Archiv der Kategorie: Afghanistan

Kein Mensch flieht ohne Grund

Ein paar Hintergründe, die zum Nachdenken bringen sollen.

Autorin Naike Juchem

Melilla ist eine spanische Enklave in Westafrika und hat seine Grenze zu Marokko.
In einem Werbeprospekt wird über die schöne und mittelalterliche Festungsanlage und über prachtvolle Jugendstilgebäuden in den schönsten Worten geschrieben.
Wörtlich heißt es dort: „Es gibt keinen besseren Weg, ihre Geschichte kennenzulernen, als eine Besichtigung von La Ciudadela, auch bekannt als Melilla la Vieja oder „das Dorf“ (El Pueblo) zu besuchen. Diese Festungsanlage wurde im 15. Jahrhundert auf Felsen erbaut und verschiedene Kulturen haben hier im Laufe der Zeit ihre Spuren hinterlassen.“
So weit über die einstige Geschichte.

Über die aktuelle Geschichte hört man kaum etwas. Im Sommer 2022 versuchten fast 2.000 Migranten, die meterhohen Zäune von Melilla – also der EU Außengrenze zu überwinden. Es gab hunderte Tode und genau so viele Verletzten. Hilfe für die Menschen gab es keine!
Dies ist die Realität vor den Türen von Europa!
Ob in Libyen, Griechenland, Türkei, Italien (Lampedusa) oder an den Grenze zwischen Polen und Weißrussland. Überall werden Menschen mit Waffengewalt an der Einreise nach Europa gehindert.

Foto: Simona Forlini

„Sollen sie doch bleiben wo sie hergekommen sind.“


Dies sind oft die Aussagen von Menschen, die für sichere Grenzen und konsequenter Abschiebung sind.
Natürlich können diese Menschen in ihrer Heimat bleiben – nur hat die EU durch irrsinnige Subventionen und Staatsverträge fast alle Länder in Afrika in den Ruin getrieben. Tomaten aus Italien werden in Ghana billiger verkauft, als die Landwirte in Ghana diese verkaufen können.
Hähnchenfleisch, welches in Europa keinen Absatz hat, wird über Subventionen per Container nach Nigeria geschafft. Dort hat man mit unserem Lebensmittelmüll mal eben die Landwirtschaft ruiniert.

Elektronikmüll wird an die Elfenbeinküste oder Ghana verschifft. Dort liegen Hunderttausende Tonnen Elektronikmüll auf weiten Felder – auf denen einst mal Saat ausgebracht wurde. Mit einfachsten Mittel wird noch das letzte Stück Kupfer aus den Geräten geholt. Die Umweltverschmutzung ist gigantisch. Durch die Schwermetalle im Boden und Wasser, ist Leben für Tiere und Fische nicht mehr möglich.

Natürlich gibt es auch „positive“ Beispiele, wenn in Kenia Tulpen und andere Blumen gezüchtet werden, und diese dann in den Discounter in Europa für wenig Geld an den Kassen stehen. Von diesem ökologischen Irrsinn mag ich gar nicht schreiben.

Diese wenigen Beispiele zeigen schon, wie global vieles zusammen hängt. Es ist natürlich leicht zu sagen: „Sollen sie doch bleiben wo sie hergekommen sind.“ Würden diese Menschen eigentlich auch, wenn das zivilisierte Europa nicht deren Heimat, Lebensraum und Wirtschaft zerstören würde. Kein Mensch flieht ohne Grund!

Foto: Saleh Syrian

Die Menschen, die fliehen, brauchen Geld für ihre Flucht. Dieses Geld kratzen sie von Verwandten zusammen. