter dem Pseudonym Hannes.
München 1993
Im Mai 1993 traf ich eine Frau die den Holocaust überlebte und war mit ihr und ihrem Mann im KZ Dachau.
An Dienstagnachmittag waren sie am Viktualienmarkt und kamen spontan auf die Idee ins Kino zu gehen. Am Isartor fanden sie ein Kino welches geöffnet hatte. Im Aushang sahen sie sich die Plakate für die Filmvorführung an. Das Plakat von Schindler´s Liste fiel ihnen ins Auge. „Willst du in diesen Film?“ Hannes sah zu Nescha und zog die Schultern hoch „Ich weiß nicht. Die anderen Filme interessieren mich nicht besonders.“
Mit Nescha schaute er über drei Stunden die Abgründe der Deutschen Geschichte. Der Saal im Kino war etwa um die Hälfte besetzt. Diesen Film in einer vollkommenen Ruhe zu sehen, wirkte auf beide. Kein rascheln, kein räuspern – nichts. Nur stille.
Nach dem Film mussten Nescha und Hannes sich erstmal sammeln. Sie standen im Foyer des Kinos und waren Sprachlos – die Bilder wirkten nach. An einem Stehtisch neben ihnen erging es einem älteren Ehepaar genau so. Sie kamen mit dem Ehepaar ins Gespräch. Nach einiger Zeit verließen die vier das Kino und gingen in die Stadt einen Cappuccino trinken. In den Gesprächen kam Nescha auf ihre Berufe und Einsätze in Kambodscha zu sprechen. Die älteren Herrschaften hörten sehr aufmerksam zu und stellten viele Fragen. Rosemarie und Paul Herrmann waren sehr angenehme Menschen. Es wurde immer später und die Gespräche nahmen kein Ende, so ging die kleine Gruppe in ein Restaurant in der Nähe der Heiliggeistkirche.
Beim warten auf das bestellte Essen merkte Hannes, dass Rosemarie seit länger Zeit etwas bedrückte und sie offensichtlich nicht wusste wie sie es sagen sollte. Immer wieder sah sie zu Paul und dann sagte sie unverhohlen in die kleine Runde, dass sie Jüdin sei und ein KZ überlebt habe. Die Worte von Rosemarie traf Nescha und Hannes wie ein Faustschlag ins Gesicht. Da waren sie nun seit fünf Stunden mit diesen beiden Herrschaften unterwegs und dann kam so ein Schlag. Rosemarie erzählte von ihrer Kindheit, von der Willkür der NSDAP, die Demütigungen und auch von der Deportation. Hannes hatte das Gefühl, als ob sein Hirn einfror. Einen Film zu schauen war etwas ganz anderes als wenn ein Mensch gegenüber sitzt und das Leben – sein Leben erzählt. Es wurde ein sehr langer Abend und man verabredete sich für den nächsten Tag. Der Besuch im KZ Dachau.
Hannes lag auf dem Sofa von Nescha und konnte nicht einschlafen. Nescha kam zu ihm ins Wohnzimmer. „Bist du noch wach?“ „Ja. Nescha, wir stehen vor der Ohnmacht der Geschichte und wissen nicht wie wir damit umgehen sollen. Du und ich kennen die Orte der Killing Fields in Kambodscha. Vor drei Jahre sagte ich zu Patricia, ich weiß nicht wie ich reagiere, wenn ich beim graben mit dem Bagger ein Massengrab finde. Dieser Alptraum ließ mich lange nicht los. Zum Glück fahre ich heute kein Bagger mehr, aber was ist, wenn andere aus meinem Team auf ein solches Grab stoßen? Weiter machen? Wir müssen den Zeitplan einhalten. Wie gehe ich damit um?“ Nescha setzte sich zu ihm und umarmte ihn. Sie suchte nach Worten und schüttelte immer wieder stumm den Kopf „Hannes, mir fehlen gerade die Worte. Wir beide haben in Kambodscha wahrlich genug an Armut und Tod gesehen. Ist es eine gute Idee mit den beiden heute nach Dachau zu fahren?“ Hannes zog die Schultern hoch, er wusste es auch nicht. „Zuviel was wir nicht begreifen können. Zuviel an Demut, Schuld und Scham. Zuviel an Fragen.“ „Nescha, was können wir beide für diese dunkelste Epoche von Deutschland? Du kommst aus der Schweiz und ihr hatten nicht all zu viel mit dem Nationalismus zu tun. Wir sitzen hier mit unserer Jugend und reden über etwas, an dem wir gar nicht Schuld sind und trotzdem haben wir Schuldgefühle. Können wir den Genozid in Kambodscha begreifen? Diese Gräueltaten waren um ein vielfaches mehr, als das was wir von den Nazis kennen. Die Auswirkungen haben wir beide mehr als genug gesehen. Ich bin viel in dem Land unterwegs und sehe fünfzehn Jahre später noch diese grausamste Epoche der Roten Khmer.“ Nescha nickte. Er sah, dass ihr seine Worte oder die Erlebnisse auch zum Denken gaben. „Darf ich bei dir schlafen?“ „Natürlich. Es wird zwar etwas eng auf deinem Sofa, wird aber schon gehen.“ Nescha lag ihm gegenüber an den Füßen, so war etwas Platz für beide. Bis früh in den Morgen sprachen sie über die Ohnmacht der Geschichte, für die sie beide nichts konnten.
Um 10 Uhr fuhr Hannes mit dem VW Golf von Nescha am Hotel, am Randgebiet von München, vor. Rosemarie und Paul standen bereits am Eingang. Zusammen tranken sie noch einen Kaffee auf der Terrasse. Nescha sprach offen die Gedanken der vergangenen Nacht an „Rosemarie, willst du wirklich nach Dachau fahren? Wir müssen dort nicht hin. Wir beide hatten diese Nacht noch sehr lange über den Film und die Ohnmacht vor der Geschichte gesprochen. Hannes sieht es auch wie ich, wir müssen nicht nach Dachau.“ Mit fester Stimme sagte Rosemarie „Ich will abschließen. Seit Jahren quäle ich mich und nie hatte ich den Mut der Vergangenheit zu begegnen. Der Film von gestern war ein kleiner Schritt, auch wenn es sehr weh getan hat. Dann haben wir euch getroffen. Ihr seid auf der Welt unterwegs im Einsatz für Menschen und seht auch genügend Leid und Tod. Ihr beide versteht es besser als jeder andere Mensch auf der Welt. Mit euch schaffe ich diesen letzten Schritt.“
Es gibt Momente die prägen ein ganzes Leben. Die Begegnung mit Rosemarie zählt dazu. Nescha nickte Hannes zu „Okay, wir gehen mit dir diesen letzten Schritt.“
Hannes fuhr aus München die 20 Kilometer nach Dachau. Je näher er diesem Ort kam, umso größer wurde die Angst in ihm. Was, wenn Rosemarie dies nicht schafft? Er dachte an einen Nervenzusammenbruch oder gar an einen Herzinfarkt. Als Medizinstudentin könnte Nescha sofort Erste Hilfe leisten, wenn die Sorgen von Hannes bei Rosemarie eintreten sollten. Im Rückspiegel sah er Rosemarie und Paul Hand in Hand sitzen. Eine surrealistische Situation. Wie ein junges Liebespaar, dass sich nicht traut sich zu küssen und trotzdem vom Leben gezeichnet und dennoch fest entschlossen war einen unglaublich schweren Weg zu gehen.
Die Wegweiser zum KZ kamen immer häufiger, der Puls von Hannes war an seiner Belastungsgrenze und er hörte sein Herz schlagen. Auf dem Parkplatz angekommen, sah Nescha zu Rosemarie und Paul „Wir müssen dort nicht hin!“ „Doch! Für euch. Für mich und für die Zukunft.“
Nescha nahm die Hand von Hannes. Auch für sie war es eine Belastung. Jeden Schritt näher zu diesem Ort war ein Schritt in die Ohnmacht der Geschichte. Auch wenn Dachau kein Vernichtungslager war, die Grausamkeiten, die Entgleisung der Menschlichkeit war spürbar und zu sehen: Die Gebäude, Skulpturen, Erinnerungstafeln, die Krematorien.
Mit einer Gruppe von ungefähr 30 Personen wurden sie durch die Anlage geführt. Sie vier, eine Schulklasse der Oberstufe eines Gymnasium aus Unterfranken und noch drei Ehepaare. Der Mann der die Führung machte, erklärte sachlich und ruhig. Er beantwortete Fragen aus der Gruppe und tat dies mit dem allergrößten Respekt an die Opfer von dem Nationasoziallismus. Mit der Zeit merkte die Gruppe, dass Rosemarie mit dem Mann länger sprach und auch sie das ein oder andere beitragen konnte. Irgendwann merkte die Gruppe, dass Rosemarie keine gewöhnliche Touristin war und so bildete sich eine kleine Traube von Menschen um Rosemarie. Rosemarie kamen bei den Erzählungen aus ihrer Kindheit immer wieder die Tränen und Nescha fragte wie es ihr geht. Von der Gruppe kaum beachtet, hielt Nescha die Hand von Rosemarie und fühlte unauffällig – aber gekonnt ihren Puls. Hannes sah in die Augen von Nescha und diese sagte ihr, dass alles in Ordnung sei.
Nach dieser doch sehr speziellen Führung zeigten die anderen aus der Gruppe ihren sehr großen Respekt und stellten auch Fragen an Rosemarie. Auf einer der Bänke auf dem Gelände saß Rosemarie, Nescha und Paul. Rosemarie beantwortete ruhig die Fragen der anderen. Hannes stand hinter der Bank und beobachtet die Regungen der Jugendlichen und Erwachsenen auf die Schilderungen von Rosemarie. Es tat ihr gut, unter dieser Anteilnahme von Ehrfurcht und Respekt mit ihrer Vergangenheit endlich abschließen zu können. Trotz der angenehmen Temperatur an diesem Tag, war es Hannes kalt. Was Menschen in ihrem Leben erlebt hatten, war für ihn schwer zubegreifen. Er dachte an die Bilder von Kampang Rou im Januar 90. Er sprach mit Patricia von einem realen Alptraum. Ein Kinderkarussell war dies gegen das Erlebte von Rosemarie.
Auf dem Rückweg zum Hotel bedankte sich Rosemarie und Paul immer wieder bei ihnen und ließ es sich nicht nehmen, beide zum gemeinsam Essen einzuladen.
Heute stehe ich in Sinsheim. Vor vier Jahren war ich mit einem Übersee Container aus Hamburg bei der Firma Sea-Club. Ich hatte die Schachtel voll mit Kartons aus Südostasien. Die Firma Sea-Club ist ein Großhändler für alles was irgendwie mit Maritim zu tun hat.
In der Zeit, wo die Männer den Container leer geräumt hatten, ging ich mich duschen. Auf dem Weg zur Dusche sah ich im Flur zum Büro einige Segelschiffmodelle in einem recht großen Maßstab stehen. Die Rickmer Rickmers, welche in Hamburg an den Landungsbrücken liegt, fiel mir sofort ins Auge.
Nach dem duschen sprach ich mit dem Inhaber, Herr Elzer, über jenes Schiff. Auch stand ein Modell der Flying-P Liner, die Passat, im Flur auf einem Sidebord. Ich quatschte Herr Elzer über jenes Schiff dermaßen zu, dass er meinte, ich käme aus Hamburg. Ich stellte ihm meine Passion zu Segelschiffen klar und das ich aus dem Hunsrück komme.
Damals schenkte er mir die USS Constitution. Sie ist das älteste noch seetüchtige Kriegsschiff der Welt und nach der HMS Victory das zweitälteste, welches noch in Dienst steht.
Wie schon geschrieben, bin ich heute in Sinsheim und schaute bei der Firma Sea-Club vorbei. Ich sagte Herrn Elzer, dass ich bereits vor 4 Jahren bei ihm abgeladen hatte und wollte mal fragen, ob er mir ein Schiff verkaufen würde.
Die HMS Victory
Gemeinsam gingen wir ins Lager und er schaute, welche Muster er hat. Einsam und verlassen stand der Dreidecker, Dreimast Vollschiff HMS (His Majesty’s Ship) Victory im Regal. „Dies könnte ich Ihnen anbieten. Das Schiff ist im Einkauf zu teuer und wir haben es daher nicht ins Programm genommen.“ Meine Augen mussten wie bei einem Kind an Weihnachten geleuchter haben. Für 5 € kaufte ich dieses Schiff, welches seinen Stapellauf 1765 hatte. Die HMS Victory ist circa 70 Meter lang, knapp 16 Meter breit und hat einen Tiefgang von maximal 8,76 Meter. Mit ihren bis zu 31 Segel konnte sie um die 10 Knoten ( circa 19 Km/h) segeln. Zum Vergleich: Das jemals größte gebaute Fünfmast Vollschiff der Welt, die Preußen – eines der legendären Flying-P Liner der Reederei Laeisz aus Hamburg, schaffte eine doppelt so hohe Geschwindigkeit und hält heute noch diesen Segelrekord von Hamburg bis nach Chile. Die Bewaffnung der HMS Victory war und ist mit 104 Kanone beachtlich. Auch die Zahl der bis zu 800 Matrosen spricht für eine Superlative im ausgehenden 17. Jahrhundert.
Dieses über 260 Jahre alte Dreimast Vollschiff, war an vielen und wichtigen Seeschlachten der Royal Navy ab Juli 1778 bis 1903 beteiligt. Durch die Dreidecker Bauweise konnte quasi gleichzeitig aus „allen Rohren“ gefeuert werden.
Die HMS Victory segelte im Kriegseinsatz gegen Frankreich und Spanien im Mittelmeer und war auch an den Koalitionskriegen, bei den Westindischen Inseln (Kuba, Jamaika, Puerto Rico, Bahamas…) beteiligt. Mal als Transportschiff, mal als Geleitschutz im Ärmelkanal und Nordsee und dann wieder als Flaggschiff für Seeschlachten.
Die wohl wichtigste und entscheidenste Seeschlacht der Royal Navy war die 1805 am Südspanischen Kap Trafalgar geführt Schlacht. Wodurch die britische Vorherrschaft in Lateinamerika, Südlicher Pazifik, Südafrika und Indien begann. Und indirekt wurde mit jener Schlacht die Niederlage Napoleon auf dem europäischen Festland besiegelt.
Heute kann man das einzige Seetaugliche Dreidecker Kriegsschiff der Welt in der Südenglichen Hafenstadt Portsmouth, auch im inneren, besichtigen.
Im großen World Wide Web fand ich ein Foto und mir fielen sofort die Fahndungsplakate der RAF ein, die damals bei uns in der Post rechts an der Wand vom Schalter hingen.
Ich bin 1970 geboren und kann mich noch sehr genau an jene DIN A0 Plakate erinnern. Auch sah ich damals in der Tagesschau die Beiträge über die Entführung und Ermordung Hanns Martin Schleyers und die Entführung des Lufthansa-Flugzeugs „Landshut“.
Die Selbstmorde der inhaftierten führenden Mitglieder der ersten Generation der RAF stellten den Schlussakt der sogenannten Offensive 77 der RAF dar. Der Deutsche Herbst gilt als eine der schwersten Krisen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.
Beginnen möchte ich mit der Erklärungen der RAF vom 5. September bis 18. Oktober 1977 (Memento vom 12. März 2007 im Internet Archive).
Foto: LKA Rheinland-Pfalz
5. September 1977
An die Bundesregierung Sie werden dafür sorgen, daß alle öffentlichen Fahndungsmaßnahmen unterbleiben – oder wir erschießen Schleyer sofort, ohne daß es zu Verhandlungen über seine Freilassung kommt.
6. September 1977
Am Montag, den 5. September 77 hat das Kommando Siegfried Hausner den Präsidenten der Arbeitgeberverbands und des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Hanns-Martin Schleyer, gefangengenommen. Zu den Bedingungen seiner Freilassung wiederholen wir nochmal unsere erste Mitteilung an die Bundesregierung, die seit gestern von den Sicherheitsstäben, wie wir das inzwischen kennen, unterschlagen wird. Das ist die sofortige Einstellung aller Fahndungsmaßnahmen – oder Schleyer wird sofort erschossen. Sobald die Fahndung gestoppt ist, läuft Schleyers Freilassung unter folgenden Bedingungen:
Die Gefangenen aus der RAF: Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Jan-Carl Raspe, Verena Becker, Werner Hoppe, Karl-Heinz Dellwo, Hanna Krabbe, Bernd Rössner, Ingrid Schubert, Irmgard Möller werden im Austausch gegen Schleyer freigelassen und reisen in eine Land ihrer Wahl. Günter Sonnenberg, der seit seiner Festnahme wegen einer Schußverletzung haftunfähig ist, wird sofort freigelassen. Sein Haftbefehl wird aufgehoben. Günter wird zusammen mit den 10 Gefangenen, mit denen er sofort zusammengebracht wird und sprechen kann, ausreisen. Die Gefangenen sind bis Mittwoch, 8 Uhr früh, auf dem Flughafen Frankfurt zusammenzubringen. Sie haben bis zu ihrem Abflug um 12 Uhr mittags jederzeit und uneingeschränkt die Möglichkeit, miteinander zu sprechen. Um 10 Uhr vormittags wird einer der Gefangenen das Kommando in Direktübertragung durch das Deutsche Fernsehen über den korrekten Ablauf ihres Abflugs informieren.
In der Funktion öffentlicher Kontrolle und Garantie für das Leben der Gefangenen während des Transports bis zur Landung und Aufnahme sollen die Gefangenen – wie wir vorschlagen würden – von Payot, dem Generalsekretär der Internationalen Föderation für Menschenrechte bei der UNO, und Pfarrer Niemöller begleitet werden. Wir bitten sie, sich in dieser Funktion dafür einzusetzen, daß die Gefangenen dort, wo sie hinwollen, lebend ankommen. Natürlich sind wir auch mit einem Alternativvorschlag der Gefangenen einverstanden.
Jedem der Gefangenen werden 100 000 DM mitgegeben. Die Erklärung, die durch Schleyers Foto und seinen Brief als authentisch identifizierbar ist, wird heute abend um 20.00 Uhr in der Tagesschau veröffent-licht, und zwar ungekürzt und unverfälscht. Den konkreten Ablauf von Schleyers Freilassung legen wir fest, sowie wir die Bestätigung der freigelassenen Gefangenen haben, daß sie nicht ausgeliefert werden, und die Erklärung der Bundesregierung vorliegt, daß sie keine Auslieferung betreiben wird. Wir gehen davon aus, daß Schmidt, nachdem er in Stockholm demonstriert hat, wie schnell er seine Entscheidungen fällt, sich bemühen wird, sein Verhälmis zu diesem fetten Maguaten der nationalen Wirtschaftscreme ebenso schnell zu klären. RAF – Kommando Siegfried Hausner
Foto:GSG9 Historie
Der Irrflug der „Landshut“
Der Flug LH181 am 13. Oktober 1977 von Palma de Mallorca nach Frankfurt sollte nur etwas über ein Stunde dauern. Er entpuppte sich für die 82 Passagiere und fünf Besatzungsmitglieder an Bord als mehrtägiges Martyrium. Denn ein vierköpfiges Terroristenteam – zwei Frauen und zwei Männer – übernahmen gegen 14.30 Uhr die Gewalt an Bord der Boeing 737-200 „Landshut“. Die Forderungen des Kommandos „Martyr Halimeh“ unter Führung von „Captain Mahmud“: Freilassung elf inhaftierter deutscher linksextremistischer Terroristen, zweier in der Türkei inhaftierter palästinensischer Terroristen sowie 15 Millionen US-Dollar Lösegeld. Andernfalls sollten alle Geiseln und der durch die Rote Armee Fraktion (RAF) am 5. September 1977 entführte Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer getötet werden. Das Ultimatum sollte am 16. Oktober auslaufen.
Anders als die Entführer angenommen hatten, zeigten sich die arabischen Staaten in den nächsten Tagen nicht gewillt, in die Krise hineingezogen zu werden. Sie verweigerten der „Landshut“ die Landung. Der Irrflug der Maschine mit dem Luftfahrzeugkennzeichen D-ABCE führte nach Zwischenlandungen in Rom, Larnaka und Bahrain zunächst am 14. 10. nach Dubai. Dort gab es zähe Verhandlungen jedoch ohne Ergebnis. Am 16. 10. startete die Maschine dann nach Aden. Hier musste die Landshut neben der gesperrten Piste landen. In Aden erschossen die Terroristen auch Flugkapitän Jürgen Schumann. Co-Pilot Jürgen Vietor musste die „Landshut“ schließlich nach Mogadischu steuern, wo sie in den frühen Morgenstunden des 17.10. eintraf.
Die Bundesregierung lässt sich nicht erpressen
Im Bundeskanzleramt in hatte Bundeskanzler Helmut Schmidt nach der Entführung der „Landshut“ einen Krisenstab gebildet. Die klare Linie lautete: Den Forderungen der Terroristen wird nicht nachgegeben. Gleichwohl folgte Staatsminister Hans-Jürgen Wischnewski mit einem Verhandlungsteam in einer Sondermaschine dem entführten Flugzeug. Auch die GSG 9 war unmittelbar nach der Entführung alarmiert worden, um sich für eine Befreiungsoperation bereitzuhalten. Ein Einsatzverband unter Leitung ihres Kommandeurs, Oberstleutnant i. BGS Ulrich K. Wegener, war der „Landshut“ zunächst in einer Sondermaschine der Lufthansa gefolgt und hielt sich in Ankara bereit. Als die „Landshut“ in Dubai gelandet war, flogen Wegener, dessen Adjutant Baum und Unterführer Dieter Fox ebenfalls dorthin. Sie stießen zum Wischnewskis-Team. Zu einer geplanten Befreiungsoperation kam es nicht mehr. Von Dubai aus ging es dann ebenfalls nach Mogadischu, wo sie am 17. Oktober um die Mittagszeit eintrafen.
Am 17. Oktober gegen 17:30 Uhr MEZ landeten die Einsatzkräfte der GSG 9 mit der Lufthansa-Maschine „Stuttgart“ in Mogadischu, ca. 2.000 Meter von der „Landshut“ entfernt. Die Starts und Landungen somalischer Militärflugzeuge lenkten die Terroristen ab. Danach kamen Staatsminister Hans-Jürgen Wischnewski und der GSG 9-Kommandeur Ulrich Wegener zur „Stuttgart“. Wischnewski erklärte, dass Bundeskanzler Helmut Schmidt angesichts der unnachgiebigen Haltung der Terroristen und weil der Staat sich nicht erpressen lässt, entschieden hatte, dass die GSG 9 die „Landshut“ stürmen soll, um die 86 Geiseln zu befreien. Wischnewski gelang es, bei der somalischen Regierung die Erlaubnis für eine gemeinsame Operation deutscher und somalischer Kräfte zu erwirken. Zum Schein ging die Bundesregierung dann auf die Forderungen der Entführer, welche die Maschine bereits zur Sprengung vorbereitet hatten, ein. Sie bat um eine weitere Verlängerung der Frist, um die Gefangenen zum Austauschort transportieren zu können. Die Entführer setzten ein letztes Ultimatum, welches am 18.10. um 1.30 Uhr auslaufen sollte.
Geiselbefreiung durch die GSG9 in Mogadischu. Foto: GSG9 Historie
Die GSG 9 bekommt das „GO“
Der deutsche GSG 9-Einsatzverband – er war aus Tarnungsgründen von Ankara zurück nach Sankt Augustin und dann nach Kreta geflogen – landete am 17. Oktober gegen 19.30 (MEZ) Uhr in der Dunkelheit und wurde auf den nördlich angrenzenden militärischen Teil des Flughafens Mogadischu gelotst. Somalische Kräfte riegelten den Flughafen ab.
Die Verhandlungsexperten im Wischnewski-Stab lenkten die Entführer durch einen intensiven Funkverkehr über die bevorstehende vermeintliche Gefangenenübergabe ab. Der Einsatzverband machte sich nach der Landung bereit. An ihrer Boeing 707 „Stuttgart“ erfolgte das Rehearsal, die Abschlussübung vor dem Zugriff. Wegener meldete Helmut Schmidt Einsatzbereitschaft und zeigte sich überzeugt vom Einsatzerfolg. Noch am Abend erhielt er telefonisch den Einsatzbefehl durch den Bundeskanzler.
Ablauf der Operation
Die Kräfteeinteilung stellte sich wie folgt dar: Das zehn Mann starke Aufklärungs- und Präzisionsschützenkommando stand unter Führung des stellv. Kommandeurs, Major i. BGS Klaus Blätte. Zur Ausstattung gehörten Scharfschützengewehre Mauser S66 mit Nachtsichtgeräten „Nachteule“ sowie Aufklärungstechnik. Das Zugriffsteam wurde von Wegener geführt. Es bestand aus sechs Sturmtrupps (einer pro Tür) zu je fünf Mann. Dazu kamen noch ein Sanitäts- und ein Reservetrupp mit drei bzw. fünf Mann sowie ein Pioniertrupp mit vier Mann. Die beiden SAS-Männern Major Alistair Morrison und Sergeant Barry Davis waren hier ebenfalls zugeordnet. Sie hatten ihre brandneuen „Stun-Grenades“, Blitzknallgranaten mitgebracht. Zur übrigen Bewaffnung und Ausrüstung gehörten Revolver S&W .38 und Pistolen P9S zum Arbeiten in der Maschine, MP5, neuartige „Bristol“-Schutzwesten aus britischer Produktion, dazu noch spezielle gummibeschichtete Leitern.
Für die zu evakuierenden Geiseln wurde ein Sammelraum abseits der Maschine eingerichtet. Somalische Streitkräfte bildeten einen äußeren Ring und bereiteten zudem ein Feuer einige hundert Meter vor dem Cockpit der „Landshut“ für ein Ablenkungsmanöver vor.
Um etwa 22.00 Uhr gingen die Kräfte in die Ausgangsstellung. Die Aufklärer und Präzisionsschützen arbeiteten sich auf etwa 30 Meter an die Maschine heran und lieferten stetig Aufklärungsergebnisse. Ab etwa 23.00 Uhr begann die Annäherung der Zugriffskräfte. Sie erreichten die Maschine um etwa 23.30 Uhr.
23.50 Uhr: Die somalischen Soldaten entzünden das Ablenkungsfeuer. Die Verhandlungsgruppe im Tower fragt über Funk beim Terroristenführer Captain Mahmud die Übergabebedingungen ab.
23.55 Uhr: Die Sturmtrupps nehmen ihre Sturmausgangsstellungen ein.
00.00 Uhr: Spezielle Leitern werden an die vier Türen und an die beiden Notausgangsbereiche hinter den Tragflächen gelegt, die Trupps gehen in Position.
00.05 Uhr: Auf das Kommando „Feuerzauber“ zünden die beiden SAS-Männer mehrere Blitzknallgranaten, nahezu gleichzeitig öffnen die Sturmtrupps die Türen. Fünf Sturmtrupps dringen in die Maschine ein, der Trupp 2 (vorne rechts) muss aufgrund von Hindernissen ausweichen und hinter Trupp 1 (vorne links) nachrücken.
Im Flugzeuginneren entwickelt sich ein Feuerkampf. Trupp 1 schaltet im Cockpit Mahmud aus. Eine Terroristin wird im Gang der Ersten Klasse getroffen und schwer verletzt – sie überlebt. Der dritte Terrorist kann bevor er ausgeschaltet wird noch zwei Handgranaten werfen, deren Explosion die Stewardess Gabriele Dillmann (heute von Lutzau) am Bein verletzen. Eine vierte Terroristin wird auf der vorderen Bordtoilette neutralisiert. Ein GSG 9-Einsatzbeamter erleidet eine leichte Verwundung durch einen Halsdurchschuss.
Noch während des Feuerkampfes beginnt im hinteren Bereich (Trupp 5 und 6) und über die Notausstiege (Trupp 3 und 4) die Evakuierung.
00.12 Uhr: Wegener meldet „Springtime“ – das Codewort für den erfolgreichen Abschluss der Aktion. Bilanz: Alle 86 Geiseln befreit, drei leicht verwundet, ein GSG 9-Mann leicht verwundet, drei von vier Terroristen getötet, eine Terroristin schwer verletzt an die somalischen Behörden übergeben. Die Befreiten wurden noch am 18. Oktober mit einer Sondermaschine nach Frankfurt gebracht. Die GSG 9 landete ebenfalls am 18. Oktober gegen 15.30 Uhr auf dem Flughafen Köln/Bonn.
Ankunft Flughafen Köln/Bonn Foto: dpa
Erklärungen der RAF vom 5. September bis 18. Oktober 1977
19. Oktober 1977
Wir haben nach 43 Tagen Hanns-Martin Schleyers klägliche und korrupte Existenz
beendet. Herr Schmidt, der in seinem Machtkalkül von Anfang an mit Schleyers Tod spekülierte, kann ihn in der Rue Charles Peguy in Mulhouse in einem grünen Audi 100 mit Bad Homburger Kennzeichen abholen.
Für unseren Schmerz und unsere Wut über die Massaker von Mogadischu und Stammheim ist sein Tod bedeutungslos. Andreas, Gudrun, Jan, Irmgard und uns überrascht die faschistische Dramaturgie der Imperialisten zur Vernichtung der Befreiungsbewegungen nicht. Wir werden Schmidt und der daran beteiligten Allianz diese Blutbäder nie vergessen. Der Kampf hat erst begonnen! Freiheit durch bewaffneten antiimperialistischen Kampf! Kommando Siegfried Hausner.
Quelle: – Erklärungen der RAF vom 5. September bis 18. Oktober 1977 (Memento vom 12. März 2007 im Internet Archive). – GSG9 Historie – esut.de
Wie komme ich auf dieses Thema? Meinen 47. Geburtstag feierte ich in Kaiserslautern in der Kartoffelhalle. Bis zu diesem Zeitpunkt sagte mir dies überhaupt nichts. An jenem Nachmittag wurde mir die Historie dieses Gebäude sehr genau erklärt. Ich fingen mit den Ergebnisse der Entführung der Lufthansa Maschine „Landshut“ nach Mogadischu den Terror an zu begreifen.
Nun folgt ein Artikel aus dem Spiegel vom 5. Juni 1977
Mit Augenmaß bewältigte das Schwurgericht in Kaiserslautern einen zweiten Baader-Meinhof-Prozeß — anders als in Stammheim — ohne Einbußen für Justiz und Rechtsstaat.
Besorgt erkundigte sich 1974 Helmut Kohl, damals Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz, nach den Qualitäten eines Richters namens Adolf Stiefenhöfer. Kohl in einer Kabinettssitzung: »Was ist denn das für einer?« Justizminister Otto Theisen beschied ihn knapp: »Ein ganz normaler.«
Zunächst blieb die Skepsis, wenn unter Kollegen sein Name fiel. Stiefenhöfer, 48, früher Amtsrichter in Rockenhausen, dann Richter am Landgericht in Kaiserslautern, las eigens Werke von Theodor Adorno, übte sich in Psycho-Training und paukte linke Termini, um als Landrichter seine größte Aufgabe zu bestehen: parallel zu dem Mammutprozeß in Stuttgart-Stammheim über drei andere Mitglieder der »Roten Armee Fraktion« (RAF) zu Gericht zu sitzen.
Am Donnerstag letzter Woche, es war der 131. Verhandlungstag, schloß Stiefenhöfer im »Kleinen Baader-Meinhof-Prozeß« („Saarbrücker Zeitung“) in Kaiserslautern die Akten. Es war ein Verfahren ohne dramatische Zuspitzungen, ohne interne Justizskandale, ohne Spektakel mit prominenten Zeugen und meist vor mäßig gefüllten Zuhörerbänken.
Doch gerade weil das Verfahren im Pfälzer Hinterland so wenig Brisantes bot für Beobachter wie Beteiligte und immer Gefahr lief, im Schatten von Stammheim zur Nebensache zu geraten, kam der Rechtsstaat — anders als im Stuttgarter Hauptprozeß hier ohne Schrammen davon.
Stiefenhöfer bewies seine richterliche Souveränität auch darin, daß er in heiklen Augenblicken nicht wie sein Kollege Prinzing überflüssige und der Wahrheitsfindung abträgliche Konfrontationen mit den Verfahrensbeteiligten heraufbeschwor, sondern durch geschickte Nachgiebigkeit im Detail für ein moderates Verhandlungsklima sorgte. Er blockte jeden Eklat und jeden Ruch von Manipulation von vornherein ab.
Zu lebenslanger Haft verurteilt wurden die Terroristen Klaus Jünschke, 29, und Manfred Grashof, 30, unter anderem wegen Mordes und schweren Raubs. Der dritte Angeklagte, Wolfgang Grundmann, 29, seit Oktober auf freiem Fuß, kam wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung mit vier Jahren Freiheitsstrafe davon. Er erhält, weil er bis dahin schon viereinhalb Jahre in Untersuchungshaft gesessen hatte, voraussichtlich für ein halbes Jahr sogar Haftentschädigung. Am 22. Dezember 1971 gegen 8.10 Uhr hatten sechs Terroristen — bei letztlich ungeklärter Tatbeteiligung nach Ansicht der Ermittler auch Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe — in der Bayerischen Hypotheken- und Wechsel-Bank zu Kaiserslautern 133 986 Mark erbeutet; im Kugelhagel der Räuber starb der Polizist Herbert Schoner.
Acht Wochen später stürmten sechs maskierte BM-Terroristen in die Bayerische Hypo-Bank in Ludwigshafen, schrien »Ihr Schweine, Säue, Drecksäue« und sackten 285 740,32 Mark ein. Mitte Mai 1972 legte ein RAF-Kommando Bomben im US-Hauptquartier in Frankfurt (ein Toter, elf Verletzte), und in Hamburg war im März der Kriminalhauptkommissar Hans Eckhardt an einer Terroristen-Kugel gestorben. Er hatte den RAF-Mitgliedern Grashof und Grundmann in einer konspirativen Wohnung aufgelauert.
Allein der Mord von Grashof an Eckhardt wurde in Kaiserslautern mit exakten Zeugenaussagen bewiesen. In anderen Punkten war die Beweisführung schwieriger. So wurde Jünschke wegen Mordes, Grashof wegen Beihilfe zum Mord an dem Polizisten Schoner verurteilt. Beide hatten am Tatort Kaiserslautern keine Spuren hinterlassen, und kein Zeuge konnte vor Gericht ihre direkte Tatbeteiligung bestätigen.
Die Tatsache, daß Jünschke nach Zeugenaussagen drei Wochen vor dem Überfall eine Reihe von Straßenzügen rund um die Bank photographiert, am Vortag den späteren Fluchtweg erkundet und seine Fingerabdrücke in einer konspirativen Wohnung hinterlassen hatte, wertete das Schwurgericht als ausreichenden Beweis, daß der frühere Psychologie-Student »auch in der Bank weilte und eine Rolle spielte, die mit dem Fluchtweg zusammenhing«. Grashofs Beihilfe sah das Gericht als erwiesen an, weil er zwei Wochen vor den« Überfall in der Buchhandlung Senftleben einen Stadtplan von Kaiserslautern gekauft hatte und von einer Verkäuferin dabei beobachtet worden war.
Für die These der Ankläger, wonach der dritte Angeklagte, Grundmann, unter den Geldräubern in Ludwigshafen war, fand das Gericht keinen ausreichenden Beweis. So blieb von der Anklage gegen Grundmann nur die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und unerlaubter Waffenbesitz übrig.
Denn »Kronzeuge« Gerhard Müller hatte Grundmann zwar belastet, sich dabei jedoch in Widersprüche verwickelt. Er fand in Kaiserslautern. auch dies durchaus anders als in Stammheim, wenig Glauben. Stiefenhöfer: »Seine Angaben müssen mit größter Vorsicht behandelt werden.«
Eine Behauptung von Müller, der, so Stiefenhöfer, auch in Stammheim gelegentlich die »bewußte Unwahrheit« gesagt hatte, diente dem Gericht andererseits sogar zur Entlastung Jünschkes im Frankfurter Sprengstoff-Fall. Obwohl ein Zeuge den Angeklagten am Tatort gesehen haben will, mochte das Schwurgericht »Müllers Eindruck, Jünschke sei hier in keiner Weise beteiligt gewesen, nicht ausschließen«.
Der Freispruch in diesem Punkt überraschte allerdings ebenso wie die Überzeugung des Gerichts, Jünschke sei als Mittäter in Kaiserslautern überrührt. Prompt kündigten auch die Pflichtverteidiger Revision dagegen an.
Neunzig Polizisten, die zum Schutz der als Verhandlungssaal umgebauten Kartoffelhalle abgeordnet worden waren, begannen nach der dreistündigen Urteilsverkündung, die Gitter, Monitore und den Stacheldraht wieder abzubauen — seit Prozeßbeginn vor 21 Monaten gab es für die Bewacher keinen einzigen Zwischenfall.
War der kleine BM-Prozeß im Schatten des Stuttgarter Monsterverfahrens — wegen des doppelten Aufwands, doppelter Kosten und des von Anfang an einkalkulierten Risikos unterschiedlicher Bewertungen — Beamten der rheinland-pfälzischen Justiz und des Bundeskriminalamtes zunächst noch als »der reinste Quatsch« erschienen, so bewerten sie ihn heute hoch.
Der Kaiserslauterer Prozeß belegt, daß es sich auch gegenüber Staatsfeinden von BM-Zuschnitt noch immer unvoreingenommen, ausgewogen und differenziert judizieren läßt. Nicht nur die Überlegenheit Stiefenhöfers, seine Flexibilität in Verfahrensfragen, nicht nur die Anwälte, die in Kaiserslautern kaum Anlaß zu vordergründigem Wirbel fanden — auch die Mainzer CDU-Landesregierung tat das Ihre zu einem korrekten Verfahren: Ein Abhör-Skandal wie in Stammheim blieb dem Prozeß in der Provinz erspart.
Als sich Justiz- und Innenministerium in Mainz vor die Frage gestellt sahen, ob sie — parallel zu dem Beschluß der Stuttgarter Minister Schiess und Bender — auch bei Grashof und Jünschke in der Vollzugsanstalt Zweibrücken Verteidigergespräche belauschen sollten, fiel die Entscheidung in den beiden Mainzer Chefetagen negativ aus: »aus verfassungsrechtlichen Gründen«.
Heute mal etwas Frühchristliche Geschichte von mir. Auch wenn der Keltische Ringwall zum größten Teil im Saarland liegt, zählt der Hunsrück, und somit Rheinland-Pfalz, zu einem der größten Keltengebiete in Deutschland.
Autorin Naike Juchem
Ich wohne in einem Gebiet, welches hunderte Jahre vor Christus von den Kelten besiedelt wurde und so gibt es in diesem Gebiet sehr viele Archäologische Funde. Diese zeugen von einer ausgeprägten Kultur und hochentwickelten sozialen Struktur dieser Volksstämme.
Das Gebiet der Kelten umfasst fast das heutige Europa. Von Südostengland, Frankreich und Nordspanien im Westen bis nach Westungarn, Slowenien und Nordkroatien im Osten; von Oberitalien im Süden bis zum nördlichen Rand der deutschen Mittelgebirge. Daneben existieren einzelne latènezeitliche Funde auf dem gesamten Balkan bis nach Anatolien. Nun komme ich auf den Keltische Ringwall im Hunsrück.
Der Keltische Ringwall, oder auch volkstümlich auch Hunnenring genannt, liegt in der Gemarkung der Ortschaft Otzenhausen und ist die am besten erhaltene keltische Befestigungsanlage im Südwesten Europas.
Das 18,5 ha große Oppidum auf dem Dollberg liegt im nördlichen Saarland und dem Nationalpark Saar-Hunsrück.
Der Nordwall ist auf einer Länge von 460m heute noch 10m hoch und an der Basis 40m breit. Der Archäologe Michael Koch vermutet, dass die ehemalige Mauer 18m hoch und 18m breit war. Ein beeindruckendes Zeugnis aus alter Zeit!
Wenn man vom Parkplatz, wo auch die Keltensiedlung ist und diese besucht werden kann, durch den Wald geht, sieht man auf der linken Seite immer wieder diesen Wall durch die Bäume. Man kann auf dem Weg zu dem Wall schon erahnen, wie mächtig groß dieses ist. Auf dem Wall angekommen, hat man einen unglaublichen Weitblick über das westliche Saarland. Die automatische Zahl an aufeinander liegenden Steinen wird einem erst richtig bewusst, wenn man auf dem Wall steht. Mir stellte sich die Frage: woher und wie kammen all diese Steine zu diesem Ort. Die Kelten kannten natürlich schon das Rad und hatten demnach auch Karren im Einsatz, welche von Ochsen gezogen wurden. Das bekannte Scheibenrad (ist in den Comics von Asterix und Obelix schön zu sehen) wurde ungefähr 1600 Jahre v. Chr. nach und nach durch das wesentlich leichtere Speichenrad abgelöst. Es wird vermutet, dass dies aus dem ägäischen Kulturkreis der dort lebenden Kelten übernommen wurde und somit sich auch in anderen Teilen des keltische Reich durchsetzte.
Während der Latènezeit ab 450 v. Chr. war der Hunsrück-Nahe-Raum, wie viele Grabfunde zeigen, dicht von keltischen Kleinstämmen besiedelt. Viehzucht, die Verarbeitung von Eisen und ein reger Handel brachten der Bevölkerung Wohlstand. In der Zeit vor dem Gallischen Krieg waren die Clans in dem Gebiet zwischen Rheintal und Ostbelgien, Pfalz und Hocheifel zu dem Stammesverband der Treverer vereint und erlebten einen wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Höhepunkt.
Als ältester Teil der Festung wurde ein Abschnittswall festgestellt, der unter dem heutigen Nordwall liegt und im 4. Jahrhundert v. Chr. erbaut worden war. Dabei ist nicht auszuschließen, dass es noch eine ältere Bauphase gab. Ein zweiter Mauerbau als Ring im 2. Jahrhundert und der letzte Bau, von dem wir heute die Wälle sehen, fand zwischen 80 und 60 v. Chr. statt. Dies ist durch den Fund einer späten Form der „Nauheimer Fibel“ belegt.
Mira und Mimi auf dem Ringwall
Die ganze Zeit über war der Dollberg von wechselnder Intensität besiedelt. Im der Frühlatènezeit fungierte der Ringwall vielleicht als eine Art sozialer und politischer oder ökonomischer Mittelpunkt. In der Spätlatènezeit war die besiedelte Fläche größer, sodass man von einem Oppidum, also einer stadtartigen Siedlung, sprechen kann.
Naike Juchem, 30. Oktober 2022 Quelle: kelten-ringwall.de
Die Burgruine Baldenau, landschaftlich sehr schön im Tal der Dhron gelegen, ist die einzige Wasserburg im Hunsrück. Sie war ursprünglich von einem zwölf Meter breiten Wassergraben umgeben. Vor der Zerstörung besaß sie drei oder vier Stockwerke mit rechteckigen Fenstern.
Fotos: Naike Juchem
Die Burg Baldenau wurde um 1320 errichtet (1315 in einem Weistum noch nicht erwähnt). Sie war 1324 bewohnt, als „neben der Burg“ ein zweites Haus mit zahlreichen Kammern, Stuben, Ställen und Scheunen errichtet wurde. 1332 wird die Burg als Besitz von Kurtrier durch den deutschen Kaiser Ludwig der Bayer bestätigt.
Erbauer der nach ihm benannten Burg war Balduin von Luxemburg, Kurfürst und Erzbischof von Trier. Balduin wurde 1308 im Alter von erst 22 Jahren Kurfürst und Erzbischof. Bis zu seinem Tod im Jahre 1354 gelang es ihm, die Herrschaft von Kurtrier zu festigen und wesentlich auszubauen. Er gilt als einer der bedeutendsten Fürsten des späten Mittelalters.
Fotos: Naike Juchem
Erzbischof Balduin ließ die Burg bauen, um seinen Herrschaftsbereich gegen die Grafschaft Sponheim abzugrenzen. Darüber hinaus diente sie ihm wohl zeitweise als Jagdschloss. Der Plan, eine Stadt neben der Burg zu errichten, wurde nicht realisiert. Ab dem 15. Jahrhundert diente die Burg Baldenau als Mittelpunkt eines kurtrierischen Amtes. Zu diesem Amt gehörten die Orte Bischofsdhron, Heinzerath, Kommen, Merschbach, Morbach, Morscheid, Rapperath, Wederath und Wolzburg.
Der Turm der Burg Baldenau hat einen Durchmesser von etwa 10,50 m und eine Mauerstärke von 3,50 m. Die Höhe des Turmes beträgt insgesamt 25 m, sein Eingang liegt in 12 m Höhe. Dieser Eingang war über eine Treppe und Galerie von der Nordmauer aus zu erreichen. Erst vor 150 Jahren wurde der erdgeschossige Durchbruch hergestellt.
Die erste Zerstörung der Burg erfolgte im Dreißigjährigen Krieg durch die Schweden. In den Jahren 1649 bis 1654 wurde die Burg wiederhergestellt. Die zweite Zerstörung im sogenannten pfälzischen Erbfolgekrieg durch die französischen Truppen des Generals Melac anno 1689 war derart schwerwiegend, dass die Burg nicht mehr bewohnbar war und nach und nach verfiel.
Balduin von Luxemburg war einer der bedeutendsten Erzbischöfe und Kurfürsten von Trier, gleichzeitig einflussreicher Gestalter der Reichspolitik in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts.
Der vermutlich 1285 geborene Balduin war Sohn des im Juni 1288 bei Worringen gefallenen Grafen Heinrich VI. von Luxemburg und der Beatrix von Avesnes. Balduin war von Jugend an für den geistlichen Stand bestimmt und erhielt eine entsprechende Ausbildung. Als durch den Tod Dieters von Nassau die Erzdiözese Trier vakant wurde, erbat das Domkapitel im Dezember 1307 den zum Studium in Paris weilenden Dompropst Balduin als Nachfolger. Weil der das kirchenrechtlich vorgeschriebene Alter von 30 Jahren noch nicht erreicht hatte, war eine Wahl nicht möglich. Der Papst, dem daher die Entscheidung zufiel, erklärte im Februar 1308 die Wahl für ungültig, ernannte aber den Gewählten zum neuen Erzbischof von Trier und erteilte ihm am 11.3.1308 persönlich die Bischofsweihe.
Als Erzbischof war Balduin, wie im Reich üblich, sowohl Oberhirte einer (Erz-) Diözese als auch Landesherr eines weltlichen Territoriums. Die Diözese, eingeteilt in fünf Archidiakonate (Longuyon, Tholey, Trier, Karden und Dietkirchen), erstreckte sich von der Maas im Westen bis an die mittlere Lahn bei Gießen. Zum weltlichen Territorium, dem Erzstift, gehörten beträchtliche – allerdings nur zum Teil geschlossene – Gebietskomplexe in Eifel, Hunsrück, Westerwald und Taunus, zentriert um die wichtigsten Städte Trier und Koblenz.
Den Aufgaben als Oberhirte und Landesherr hat er sich mit gleicher Intensität gewidmet. Dies gilt für die Aufsicht über die geistlichen Institutionen (Klöster und Stifte) ebenso wie für die Weihe von Kirchen und Altären, die er – anders als andere Bischöfe seiner Zeit – selbst vornahm. Seine persönliche Frömmigkeit dokumentiert die Gründung von Kartausen in Trier (1330) und Koblenz (1331). In der Trierer Kartause wurde für ihn eine Zelle vorgehalten, in die er sich gelegentlich zur Meditation zurückzog. Aus diesem Kloster stammen auch die zu Lebzeiten Balduins entstandenen Chorstuhlwangen, die den Erzbischof und seinen Bruder Heinrich darstellen; Porträtähnlichkeit ist daher anzunehmen.
Foto: Naike Juchem
Diese Leistungen des Diözesanbischofs sind deshalb zu betonen, weil Balduin bis heute vor allem als erfolgreicher Reichs- und Territorialpolitiker gilt. Als Politiker auf Reichsebene hat er sich bereits sehr früh profilieren können, weil er schon auf dem Rückweg von der päpstlichen Kurie nach Trier erfuhr, dass der römische König Albrecht von Habsburg ermordet worden war. Peter von Aspelt, der aus der Grafschaft Luxemburg stammende Erzbischof von Mainz, konnte zusammen mit Balduin die Wahl auf dessen Bruder lenken, den Grafen Heinrich VII. von Luxemburg (November 1308). Als erster König nach dem Staufer Friedrich II. ließ sich Heinrich VII. im Juni 1312 in Rom zum Kaiser krönen. Für Balduin, der seinen Bruder begleitet hatte, stellte dies ohne Zweifel einen der Höhepunkte seines Lebens dar; der frühe Tod des Bruders am 24.8.1313 war für ihn eine Katastrophe.
Weil es Heinrich VII. gelungen war, seinem Sohn Johann 1310 die erbliche Krone des Königreichs Böhmen zu verschaffen, übte das Haus Luxemburg auch auf die Königswahl im Oktober 1314 großen Einfluss aus. Dennoch kam es zu einer Doppelwahl, in der die luxemburgische Partei den Herzog Ludwig von Bayern unterstütze, der sich in einem bis 1322 währenden Thronstreit schließlich durchsetzte. Zwischen dem König und (seit Januar 1328) Kaiser und dem in Avignon residierenden Päpsten kam es in der Folgezeit zu einer langjährigen Auseinandersetzung, die für die nicht einer Seite anhängenden Reichsfürsten einen beträchtlichen politischen Spielraum schuf. Balduin hatte erheblichen Anteil daran, dass im Juli 1338 die in Rhens versammelten Kurfürsten ihren Rechtsstandpunkt festschrieben, ein von ihnen gewählter König bedürfe nicht der Bestätigung durch den Papst (Rhenser Weistum). Dies wurde vom Kaiser formell, vom Papst de facto anerkannt. Erst im Mai 1346 kam es zum endgültigen Bruch zwischen Balduin und dem Kaiser. Im Sinne des Papstes wählte die von Balduin geführte luxemburgische Partei im Kurkollegium im Juli den Markgrafen Karl von Mähren, Sohn des Königs Johann von Böhmen (und somit Großneffen Balduins) zum römischen König. Da der Kaiser im Oktober 1347 überraschend starb, konnte sich König Karl IV. bald im gesamten Reich durchsetzen.
Im Erzstift Trier hatte bereits Erzbischof Heinrich von Vinstingen (gestorben 1286) eine erfolgreiche Territorialpolitik betrieben, unter anderem durch den Bau von Burgen und die Einrichtung von Verwaltungsstrukturen (Ämtern). Obwohl das Erzstift unter seinem Vorgänger Dieter von Nassau in eine schwere Krise geraten war, konnte Balduin auf vorgefundenen Strukturen aufbauen. Er schuf eine flächendeckende Ämterorganisation, band einen wesentlichen Teil der Nachbarterritorien in seine politischen Initiativen ein, verdichtete das Netz der vom Erzstift lehnsabhängigen Burgen und errichtete neue Landesburgen, von denen er einigen seinen Namen gab (Baldenau und Balduinseck auf dem Hunsrück, Balduinstein an der Lahn). Weil der Erzbischof einen Sinn für das hatte, was heute Wirtschaftsförderung heißt, und vor allem wusste, dass Frieden und Sicherheit die wichtigsten Faktoren für wirtschaftliche und kulturelle Blüte sind, legte er auf die Befriedung des Landes besonderen Wert, unter anderem durch Abschluss von Landfriedensverträgen mit den Nachbarn.
In Einzelfällen scheute Balduin auch nicht vor militärischen Unternehmungen zurück, die allerdings nicht immer erfolgreich verliefen: Im Juli 1328 wurde der zu Schiff die Mosel herunterfahrende Erzbischof bei Enkirch von Leuten der Gräfin Loretta von Sponheim gefangen genommen; im April 1347 wurden etliche im Dienst des Erzbischofs ausgerückte Bürger von Koblenz bei Grenzau erschlagen. Einen Namen machte sich der Erzbischof dabei durch den Einsatz moderner Kriegsmittel: er baute Belagerungsburgen (unter anderem Trutzeltz oberhalb der Burg Eltz), setzte aus Böhmen geholte Bergleute und Feuerwaffen ein. Frieden und Sicherheit aber ermöglichten ein Aufblühen der Städte, gefolgt von steigenden Abgaben der Untertanen, die dem Landesherrn erhebliche politische, von den Zeitgenossen mit Staunen beobachtete Handlungsspielräume eröffneten. An dieser erfolgreichen Finanzpolitik hatten die mit dem Erzbischof eng zusammenarbeitenden Juden einen wichtigen Anteil.
Balduin starb am 21.1.1354 in Trier. Um seinen Nachruhm hatte er sich beizeiten aktiv gekümmert. Die ersten Jahre seines Pontifikats, das Zusammenwirken mit dem Bruder und die Teilnahme an dessen Romzug, hat er in einem „Bilderzyklus von Kaiser Heinrichs Romfahrt“ festhalten lassen. Die Schriftgutverwaltung seines Territoriums hat er neu organisiert; die wichtigsten Urkunden wurden in mehreren Handschriften (den so genannten Balduineen) abschriftlich festgehalten; ein Exemplar hat er stets mit sich geführt. Seine Leistungen (wie er sie gesehen wissen wollte) hat er im Vorwort dieser Urkundensammlung und in den seiner Regierungszeit gewidmeten Kapitel in den „Gesta Treverorum“ dokumentieren lassen. Dort wird der Zustand von Erzdiözese und Erzstift im Jahr 1307 in düsteren Farben dargestellt – um so heller erstrahlt der Ruhm Balduins, der hier wieder Ordnung schuf. Diese Sichtweise prägt bis heute das Bild Balduins in der historischen Forschung. Selbst wenn bei genauem Hinsehen festzustellen ist, dass Balduin auf Leistungen von Vorgängern (insbesondere Heinrich von Vinstingen) aufbauen konnte, wird an der Tatsache, dass er der bedeutendste Trierer Erzbischof des Spätmittelalters und einer der führenden Reichspolitiker seiner Zeit war, nichts zu deuteln sein.
Der High Heel – historisch eine Erfindung von Männern für Männer
High Heels sind Frauensache! Falsch gedacht! Eigentlich kommt der Schuh mit Absatz aus Zeiten, in denen Männer gerne auf Pferden in den Krieg geritten sind. Aber der historische Wandel könnte uns heute helfen, mit Genderstereotypen mutiger zu werden.
„Queen of Drags“ heißt das neue Reality-TV-Format mit Heidi Klum. Letztes Jahr hat sie gemeinsam mit Bill Kaulitz und Conchita Wurst die beste Drag Queen Deutschlands gesucht. Angetreten sind zehn Kandidatinnen, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Mit dabei die dralle Samantha Gold aus Hamburg, die allerdings schon in der zweiten Sendung rausflog. Grund hierfür war unter anderem die Tatsache, dass besagte Lady flache Schuhe bevorzugte. Tatsächlich war sie nicht ein einziges Mal mit High Heels zu sehen. Eine Drag Queen ohne Absatzschuhe?! Das war für die Model-Ikone Heidi Klum und die anderen Jurymitglieder inakzeptabel.
Was sagt uns das? Der High Heel bzw. Schuh mit Absatz symbolisiert für uns Weiblichkeit. Ein Mann, der als Frau auftritt, ist nicht ernst zu nehmen, wenn er dieses Symbol nicht mit in seine Präsentation einbezieht. Irgendwie ironisch, wenn man die Tatsache betrachtet, dass Absatzschuhe einst nur Männersache waren.
Der Ursprung des modischen Highlights war ein ganz praktischer. Persische Reiter trugen Schuhe mit Absätzen, damit sie besseren Halt in den Steigbügeln ihres Sattels hatten. Ausgestattet mit Pfeil und Bogen standen die Krieger so in den Bügeln, um ihre Gegner aufrecht zu beschießen.
Der persische Herrscher, Shah Abbas I. hatte am Ende des 16. Jahrhunderts eine der größten Armeen. Er wollte politische Beziehungen zu den europäischen Königshäusern knüpfen, um sich gegen Angriffe aus dem Osmanischen Reich zu verteidigen. Um 1599 sandte er eine Delegation über Russland nach Deutschland und Spanien. Die persische Delegation ritt gewissermaßen in High Heels durch Europa und eroberte die Fantasien der europäischen Adligen.
Der Schuh mit Absatz, den die Reiter trugen, wurde als Symbol von Männlichkeit interpretiert und vorwiegend Aristokraten übernahmen diesen Trend. Weit vorn mit dabei war Louis XIV und Charles II von England. Natürlich folgte irgendwann auch das aufstrebende Bürgertum der Modeerscheinung und je mehr der Trend kopiert wurde, desto exzentrischer wurden die Modelle: Immer höhere Absätze, spitzere Schuhe, riesige Schnallen und rote Sohlen. Die Gemälde der damaligen Zeit zeugen von der Handwerkskunst und Raffinesse, die in männliche High Heels investiert wurde.
Der Schuh mit Absatz erreichte Europa also im Zeitalter der ausklingenden Renaissance und dem Beginn des Barocks. Auch Frauen aus den Königshäusern begannen nun, hohe Schuhe zu tragen. Doch mit den immer weiter werdenden Reifröcken veränderten sich ihre Modelle maßgeblich. Während Männer klobige, breite Absätze trugen, wurden die Heels immer höher und schmaler. Der Grund: Unter den ausladenden Kleidern sollten die Füße zart und damenhaft wirken.
Ende des 18. Jahrhunderts eroberte der Klassizismus Europa. Dieser zeichnete sich durch einfache Formen aus und baute auf Funktionalität von Objekten. Das spiegelte sich auch in der Mode wider. Vorbei war es mit den exzentrischen Roben des Barocks und der dekadenten Outfits. Vor allem bei den Männern. Damit verschwand der hohe Schuh aus der Herrenmode fast gänzlich. In wenigen Jahrhunderten war der Wandel des High Heels vom Symbol für Männlichkeit und Kriegertum zum Symbol für Weiblichkeit und Fragilität vollzogen.
Was man alles findet, wenn man asiatisch essen geht. In einem asiatischen Restaurant, auch wenn es einen chinesischen Namen und auch von Chinesen geführt wird, ist das Essen noch lange nicht chinesisch. Die original chinesische Küche würde in Europa – oder auch außerhalb von China kaum jemand essen wollen. Dies nur am Rande.
Der kleine Prinz von Antoine de Saint-Exupery
Ich fand ein Buch von Antoine de Saint-Exupery unter einem Stapel Telefonbücher und Karnevals- Festzeitschriften. Gerade „Der kleine Prinz“ gehört mit seinen märchenhaften Erzählungen zu den erfolgreichsten Büchern der Weltliteratur. Warum mache ich mir nun über ein Kinderbuch Gedanken, welches in chinesisch geschrieben ist. Dies kommt einem doch sehr spanisch vor. Es wird oft – und leider fälschlicherweise gesagt, dass englisch die Weltsprache sei. Dies ist nicht so, denn alleine durch die Einwohnerzahl in China, welche mit über 1,4 Milliarden Menschen gerechnet ist, ist selbst diese Zahl falsch. Durch die 1 Kind-Politik der Partei, sind viele Chinesen nicht registriert – und somit illegal in ihrer Heimat. Also sprechen mehr Menschen chinesisch auf dieser Welt, als englisch.
Aus dem Buch „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupery
Die älteste Schrift der Welt
Nun, die chinesische Schrift ist die älteste Schrift der Welt und fast ein Viertel der Weltbevölkerung schreibt, spricht und ließt diese Sprache. Halt! Da gibt es doch Schriften die bedeutend älter sind als die chinesische. Stimmt! Nur wer schreibt heute noch in Keilschrift oder Hieroglyphen? Gut, es mag sein, dass eine Medikament oder Verordnung von einem Arzt auf einem Rezept jenen Hieroglyphen recht nahe kommt.
Die Faszination dieser Schrift liegt wohl darin, dass es kein Alphabet mit Buchstaben gibt, wie wir dies aus unserem lateinischen Alphabet kennen. Die chinesische Schrift basiert auf einer Vielzahl von Schriftzeichen, wodurch sie auch zu den schwersten Schriften der Welt gehört. Jedes Schriftzeichen steht für eine Silbe, wodurch prinzipiell schon ein Schriftzeichen ein Wort bildet. Die meisten chinesischen Wörter bestehen aber aus mindestens zwei Silben – also zwei Schriftzeichen. Laut einer Studie der Kaiserlichen Akademie „Guozijian“, welche als die älteste und höchste Universität Chinas gilt, und in der viele Werke von Konfuzius sind, wird die chinesische Schrift mit über 100.000 Schriftzeichen angegeben. Von dieser schier endlosen Zahl an Schriftzeichen werden im modernen China nur noch etwa 3000 bis 6000 Zeichen verwendet. Diese auch nur in gewissen Teilen, wodurch sich diese Zahlen wiederum auf etwa 1500 bis 2000 Zeichen im alltäglichen Leben relativieren.
Eine weitere Besonderheit ist, dass Chinesisch aus einer gesprochenen und einer geschriebenen Sprache besteht und es zwischen beiden keinerlei Verbindung gibt.
Im Jahr 1899 wurden die wahrscheinlich ältesten Schriftzeichen entdeckt und auf etwa 1400 vor Chr. datiert. Die Sprache an sich wird auf ungefähr 3000 Jahren geschätzt. Durch die enorme Größe von China und den vielen politischen Auseinandersetzung in den vergangenen 2500 Jahren, hat sich die Schrift und Sprache geografisch verändert – so ist es auch heute noch.
Von der Bildschrift zu Schriftzeichen
Wie alle alten Schriften hat sich auch die chinesische von Bilder in Schriftzeichen gewandelt. Sogenannten Ideogramme, wie Haus, Baum, Sonne usw. , wurden nach und nach zu Wörter. So wurden nach und nach immer mehr Schriftzeichen entwickelt, welche an Komplexität zunahm und somit konnten ganze Sätze geschrieben werden.
Ich bin der Kaiser von China
Oft hört man den Satz:“ Ich bin der Kaiser von China“ und viele wissen nicht, was oder welcher Kaiser gemeint ist.
Qin Shi Huang Di war um 221 vor Chr. der erste Kaiser von China und ein nicht besonders beliebter Herrscher über das Reich der Mitte, welches eigentlich offiziell Zhonghua Renmin Gongheguo heißt.
Qin Shi Huang Di brachte eine der wohl wichtigsten Reformen im Reich der Mitte auf den Weg: die Vereinheitlichung von einem Kauderwelsch an Schriftzeichen. Seine Reform zielte darauf ab, dass die Beamten in den einzelnen Provinzen untereinander kommunizieren konnten. Zu Zeiten von Qin Shi Huang Di hatte das Reich der Mitte schätzungsweise 30 Millionen Einwohner, wovon circa 2 Millionen durch Hinrichtungen oder Zwangsarbeit ums Leben kamen. Selbst seinen eigenen Sohn ließ Kaiser Qin Shi Huang Di an den bau der berühmten Chinesen Mauer deportieren, weil er sich gegen die vielzahl von Hinrichtungen seines Vaters auflehnte.
Was Kaiser Qin Shi Huang Di in seiner Reform der Schrift begann, vollzog sich über mehr als zweitausend Jahre. Erst im Jahr 1956 wurde eine Vereinfachung der traditionellen Langzeichen zu Kurzzeichen amtlich festgelegt.
Das älteste Haus in Fischbach an der Nahe. In der Brudergasse. Gezeichnet vom meinem ehemaligen Lehrer Dieter May
Die Bruderbüchse ist die wohl älteste Sozialkasse der Welt
Kaum jemand kennt die Bruderbüchse und trotzdem profitieren viele Menschen von einer Idee, die aus der europäischen Renaissance entstanden ist – also so um das 16. Jahrhundert.
Man sagt oft, dass dies oder jenes ein mittelalterliches denken, handeln oder Form hat. Dabei wissen viel gar nicht, wann das Mittelalter war. Nach der Wissenschaft wird die Epoche Mittelalter in die Zeit von circa 500 nach Chr – also nach der Völkerwandung der Antike bis zum Beginn der Renaissance – also so um das 15. Jahrhundert gesehen. Das Ende der Epoche Mittelalter wird von Historiker mit der Eroberung Konstantinopels durch die Türken im Jahr 1453, der Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus im Jahr 1492 oder auch mit Martin Luthers Thesenanschlag im Jahr 1517 datiert. Soweit eine kleine geschichtliche Einordnung zum Mittelalter als solches.
Die Brudergasse in Fischbach Mitte der 80er Jahre.
Korrekterweise schreibe ich nun über die europäische Expansion und den Grundgedanke einer Sozialversicherung – die Bruderbüchse. Schriftlich erwähnt wurde die Bruderbüchse mit Beginn des 16. Jahrhunderts in dem Gebiet des heutigen Rheinland-Pfalz von den Wild- und Rheingrafen, welche aus der Linie den Wildgrafen zu Kyrburg hervorgingen.
Zur damaligen Zeit war es üblich, dass Menschen die Leibeigenen jener Grafen und Fürste waren. So wurde unter anderem auch deren Konfession festgelegt. Wenigen Handwerker war es erlaubt zu reisen oder sich gar in andere Regionen niederzulassen. Selbst Georg Friedrich Händel musste seinen König um Erlaubnis fragen, als dieser den Entschluss fasste in London leben zu wollen, um dort eines der berühmtesten Oratorien den Welt zu schreiben – der Messiah. Dies nur am Rande. Die Bergmänner jener Zeit waren freie Menschen und konnten somit in dem damaligen Europa in die verschiedensten Regionen wandern. Auch durften die Bergmänner Waffen in Form von Messer und Dolche tragen, um Niederwild – also Hasen und Fasane zu jagen.
Darstellung im Historischen Kupferbergwerk in Fischbach. Foto aus dem Internet
Bergbau wurde unter anderem bereits im Spätmittelalter in Böhmen, Sachsen, Thüringen und Lothringen betrieben. Durch die europäische Expansion waren viele Menschen auf der Suche nach bessere Arbeit oder Arbeitsbedingungen und zogügen folglich durch Europa. So fanden Menschen aus Böhmen und Lothringen im Hunsrück eine neue Heimat, weswegen diese ländliche Region viele „ausländische“ Nachnamen hat.
Die große Weitung im Historischen Kupferbergwerk in Fischbach. Foto aus dem Internet
Nun aber zur Bruderbüchse
Wie schon erwähnt, wurde unter den Wild- und Rheingrafen jene Bruderbüchse in ihrer Region im Bergbau eingeführt. Der Bergbau zu jener Zeit war hart und auch gesundheitsschädlich. Die Arbeit unter Tage brachte Krankheiten, wie zum Beispiel Arthrose und Blindheit hervor. Die Bergmänner konnten daher nur wenige Jahre unter Tage arbeiten. Um nicht in eine existenzielle Notlage zu kommen, bezahlen die Bergmänner einen festgeschrieben Teil ihres Lohn in die Bruderbüchse ein.
Im Fall vom dem Kupferbergwerk in Fischbach, wurden die Bergmänner nicht nach der Ausbeute von Kupfer bezahlt, sondern bekamen einen regelmäßigen Lohn. Diese Besonderheit gab es in vielen unter Tage Gruben nicht. In Fischbach ist ein Kupfer von erstklassiger Güte vorhanden, welches bereits in der Renaissance ins belgische Dinant, in der Wallonie, geliefert wurde, um dort die berühmten Blasinstrumente herzustellen.
Otto von Bismarck übernahm als Reichskanzler (1871–1890) des Deutschen Reiches eine hunterjährige Idee für unser heutiges Rentensystem.
Überhalb der Stadt Idar-Oberstein in Rheinland-Pfalz erhebt sich auf einem Felsplateau die zweite Burg Bosselstein – und nicht das Schloss Oberstein.
Jene Burg wurde 1330 zum ersten Mal Urkundlich erwähnt und erlebte im 15. Jahrhundert als Wohnburg ihre Blütezeit. Von und durch die Architektur der Burg, kann man sehr genau sehen, dass sie als Wohnburg konzipiert wurde – und nicht als Schloss.
1697, im Zuge des Pfälzischen Erbfolgekriegs, wurden von französischen Truppen die vier Rondelle durch Sprengungen zerstört. 1855 brannte die Burg vollständig nieder und wurde erst Anfang der 80er Jahre vom Idar-Obersteiner Burgenverein teilweise wieder aufgebaut.
Die erste Burg Bosselstein wurde um 1150 erbaut und bis circa des 16. Jahrhunderts als Wohnburg von den Grafen von Stein bewohnt. Durch den Neubau der anderen Burg, wurden zum Teil Steine von der ersten Burg entnommen. Bis auf den Turmstumpf und ein paar Mauerreste ist von der ersten Burg nicht mehr viel zu sehen.
Die Möhnetalsperre war seinerzeit eine der größten Staumauern in Europa.
Autorin: Naike Juchem
Anfang des 19. Jahrhunderts wurde mit dem Bau einer Wasserversorgung für das Ruhrgebiet begonnen. 1908 wurde der Grundstein für eines der größten Stauanlagen in Europa begonnen – der Möhnetalsperre. Die Staumauer wurde nach Plänen und Vorgaben des Architekten Franz Brantzky gebaut und hat eine Länge von 650 Meter. Die Staumauer ist bis zu 40 Meter hoch kann 134,5 Millionen Kubikmeter Wasser aufstauen. Noch heute zählt die Möhnetalsperre zu den wichtigsten Wasserversorgungspunkte des westlichen Ruhrgebiets.
Die Nacht des 17. Mai 1943
Die britische Royal Air-Force hat durch einen Luftangriff mit 19 Lancaster-Bomber, am 16. – 17. Mai 1943 verschiedene Talsperren in Deutschland angegriffen, wovon 8 Bomber und 56 Soldaten bei diesem Einsatz nicht mehr aus dem Feindesland zurück kamen.
Blick auf den Möhnesee
Die im Norden Englands getesteten speziellen Rollbomben sollten im Nazi-Deutschland verheerende Schäden anrichten. So startete um 21.39 Uhr auf dem Luftwaffenstützpunkt Scampton die erste Angriffswelle mit 9 Lancaster-Bomber. Um 0.15 Uhr erreichte der erste Bomber der Royal Air-Force den Möhnesee. Um 0.28 explodierte die erste Rollbombe der Briten 50 Meter südlich von der Staumauer. Fünf Minuten später wurde von der Lancaster AJ-M eine weitere Rollbombe abgeworfen. Diese sprang über die Staumauer und explodierte im darunter liegenden Kraftwerk. Nach mehreren erfolglosen Abwürfe und mächtigen Gegenfeuer der Nazis, schlug um 0.49 Uhr die erste Rollbombe in die Staumauer ein. Die Explosion zerstörte die Staumauer auf einer Länge von 77 Meter und 23 Meter Höhe. Die Explosion wurde von einem Seismograph der Erdbebenwarte in dem über 130 Kilometer entfernten Geophysikalischen Institut in Göttingen aufgezeichnet.
Denkmal an der Möhnetalsperre
Nach der Zerstörung der Staumauer ergossen sich in fünf Stunden circa 110 Millionen Kubikmeter Wasser ins Tal der Möhne. Eine bis zu 7 Meter hohe Flutwelle verwüstete das Tal bis weit ins Ruhrgebiet. Güterzüge, Brücken, Häuser und Fabriken riss diese Flut in dieser Nacht mit sich. Mehr als 1200 Menschen starben in dieser Nacht.
Trotz des herrschenden Krieges in Deutschland wurde in nur fünf Monaten die zerstörte Staumauer aufgebaut. Für den Aufbau waren hauptsächlich Zwangsarbeiter aus Italien beschäftigt.
Naike Juchem, Günne, 23. August 2022
Meine Hündin Mira und Katze Mimi sind immer dabei.
In der Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1945 erfolgte auf das rund 630.000 Einwohner zählende Dresden einer der verheerendsten Luftangriffe auf eine Stadt im Zweiten Weltkrieg. 773 britische Bomber warfen in zwei Angriffswellen zunächst gewaltige Mengen an Sprengbomben ab. Durch die Zerstörung der Dächer und Fenster konnten die anschließend abgeworfenen Brandbomben eine größere Wirkung entfalten. Ihr Feuersturm zerstörte rund 80.000 Wohnungen, und ihre Hitzeeinwirkung deformierte sämtliches Glas in der Innenstadt. Dem britischen Nachtangriff auf die ungeschützte Stadt folgte am Tag die Flächenbombardierung durch 311 amerikanische Bomber.
Foto aus dem Panoramen: Dresden 1945
Am 15. Februar musste Dresden einen weiteren Angriff der US-Luftwaffe überstehen. Bis zu 25.000 Menschen verloren ihr Leben. Die bis zur Unkenntlichkeit verkohlten Toten lagen noch Tage auf der Straße oder in den Trümmern, ehe die Leichenberge zur Verhinderung von Seuchen verbrannt werden konnten. Bis August 1944 war Dresden als einzige deutsche Großstadt weitgehend von alliierten Bombenangriffen verschont geblieben und auch zu Jahresbeginn 1945 noch nahezu unbeschädigt, obwohl es einen wichtigen Verkehrsknotenpunkt zwischen Prag, Berlin, Leipzig, Nürnberg und Warschau darstellte. Neben kleineren Rüstungsbetrieben existierten mit der Zeiß-Ikon AG, der Paul Märksch AG oder den Flugzeugwerken in Dresden-Klotzsche auch größere Industrieanlagen. Allerdings waren diese Angriffsziele angesichts mangelnden Rohstoffs und zunehmender Desorganisation der militärischen Nachschubwege Anfang 1945 keine kriegswichtigen Anlagen. Die Zerstörung Dresdens war der Höhepunkt gezielter Flächenbombardements der Alliierten gegen die deutsche Zivilbevölkerung, um deren Moral zu brechen. Der NS-Propaganda bot die Bombardierung von Dresden noch einmal Gelegenheit, an den Durchhaltewillen der Deutschen zu appellieren.
Schon seit Kindertagen faszinieren Yadegar Asisi die Techniken der Raumillusion. Vor allem begeistert ihn die italienische Renaissance-Malerei um 1500. Meister wie Andrea Mantegna oder Leonardo da Vinci wecken bereits bei dem zehnjährigen Schüler in Leipzig Fragen nach den Möglichkeiten, innerhalb eines zweidimensionalen Tafelbildes dreidimensionale Räume darzustellen. Die Technik des Zeichnens bedeutet für den jungen wie den erwachsenen Asisi ein Rüstzeug zur Erkenntnis der Welt und zur Persönlichkeitsbildung. Perspektivische Prinzipien nehmen in den späteren Berufungen eine wichtige Rolle ein.
Foto aus dem Panoramen: Dresden 1945
Vita
1955 geboren in Wien, Kindheit und Jugend in Halle und Leipzig. 1973 bis 1978 Architekturstudium, Technische Universität Dresden. 1978 bis 1984 Malereistudium, Hochschule der Künste, Berlin. 1991 Gastprofessur im Fachbereich Architektur, Hochschule der Künste, Berlin. 1996 bis 2008 Professur für Freie Darstellung, Technische Fachhochschule, Berlin. An der TU Dresden absolviert Asisi von 1973 bis 1978 ein Studium der Architektur und lernt den Charme und die Besonderheiten des 1945 zerstörten und sich im Wiederaufbau befindenden Dresden kennen. Aufgrund seiner Biografie als Sohn persischer Flüchtlinge kann er 1978 die DDR verlassen und begibt sich für ein knappes Jahr in den Iran der Revolutionszeit. 1979 kehrt er nach Deutschland zurück und absolviert bis 1984 an der Hochschule der Künste (heute Universität der Künste) in Berlin ein Studium der Malerei, zuletzt als Meisterschüler von Klaus Fußmann.
Angkor war vor 1100 Jahren die größte Stadt der Welt.
Autorin Naike Juchem
Noch heute gibt diese Stadt Archäologen und Historiker sehr viele Rätsel auf. In Angkor wurden bis heute sieben verschiedene Sprachen gefunden, wovon zwei nicht zugeordnet werden können. Angkor war eine gigantische Stadt, deren Ausmaß heute noch nicht genau bekannt ist, den immer wieder werden Mauern, Wassergräben, Säulen und Reste von Gebäuden bis ins thailändische Ayutthaya gefunden. Wer in Kambodscha und Thailand unterwegs ist, sieht in fast jeder Stadt oder Siedlung Überreste von dieser Megastadt. Etwa eine Million Menschen haben in jener Zeit in der Angkor gelebt.
Jayavaman II. oder Suryavarman II. Karl der Große, Ludwig II., Konrad I. oder auch Heinrich I. sind in der Geschichte schon etwas besser auseinander zu halten.
Jayavarman I. oder II. gilt als der Gründervater des Khmer-Reiches von Kambuja – also von Angkor. Oder deshalb, weil es Inschriften in Angkor gibt, welche möglicherweise Jayavarman I. und II. als identisch annehmen. Fest steht nur, dass das Königreich der Khmer in den Jahren 770 und 781 nach Christus gegründet wurde.
Suryavarman II. wurde 1095 in Angkor geboren und wurde 1113 König. Er regierten bis zu seinem Tod 1150 über Kambuja.
Eingangstor von Angkor in der Nähe von Ayutthaya, Thailand
Es gibt auf der Welt nicht vergleichbares
Angkor ist darüber hinaus in seiner gesamten Baukunst in Symmetrie in dieser Größenordnung einmalig auf der Welt. Die allen uns bekannten Pyramiden von Gizeh oder die Maya Tempel im Mexiko sind im Vergleich zu Angkor nicht mehr als ein Gartenhäuschen. Selbst die chinesische Mauer, welche man von Weltall aus sehen kann, kommt nicht an Angkor heran.
Angkor ist allgemein als Angkor Wat bekannt. Dies ist soweit falsch, weil Wat – Tempel bedeutet. Angkor Wat ist lediglich der Name des größten sakralen Bauwerks der Welt und bezeichnet nicht (wie häufig gedacht) die komplette Anlage. Auch ist es ein Märchen, Angkor soll im Dschungel untergegangen sei. In Europa wurde Angkor erst 1860 durch den Franzose Henri Mouhot bekannt. Er fand im „Urwald“ von Kambodscha einen Tempel, also Wat, welcher tatsächlich durch die Vegetation zugewachsen war und schließte daraus, dass Angkor „versunken“ sei. Selbst im 21. Jahrhundert finden Geologen über Luftaufnahmen und mit Infrarotscanner immer noch Überreste von dieser einmaligen Stadt.
Auch gibt es auf der Welt keine Nationalflagge auf der ein Gebäude abgebildet ist – außer Kambodscha. In Afghanistan war es bis zur erneuten Machtübernahme der Taliban der Königspalast in Kabul.
Angkor als Filmkulisse
In dem Hollywood Film „Tomb Raider“ mit Alicia Vikander, sieht man Teile von Angkor als Filmkulisse. So unter anderem Wat Ta Prohm, wo gigantische Wurzeln und Bäumen Teile an Teilen von Gebäuden in den Himmel wachsen. Auch wurde an Angkor Thom gedreht, welche einst die Hauptstadt des Khmer-Reiches sein musste. An Wat Bayon, dort wo die eindrucksvollen Gesichter und Silhouetten in den Sandstein gemeisselt wurden, ist auch in diesem Film zu sehen. Alleine das Gebiet von Bayon ist 9 Quadratkilometer groß. Diese drei Anlagen von Angkor sind in der Provinz Siem Reap zu besichtigen. Das gesamte Areal wird heute als Angkor Park bezeichnet.
In Angkor war alles in einer Symmetrie……sogar die Wassertümpel.
Die Entdeckung von Angkor
Mitte des 15. Jahrhundert verließen die Khmer ihre heiligen Tempelanlagen in Kambuja und dies stellt Historiker vor nächste Fragen. Der französische Naturforscher Henri Mouhot entdeckte 1860 als erster Europäer einige Gebäude von Angkor – darunter auch Wat Ta Prohm. In seinen Überlieferungen schrieb er, dass er eine Stadt entdeckt hätte, welche im Dschungel versunkenen sei. Mouhot „fand“ in Wirklichkeit nur einen minimalen Bruchteil von Angkor. Da zu jener Zeit Kambodscha eine Kolonie von Frankreich war, waren es auch die Historiker, Archäologen und Naturforscher aus Frankreich, die Angkor nach und nach ins Bewusstsein der Weltgeschichte rückten. Im Laufe der Jahre wurden immer mehr Gebäude und Tempel gefunden und man begriff langsam, dass es sich hier um die größten Sakralbauten der Welt handelt.
Leider zerbröckelt der Sandstein durch Umwelteinflüsse an diesen Bauten immer mehr. Auch das subtropische Klima setzt nach über 1000 Jahren dem Sandstein sehr zu.
Die Fakten zu dieser Megastadt
Alle heiligen Tempelanlagen sind nach Osten ausgerichtet, bis auf Prasat Hin Phimai in der Nähe der thailändischen Stadt Nakhon Ratchasima und eben Angkor Wat. Da beide Gebäude unter der . Der Haupteingang von Wat Angkor – weil es sich hier um eben nur den Tempel handelt, ist diese Schreibweise richtiger. An dem Tempel wurde 37 Jahre mit wahrscheinlich 300.000 Menschen und 11.000 Elefanten gebaut. Die Anlage ist von einem rechteckigen Wassergraben von 1.500 m Länge und 1.300 m Breite umgeben. Die gesamte Fläche der Tempelanlagen sind fast 200 Hektar. Etwas 2.000 Apsara- und Devata-Figuren zieren die Wände von diesem Bauwerk.
Die Megastadt Angkor hatte eine Fläche von mehr als 400 km² und hat alleine in Kambodscha mehr als 1000 Gebäude, die unterschiedlich gut erhalten sind.
In dem heute bekannten Angkor Thom lebten im 11. Jahrhundert etwa 20.000 Menschen. Die Stadtmauer vom Thom hat eine Länge von 3 mal 3 Kilometer und ist von einem symmetrischen Wassergraben umgeben. Das Hauptmerkmal von Angkor Thom sind die fünf Sandsteintürme, welche in der Form von Lotusblüten gebaut wurden. Das heutige Angkor Gebiet um Siem Reap ist seit 1992 UNESCO Weltkulturerbe.
Wat Ta Prohm
Die Mythen um Angkor
Wie so oft bei alte Gebäude, Zeichnungen oder Fragmente ist auch bei Angkor viel Platz für Mythen und Legenden. Angkor sei als Grabstätte angelegt worden. Dies widerspricht das zivile Leben in den großen Städten, den die Khmer hatten unter anderem die Landwirtschaft und Wirtschaft kultiviert. Auch ist nirgends bekannt, dass für Khmer-Könige solche Grabstätten angelegt wurden.
Der gesamte Baustil von Angkor steht für eine einzigartige Symmetrie. Klare und exakte Linien, die 5 Türme von Angkor Wat welche als Symbol für den Berg Meru stehen. Welcher das Zentrum des Universums steht. Auch die Zahl 4 findet sich in allen Bauwerken wieder, denn diese steht im Hinduismus für absolute Vollkommenheit.
Das Leben nach dem Tod
Eine der Besonderheiten in Angkor ist, dass die Ausrichtung der Eingänge in allen Tempel nach Osten zeigen. Der Haupteingang von Angkor Wat ist aber nach Westen erbaut. In der Mythologie steht die Himmelsrichtung nach Westen symbolisch für den Tod.
Warum diese Tempel überhaupt gebaut wurden, ist ziemlich einfach zu erklären. Verschiedene Könige regierten das Reich der Khmer über Jahrhunderte und diese hatten alle ein Ziel: Nach dem Tod mit dem Gott ihres jeweiligen Glaubens zu verschmelzen (die meisten Khmer waren Hinduisten). Um ihrem Ziel näher zu kommen, errichteten die Könige Tempel als Paläste für die Götter. In den meisten Fällen wurden die Temple Shiva gewidmet. Interessant ist aber, dass die meisten Khmer-Könige immer neue Tempel bauen ließen, statt die Tempel ihrer Vorgänger zu vollenden. Historiker vermuten, dass die Erbauer sicherstellen wollten, mit ihrem eigenen Tempel die Verschmelzung zu ihrem Gott gewährleistet wollten.
Eine mathematische und astronomische Architektur
Die Architektur von Angkor als solche ist schon atemberaubend und in dieser Größenordnung auch einmalig auf der Welt. Nun kommt noch ein Phänomen hinzu. Zweimal im Jahr geht die Sonne zur Tag-und-Nacht-Gleiche, im März und September, exat über dem zentralen Turm von Angkor Wat auf. Da dieses Spektakel naturbedingt ausschließlich von Westen her zu sehen ist, könnte der Bau in eben diese Himmelsrichtung von König Suryavarman II beabsichtigt gewesen sein.
Um Afghanistan zu begreifen, muss man sehr weit in der Geschichte zurück gehen und auch die Ethnologie wie auch die Anthropologie in Betracht ziehen.
Von Naike Juchem
Was wir in Europa bis Anfang 1990 als Jugoslawien kannten, funktionierte in diesem – ebenfalls Vielvölkerstaat nur, weil man von Grund auf alles an Ethnien bekämpfte. Der Jugoslawien Krieg zeigte, wie verfeinert die Menschen in diesem Staatsgebiet waren. Es endete im Völkermord.
Wenn Afghanistan eine Zukunft haben sollte, kann es nur die Aufteilung des Staatsgebiet zur Folge haben.
Die Probleme in Afghanistan liegen in den vielen Ethnien die in diesem Land leben. Seit Jahrzehnten kämpft jeder gegen jeden. Dies ist und war der Nährboden für den Fundamentalismus, aus den der Terror resultiert. Auf lange Sicht gesehen, wird es in Afghanistan niemals Frieden geben, solange es ein territoriales Land gibt. Es muss endlich in Betracht gezogen werden, dass diese Form als Land so nicht existieren kann und wird.
Die Ethnologie in Afghanistan
In der Ethnologie und Anthropologie bezeichnet man als Clan eine Verwandschaftsgruppe, die sich auf einen gemeinsamen Ahn bezieht, ohne dabei jedoch die Abstammung lückenlos herleiten zu können. Eine genauere Definition von Clan, die sich in der englisch- und deutschsprachigen Forschungsliteratur durchgesetzt hat, geht auf den US-amerikanischen Anthropologen George P. Murdock (1897–1985) zurück. Murdock bezeichnet eine Verwandtschaftsgruppe, die gemeinsam auf einem Territorium zusammen lebt, als Clan. Eingeschlossen werden hier die angeheirateten Ehepartner, ausgeschlossen die wegheiratenden. Die Zugehörigkeit wird durch die Patrilinearität bestimmt. Diese Definition trifft auch auf Afghanistan zu.
Die Rolle der Ethnien und Stämme in der afghanischen Staatsbildung und Politik geht auf eine Zeit zurück, als Afghanistan im 18. Jahrhundert im Anschluss an eine neuntägige „Jirga“ gegründet und die Regierung von Ahmad Shah Abdali konstituiert wurde. Der Chronist der afghanischen Geschichte Mir Mohammad Ghobar schrieb, dass diese „Jirga“ sich aus Khans der Gheljaeis, Usbeken, Hazaras, Belutschen und Tajiken zusammensetzte.
Nach der Machtübernahme durch die Paschtunen wurde die Rolle andere Ethnien in der Geschichte Afghanistans unbedeutender. Die Paschtunen versuchten, den neuen Staat alleine zu prägen. Der deutsche Afghanistan-Experte Conrad Schetter schreibt dazu: „Die herrschende paschtunische Familie, welche durch Britisch Indien an die Macht gekommen war, favorisierte paschtunische Elemente bei ihrem Konzept von Staat und Nation Die Politik der herrschenden Familie setzte die eigenen ethnischen Muster ein, um öffentliche Güter und die Verwaltung unter ihre Kontrolle zu bringen.“ Die nicht-paschtunischen Ethnien, d.h. Tajiken, Hazaras und Uzbeken, verloren allmählich unter dem Druck der herrschenden Ethnie an Einfluss. Der Prozess der „Staats- und Nationsbildung“ beschränkte sich damit auf Aktionen und Reaktionen zwischen der Zentralregierung in Kabul und paschtunischen Stämmen. Aber auch zwischen den paschtunischen Stämmen gab es ständig Kämpfe und politische Rivalitäten.
Der iranische Soziologe Hossein Boshiria schreibt in seinem Dossier: „Die wichtigsten politischen Spannungen ereigneten sich unter paschtunischen Stämmen selbst; insbesondere zwischen Durranis und Barekzais gab es immer politische Rivalitäten.“ Man kann also sagen, dass der Prozess der „Staats- und Nationsbildung“ mit oder ohne Erfolg untrennbar mit der Rolle der Paschtunen in Bezug auf die Zentralregierung im Zusammenhang stand.
Stämme als Hindernis der Staatsbildung
Der italienische Afghanistan-Experte Antonio Giustozzi meint, dass Spannungen zwischen regionalen Fürsten und der Zentralregierung geschichtliche Wurzeln haben. Diese Spannungen lassen sich in verschiedenen Phasen der afghanischen Geschichte beobachten:
Amir Abdul Rahman Khan (Regierungszeit 1880 bis 1901) ist der erste afghanische Herrscher, der große Anstrengungen zur Stärkung der Nation und Errichtung einer Zentralregierung unternahm. Er ging dabei so grausam vor, dass man ihm den Titel „eiserner Emir“ gab. Abdul Rahman Khan siedelte Bevölkerungsteile um und setzte Paschtunen an ihre Stelle. Trotzdem konnte er die Prozesse der Staats- und Nationsbildung nicht vorantreiben, denn einerseits unterdrückte er wichtige afghanische Ethnien, und andererseits gelang es ihm nicht mit den Stammesfürsten der ländlichen Regionen eine produktive Beziehung herzustellen. Barfield schildert diese Situation so:
„Mit der Unterdrückung von Rivalen innerhalb seines Clans, der religiösen Bewegungen und ländlichen Unruhen durch Abdul Rahman Khan, entstand in Afghanistan eine Schicht der ‚politischen Elite‘, die sich zunächst aus wenigen Personen zusammensetzte, aber großen Einfluss durch die Regierung von Abdul Rahman Khan hatte. Da diese Elite ihre ethnischen und ländlichen Bindungen abgelegt hatten, spielten die autonomen regionalen Stammesfürsten eine Vermittlungsrolle zwischen der Kabuler Zentralregierung und dem Volk. Die Loyalität dieser Stammesfürsten basierte auf deren ethnischen, regionalen, religiösen Netzwerken und Stammesrivalitäten. Die Loyalität ihrer Anhänger galt an erster Stelle diesen Stammesführern und erst an zweiter Stelle der Zentralregierung.“
Nach Abdul Rahman Khan versuchte Amanullah Khan mit einer unterschiedlichen Art und sanfter Annäherung den Prozess der Staats- und Nationsbildung voranzutreiben. Er unterdrückte andere Ethnien nicht und schaffte die bis dahin geltende Versklavung der Hazaras ab.
Auch die Anstrengungen Amanullahs blieben ohne Ergebnis. Erschöpft vom Krieg gegen England widmete er sich der Modernisierung Afghanistans. Scheinbar hatte er es aber versäumt, tiefgehende Beziehungen zu Paschtunen herzustellen. Er hat versucht sensible Punkte der paschtunischen Tradition, wie das Verbot der Heirat von Minderjährigen, das Verbot der Polygamie und Bildung für Frauen uvm. zu etablieren. Das war für die Paschtunen ein rotes Tuch. Gerade diese Unzulänglichkeit war ein Grund für das Scheitern der Modernisierung und den Prozess der Staats-und Nationsbildung.
Jules Stewart erklärt beispielsweise, wie die paschtunischen Stämme Amanullah provozierten. Im Dezember 1927 unternahm der König auf Einladung der italienischen Regierung eine Europareise. Er kam im Juni 1928 wieder zurück und begann, inspiriert von seiner Eindrücken, mit neuen Reformen. Die Engländer verteilten indessen ein Bild von Königin Soraya unter den paschtunischen Stämmen; in diesem Bild war sie ohne Kopftuch zu sehen während eines gemeinsamen Essens mit ausländischen Männern, wobei der französische Präsident ihr die Hand küsst. Dies war der Grund, warum Amanullah gleich bei seiner Rückkehr nach Afghanistan mit einer schweren Welle der Unruhe unter den Stämmen und Geistlichen konfrontiert wurde, die ihn am Ende, ein Jahr später, seine Herrschaft kostete.
Die Stammesfürsten kontrollierten unter Amanullah nicht nur ihre eigenen Stämme, sondern übten über einen „Stämmebund“ Einfluss auf das Land aus und widersetzten sich der Modernisierung des Landes. Die „Loya Jirga“ widersetzte sich dem Wunsch Amanullahs das Mindestalter für die Heirat bei Mädchen auf 18 und bei Männern auf 21 festzulegen und die Polygamie abzuschaffen. Die Regierung Amanullahs stand kurz vor dem Sturz. Den beschriebenen Stämmebund bezeichnet Ibn-e Khaldoun als „asabieyeh“. Es ist jene strategische Koalition unter Mitgliedern eines Stammes oder mehrerer Stämme, die sie in einer Krisensituation zusammenbindet. Diese Form des Widerstandes ist alteingesessen und wird immer wieder dann ins Leben gerufen, wenn die Traditionen und Religion gefährdet wird. Im Fall Amanullahs haben sich Stammesführer, Geistliche und Feudalherren bereits 1924 erstmalig in Paghman getroffen, um gegen die Reformen des Königs vorzugehen.
Der Islam in Afghanistan
Islamischer Fundamentalismus, eine rückwärtsgewandte Religiosität und mittelalterliche Denken und Lebensweisen bestimmen häufig das Bild von Afghanistan. Dabei hat das Land mittlerweile eine Verfassung, einen direkt gewählten Präsidenten und ein demokratisch gewähltes Parlament. Trotzdem können sich bestimmte religiöse Kräfte über das Gesetz stellen. Wie groß ist ihr Einfluss? Wie wird der Islam in Afghanistan verstanden?
Am 12. August 2012 musste ein beliebter afghanischer Sänger, Shafiq Monir, sein seit langem geplantes Konzert in der Stadt Herat absagen. Grund war der Aufruf einiger Gelehrter der Stadt, allen voran der des populären Predigers Sheikh Mojib ar-Rahman Ansari. Ansari wollte das Konzert verhindern, weil er es für unmoralisch hielt. Dem Druck Ansaris und seiner Befürworter folgend, strichen die Behörden das Konzert schließlich. Das ist nicht das erste und wird wohl auch nicht das letzte Mal sein, dass bestimmte religiöse Kräfte in Afghanistan eine eigenwillige Interpretation des Islam vornehmen und sie den anderen aufzwingen. Auch vielen Afghanen diente der Vorfall als Beleg dafür, warum Afghanistan in der allgemeinen Wahrnehmung als ein rückschrittliches und vormodernes Land gilt. Mit Afghanistan werden seit mittlerweile über dreißig Jahren islamischer Fundamentalismus, rückwärtsgewandte Religiosität und mittelalterliche Denk- und Lebensweisen assoziiert. Es gilt als ein Land, in dem es keine Spur von Zivilität und Zivilisation gibt. Viele können vielleicht den politischen Anarchismus und die damit einhergehende religiös legitimierte bzw. motivierte Gewalt in der Zeit des Bürgerkrieges bis Ende 2001 noch nachvollziehen; es herrschte letztlich überall im Land Krieg und es gab keine souveräne Zentralregierung, die für Gesetz und Ordnung sorgen konnte. Inzwischen hat Afghanistan eine mit viel Aufwand verabschiedete Verfassung, einen vom Volk direkt gewählten Präsidenten und ein demokratisch gewähltes Parlament. Trotzdem können bestimmte religiöse Kräfte sich über das Gesetz stellen, ihre Meinung der Politik aufzwingen und letzten Endes die Souveränität des Staates sabotieren. Wie groß ist der Einfluss religiöser Akteure? Wie wird der Islam in Afghanistan verstanden?
Religiöse Akteure
Religiöse Akteure und insbesondere die offiziellen Träger des Islam, die ‘olama’, haben in der politischen Geschichte Afghanistans immer wieder eine weitreichende Rolle gespielt. Diese Tatsache geht nicht zuletzt darauf zurück, dass sie im Prozess der Meinungsbildung und der politischen Orientierung vieler Menschen ein wichtiger Faktor sind. Die politische Klasse ist stets darum bemüht gewesen, für ihre Regierungsbeschlüsse und -praktiken die Zustimmung der ‘olama’ zu gewinnen. Die ‘olama’ wurden aber andererseits oft für bestimmte Politiken, die im Grunde mit eindeutigen Anforderungen des Islam nicht konform waren, benutzt. Amir Abdorrahman Khan (1881-1901), der sogenannte Eiserne Emir, konnte seine nationalistische Unterdrückungspolitik beispielsweise im Namen des Islam durchführen. Legitimiert durch Fatwas der ‘olama’ ging er erbarmungslos gegen religiöse und ethnische Minderheiten vor. Unterstützt durch einige ‘olama’ ließ er sogar religiöse Stiftungen in Beschlag nehmen. Dem als Reformkönig geltenden Amanullah (1919-1929) dagegen verweigerten die ‘olama’ ihre Unterstützung. So gelang es ihm nicht, liberale Reformen durchzusetzen. Nach einer Europareise in Begleitung seiner freizügig gekleideten Frau teilte Amanullah der „Großen Ratsversammlung“ (Loya Jirga) seine Pläne zur Modernisierung des Landes mit. Dazu gehörten das Verbot der Sklaverei, die Religions- und Meinungsfreiheit und die Schulpflicht für Mädchen. Die religiösen Akteure, allen voran der einflussreiche Fazl Omar Mojaddadi, bekannt als Hazrat-e Shur Bazar, lehnten die Reformmaßnahmen ab und bezeichneten sie als nicht islamisch. Der anschließende Volksaufstand gegen Amanullahs Modernisierungsvorhaben führte letztlich zu seinem Sturz. Trotz derartiger Einflussnahmen wurden ‘olama’ nicht als eine politische Größe, sondern als eine religiöse Instanz angesehen. Die politisch zentrale Bedeutung, die den ‘olama’ in der Zeit des Widerstandes gegen die sowjetische Usurpation und des damit einhergehenden Bürgerkrieges zukam, war allerdings eine ganz neue Erscheinung, die das Selbstverständnis der ‘olama’ und ihr Bild in der Gesellschaft völlig veränderte. Diese neue gesellschaftspolitische Position religiöser Akteure ist u.a. auf die großzügigen finanziellen und militärischen Zuwendungen der Länder zurückzuführen, die die Widerstands- bzw. Bürgerkriegsparteien unterstützten. Die Führung dieser Parteien war zumeist in den Händen religiöser Akteure. Bald beanspruchten die ‘olama’, welche gewohnt religiöse Orientierung der Menschen bestimmten, auch die politische Führung. Während sie vor Kriegsbeginn allgemein auf die Gnade der politischen Klasse angewiesen waren, stellten sie während des Kriegs selbst die politische Führung dar. Diese Rolle wollen sie auch unter der neuen politischen Ordnung weiter ausüben, solange sie sich nicht als zivile sondern als religiös legitimierte politische Akteure verstehen
Der gelebte Islam in Afghanistan
Wie überall in der islamischen Welt zeichnet sich der Islam in Afghanistan durch eine Vielzahl von heterogenen Prägungen und Eigenheiten aus. Noch vor Kriegsbeginn wurde diese „Kultur der Ambiguität“ im Alltag gelebt. Trotz aller Diskriminierung lebten auch nichtmuslimische Gemeinschaften wie Sikhs, Hindus, Juden neben schiitischen und sunnitischen Muslimen. Viele Gelehrte sahen den unterschiedlichen Islamauffassungen und -praxen gelassen entgegen und richteten sich dabei nach der bekannten Tradition des Propheten, dass der Dissens muslimischer Gemeinschaft ein Zeichen der Gottesgnade sei eine Tradition, die in der islamischen Geschichte vielerorts jahrhundertelang praktiziert wurde. Dieser Usus kennzeichnete die sogenannte Blütezeit der muslimischen Kultur (750-1250) mit ihren Zentren wie Bagdad, in denen sich Kunst, Wissenschaft und Forschung glanzvoll entfalten konnten. Schon in der frühislamischen Zeit gab es ganz legitim nebeneinander existierende divergente Lesarten des Korans und damit der Scharia. Diese Tatsache hat bis zum Aufkommen des ideologisierten Islam im 19. Jahrhundert kaum jemanden in der islamischen Welt gestört. Mehrdeutigkeit sprach nicht gegen eine göttliche Herkunft des Korans oder der Scharia. Wer kann schon behaupten, die Scharia gänzlich zu erfassen? Als Gelehrte hatte man lediglich den bescheidenen Anspruch, eine eigene Interpretation der Scharia zu präsentieren und nicht die Scharia. Daher hat man die Meinung eines Gelehrten als Ergebnis seiner individuellen wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Scharia, als seinen ijtihad verstanden und nicht als „den einen wahren Islam“. Dementsprechend haben auch die meisten Gelehrten in Afghanistan andere Meinungen und Praktiken respektiert. Darüber hinaus weist der Islam in Afghanistan mystische Züge auf. Bis zum Aufbruch des Widerstandskampfes gegen die sowjetische Usurpation und des damit einhergehenden Bürgerkrieges hielt der mystische Islam Distanz zur Politik und forderte gemäß seines Selbstverständnisses Toleranz von den Menschen. Erst in der Kriegszeit mischte er sich zunehmend in die Politik ein und kämpfte wie die anderen Strömungen um mehr politischen Einfluss. Eine der wichtigsten Bruderschaften in Afghanistan stellt die Naqshbandeyya dar. Der Orden geht auf Muhammad Bahaoddin an-Naqshbandi (gestorben 1389) zurück und hat sich zunächst in Zentralasien verbreitet. In Afghanistan hat die Nashbandeyya vor allem unter den Tadschiken der Großstädte, aber auch unter einigen paschtunischen Stämmen im Süden und Südosten ihre Anhänger. Ein weiterer mystischer Orden in Afghanistan ist die Qadereyya. Der Begründer der ebenfalls einflussreichen Bewegung, Abd al-Qader Gilani (gestorben 1166), stammte aus Bagdad. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam die Bruderschaft nach Afghanistan. Im Gegensatz zu diesen beiden Orden, die vor allem in der Hauptstadt präsent waren, hatte der Chishteyya-Orden seine Anhängerschaft insbesondere in und um Herat, im Westen des Landes. Die Chisteyya wurde von Moinoddin Muhammad Chishti (gestorben 1236) gegründet und hat sich über die Grenzen des heutigen Afghanistans hinaus vor allem auf dem indischen Subkontinent verbreitet. Viele Menschen haben zwar die ‘olama’ als offizielle Träger des Islam betrachtet, sie hatten aber gleichzeitig ihre Beziehungen zu mystischen Bruderschaften und pflegten in ihrem Alltagsleben deren in der Regel offene Haltung, z.B. zur Musik oder zum Verkehr mit anderen religiösen Gruppen. Man legte ebenfalls viel Wert auf große zumeist mystisch orientierte Dichter. Ihre Gedichte wurden als Interpretation der koranischen Botschaft angesehen, ihre Einstellungen zum Leben und zur Welt wurden besonders geschätzt. Man nahm die Aufforderungen von Hafez (1320-1389) „In diesen beiden Ausdrücken liegt der Schlüssel zum Frieden im Diesseits und Jenseits“ und „Übe den Freunden gegenüber Großmut und den Feinden gegenüber Toleranz“ genauso ernst wie die Botschaft von Saadi (1190-1283): „Die Kinder Adams sind aus einem Stoff gemacht als Glieder eines Leibs von Gott, dem Herrn, erdacht Sobald ein Leid geschieht nur einem dieser Glieder dann klingt sein Schmerz sogleich in allen wider.“ Auch die Gedichte von Maulana Jalaloddin Balkhi (1207-1273) haben einen großen Platz im Alltagsleben der Menschen gehabt. Maulana sah die Liebe als Hauptkraft des Universums und das Universum als ein harmonisches Ganzes. Sein kultureller Kontext prägte selbstverständlich seine Vorstellungen von Gott, sein Gott kannte aber keine religiösen oder sonstigen Grenzen: „Was soll ich tun, o ihr Muslime? Denn ich kenn‘ mich selber nicht. Weder Christ noch bin ich Jude, und auch Pars und Muslim nicht. Nicht von Osten, nicht von Westen, nicht vom Festland, nicht vom Meer Nicht stamm‘ ich vom Schoß der Erde und nicht aus des Himmels Licht.“ Noch mehr als Hafez und Maulana wird in Afghanistan der große mystische Dichter Abdolqader Bidel Dehlavi (1645-1721) verehrt und gelesen. Er lebte und wirkte im Mogulreich und gehörte dem Qadereyya-Orden an. Seine Gedichte wurden von vielen Afghanen wie Koranverse rezitiert. Man beschäftigte sich mit ihm und seiner Philosophie in Lesungen und Diskussionsrunden. Eine Abendreihe über ihn unter dem Shab-e Aschoqan Bidel“ ist vielen Afghanen immer noch in Erinnerung geblieben. Der Meister der afghanischen klassischen Musik, Ostad Muhammad Hosain Sarahang (1923-1982), war der bekannteste Interpret der Dichtung von Bidel und sorgte mit seiner faszinierenden Stimme für die Omnipräsenz von Bidels Gedanken im Alltag vieler afghanischer Familien. Bidel wird als Anhänger einer gewissen pantheistischen Philosophie Vahdat al-vojud („Einheit der Existenz“) bezeichnet, der in dem als sehr komplex angesehenen Indischen Dichtungsstil dichtete. Indem er diese komplexe Ausdrucksweise pflegte, machte er doch die Ambiguität des Seins deutlich. „Solange die Einzelnen nicht zueinanderfinden, kann keine Gemeinschaft existieren.“ „Eine Ähre ist keine, wenn die Körner nicht zusammenwachsen.“
Die Kriegszeit
Krieg wurde in vielen Fällen der Religion halber geführt. So spricht man in der Geschichtswissenschaft vom „Religionskrieg“ oder „Glaubenskrieg“ oder auch vom „Konfessionskrieg“. Krieg verändert gleichzeitig den Zugang zur Religion und deren Textgrundlagen. In der Kriegssituation duldet man keine Dissidenten und keinen Zweifel an eigenen, eindeutig formulierten und für absolut richtig gehaltenen Zielen. Auch die Religion soll im Dienste des Krieges und der mit ihm einhergehenden Gewalterscheinungen stehen und sie legitimieren. Auf diese Weise entsteht religiöser Fundamentalismus. So entstand er in der Geschichte des Christentums und so erschien er in der islamischen Geschichte. Der über dreißig Jahre andauernde Kriegszustand in Afghanistan hat kaum Platz fürs Weiterbestehen einer Kultur der Pluralität und Toleranz übrig gelassen. Vielmehr setzte sich ein einseitiges, für eindeutig gehaltenes und damit fundamentalistisches Verständnis des Islam durch. Bereits im „Jahrzehnt der Verfassung“ 1963-1973 haben sich vor allem in Kabul kleine islamistische Kreise gebildet. Ihr vordergründiges Anliegen war die Bekämpfung von marxistisch orientierten Gruppen, die über eine beachtliche Anhängerschaft unter den Studenten verfügten. Sie bezeichneten sich teils als „Jungmuslime“ und teils als „Islamische Gemeinschaft“ und wurden hauptsächlich von Persönlichkeiten geführt, die an der Al-Azhar-Universität in Kairo ausgebildet worden waren und mit dem Gedankengut der „Muslimbrüder“ vertraut waren. Zu den Führungskadern dieser Gruppen gehörten die Dozenten Gholam Muhammd Neyazi (gest. 1978) und Borhanoddin Rabbani (1940-2011) und die Studenten Golboddin Hekmatyar (geb. 1947) und Ahmad Shah Massud (1951-2001). Die drei Letzteren führten später nicht nur die wichtigsten Widerstandsparteien gegen die sowjetischen Truppen, sie lieferten sich auch gegenseitig blutige Kämpfe, die nach dem Rückzug der sowjetischen Armee noch erbitterter weitergeführt wurden. Die Logik des Krieges hat sich mit der Zeit fast aller religiösen Akteure und der mystischen Bruderschaften bemächtigt. Die herausragende Figur des Naqshbandeyya-Ordens Sebghatollah Mojaddadi (geb. 1925) mit seiner Partei Nationale Rettungsfront und der geistliche Führer des Qadereyya-Ordens Pir Sayyed Ahmad Gailani (geb. 1932) mit seiner Organisation Nationale Islamische Front und die Chishteyya-Bewegung in der Herat-Region waren nicht nur an dem Widerstandskampf beteiligt, sondern auch an den schmutzigen Brüderkriegen der Mujahidin. Die intellektuelle Nahrung der Gruppen waren nicht mehr und konnten auch nicht mehr die Gedichte von Maulana oder Bidel sein, sondern die Gedanken von den fundamentalistischen Vordenkern Sayyid Qutb (1906-1966) und Abu Ala Maududi (1903-1979). Die großzügigen finanziellen und militärischen Mittel, die die Kriegsparteien über Jahrzehnte erhielten, begünstigten und verfestigten die fundamentalistische Auffassung des Islam umso mehr. Fundamentalismus war schließlich der Marktrenner. Trotz einer einigermaßen demokratisch gewählten und halbwegs funktionierenden Zentralregierung herrscht weiterhin der Kriegszustand in Afghanistan und in den Köpfen einiger religiöser Akteure. Viele Menschen, insbesondere viele junge Männer und Frauen in den Großstädten, wollen dennoch zu einem normalen Leben zurückfinden. Geschäfte, wissenschaftliche Tätigkeiten, künstlerische Aktivitäten und literarisches Schaffen kehren in den Lebensalltag zurück und damit auch eine Kultur der Vielfalt. Wenn man einen Augenblick die kriegerischen Momente, die ebenfalls zum Alltag der Menschen gehören, ausblendet, spürt man in Kabul, in Herat, in Kandahar und in Mazar einen Hauch, einen sehr dünnen Hauch vom Bagdad des 10. Jahrhunderts voller Tüchtigkeit und Pluralität.
Die Ethnien in Afghanistan
Iranische Völker Über 85 % der Menschen sprechen eine iranische Sprache als Muttersprache und gehören somit einem iranischer Volksgruppen an.
Die größte und einflussreichste Ethnie in Afghanistan sind die Paschtunen, nach denen Afghanistan auch benannt ist. Seit der Abspaltung Afghanistans vom Iran im 18. Jahrhundert prägen die Paschtunen das Land. Historisch waren sie Nomaden, heute sind jedoch die meisten Paschtunen sesshaft, sind aber in viele Stämmen eingeteilt, die bekanntesten sind die Durrani und die Ghilzai, die vor allem im Osten des Landes leben. Auch ein Großteil der Taliban-Bewegung war bzw. ist paschtunisch, weshalb sie in der Region ein schlechtes Bild haben. Deren Sprache, das Paschtu, ist jedoch nicht die häufigste Muttersprache, da mehrere Volksgruppen Persisch sprechen, dazu gehören die Tadschiken, Hazara, Aimaken und Perser.
Tadschiken und Perser machen mit etwa 27 % die zweitgrößte ethnische Gruppe aus, sprechen Persisch und sind genau wie die Paschtunen in der Regel sunnitisch, was sie von den Hazara und den iranischen Persern unterscheidet, es gibt jedoch im Norden und Westen einige schiitische Tadschiken. Der Begriff „Tadschike“ ist in Afghanistan nicht genau definiert, häufig werden alle Sunniten, die Persisch sprechen, als Tadschiken bezeichnet. Die Tadschiken machen die Mehrheit der Stadtbevölkerung aus und beherrschen die Basare. Sie teilen sich in viele Stämmen auf.
Die Hazara sprechen den persischen Dialekt Hazaragi und sind schiitisch. Sie haben eine mongolische Abstammung, man geht davon aus, dass sich mongolische Soldaten nach der Expansion im 13 Jh. in der Region niedergelassen haben und mit der schiitischen, persischen Bevölkerung vermischt haben. Aufgrund der ethnischen Herkunft, Sprache und des schiitischen Glaubens sind sie immer wieder Opfer von Diskriminierung und Gewalt, insbesondere von paschtunischer Seite. Im Bürgerkrieg wurden einige Hazara gezielt von sunnitischen Islamisten getötet. Viele Hazara sind ins Ausland geflüchtet, vor allem in den Iran, nach Pakistan und Europa. In den Zielländern werden sie ebenfalls häufig diskriminiert.
Die Aimaken stellen ebenfalls eine bedeutende persischsprachige Minderheit dar, sind sunnitisch und bezeichnen sich häufig auch als Tadschiken oder Perser. Sie sind ebenfalls in zahlreiche Stämmen aufgeteilt, die im Westen und Zentrum des Landes leben.
Die Belutschen leben im Süden des Landes, sprechen Belutschisch und sind sunnitisch. Viele sehnen sich nach einem belutschischen Nationalstaat mit den Belutschen in Pakistan und im Iran.
Weitere iranische Volksgruppen in Afghanistan sind die Kurden, die etwa 0,6 % der Bevölkerung ausmachen, sowie zahlreiche ostiranische Volksgruppen im Pamirgebirge wie die Wakhi, Sanglechi, Shughni, Ishkamini, Munji oder Tangshewi. Deren Zahlen sind rückläufig, da zu wenig getan wird, um die Sprachen und Kulturen dieser Völker zu erhalten. Einige Sprachen sind gefährdet, da die Menschen persisch oder paschtu annehmen und an ihre Nachkommen weitergeben. Mit dem Aussterben der Sprache ist in der Regel auch die Grundlage der ethnischen Kultur dieser Völker in großer Gefahr.
Die Turkvölker
Die Usbeken sind mit rund 9 % die größte turksprachige Ethnie Afghanistans und leben vor allem im Norden nahe Usbekistan. Afghanistan hat die größte usbekische Bevölkerung nach Usbekistan. Sie sind sunnitisch und in Konflikten mit den Tadschiken verbündet.
Die Turkmenen leben entlang der turkmenischen Grenze im Norden des Landes und machen zwischen 3 und 5 % der Bevölkerung aus. Sie sind sunnitisch. Einige Turkmenen, Usbeken, Kirgisen und Tadschiken sind in den 1920er Jahren wegen der stalinistischen Politik und der daraus folgenden Hungersnöte wegen der Zwangskollektivierung nach Afghanistan geflohen. Viele leben direkt an der Grenze zu Turkmenistan und wünschen sich einen Anschluss an Turkmenistan.
In der Provinz Wakhan leben einige kirgisische Nomaden, die faktisch von der Außenwelt isoliert sind. Sie sind teilweise ebenfalls Flüchtlinge des Kommunismus nach der russischen Revolution.
Auch gibt es noch zahlreiche weitere kleine turksprachige Gruppen wie die Qizilbasch, Kasachen, Türken oder Afscharen, die nur eine geringe Zahl ausmachen. Sie leben teilweise nomadisch.
Die Sadat werden in Afghanistan als ethnische Gruppe anerkannt. Die mehrheitlich in Balch und Kundus im Norden und in Nangarhar im Osten lebenden Sayyiden sind sunnitische Muslime, aber es gibt auch einige, darunter in der Provinz Bamiyan, die dem schiitischen Islam angehören. Diese werden oft als Sadat bezeichnet, ein Wort, das traditionell „im nördlichen Hedschas -Gebiet und in Britisch-Indien gleichermaßen auf die Nachfahren von Hasan und Hussein, Söhnen von Ali und Enkeln von Mohammed, angewendet wurde“.
Die dravidischen Brahui machen 0,8 % der Bevölkerung aus und leben vor allem im Süden mit den Belutschen zusammen.
Die Nuristani leben nordwestlich von Kabul. Deren Sprachen: Kati und Ashkun sind zwar indoiranisch, aber weder iranisch noch indoarisch. Es wird behauptet sie seien die direkten Nachfahren der Griechen, die sich während des Indienfeldzugs Alexander des Großen in Nuristan niedergelassen haben. Diese These wird jedoch von verschiedenen Experten angezweifelt. Da sie lange Zeit nicht muslimisch waren, wurden sie früher als Kafiren bezeichnet.
Auch leben in Afghanistan noch zahlreiche kleine indoarische Völker, die zusammen etwa 1,5 % ausmachen. Die Paschai sind die größte Ethnie, weitere sind die: Punjabi, Sindhi, Kohistani, Gujjar und Roma. Die Indoarier, die nicht in den letzten Jahrhunderten eingewandert sind, sprechen dardische Sprachen. Die meisten Indoarier in Afghanistan sind sunnitisch, wobei es auch einige Sikhs und Hindus gibt. Urdu gilt als Lingua Franca der indischen Völker in Afghanistan.
Durch die teilweise verfeindeten Ethnien und Stämme existiert in weiten Teilen der afghanischen Bevölkerung kein Nationalgefühl. Viele Bewohner Afghanistans fühlen sich unterdrückt und möchten nicht als „Afghanen“ bezeichnet werden. Eskaliert ist die Situation, als es elektrische Personalausweise mit dem Eintrag „Nationalität: Afghane“ geben sollte. Ethnische Konflikte spielen eine wichtige Rolle im Bürgerkrieg. Durch die Spaltung des Landes und Sprachprobleme ist eine politische Entwicklung kaum möglich. Daher ist auch ein gemeinsamer Kampf gegen die Taliban schwer möglich.
Viele Volksgruppen, vor allem Hazara und Tadschiken, fühlen sich gegenüber den Paschtunen benachteiligt. Paschtunische Nationalisten versuchen, einen paschtunischen Nationalstaat auf Kosten der Minderheiten aufzubauen Ethnischer Separatismus ist entstanden. Viele Turkmenen möchten ihre Siedlungsgebiete an Turkmenistan anschließen, Usbeken an Usbekistan. Die Hazara streben nach einem unabhängigen Hazaristan.
Fazit
Afghanistan ist entgegen der herrschenden Auffassung kein stammesorientierter Staat. Vielmehr ist der „Stamm“ nur die „politische Einheit“ eines Teils von Afghanistan und bezieht sich auf die Paschtunen. Nations- und Staatsbildung sind in den vergangenen 100 Jahren in einer Wechselbeziehung zwischen der Zentralregierung und Stämmen aus zwei wesentlichen Gründen misslungen:
a) Der Widerstand der Stämme gegenüber dem „modernen Staat“. b) Die „ineffiziente“ Politik der Zentralregierungen gegenüber den Stämmen und die mangelnde Verbreitung des Verwaltungsapparates in den Stämmen und ländlichen Regionen.
Um die Nations- und Staatsbildung in Afghanistan zu verwirklichen, müssen alle „politischen Einheiten“ berücksichtigt und in einem weiteren Schritt die Art ihrer Beziehung zut Zentralregierung definiert werden. In der gegenwärtigen Phase, nach 2001, sind im Prozess der Nations- und Staatsbildung zwar auch andere politische Gruppierungen auf die Bühne getreten, die zu verschiedenen Ethnien gehören, d.h aber nicht das sie auch die Interessen ihrer Ethnie vertreten, da sie nicht demokratisch gewählt worden sind. Beispielsweise bedeutet die Präsenz von nicht-paschtunischen Stammesfürsten nicht zwangsläufig, dass sie ihren eigenen Stamm vertreten. Es muss deshalb in Kabul eine politische Struktur entstehen, an der sich in natürlicher Form verschiedene politische Einheiten beteiligen können.
In der jetzigen Situation ist die Macht in Form von „Kontingentierung“ unter bestimmte Personen verteilt worden, und zwar unter der Annahme, dass die jeweiligen Personen einen Stamm repräsentieren. Das führt zur Unterdrückung der politischen Dynamik in den Ethnien und dazu, dass politische Akteure einer Ethnie gezwungen sind, zur Teilnahme an politischen Entscheidungen den Führer des jeweiligen Stammes als Brücke zu nutzen. So muss z. B. eine neu unter den Uzbeken entstandene politische Einheit zu ihrer Bestand- und Beteiligungssicherung auf der politischen Landschaft von General Dostum genehmigt werden. Dostum ist seit den Neunziger Jahren der Anführer der usbekischen Miliz. Nach dem Sturz der Taliban 2001 hat er an Macht gewonnen und ist der Anführer aller Usbeken. Daher muss jeder Usbeke, der sich politisch engagieren will, die Linie Dostums einhalten.
Weiter lässt sich feststellen, dass ein moderner Staat auch moderne Strukturen verlangt. Die Loya Jirga stellt ein Parallelorgan zu anderen Institutionen wie Parlament und Senat dar und verringert deren Einfluss. Darüber hinaus verstärkt sie die Legitimation von Anführern in Stämmen und ländlichen Regionen. Dies wiederum bewirkt eine Stärkung der traditionellen Institutionen und Schwächung des staatlichen Verwaltungsapparates in diesen Regionen. Moderne Institutionen müssen in den zentralen Blickwinkel der Regierung rücken, damit durch ihre Stärkung die politische Struktur rational und effizient gestaltet werden kann.
Quellen – Conrad Schetter, Ethnicity and the Politics Reconstruction in Afghanistan. Bonn: Center for Development Studies (ZEF), Universität Bonn.
– Dr. Abbas Poya, Freiburg Institute for Advanced Studies (FRIAS), School of History.
– Dr. Najibullah, Retrieved June 28, 2012, from Afghanistan’s Information Network
– Mohammad Hossein Allafi:Islamistischer Wirrwarr kontra Demokratie? 2014
– Thomas Bauer, Die Kultur der Ambiguität. Eine andere Geschichte des Islams, Berlin 2011
– Thomas Barfield, Afghanistan; A Cultural and Political History. Princeton and Oxford: Princeton University / WordPress
„Sind so kleine Seelen offen und ganz frei. Darf man niemals quälen gehn kaputt dabei.“ (Bettina Wegner)
Autorin Naike Juchem
Die Gräueltaten der NSDAP sind vielen bekannt und es gibt Millionen Fällen, wo Menschen brutal ermordet, Hingerichtete, verhungern, vergewaltigt oder vergast wurden. Nach wissenschaftlichen Schätzungen zufolge wurden ungefähr 17 Millionen Menschen von Nationalsozialist_innen und ihren Unterstützer_innen ermordet. Diese Zahlen Basis auf Daten die das United States Holocaust Memorial Museum (USHMM) veröffentlicht hat. Die Schätzungen basieren auf Kriegsberichten derjenigen, die die NS-Bevölkerungspolitik umgesetzt haben, sowie auf demographischen Studien zum Bevölkerungsverlust während des Zweiten Weltkriegs, die nach dem Krieg durchgeführt wurden. Die jüngste Schätzung zur Opferzahl der Homosexuellen beruht auf den Forschungen des deutschen Historikers Dr. Alexander Zinn, der zu dieser Opfergruppe zuletzt intensiv geforscht hat.
Ein Teil der Opfer davon wurde in Deutschland selbst ermordet, etwa in Konzentrationslagern, Gefängnissen, bei Pogromen oder in Krankenanstalten wie Bernburg, Hadamar, Hartheim und Sonnenstein. Eine besonders große Zahl an Menschen wurde in Polen und der ehemaligen Sowjetunion ermordet. Hier hatten die Deutschen Vernichtungslager errichtet, in denen unter anderem ein Großteil der jüdischen Opfer umgebracht wurden. Zudem erschossen Einsatzgruppen im rückwärtigen Heeresgebiet viele Zivilisten, die meisten davon Juden. Den Großteil der russischen Kriegsgefangenen ließ die Wehrmacht in Gefangenenlagern verhungern. In der Grafik nicht aufgeführt sind deutsche politische Gegner und Widerstandskämpfer in von den Achsenmächten besetzten Gebieten. Ihre Zahl ist laut USHMM bislang unbestimmt.
Foto: Pixabay
Die Kinder von Lidice
Lidice war bis zum Frühjahr 1942 ein Dorf, nur 22 km von Prag entfernt. 493 Menschen lebten dort in 102 Familienhäusern. Die Männer arbeiteten meistens in den Stahlwerken und Kohlebergwerken im 7 km entfernten Kladno.
Seit März 1939 war Tschechien, wie andere Regionen Europas durch das nationalsozialistische Deutschland besetzt, die Gebiete quasi zu Kolonien degradiert. Im Mai 1942 wurde in Prag ein Attentat auf den Reichsprotektor Böhmen und Mähren, Reinhard Heydrich, verübt. Heydrich starb am 04. Juni 1942. Am 03. Juni entdeckte die Gestapo eine Spur – ein falsch gedeuteter Liebesbrief – die nach Lidice führte. Die Nachforschungen vor Ort ergaben keine Bestätigung des Verdachts, dass die Bewohner von Lidice an dem Attentat beteiligt gewesen wären. Dennoch sollte ein Exempel statuiert werden. Am 09. Juni, am Tag der Beisetzung Heydrichs in Berlin, wurde das Schicksal Lidices in einer Führerbesprechung besiegelt:
Betrifft Ortschaft Liditz, Bezirk Kladno. Am 09.06.1942, um 19:45 Uhr, teilt SS-Gruppenführer K. H. Frank aus Berlin telefonisch mit, dass auf Grund eienr Führerbesprechung die Ortschaft Liditz folgendermaßen zu behandeln ist:
• Alle männlichen Erwachsenen sind zu erschießen.
• alle Frauen sind in ein Konzentrationslager zu überstellen.
• die Kinder sind zu sammeln und, soweit eindeutschungsfähig, an SS-Familien ins Reich zu geben. Der Rest wird einer anderen Erziehung zugeführt.
• die Ortschaft ist niederzubrennen und dem Erdboden gleich zu machen. Die Feuerwehr ist hierbei einzuschalten (…)
Foto: Pixabay
Nun möchte ich über ein einzigartiges Projekt der Bildhauerin Marie Uchytilová berichten. Die Statuengruppe aus Bronze mit dem Namen „Denkmal für die Kinderopfer des Krieges“ erinnert einerseits an das tragische Schicksal der Lidicer Kinder, andererseits an alle Kinderopfer des Zweiten Weltkrieges. Dank beträchtlicher finanzieller Spenden aus Tschechien und dem Ausland konnte die Statuengruppe aus Bronze in ihrer endgültigen Gestalt im Jahre 2000 auf dem Gelände der Gedenkstätte Lidice enthüllt werden. Die Statuengruppe stellte Marie Uchytilová nach zwanzig Jahren fortwährender Arbeit im Frühling 1989 fertig. Die ersten drei Statuen goss sie auf eigene Kosten in Bronze. Für die weitere Umsetzung der Kindergruppe konnte sie jedoch nicht mehr fortführen, da sie am 16. November 1989 unerwartet und plötzlich verstarb.
Für die Arbeit an ihrem Lebenswerk studierte Marie Uchytilová Fotos der ermordeten Kinder. Neben der Größe und dem Alter der Kinder versuchte sie, auch ihre Wesensart festzuhalten. 82 überlebensgroße Statuen erinnern an das Schicksal der Lidicer Kinder, die im Vernichtungslager Chelmno starben, das auf dem Gebiet des damaligen Generalgouvernements lag. Nachdem die Kinder als nicht Germanisierung geeignet befunden wurden, fanden sie den Tod in Gaswagen. Nur neun Lidicer Kindern wurde eine Chance gegeben. Sie wurden in deutsche Familien auf dem Gebiet des Dritten Reichs gegeben. Sieben Kinder unter 12 Monaten wurden in einer Krankenhauseinrichtung in Prag untergebracht. Nur zwei der sechs Kinder, die Lidicer Frauen nach der Tragödie zur Welt brachten, überlebten das Elend des Krieges. Neugeborene, die das Licht der Welt hinter den Mauern des Konzentrationslagers Ravensbrück erblickten, wurden auf der Stelle ermordet. Nur 17 der 105 Lidicer Kinder kehrten nach dem Krieg nach Hause zurück.
Die perversion eines sinnlosen Krieges und dessen Folgen noch mindestens 13 Generationen anhalten werden.
Autorin Naike Juchem
„In 1965 Vietnam seemed like just another foreign war but it wasn′t It was different in many ways, as so were tose that did the fighting In World War II the average age of the combat soldier was 26 In Vietnam he was 19 In-in-in Vietnam he was 19
The shooting and fighting of the past two weeks continued today 25 miles west of Saigon I really wasn’t sure what was going on“
(In deutsch: 1965 schien Vietnam einfach nur ein weiterer ausländischer Krieg zu sein. Aber das war er nicht, er war auf viele Weisen anders. So waren es auch die, die im zweiten Weltkrieg kämpften. Das Durchschnittsalter des Soldaten war sechsundzwanzig. In Vietnam, war er neunzehn.19!
Die schwersten Gefechte der letzten zwei Wochen, setzten sich heute fünfundzwanzig Meilen nord-westlich von Saigon fort.
Ich war mir echt nicht sicher was da vorging.)
Ein Lied von Paul Hardcastle aus dem Jahr 1985, das von ihm, William Coutourie und Jonas McCord geschrieben wurde.
Um den Vietnamkrieg zu begreifen muss man in der Geschichte gute 100 Jahre zurück gehen. In dem Artikel : „Der kolonial Gedanke der Europäer in Südostasien und seine fatalen Folgen“ habe ich darüber berichtet.
In diesem Artikel geht es um über drei Millionen Menschen die ihr ganzen Leben lang in Folge von Dioxin gezeichnet sind.
Am 2. August 1964 in der Bucht von Tonkin zwischen dem US-Zerstörer „Maddox“ und nordvietnamesischen Schnellbooten zu Schusswechseln. Daraufhin verkündete die US-Regierung, bei einem weiteren Vorfall, würden sie mit einem Vergeltungsschlag reagieren. Mit der Behauptung, dass Nordvietnam am 4. August 1964 erneut zuerst Schüsse abgefeuert habe, konnte die USA weitere Truppen nach Vietnam senden, ohne offiziell den Krieg erklärt zu haben. Im Nachhinein stellte sich dies als eine Fälschung da. US-Offiziere manipulierten Funkgespräche und gaben Falschinformation weiter. Dies führte in Washington zur sogenannten Tonking-Resolution, eine Ermächtigung zum Krieg, die, wie Johnson meinte, „wie Großmutters Nachthemd alles abdeckt“
Unter dem Befehl von John F. Kennedy flogen die US Air Force ab 1962 bis 71 weit über 6.000 Einsätze und warfen Tausende Tonne Bomben über Vietnam ab. Bei diesen Einsätzen versprühte die US Air Force auch großflächig zwischen 80 bis 90 Millionen Liter äußerst giftiger Chemikalien, von denen circa 45 Millionen Liter Agent Orange waren (genaue Zahlen gibt es nicht) und die fast 400 kg Dioxin enthielten und ein Siebtel der Gesamtfläche Vietnams langfristig kontaminierten. Die USA sind damit für den größten Chemie-Angriff der Menschheit verantwortlich. Dieses sogenannte Entlaubungsmittel, welches die Firmen Dow Chemical, DuPont und Monsanto (heute Bayer) herstellten, sollte einzig zum Ziel haben – die Entlaubung der dichten Wälder Vietnams, um die Verstecke und Versorgungswege des Vietcong aufzudecken. Außerdem wurden aus Flugzeugen, Helikoptern, Lastwagen und Handpumpen auch Ackerflächen besprüht, um dem Vietnamesen die Nahrungsgrundlage zu entziehen.
Die USA beendete den Einsatz von Agent Orange und den anderen Herbiziden offiziell im Mai 1970. Tatsächlich endete die „Operation Ranch Hand“ und das Versprühen von Agent Orange erst ein Jahr später, da das US-Militär auf eigene Hand die Herbizide weiter versprühten. Erst mit dem Verbot von dioxinhaltigen Herbiziden in den USA kam es zum endgültigen Ende der Einsätze.
Bei diesem 11-jährigen Krieg kamen mehr als drei Millionen Menschen ums Leben. Menschen starben qualvoll an den Napalm-Boben, Blindgänger von Minen, verhungerten oder durch Agent Orange. Die USA haben bei diesem Krieg ganz klar ein weiteres Mal gegen geltendes Völkerrecht verstoßen.
Photo: WordPress
Eine Menschenverachtende Kriegführung
Entlaubungsmittel hört sich offenbar auch viel schöner an, als Tetrachloro-dibenzo-para-dioxin, kurz: TCDD genannt.
Einen chemischen Namen für 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-dioxin gibt es nicht. In chemischen Verzeichnissen wird Agent Orange unter der Nummer 39277-47-9 geführt. Die Molekularformel lautet: C24 H27 CL5 O6. Agent Orange ist ein flüssiges Herbizid, das sehr schnell wirkt und im Volksmund als „Unkrautbekämpfungsmittel“ bezeichnet wird. Es entlaubt Pflanzen und auch Bäume.
2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-dioxin, oder Agent Orange ist eine chlorhaltige, hochgiftige organische Verbindung. Die Substanz leitet sich vom Dibenzodioxin ab und wird abgekürzt als 2,3,7,8-TCDD oder nur TCDD, fälschlicherweise auch als Dioxin oder als Seveso-Gift bezeichnet. Der Kurzname Dioxin bezeichnet vielfach unspezifisch die gesamte übergeordnete Stoffgruppe der polychlorierten Dioxine und Dibenzofurane, deren giftigster Vertreter das 2,3,7,8-Agent Orange ist.
Neben Agent Orange gibt es noch weitere flüssige Herbizide in anderen Zusammensetzungen, darunter Agent White, Pink, Green, Blue und Purple. Diese wurden ebenfalls im Vietnamkrieg verwendet, als es schwerer wurde auf dem Weltmarkt genügend 2,4,5-T, ein Inhaltsstoff von Agent Orange, zu beschaffen. Agent Blue wurde hauptsächlich auf Reisfeldern eingesetzt; Agent White wurde genutzt um Wälder zu entlauben. Die Wirkung von den anderen Herbiziden trat erst nach ein paar Tagen auf. Außerdem wirkten diese nur partiell, was die USA als Nachteil gegenüber Agent Orange als Breitbandherbizid ansahen.
Dioxin ist eine der schlimmsten toxischen Substanzen, die je von der Menschheit produziert wurden, und verursacht viele schwere Krankheiten, darunter Krebs, neurologische Störungen, spinalen Bifida, eine Abnahme der Immunität, Störungen des endokrinen Systems, Fortpflanzungsstörungen und Missbildungen bei Neugeborenen. Man geht davon aus, dass die Chemikalie in die Gene gelangt und von einer Generation an die nächste weitergegeben wird. Auch ist mittlerweile bekannt, dass Agent Orange über den Boden und Flüsse in die Nahrung gelangt. Niemand weiß genau, wie viele Generationen davon noch betroffen sein werden.
US-Bomber versprühen Dioxin über Vietnam. Photo: WordPress
Die USA vergiften die Welt
Eine Umweltkastatrophe in gigantischem Ausmaß breitet sich langsam durch Reis auf der Welt aus.
Nach den neuesten Zahlen sind die fünf Hauptreiseexportländer der Welt: Indien, Thailand, Vietnam, Pakistan und die USA in abnehmender Reihenfolge der ausgeführten Reismenge. Thailand und Vietnam sind auf den Export der Reissorte Jasmin spezialisiert. Alleine Vietnam exportiert jährlich 6,8 Millionen Tonnen Jasminreis. Zu den Hauptimporteure von Reis, liegt China mit 5 Millionen Tonnen Reis auf Platz 1 der Welt. Gefolgt von Nigeria, die Europäische Union, Saudi-Arabien und die Philippinen. Es ist als nicht auszuschließen, dass wir alle schon mal Agent Orange zu uns genommen haben.
Vietnam ist nicht das einzige Land in dem die Auswirkungen von Agent Orange spürbar sind. Auch die USA trägt Folgen mit sich. Allein durch die Verwendung in der US-amerikanischen Landwirtschaft hat sich das Dioxin von der Umwelt bis hin zu den Menschen verteilt. Was oft an diesem Krieg nicht bedacht wird, ist die Tatsache, dass auch US-Amerikanischen Soldaten Agent Orange ausgesetzt waren und erlitten somit die selben Schäden. Des Weiteren treten die Auswirkungen teilweise in Hawaii und anderen Ländern auf, wo Agent Orange und andere Herbizide vor und während dem Vietnamkrieg getestet wurden. Durch den großflächigen Air Force Einsatz von Agent Orange, zog es auch auf die Nachbarländer von Vietnam – hier vor allem Laos und Kambodscha.
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Die Folgen nach dem Krieg sind nicht absehbar
50 Jahre nach dem Vietnamkrieg sind gegenwärtig rund drei Millionen Menschen betroffen und 4,8 Millionen Vietnamesen sind exponiert und zählen somit zu den ärmsten Menschen des Landes. 70 % der Familien leben unterhalb der Armutsgrenze, und 22 % der Familien haben drei oder mehr Opfer. Viele sind schwerst behindert und 90 % sind arbeitslos. Die Last der Betreuung dieser Opfer fällt auf ihre Eltern oder Verwandten, von denen viele bereits im hohen Alter sind. Das Problem ist groß und wird sich noch verschärfen, wenn die Eltern und Betreuer dieser Opfer schließlich sterben.
Eine Entschädigung für die Missgebildete Menschen bleibt bis heute aus. Die USA anerkennen lediglich an, dass das Gift die Natur verseucht hat – nicht aber die Menschen! Die landesweite Vereinigung der vietnamesischen Agent-Orange Opfer, Vava, haben vor US-Gerichten Klagen von vietnamesischen Staatsbürgern eingereicht. Das Vorgehen richtet sich auch gegen die Chemiekonzerne: Dow Chemical, DuPont und Monsanto. Doch der Erfolg blieb bislang aus. Sowohl die amerikanischen Herstellerfirmen der Herbizide, als auch die US-Regierung haben bis heute gegenüber den Vietnamesen keine Schuld eingestanden.
Auch in dritter Generation nach dem Agent-Orange-Einsatz kommen immer noch Kinder mit geistigen Behinderungen und körperlichen Missbildungen zur Welt. Forscher_innen gehen davon aus, dass es noch 13 Generation braucht, bis die Folgen von Agent Orange in Vietnam nicht mehr zu sehen sind.
Photos: VAVA (Vietnam asociation for victims of agent orange)
Kleine Lichtblicke
Die 2004 gegründete Organisation VAVA (Vietnam asociation for victims of agent orange) setzt sich wenigstens für einen minimalen Teil der schon geschrieben Millionen Opfer durch Agent Orange ein.
Wenn es möglich ist, hilft VAVA diesen Menschen zu Hause oder in den wenigen Rehabilitationszentren, wobei hier den ärmsten Familien Vorrang eingeräumt wird.
MSAVLC (Medical and Scientific Aid for Vietnam, Laos and Cambodia) unterstützt VAVA seit vielen Jahren mit finanzieller Hilfe und der Bereitstellung von Ausrüstung. In den letzten Jahren hat MSAVLC 90 Rollstühle zur Verteilung in und um Ho-Chi-Minh-Stadt und 50 Rollstühle für den Bezirk Hanoi bereitgestellt. In Ha Tinh, einem der von Agent Orange stark betroffenen Bezirke, wurde ein neues Wohn- und Rehabilitationszentrum gebaut. Ha Tinh ist eine der ärmsten Provinzen Vietnams. Sie leidet unter strengen kalten Wintern und heißen trockenen Sommern. Der Boden ist schlecht für die Landwirtschaft und die Infrastruktur ist mangelhaft. Die meisten Menschen leben von der Landwirtschaft, und das Leben ist hart, vor allem für die 20.000 Agent-Orange-Opfer in der Provinz. MSAVLC hat viele dringend benötigte medizinische Geräte für das Zentrum zur Verfügung gestellt, und es wurden auch Gelder für die Entfernung entstellender Wucherungen in den Gesicher einiger Bewohner bereitgestellt.
Klarstellung
Boehringer Ingelheim hat kein Agent Orange hergestellt oder durch Vorprodukte oder Grundstoffe zu dessen Herstellung beigetragen. Trotzdem wird das Unternehmen immer wieder in diesem Zusammenhang genannt und über den tatsächlichen Sachverhalt falsch berichtet. Zusätzlich werden diese Quellen weiter zitiert, sodass sich die unwahren Darstellungen vervielfachen.
Fakt ist, dass Boehringer Ingelheim kein Agent Orange hergestellt hat und auch nicht, weder direkt noch indirekt durch Vorprodukte oder Grundstoffe, zur Herstellung von Agent Orange beigetragen hat. Bestätigt ist, dass Boehringer die T-Säure und Trichlorphenolat-Lauge an das neuseeländische Unternehmen Ivon Watkins Ltd. lieferte. Dies daraus dann Herbizide herstellte, um große Weideflächen von Dornengestrüpp zu befreien. Später wurde Ivon Watkins Ltd. von dem US-amerikanischen Unternehmen Dow Chemical übernommen, das in die Produktion von Agent Orange involviert war. Daraus entstand die unzutreffende Annahme, dass Boehringer zu dessen Herstellung beigetragen hätte.
Quellen – Andreas Frey: Das Gift das bleibt.
– Boehringer Ingelheim
– Isabell Franziska Berendet: Der Einsatz von Agent Orange während des Vietnamkriegs in den 1960er Jahren – Die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt
– Micheal Gough: Dioxin, Agent Orange the facts. – MSAVLC (Medical and Scientific Aid for Vietnam, Laos and Cambodia)
– VAVA (Vietnam asociation for victims of agent orange)
Wir sehen den Anstieg von Rechtspopulisten in Frankreich, Österreich, Polen, Italien und Ungarn. Die neuen Höhenflüge solcher Parteien resultiert sehr oft aus Unkenntnis der Menschen und die gleichsame Verbreitung von Fake News via Sozialen Netzwerken. Mit vielem sind die Menschen überfordert und schnappen alles auf, was ihnen Angst macht oder sie nicht zuordnen können/ wollen. Die Boulevardpressen in Europa tun ihr bestes dafür, dass dies auch so bleibt.
Autorin Naike Juchem
Europa hat seit 76 Jahren Frieden und eine Stabilität erreicht, die in vielen Ländern der Welt mit Neid betrachtet wird. Leider ist diese Sicherheit und Stabilität durch immer neueres anfeuern von Nationalismus gefährdet und Menschen mit einer anderen Hautfarbe, Herkunft und Religion werden öffentlich angegriffen, verfolgt und sogar ermordet. Vielen Einwohner in Europa ist offensichtlich nicht mehr bewusst, in welch einem Zustand Europa nach dem zweiten Weltkrieg war. Niemals dürfen wir eine solche Zeit noch einmal zulassen.
All jene die seit Jahren auf die Straßen gehen um lauthals gegen Ausländer, Flüchtlinge und Migranten ihren Hass öffentlich zeigen, die Häuser anzünden und sogar noch weiter gehen und Menschen umbringen, möchte ich sagen: Nationalismus und Rassismus TÖTET!
Haben die Staaten der Europäische Union nicht genug Leid mit dem Aufstieg der NSDAP erlebt? Wollen so viele Menschen in jene Zeit von 1933 zurück? Wer Krieg erleben möchte, kann dies doch gerne mal in Afghanistan, Syrien, Irak oder nun ganz aktuell in der Ukraine erleben.
Es ist leicht in einem sicheren Land mit all den Vorzügen von Infrastruktur zu leben um andere Menschen zu wünschen, sie sollen doch bitte in ihre Heimat zurückkehren. Wohin? Viele Länder die einst weiter entwickelt waren als Europa wurde und werden täglich zerbombt. Kein Mensch flieht ohne Grund!
Ich möchte nun über eine Begegnung berichten, welche nun 29 Jahre zurückliegt und mir immer wieder vor Augen hält, wie wichtig es ist, sich gegen Antisemitismus, Faschismus und Nationalismus zu stellen. Jene Begegnung mit Rosemarie wird auch in einem Buch stehen, welches ich noch am schreiben bin.
Am Dienstagnachmittag waren sie am Viktualienmarkt und kamen spontan auf die Idee ins Kino zu gehen. Am Isartor fanden sie ein Kino welches zu dieser Uhrzeit geöffnet hatte. Im Aushang sahen sie sich die Plakate für die Filmvorführung an. Das Plakat von Schindlers Liste fiel ihnen ins Auge. „Möchtest du in diesen Film?“ Hannes sah zu Nescha und zog die Schultern hoch. „Ich weiß nicht. Die anderen Filme interessieren mich nicht besonders. Mit Nescha schaute er über drei Stunden die Abgründe der Deutschen Geschichte. Der Saal im Kino war etwa zur Hälfte besetzt. Diesen Film in einer vollkommenen Ruhe zu sehen, wirkte auf beide. Kein rascheln, kein räuspern – nichts. Nur Stille.
Nach dem Film mussten Nescha und Hannes sich erst einmal sammeln. Sie standen im Foyer des Kinos und waren Sprachlos – die Bilder wirkten nach! An einem Stehtisch neben ihnen erging es einem älteren Ehepaar genau so. Sie kamen mit dem Ehepaar ins Gespräch.
Nach einiger Zeit verließen sie gemeinsam das Kino und gingen in die Stadt einen Cappuccino trinken. In den Gesprächen kam Nescha und Hannes auf ihre Berufe und Einsätze in Kambodscha zu sprechen. Die älteren Herrschaften hörten sehr aufmerksam zu und stellten viele Fragen. Rosemarie und Paul Herrmann waren sehr angenehme Menschen. Es wurde immer später und die Gespräche nahmen kein Ende, so ging die kleine Gruppe in ein Restaurant in der Nähe der Heiliggeistkirche.
Beim warten auf das bestellte Essen merkte Hannes dass Rosemarie seit länger Zeit etwas bedrückte und sie offensichtlich nicht wusste wie sie es sagen sollte. Immer wieder sah sie zu Paul und dann sagte sie ganz unverhohlen in die kleine Runde, dass sie Jüdin sei und ein KZ überlebt habe. Diese Worte traf Nescha und Hannes wie ein Faustschlag ins Gesicht. Da waren sie nun fünf Stunden mit diesen beiden Herrschaften unterwegs und dann kam so ein Schlag.
Rosemarie erzählte von ihrer Kindheit, von der Willkür der NSDAP, den Demütigungen und auch die Deportation. Hannes hatte das Gefühl als ob sein Hirn einfror. Ein Film zu schauen war etwas völlig anderes, als wenn ein Mensch gegenüber sitzt und das Leben – sein Leben erzählt. Es wurde ein sehr langer Abend und man verabredete sich für den nächsten Tag. Der Besuch im KZ Dachau.
Hannes lag auf dem Sofa von Nescha und konnte nicht einschlafen. Nescha kam zu ihm ins Wohnzimmer. „Bist du noch wach?“ „Ja. Nescha, wir stehen vor der Ohnmacht der Geschichte und wissen nicht wie wir damit umgehen sollen. Du und ich kennen die Orte der Killing Fields. Vor drei Jahre sagte ich zu Patricia, ich weiß nicht wie ich reagiere, wenn ich beim graben mit dem Bagger ein Massengrab finde. Dieser Alptraum ließ mich lange nicht los. Zum Glück fahre ich heute kein Bagger mehr, aber was ist, wenn andere aus meinem Team auf ein solches Grab stoßen? Weiter machen? Wir müssen den Zeitplan einhalten. Wie gehe ich damit um?“
Nescha setzte sich zu ihm und umarmte ihn. Sie suchte nach Worten und schüttelte immer wieder stumm den Kopf. „Hannes, mir fehlen gerade die Worte. Wir beide haben in Kambodscha wahrlich genug an Armut und Tod gesehen. Ist es eine gute Idee mit den beiden heute nach Dachau zu fahren?“ Hannes zog die Schultern hoch, er wusste es auch nicht. „Zuviel was wir nicht begreifen können. Zuviel an Demut, Schuld und Scham. Zuviel an Fragen. Nescha, was können wir beide für diese dunkelste Epoche von Deutschland? Du kommst aus der Schweiz und ihr hattet nicht all zu viel mit dem Nationalismus zu tun. Wir sitzen hier mit unserer Jugend und reden über etwas, an dem wir gar nicht Schuld sind und trotzdem haben wir Schuldgefühle. Können wir den Genozid in Kambodscha begreifen? Diese Gräueltaten waren um ein vielfaches mehr, als das was wir von den Nazis kennen. Die Auswirkungen haben wir beide mehr als genug gesehen. Ich bin viel in dem Land unterwegs und sehe fünfzehn Jahre später noch diese grausamste Epoche der Roten Khmer.“
Nescha nickte. Er sah, dass ihr seine Worte oder die Erlebnisse auch zum Denken gaben. „Darf ich bei dir schlafen?“ „Natürlich. Es wird zwar etwas eng auf deinem Sofa – wird aber schon gehen.“ Nescha lag ihm gegenüber an den Füßen, so war etwas Platz für beide. Bis früh in den Morgen sprachen sie über die Ohnmacht der Geschichte, für die sie beide nichts konnten.
Um 10 Uhr fuhr Hannes mit dem VW Golf von Nescha am Hotel, am Randgebiet von München, vor. Rosemarie und Paul standen schon am Eingang. Zusammen tranken sie noch einen Kaffee auf der Terrasse. Nescha sprach offen die Gedanken der vergangenen Nacht an. „Rosemarie, willst du wirklich nach Dachau fahren? Wir müssen dort nicht hin. Wir beide hatten diese Nacht noch sehr lange über den Film und die Ohnmacht vor der Geschichte gesprochen. Hannes sieht es auch wie ich – wir müssen nicht nach Dachau.“ Mit fester Stimme sagte Rosemarie. „Ich will abschließen. Seit Jahren quäle ich mich und nie hatte ich den Mut der Vergangenheit zu begegnen. Der Film von gestern war ein kleiner Schritt, auch wenn er sehr weh getan hatte. Dann haben wir euch getroffen. Ihr seid auf der Welt unterwegs im Einsatz für Menschen und seht auch genügend Leid und den Tod. Ihr beide versteht es besser als jeder andere Mensch auf der Welt. Mit euch schaffe ich diesen letzten Schritt.“
Es gibt Momente die prägen ein ganzes Leben. Die Begegnung mit Rosemarie zählt dazu. Nescha nickte Hannes zu. „Okay, wir gehen mit dir diesen letzten Schritt.“
Hannes fuhr aus München die 20 Kilometer nach Dachau. Je näher er diesem Ort kam, umso größer wurde die Angst in ihm. Was ist, wenn Rosemarie dies nicht schafft? Er dachte an einen Nervenzusammenbruch oder gar an einen Herzinfarkt. Als Medizinstudentin könnte Nescha sofort Erste Hilfe leisten, wenn die Sorgen von Hannes bei Rosemarie eintreten sollten. Im Rückspiegel sah er Rosemarie und Paul Hand in Hand sitzen. Eine surrealistische Situation. Wie ein junges Liebespaar, welches sich nicht traut sich zu küssen und trotzdem vom Leben gezeichnet und dennoch fest entschlossen war, einen unglaublichen Weg zu gehen.
Die Wegweiser zum KZ kamen immer häufiger, der Puls von Hannes war an seiner Belastungsgrenze und er hörte sein Herz schlagen. Auf dem Parkplatz angekommen, sah Nescha zu Rosemarie und Paul. „Wir müssen dort nicht hin!“ „Doch! Für euch. Für mich und für die Zukunft.“
Nescha nahm die Hand von Hannes. Auch für sie war es eine Belastung. Jeden Schritt näher zu diesem Ort war ein Schritt in die Ohnmacht der Geschichte. Auch wenn Dachau kein Vernichtungslager war, die Grausamkeiten, die Entgleisung der Menschlichkeit war spürbar und zu sehen: Die Gebäude, Skulpturen, Erinnerungstafeln, die Krematorien.
Mit einer Gruppe von ungefähr 30 Personen wurden sie durch die Anlage geführt. Sie vier, eine Schulklasse der Oberstufe eines Gymnasium aus Unterfranken und noch drei Ehepaare. Der Mann der die Führung machte, erklärte sachlich und ruhig. Er beantwortete Fragen aus der Gruppe und tat dies mit dem allergrößten Respekt an die Opfer von dem Nationasoziallismus.
Mit der Zeit merkte die Gruppe das Rosemarie mit dem Mann länger sprach und auch sie das ein oder andere beitragen konnte. Irgendwann merkte die Gruppe, dass Rosemarie keine gewöhnliche Touristin war und so bildete sich eine kleine Traube von Menschen um Rosemarie. Rosemarie kamen bei den Erzählungen aus ihrer Kindheit immer wieder die Tränen und Nescha fragte, wie es ihr geht. Von der Gruppe kaum beachtet, hielt Nescha die Hand von Rosemarie und fühlte unauffällig – aber gekonnt ihren Puls. Hannes sah in den Augen von Nescha und diese sagte ihm, dass alles in Ordnung sei.
Nach dieser doch sehr speziellen Führung, zeigten die anderen Besucher aus der Gruppe ihren größten Respekt an Rosemarie und stellten auch Fragen. Auf einer der Bänke auf dem Gelände saß Rosemarie, Nescha und Paul. Rosemarie beantwortete ruhig die Fragen der anderen. Hannes stand hinter der Bank und beobachtet die Regungen der Jugendlichen und auch Erwachsenen auf die Schilderungen von Rosemarie. Es tat ihr gut, unter dieser Anteilnahme von Ehrfurcht und Respekt ihre Vergangenheit endlich abzuschließen.
Trotz der angenehmen Temperatur an diesem Tag, war es Hannes kalt. Was Menschen in ihrem Leben erlebt haben, war für ihn nicht zu begreifen. Er dachte an die Bilder von Kampang Rou im Januar 90. Er sprach mit Patricia von einem realen Alptraum. Ein Kinderkarussell war dies gegen das Erlebte von Rosemarie.
Auf dem Rückweg zum Hotel bedankte sich Rosemarie und Paul immer wieder bei ihnen und ließ es sich nicht nehmen, beide zum gemeinsam Essen einzuladen.
Im Jahr 1270 begannen die deutschen Ordensritter mit dem Bau einer Festung am östlichen Ufer des Weichselarmes Nogat. Die Marienburg im heutigen Malbork wurde zur Machtzentrale des Ordenstaates, und ist bis heute die größte Backsteinburg der Welt. Seit 1997 gehört sie zum Welterbe der UNESCO.
Autorin Naike Juchem
Im Jahr 1309 verlegte der Hochmeister Siegfried von Feuchtwangen den Hauptsitz des Ordens von Venedig zur Marienburg. In den folgenden Jahrzehnten wurden die repräsentativsten Teile der Anlage errichtet. Nach der Niederlage des Deutschen Ordens gegen das polnisch-litauische Heer bei der Schlacht von Grunwald im Jahre 1410 verlor dieser an Einfluss. Die Marienburg fiel 1457 an Polen, und diente als Residenz der polnischen Könige. Nach der Teilung Polens 1772 wurde sie zeitweilig als preußische Kaserne genutzt.
Die im Zweiten Weltkrieg stark zerstörte Anlage wurde seit Ende der 1950er Jahren wieder aufgebaut. Im Jahr 1961 entstand das Muzeum Zamkowe w Malborku (Museum der Marienburg). In der Entscheidung für die Aufnahme ins UNESCO-Welterbe wurde der „einzigartige architektonische Wert“ des Ensembles betont. Die Marienburg habe nicht nur den Bau weiterer Burgen des Ordensstaates beeinflusst, sondern auch zahlreiche weitere gotische Gebäude im Norden und Osten Europas.
Foto: Naike Juchem
In dem Schloss manifestierten sich die Eroberungen im Osten Europas, die Zwangstaufe der Balten und die Kolonialisierung ihrer Stammesgebiete durch den Orden.
Die Marienburg gliedert sich in drei Teile: Vorburg, Mittelschloss und Hochschloss.
Foto: Naike Juchem
In der im Norden gelegenen Vorburg befanden sich einst Ställe, Speicher und Werkstätten sowie Wohnungen für die Bediensteten. Heute gibt es dort ein Schlosshotel sowie andere touristische Einrichtungen. Über eine überdachte Holzbrücke führt der Weg von dort in das Mittelschloss, dessen Gebäude sich um einen großen, rechtwinkligen Hof gruppieren. Der nördliche Flügel wurde einst von dem Großkomtur als Wohn- und Arbeitsraum genutzt. Außerdem befanden sich dort ein Spital und ein Altersheim für die Ritter. Heute beherbergt er die Arbeitsräume des Schlossmuseums. Der östliche Flügel wird heute für Ausstellungen genutzt. Dort befindet sich unter anderem die kostbare Bernsteinsammlung des Museums, außerdem werden Porzellan, Stilmöbel und Waffen ausgestellt.
Im westlichen Flügel des Mittelschlosses befinden sich die repräsentativsten Räume der Anlage. Im Großen Remter, dem größten Saal der Ordensburg, versammelten sich die Ritter zum Essen. Drei schlanke Säulen tragen ein prächtiges Sternengewölbe. An den Großen Remter schließt sich der Palast der Hochmeister an. Dort befanden sich dessen Privatgemächer mit Schlaf- und Wohnzimmer sowie den beiden repräsentativen Speisesälen, dem Sommer- und Winterremter. Bemerkenswert ist der Sommerremter, dessen Fächergewölbe von einem einzigen Pfeiler getragen wird. Diese Konstruktion gilt als Meisterleistung der damaligen Zeit.
Südlich an das Mittelschloss schließt sich das Hochschloss an. Zwei Eichenbrücken verbinden die beiden Teile. Den viereckigen Hof des Hochschlosses umgeben zweigeschossige Kreuzgänge, die der Meditation und Kommunikation dienten. Im Kapitelsaal im ersten Stockwerk wurden die Hochmeister des Ordens gewählt und alle wichtigen Entscheidungen getroffen. An den Wänden befinden sich die Bänke für die Teilnehmer der Treffen.
Einschusslöcher vom zweiten Weltkrieg Foto: Naike Juchem
Durch die dekorative Goldene Pforte geht es in die Marienkirche. Sie wurde 1945 fast komplett zerstört. Damals stürzte der Schlossturm ein und durchschlug das Dach der Kirche. Erst vor wenigen Jahren wurde mit ihrer Restaurierung begonnen. Im Inneren befinden sich noch Teile des mittelalterlichen Chorgestühls und des hölzernen Hochaltars. In den ehemaligen Schlafgemächern der Ritter im südlichen Flügel des Hochschlosses werden sakrale Kunstwerke sowie Fotos aus der Geschichte des Schlosses ausgestellt.
Im zweiten Stock des Hochschlosses befinden sich dessen repräsentativste Räume, der Konventsremter und die Konventstube. Der langgestreckte Remter diente den Ordensrittern als Speisesaal, im Konventsaal verbrachten sie ihre Freizeit. Ein etwa 60 Meter langer Gang führt vom südwestlichen Teil des Hochschlosses zu dem über dem Nogat errichteten Dansker. Der Hauptabort der Marienburg hatte auch Verteidigungsfunktionen.
Auf den weitläufigen Terrassen zwischen Hoch- und Mittelschloss befindet sich ein Lapidarium mit Exponaten der Steinmetzkunst. Von dort gelangt man in die St.-Annenkapelle, in deren Krypta seit 1341 die Hochmeister des Ordens ihre letzte Ruhestätte fanden.
Im Zentrum der Rechtsstadt – oder auch Hansestadt, Danzig (Gdańsk) erhebt sich die Kirche St. Marien.
Autorin Naike Juchem
Kleiner Einblick in die größten Kirchen der Welt
Die Marienkirche ist mit 77.6 Meter die höchste Backsteinkirche der Welt. Mit einer Grundfläche von 4.900 m² soll sie 25.000 Menschen Platz bieten. Nachfolgend die Daten dieser Kirche: – Länge: 105,2 m – Höhe des Turms: 77,6 m – Länge des Querhauses: 66,2 – Gewölbehöhe des Hauptschiffes: 27,6 m – Gewölbehöhe der Seitenschiffe: 27,6 m – Länge des Innenraumes: 85,5 m
Die größte Kirche der Welt ist zweifellos die Peterskirche im Vatikan und hat rund 20.000 Quadratmetern Grundfläche. Die Kathedrale von Burgos hat einer Grundfläsche von 12.276 Quadratmetern. Auch der Mailänder Dom gehört zur den Top 10 der größten Kirchen der Welt und hat eine Grundfläche von 11.180 Quadratmetern und bietet somit Platz für bis zu 40.000 Menschen. Die imposante Temple Expiatori de la Sagrada Familia in Barcelona, zählt mit ihren 5400 Quadratmetern Grundfläche lange nicht zu den größten Kirchen der Welt.
Bau der Marienkirche
Die Marienkirche hat 26 Pfeiler in ihrem Inneren, die die Gewölbe der drei Kirchenschiffe stützen und erreichen eine Höhe von fast 30 m. Entstanden ist der gotische dreischiffige Kirchenbau in vier Etappen: 1343 Baubeginn, 1379 Beginn des Baus von Querhaus und Apsis, 1466 Ende des Turmbaus, 1498 bis 1502 Gewölbebau.
Hinweise auf die Existenz der Marienkirche in Danzig gibt bereits eine Urkunde Herzog Mestwins II., die im Jahr 1271 ausgestellt worden ist und in der eine Kirche St. Marien erwähnt wird. Vermutlich entstand die erste Marienkirche aber bereits um 1243 herum. Umstritten ist allerdings, wo in Danzig diese Kirche stand. Die Voraussetzungen für den Bau der heutigen Marienkirche schuf der Deutsche Orden, der 1308 die Herrschaft in Danzig übernommen hatte. Hochmeister Ludolf König ordnete 1342 in einer Handfeste (Verordnung) an, dass innerhalb der Rechtsstadt – an der Stelle, an der die Marienkirche heute steht – ein Grundstück von 7.465 m² für einen Neubau freizuhalten sei. Mit dem Bau der zweiten Marienkirche begannen die Danziger im März 1343. Es entstand zunächst ein dreischiffiger und neunjochiger Kirchenbau im gotischen Stil mit einem 46 m hohen Turm, dessen Hauptschiff die beiden Seitenschiffe in der Höhe deutlich überragte. Über die Grundsteinlegung im 14. Jahrhundert informierte früher eine Inschrift über dem Eingang zur Sakristei, die allerdings nicht erhalten geblieben ist:
„Im Jahr des Herrn, 1343, am Mittwoch nach Lätare, ist der erste Stein zur Mauer der Stadt Danzig gelegt worden und danach, am nächsten Freitag, ist der erste Stein der Mauer zur Kirche der Heiligen Jungfrau Maria, deren Weihe gefeiert werden soll, am Sonntag nach Mariä Geburt gelegt worden.“
Den Danzigern Bürgern erschien ihre neue Kirche angesichts ihrer inzwischen gewachsenen wirtschaftlichen Macht nicht groß genug. Deshalb verpflichteten sie 1379 den Maurermeister Heinrich Ungeradin und beauftragten ihn mit dem Bau des gewaltigen Querhauses und Chores an der Ostseite der Kirche. Für die damalige Zeit war es ein gigantisches Bauvorhaben, das Ungeradin nicht vollenden konnte. Im Verlauf der nächsten 123 Jahre errichteten verschiedene Baumeister das Querhaus und den Chor mit ihren Giebeln und dem Dach. Sie glichen die Proportionen des restlichen Kirchenbaus an die Größe des Querhauses an, indem sie den Turm von 46 auf 77,6 m erhöhten, die Seitensiffe verbreiteterten und wiederum an die Höhe des Hauptschiffes anpassten. Zum Schluss errichteten die Handwerker die Sterngewölbe. 1502 konnte der Umbau endlich abgeschlossen werden. Schaut man sich die Marienkirche von außen genau an, erkennt man noch Fragmente des Ursprungsbau, zum Beispiel den alten Turm, der aufgestockt wurde, und die beiden Turmkapellen.
Lange konnte sich die katholische Kirche nicht an ihrem imposanten Kirchenbau erfreuen. Die Ideen der Reformation begeisterten auch die Danziger Bürger. Sie konvertierten zum Protestantismus und hielten erstmals 1529 einen evangelischen Gottesdienst in der Marienkirche ab. Nach der Reformation blieb der Kirchenbau vom Bildersturm verschont, sodass die kostbaren Privatkapellen erhalten blieben. Lediglich die Wandmalereien wurden weiß übermalt. Restauratoren haben Reste der mittelalterlichen Malereien freigelegt. Sie sind unter anderem in der Jakobuskapelle im südöstlichen Teil des Kirchenbaus zu sehen.
Die Kunstschätze der Kirche
Einige Jahre nach Fertigstellung des dritten Kirchenbaus, zwischen 1510 und 1517, schuf Meister Michael Schwarz aus Augsburg, vermutlich ein Schüler Albrecht Dürers, den Hauptaltar. Der Altar kostete einschließlich Arbeitszeit und Material 13.500 Mark, eine Summe, die damals dem Wert von 2,5 Tonnen Silber entsprach. An der Westseite des Hauptschiffes – gleich hinter dem Eingang der Kirche – schwebt das zwischen 1625 und 1629 von Peter Bringemann geschaffene Orgelprospekt. Zu den Kunstschätzen in der Marienkirche zählen zudem die Astronomische Uhr (1464 bis 1470, von Hans Düringer), ein Gotisches Sakramenthaus (nördliche Seite des Hauptschiffes), das Epitaph der Valentine von Karnitz (1590) und das Gemälde „Taten der Barmherzigkeit“ (1607, von Anton Möller, nördliche Seite des Hauptschiffes)
Die Zerstörung der Marienkirche
1942 griff die Royal Air Force mit 49 Bombern Danzig an. Ein zweiter Luftangriff mit 378 Bombern der US-Air-Force folgte 1943. Die beiden Luftangriffe und die Kämpfe zwischen deutschen Truppen und der Roten Armee im Frühjahr 1945 haben die Stadt zu 60 Prozent verwüstet. 90 Prozent der Altstadt lagen in Trümmern. Die Marienkirche war zu 40 Prozent zerstört. Ihr Dachstuhl war eingestürzt und ihr Turm ausgebrannt. Einige Kunstschätze haben nur deshalb den Krieg unbeschadet überstanden, weil die Deutschen sie ausgelagert hatten. Unter ihnen befand sich „Das jüngste Gericht“.
Sowjetische Soldaten fanden das Triptychon in Thüringen und brachten es als Beutegut in das Leningrader (heute St. Petersburg) Kunstmuseum Eremitage. Die meisten Deutschen flohen in den letzten Wochen des Krieges oder wurden später vertrieben. Die Siegermächte schlugen Danzig dem polnischen Staatsgebiet zu, und katholische Polen zogen in die Stadt. Gleich nach dem Krieg (1946) begannen die nun polnischen Danziger mit ersten Sicherungsmaßnahmen und anschließend mit dem Wiederaufbau der Backsteinkirche. 1950 waren die Gewölbe und das Dach wieder aufgebaut. Anschließend machten sich die Danziger an die Ausbesserung der Fenster und des Fußbodens der Kirche. 1955 wurde die Marienkirche nun mit einer katholischen Zeremonie wieder geweiht. Ein Jahr später kehrte auch „Das jüngste Gericht“ von Leningrad zurück nach Danzig.
Zwar haben die Danziger während des II. Weltkrieges zahlreiche Einrichtungsgegenstände der Kirche ausgelagert und damit vor der Zerstörung bewahrt. Aber trotzdem gingen etliche Kunstschätze unwiderruflich verloren. Dazu gehören die Orgel, die meisten Teile des Taufbeckens unterhalb des Orgelprospektes und die Heiligenfiguren in den Seitenflügeln des Hauptaltars. Von einst 144 Figuren sind nur 11 erhalten geblieben. Zerstört wurde auch die Kanzel am fünften Pfeiler der Nordseite. Die im manieristischen Stil ausgeführte Kanzel, die heute an dieser Stelle hängt, stammt aus der Danziger Johanneskirche. In der Turmhalle wurde das Gewölbe nicht wieder hergestellt. Zu sehen sind hier nur noch die Gewölbeansätze.
Quellen: Tourist Information Gdańsk, Marienkirche. Europäische Route der Backsteingotik, Prof. Christofer Herrmann
Fotos: privat Titelbild: Tourist Information Gdańsk, Marienkirche.
Ein Bericht von einem Land, dass Frankreich als Kolonie unter sein Protektorat stelle, bis hin zum Tod von über 12 Millionen Menschen, durch die Intervention der USA.
Um den Vietnamkrieg zu begreifen, muss man in der Geschichte etwas weiter zurück gehen.
Wir schreiben das Jahr 1887, als Frankreich ihre Kolonie Union Indochinoise gründete. (Indochina. Der Begriff Indochina – hinter China, ist eine französische Wortschöpfung), und vereinte die drei vietnamesischen Landesteile Cochinchina, Annam und Tonkin und das Königreich der Khmer – das heutige Kambodscha. 6 Jahre nach der Gründung dieser Kolonie kam noch Laos dazu. Frankreich hatte eine Kolonie von 740.454 Quadratkilometer – fast 100 Quadratkilometer größer als das Stammland. Im Westen hatte Großbritannien, Burma und Malaya (heutiges Myanmar und Malaysia) als Kolonie eingenommen. Das unabhängige Siam – heutige Thailand, lag zwischen den beiden Kolonialmächten.
Die Lunte am Pulverfass
Die Europäer kamen schon Mitte des 17. Jahrhunderts als katholische Missionare nach Südostasien und waren eine doch kleine Bewegung in einem buddhistisch geprägten Kontinent. Mit dem aufkommen der Industrialisierung in Europa wuchs der Markt nach Rohstoffen und so wurden Millionen Menschen unter die Führung von europäischen Ländern gezwungen. Zwar hatte Indochina durch die Herrschaft von Frankreich eine demografische Steigerung der Bevölkerung erlebt, weil es viel weniger Kindersterblichkeiten gab. Die Bevölkerung war von den sozialen und demokratischen Ideen aus Europa geteilter Meinung und so entstanden Spannungen zu den Kolonialherren und in der Bevölkerung selbst. Der aus China und Russland kommende Kommunismus, verbeitet sich in den Nordöstlichen Teilen von Indochina. Frankreich hatte zwar ein riesiges Gebiet unter ihren Protektorat stehen, interessierte sich aber mehr an östlichen Teil – dem heutigen Vietnam.
Die Wege zur nationalen Unabhängigkeit in Südostasien waren verschieden. Dennoch lassen sich auf beiden Seiten, auf europäischer wie südostasiatischer Gemeinsamkeiten beobachten. Die politischen Eliten in Frankreich und den Niederlanden waren am Ende des Zweiten Weltkriegs fest entschlossen, ihre von den Japanern besetzten Kolonialreiche wiederzugewinnen. Sachverständige und politische Berater betrachteten die Restauration der auf Ausbeutung angelegten wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Zentrum und Peripherie als ein wesentliches Mittel zum Wiederaufbau der eigenen nationalen Volkswirtschaft. Doch bereits am Ende des Jahres 1945 wurde deutlich, daß mit baldigen Finanztransfers aus den Kolonien nicht zu rechnen war. Die britischen Besatzungstruppen (darunter ein Großteil indische Soldaten), die in Indonesien und Vietnam Sicherheit und Ordnung herstellen und die Rückkehr der Kolonialherren vorbereiten sollten, stießen auf anhaltenden und starken Widerstand nationalistischer Gruppierungen. Zudem hatte die japanische Besatzung die Region wirtschaftlich ruiniert, zahlreiche Plantagen waren verödet, Teile der Erdölindustrie auf Sumatra zerstört. Die Reisproduktion war dramatisch gesunken, und in einigen Regionen Südostasiens, insbesondere im Norden Vietnams, kam es 1945 zu Hungerkatastrophen.
General Charles de Gaulle und das „Freie Frankreich“ verabschiedeten wiederumim Januar 1944 die Erklärung von Brazzaville, in der sie ein Ende kolonialer Willkürherrschaft in Aussicht stellten. Zugleich aber wiesen sie „jeden Gedanken an Autonomie“ zurück und verwarfen „jede noch so vage Form von Selbstregierung“
Eine weitere Gemeinsamkeit in den französischen und niederländischen Zukunftsentwürfen war die Art und Weise, mit der die Regierungen auf die nationalistischen Bewegungen in Indonesien und Vietnam reagierten. Eine Kombination von militärischer Unterdrückung und administrativer Fragmentierung des Kolonialbesitzes sollte den Widerstand nationalistischer Gruppierungen neutralisieren: die Niederländer versuchten seit 1947, regionale Unterschiede und Spannungen auszunutzen, indem sie die „Vereinigten Staaten von Indonesien“ gründeten, und Frankreich proklamierte 1946 Cochin-China (Südvietnam) als „Freien Staat“ innerhalb der Französischen Union.
Ein sinnloser Krieg
Bei der überwiegenden Zahl das Bevölkerung etablierte sich ab 1930 der kommunistische Einfluss des Norden von der Vietminh Partei. Sie schaffte es im Prozess der Unabhängigkeit am überzeugendsten, grundlegende soziale Bedürfnisse mit Forderungen nach nationaler Unabhängigkeit zu verbinden. Behindert wurden diese Bestrebungen allerdings durch die alte Kolonialmacht Frankreich, die nach ihrer Schwächung im Zweiten Weltkrieg über ihre Kolonien zu alter weltpolitischer Stärke zurückfinden wollte.
Während in Europa der Zweiten Weltkrieges tobte, warfen die USA Broschüren über Vietnam ab, in denen die Bevölkerung zum Widerstand gegen die japanischen Besatzer aufgefordert und ihnen Unabhängigkeit und Selbstbestimmung in Aussicht gestellt wurden. Doch nach dem Sieg der USA über Japan und dem Beginn des Kalten Krieges war davon keine Rede mehr. Jetzt ging es um die „Eindämmung“ des Kommunismus, und unter diesem Vorzeichen akzeptierten die USA auch Frankreichs Intentionen zur Restauration seiner Kolonialherrschaft in Indochina. Das ging nicht ohne Gewalt. Und so begann Ende 1946 der französische Indochina-Krieg.
Mit dem Abwurf der Atombombe am 6. August 1945 um 8.16 Uhr über Hiroshima und drei Tage später über Nagasaki, legte die USA eine neue Richtung im Krieg vor, was schließlich am 2. September 1945 zur Kapitulation vom Japanischen Kaiserreich zum Ende des Krieges führte – vorerst. Während in Europa der Zweiten Weltkrieges tobte, warfen die USA Broschüren über Vietnam ab, in denen die Bevölkerung zum Widerstand gegen die japanischen Besatzer aufgefordert und ihnen Unabhängigkeit und Selbstbestimmung in Aussicht gestellt wurden. Doch nach dem Sieg der USA über Japan und dem Beginn des Kalten Krieges war davon keine Rede mehr. Jetzt ging es um die „Eindämmung“ des Kommunismus, und unter diesem Vorzeichen akzeptierten die USA auch Frankreichs Intentionen zur Restauration seiner Kolonialherrschaft in Indochina. Das ging nicht ohne Gewalt. Und so begann Ende 1946 der französische Indochina-Krieg.
Mit dem Abwurf der Atombombe am 6. August 1945 um 8.16 Uhr über Hiroshima und drei Tage später über Nagasaki, legte die USA eine neue Richtung im Krieg vor, was schließlich am 2. September 1945 zur Kapitulation vom Japanischen Kaiserreich zum Ende des Krieges führte – vorerst.
Gleichzeitig war der Gegensatz zwischen der französischen Kolonialmacht und den nationalen Unabhängigkeitsbestrebungen zu groß, sodass es zum ersten Indochinakrieg 1945–1954 führte.
Für die USA war dies zunächst nur ein „schmutziger“ Kolonialkrieg. Das änderte sich mit dem Sieg der Kommunisten in China 1949 und dem Beginn des Koreakrieges am 25. Juni 1950. Fast zeitgleich mit dem Eingreifen in Korea begann auch das amerikanische Engagement in Vietnam. Aus dem Kolonialkrieg der Franzosen wurde ein „Kreuzzug gegen den Kommunismus“, Teil der beginnenden weltweiten Auseinandersetzung zwischen Ost und West. 1953/54 zahlten die USA rund 75% der französischen Kriegskosten. Mit der Niederlage bei Dien Bien Phu im Mai 1954 endete dennoch Frankreichs Kolonialherrschaft in Indochina. Auf der anschließenden Konferenz in Genf wurde Vietnam entlang des 17. Breitengrades geteilt.
Eine Kriegserklärung auf einen Vorfall den es nie gab
Anfang August 1964 kam es im Golf von Tonking zu einem folgenschweren Zwischenfall. Nordvietnamesische Patrouillenboote beschossen den US-Zerstörer „Maddox“. Zwei Tage später flogen die Amerikaner erste Luftangriffe gegen Nordvietnam. Ein zweiter Zwischenfall – der nie stattgefunden hat – führte in Washington zur berühmt-berüchtigten Tonking-Resolution, eine Ermächtigung zum Krieg, die, wie Johnson meinte, „wie Großmutters Nachthemd alles abdeckt“: Der Kongress ermächtigte Johnson, „alle notwendigen Schritte, einschließlich der Anwendung bewaffneter Gewalt, zu ergreifen“, um Südvietnam zu unterstützen.
Aus einem schwelenden Konflikt wurde im Frühjahr 1965 ein US-Amerikanischer Krieg. Nach zwei Angriffen der Kommunisten gegen amerikanische Kasernen befahl Johnson eine Verstärkung der Luftangriffe: Die Operation „Rolling Thunder“ begann am 2. März 1965 und wurde erst am 30. Oktober 1968 beendet. Während dieser Zeit flog die amerikanische Luftwaffe insgesamt 304.000 Einsätze in Nordvietnam, davon 2083 B-52-Angriffe. Der Widerstandswille der Kommunisten wurde dennoch nicht gebrochen.
Am 8. März 1965 folgte der nächste entscheidende Schritt der Amerikaner: Erstmals seit dem Koreakrieg betraten US-Kampftruppen wieder asiatischen Boden. In Da Nang gingen 3.500 Marines an Land. Hanoi sprach von einer „offenen Kriegserklärung“. Am 21. April 1965 wurden weitere 82.000 Soldaten nach Südvietnam geschickt, Ende Juli weitere 75.000. Ende des Jahres waren bereits 100.000 US-Soldaten in Südvietnam stationiert, im Frühjahr 1968 waren es zeitweise 550.000.
Nixons Lüge
Der 37. Präsident der USA hieß Richard M. Nixon. Er hatte die Wahl mit dem Versprechen gewonnen, den Vietnamkrieg zu beenden – dies war eine Lüge. Nixon war davon überzeugt, dass der Krieg ausgeweitet werden musste, um ihn zu gewinnen. So wurden geheime Angriffe gegen nordvietnamesische Basen an der Grenze zu Kambodscha geflogen. Im Juli 1969 verkündete Nixon den Abzug der US-Truppen aus Vietnam. Gleichzeitig ließ Kissinger Möglichkeiten für einen „brutalen, entscheidenden Schlag“ gegen Nordvietnam prüfen, einschließlich des Einsatzes von Atomwaffen. Kissinger wörtlich: „Ich weigere mich zu glauben, dass eine viertklassige Macht wie Nordvietnam nicht an irgendeinem Punkt aufgeben muss.“
Im März 1970 befahl Nixon die Invasion des neutralen Kambodschas. Daraufhin kam es zur größten Antikriegsdemonstration in den USA. An der Kent State University wurden am 4. Mai 1970 vier Studenten von der Nationalgarde erschossen.
Inzwischen sank die Moral der Truppe in Vietnam auf den niedrigsten Stand in der Geschichte der USA. 1971 nahmen 44% der Truppe Heroin, 20% waren drogenabhängig, es gab Befehlsverweigerung, Offiziere wurden von den eigenen Leuten im Einsatz unabsichtlich getötet. Das Ende des Krieges wurde zur absoluten Notwendigkeit für die USA.
Bei seinem Amtsantritt hatte Nixon erklärt, er sei bereit, mit den Kommunisten zu verhandeln. Damit waren Moskau und Peking gemeint. Er besuchte China im Februar 1972. Einen Monat später begannen die Nordvietnamesen mit ihrer Frühjahrsoffensive. Daraufhin gab Nixon den Befehl zu einer weiteren Eskalation in Vietnam: B-52-Angriffe auf Hanoi und Haiphong, sowie die Verminung des Hafens von Haiphong. 14 Tage nach diesem Befehl traf sich Nixon in Moskau mit Breschnew. Trotz den massiven Luftangriffe auf Vietnam, hatte Nixons Verhältnis zu China und der Sowjetunion durch die Ausweitung des Krieges nicht gelitten.
Henry Kissinger führte fast gleichzeitig mit den Nordvietnamesen Geheimgespräche in Paris, die im Oktober 1972 zu einer prinzipiellen Einigung führten. Wenige Tage vor den Präsidentschaftswahlen in den USA konnte Kissinger auf einer Pressekonferenz so verkünden: „Der Friede ist zum Greifen nahe.“ Das war er keineswegs, da Südvietnams Ministerpräsident Thieu die sogenannte Vereinbarung ablehnte, die zum einen vorsah, dass nordvietnamesische Truppen im Süden des Landes bleiben konnten und zum anderen die entmilitarisierte Zone am 17. Breitengrad nicht als offizielle politische Grenze bezeichnete. Als Nordvietnam Änderungen an dieser Vereinbarung ablehnte, ordnete Nixon massive Luftangriffe auf Nordvietnam an: In dem sogenannten „Weihnachtsbombardement“ bis zum 29. Dezember 1972 wurden mehr Bomben auf Nordvietnam abgeworfen, als in den drei Jahren zuvor.
Anfang Januar 1973 wurden die Verhandlungen in Paris wieder aufgenommen; Änderungen der Vereinbarung waren rein kosmetisch. Das Abkommen wurde am 27. Januar 1973 unterzeichnet: für die USA war der Krieg beendet – nicht jedoch für die Vietnamesen. Am 30. April 1975 überrannten die Kommunisten Saigon. Das Land wurde unter kommunistischer Herrschaft zwangswiedervereint – mit 400.000 Südvietnamesen in Umerziehungslagern.
Die Bilanz einer Lüge
58.135 US-Soldaten verloren ihr Leben in Vietnam; 304.704 wurden verwundet, davon erlitten 6.665 Amputationen und ca. 33.000 blieben gelähmt. Eine Million südvietnamesische Soldaten waren gefallen, etwa zwei Millionen tote Zivilisten waren zu beklagen. Zwei Millionen Menschen wurden verstümmelt, zusätzlich zwei Millionen Liter giftige Chemikalien ausgesetzt. Zahlen über Nordvietnam sind nicht belegt, aber wahrscheinlich mussten dort genauso viele Menschen ihr Leben lassen.
Quellen – Bundeszentrale für politische Bildung – Duden Learnattack – ifz-münchen.de – Marc Frey, Das Ende eines Kolonialreiches – Marc Frey Vierteljahresheft für Zeitgeschichte 2002 – Martin Hak, Darwin, Britain and Decolonization of South East Asia
Dies ist die Geschichte von einer jungen Frau, die Hunderte Geisel rettete und selbst Opfer von Terror wurde, als sie drei Kinder vor einem Kugelhagel schützte.
Der Pan Am Flug 73 war ein planmäßiger Intercontinental Flug von Bombay nach New York mit planmäßigen Zwischenlandungen in Karatschi, Pakistan, und Frankfurt am Main.
Am frühen Morgen des 5. September 1986 stürmten die vier Terroristen: Zayd Hassan Abd al-Latif Safarini ( alias „Mustafa“), Jamal Saeed Abdul Rahim (alias „Fahad“), Muhammad Abdullah Khalil Hussain ar-Rahayyal („Khalil“) und Muhammad Ahmed Al-Munawar (alias „Mansoor“), auf dem Jinnah International Airport in Karatschi, Pakistan, ein Flugzeug der Pan American World Airways, bei dem 20 Menschen uns Leben gekommen waren.
Während der routinemäßigen Zwischenlandung in Pakistan wurde die Boeing 747 – 121 der Pan American World Airways mit der Internationalen Kennung N656PA, gegen 6.00 Uhr auf dem Flughafen von Karatschi von palästinensischen Terroristen gestürmt. An Bord befanden sich 394 Passagiere und 9 Kleinkinder, eine US-amerikanische Cockpitbesatzung und 13 indische Flugbegleiter.
Photo: Indiatoday
In Karatschi gingen 109 Passagierevon Bord. Der erste Flughafenbus mit neuen Passagiere hatte kaum die auf der Rollfeld stehende Boeing 747 erreicht, als die Entführung begann. Die Terroristen waren als Flughafensicherheitskräfte gekleidet und fuhren mit heulenden Sirenen über das Rollfeld auf die Boeing 747 zu. Zwei Terroristen rannten die angestelle Treppe hinauf und feuerten Schüsse in die Luft. Zu den ersten beiden Männern gesellten sich zwei weitere Terroristen, von denen einer mit einem pakistanischen Shalwar Kameez bekleidet war und eine Aktentasche voller Granaten bei sich trug. Zu diesem Zeitpunkt wurden auch außerhalb des Flugzeugs geschossen, bei diesen Schüssen starbenzwei Mitarbeiter der Kuwait Airlines, die in der Nähe an einem Flugzeug arbeiteten. Die Terroristen feuerten Schüsse auf die Füße eines Flugbegleiters ab und zwangen ihn, die Tür zu schließen. Die Flugbegleiterin Neerja Bhanot befand sich außer Sichtweite der Terroristen und übermittelte den Code einer Entführung an die Cockpitbesatzung, die daraufhin das Flugzeug durch die Notluke der Kabine mit Hilfe des Inertial Reel Escape Device verließ. Ihre Kollegin Sherene Pavan gab den Code über Funk sofort an die Flughafensicherung weiter. Dadurch konnten die Flughafenbeamten das Flugzeug am Boden halten.
Gegen 6.40 Uhr hatten die Terroristen die Boeing unter Kontrolle. Als einer der Entführer die Tür zum Cockpit öffnete, stellte er schockiert fest, dass dieses leer war.
Der Pan-Am-Direktor von Karachi, Viraf Doroga, kam auf das Rollfeld und versprach den Terroristen innerhalb einer Stunde einen neuen Piloten zu besorgen. Als kein Pilot eintraf, begannen die Entführer, gezielt nach Passagieren mit US-amerikanischen Pässen zu suchen.
Sie brachten den 29-jährigen US-Amerikaner Rajesh Kumar zu einer der Türen des Flugzeugs, schossen ihm vor den Augen der Behörden in den Kopf und warfen seine Leiche auf das Rollfeld. Vier Stunden später forderten sie die Besatzungsmitglieder auf, die Pässe aller Passagiere einzusammeln.
Neerja Bhanot versteckte alle US-Pässe und beauftragte ihre Kollegen_innen, es ihr gleichzutun und die Dokumente in den Müll oder in die Toilette zu werfen. Neerja Bhanot behauptete den Entführergegenüber, dass keine US-Amerikaner an Bord seien, und kümmerte sich um ihre Passagiere, indem sie ihnen Sandwiches und Getränke servierte und sie beruhigte.
Nach 17 Stunden der Geiselnahme fiel in der Boeing der Strom aus. Da es den Terroristen nicht gelang, ihre Sprengstoffgürtel zu zünden, feuerten sie wahllos im Inneren des Flugzeugs herum.
Neerja Bhanot lief bei dieser Schießerei zu einer der Notausgänge zu und öffnen diese, um den Passagieren über die Notrutsche zu helfen, und wurde erschossen, während sie drei Kinder beschützte. Eines jeder Kinder ist heute Pilot.
Einem Augenzeuge zufolge wurde Bhanot nicht im Kreuzfeuer getötet – sie wurde vorsätzlich hingerichtet. Als einer der Terroristen erkannte, dass sie Passagiere beschützte, packte er Bhanot brutal an ihrem Pferdeschwanz und erschoss sie aus nächster Nähe. Diese Darstellung ist jedoch offiziell nicht bestätigt.
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Neerja Bhanot wurde zwei Tage vor ihrem 23. Geburtstag eines der 20 Todesopfer an diesem Tag. Außerdem wurden mehr als 100 der 360 Passagiere an Bord verletzt.
Eine Woche nach dem Terroranschlag wurde ein fünfter Terrorist, Wadoud Muhammad Hafiz al-Turki („Hafiz“), festgenommen. Alle fünf Terroristen wurden in Pakistan vor Gericht gestellt und angeklagt. Einer der Entführer wurde in den Vereinigten Staaten inhaftiert, während die anderen an palästinensische Behörden übergeben wurden, die sie 2008 freiließen. Sie sind bis heute noch auf freiem Fuß.
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Wer war Neerja Bhanot ?
Neerja wurde am 7. September 1963 in Chandigarh, Indien, geboren. Als Teenager zog sie nach Mumbai. Sie hatte sich am St. Xavier’s College eingeschrieben, als ein Fotograf sie auf dem Campus sah und sieansprach, ob er sie fotografieren dürfte und ob sie nicht Lust hätte als Model zu arbeiten. Wenig später modelte Neerja fürdas Paville Arcard World Trade Center in Bombay und für Produkte von Vaporex.
Bhanots Eltern drängten sie zu den örtlichen Bräuchen einer Hochzeit. Neerjawilligte in die arrangierte Ehe ein. Sie heiratete im März 1985 einen Mann aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, der sie anschließend mehrfach vergewaltigte. Um die Traditionen zu umgehen, ließ sie sich nach zwei Monaten von ihm scheiden und beschloss, Flugbegleiterin zu werden.
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Unter 10 000 Bewerber_innen für den Beruf als Flugbegleiter_in, wurde Neerjaals neue Stewardess für Pan American ausgewählt. Neerja wurde kurze Zeit später leitende Flugbegleiterin bei Pan American World Airways.
Photo: Freepressjournal India
Neerja Bhanot wurde posthum zur Heldin und erhielt die höchste Friedensauszeichnung Indiens für Tapferkeit. Im Jahr 2004 gab die indische Post eine Briefmarke zu ihrem Gedenken heraus. Im Februar 2016 lief in den indischen Kinos der Thriller „Neerja“ in dem Sonam Kapoor die Hauptrolle spielte.
Sonam Kapoor Photo: Equinox Films- Equinox
Der palästinensische Terror
Im Jahr 1985 wuchs die Feindseligkeit der palästinensischen Terrororganisation Abu Nadal gegenüber Israel und seinen Verbündeten und insbesondere gegenüber den USA, die die Inhaftierung palästinensischer Rebellen unterstützten.
Die Terrorgruppe war bereits im Frühjahr 86 in der Planung den PanAm-Flug 73 zu entführen, den sie nach Zypern und dann nach Israel umleiten wollte, um palästinensische Gefangene zu befreien.
Quellen: – Fox Stars Studios – Freepressjournal India
Photos: – Equinox Films- Equinox FilmsSonam Kapoor Sonam Kapoor Sonam Kapoor Sonam Kapoor – Fine Art America – Freepressjournal India – guyana – Indiatoday – Vogue
Das Denkmal zur Erinnerung an die heldenhafte Verteidigung der Halbinsel Westerplatte.
Mit einem Schuss aus den Geschützen des deutschen Linienschiffes „Schleswig-Holstein“ am 1. September 1939 begann der II. Weltkrieg. 1.500 deutsche Soldaten griffen mit schweren Geschützen und Flugzeugen die auf der Westerplatte in Danzig (Gdańsk) stationierten 182 polnischen Soldaten an. Es war kein leichtes Unternehmen, wie die Deutschen erwartet hatten. Die polnischen Verteidiger leisteten unter der Führung von Major Henryk Sucharski sieben Tage lang erbitterten Widerstand. Von den Kämpfen zeugen heute noch die zerstörte Kaserne und der Bunker. Im Wachhaus Nr. 1 befindet sich eine kleine Ausstellung. 1966 errichteten die Danziger auf der Westerplatte ein Denkmal, das an die Kämpfe im September 1939 erinnert. Für die Polen ist die Westerplatte das Symbol des Widerstandes gegen Nazideutschland.
Die Entscheidung, auf der Westerplatte ein Denkmal zum Gedenken an die Ereignisse des 1. September 1939 zu errichten, fiel Anfang der 1960er Jahre. Das Denkmal gab es aber schon vorher: Kurz nach dem Krieg wurde auf Initiative der Soldaten selbst ein symbolischer Friedhof mit einer Gedenktafel für die Namen der Gefallenen an der Stelle des zerstörten Wachturms Nr. 5 angelegt. Anfang der 1960er Jahre, als die Modernisierungsarbeiten im Danziger Hafen begannen (u.a. die Verbreiterung des Hafenkanals und die Erweiterung des Kajensystems), wurde beschlossen, dass bei dieser Gelegenheit dieser in der Geschichte Polens wichtige Ort auf eine bedeutendere Weise ausgezeichnet werden sollte.
Im Jahr 1963 wurde ein Wettbewerb für den Entwurf eines Denkmals zur Erinnerung an die polnischen Soldaten, die die Westerplatte verteidigten, ausgeschrieben. Die gewählte Vision war die des Architekten Adam Haupt, der die städtebauliche Gestaltung des gesamten Areals entworfen hat, und des Bildhauers Franciszek Duszeńka, der in Zusammenarbeit mit Henryk Kitowski die Form schuf, die das Zentrum des gesamten Projekts bildet. Das Denkmal für die Verteidiger der Küste wurde im Oktober 1966 eingeweiht.
Das Denkmal Westerplatte
Zur Erinnerung an die sechstägige Verteidigung der Halbinsel Westerplatte ist ein weitläufiges Areal, das einst militärisches Gebiet war; in den 1920er Jahren befand sich hier ein Militärisches Transitdepot, d.h. ein Ort, an dem Waffen und Munition umgeschlagen wurden, und Ende der 1930er Jahre, als das Gespenst des Krieges drohte, wurden auf der Westerplatte vier Wachhäuser errichtet. Die bis heute erhaltenen Militärgebäude (u.a. drei Wachhäuser, ein Bunker, Munitionslager und ein Entfernungsmessturm) können besichtigt werden und sind durch ein Netz von Gassen miteinander verbunden.
Im Wachhaus Nr. 1 befindet sich die Gedenkkammer, eine Zweigstelle des Danziger Geschichtsmuseums. Das städtebauliche Projekt von Adam Haupt sollte der Landschaft des ehemaligen Militärgeländes die Funktion eines Denkmals geben und sie zu einem touristisch beliebten Ort machen.
Das Hauptelement der Landschaftskomposition des ehemaligen Schlachtfeldes auf der Westerplatte ist eine monumentale Skulptur, die auf einem Hügel von 20 Metern Durchmesser und 22 Metern Höhe steht. Die Planer schufen diesen Hügel aus Erde, die bei der Verbreiterung des Hafenkanals ausgehoben wurde. Diese Geländeerhebung wurde zum Zentrum der monumentalen Komposition: Auf ihrer Spitze stand eine monumentale Skulptur, 25 Meter hoch und aus 236 Granitblöcken zusammengesetzt. Seine unregelmäßige Form sollte nach dem Willen der Designer an ein abgeschlagenes Bajonett erinnern, das im Boden steckt.
Die prägnante und zugleich ausdrucksstarke Form dieser Steinkonstruktion entspricht dem damaligen Verständnis von Monumentalkunst: In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war es viel wichtiger, ein in einer abstrakten Form verstecktes Zeichen zu verwenden, ein Symbol, das zum Nachdenken anregt, als ein wörtliches und realistisches Bild.
An den Wänden der Granitblöcke des Danziger Denkmals sind eingemeißelt: die Silhouetten eines Soldaten und eines Matrosen, der Slogan „Ruhm den Befreiern“ und die Schiffe der Orte wichtiger Schlachten. Obwohl es ursprünglich die Orte wichtiger Schlachten an der Küste zeigen sollte (schließlich handelt es sich um das Denkmal für die Verteidiger der Küste), wurden schließlich – aus politischen und propagandistischen Gründen – die Namen von Schlachtfeldern, die nichts mit dem Inhalt des Denkmals zu tun haben, in den Stein gemeißelt.
Quellen polish-online.com / Wikipedia.com / Centrum Informacji Turystycznej Westerplatte Gdańsk
Wer kennt nicht dieses Spiel? Menschen waren schon seit jeher auf der Reise. Auf der Reise nach Nahrung, nach Erkenntnis oder Freiheit.
Wenn ich die Welt betrachte und sehe wieviele Menschen ihre Koffer packen – müssen, um irgendwo ein neues Leben anzufangen.
Ende des 18. Jahrhunderts brach in Europa die große Auswanderungswelle an. Millionen von Menschen suchten sogar in Übersee eine neue Heimat.
Die Geschichte ist voll mit Berichten von Menschen die den Koffer gepackt hatten. Sei es Namen wie: – Marco Polo – Nikolaus Kopernikus – Christoph Kolumbus Sie haben unser Wissen durch ihre Reisen erweitert.
Nun drei Namen von Menschen, die auch ihren Koffer gepackt hatten. Sie haben unser Wissen durch ihren Tod erweitert. – Alan Kurdi (2 Jahre alt. Auf der Flucht im Mittelmeer Ertrunken.) – Somalier Nalo (14 Jahre alt. Verhungerte in einem Schleppergefängnis in Libyen.) – Peter Fechter (18 Jahre alt. Erschossen beim Fluchtversuch in Berlin-Mitte, Zimmerstraße; vor den Augen einer großen West-Berliner Menschenmenge im Todesstreifen verblutet.)
Im zweiten Weltkrieg mussten in Europa sehr viele Menschen ihre Koffer packen. Sie sind geflohen oder wurden Deportiert.
Nach diesem Krieg packten wieder sehr viele Menschen ihre Koffer. Es waren Menschen aus: – Italien – Jugoslawien – Griechenland – Türkei, usw.
Zu Beginn der 80er waren es die Boatpeople, die auf der Suche nach Heimat und Frieden sich aufmachten.
Ende der 80er waren es die Menschen aus Ostdeutschland, die ihre Koffer packten, um in Freiheit leben zu können.
Mit dem Beginn des neuen Jahrtausend waren es Menschen aus: – Afghanistan – Eritrea – Sudan – Irak, usw.
Nun schreiben wir das Jahr 2021 und noch nie gab es so viele Menschen auf dieser Welt, die ihren Koffer gepackt haben. Kriege, Terror, Hunger, Klimawandel und Umweltverschmutzung sind nur ein paar der Gründe um den Koffer zu packen.
Gleichzeitig erlebt diese Welt einen immer größeren Hass gegen Menschen aus anderen Kulturen oder Herkunft. Jene Menschen die so voller Hass sind, haben noch nie ihren Koffer packen müssen. Sie leben in Wohlstand, Freiheit und Sicherheit. Warum also packen?
Unser Koffer steht rein zufällig in Deutschland, Frankreich, Niederlande oder Österreich. Was würden die Menschen in ihren Koffer packen, wenn sie flüchten müssten? Das Wohlstandsleben braucht oft einen großen Transporter um ein Teil des Lebens in eine andere Wohnung oder Stadt zu bringen – es reicht kein Koffer.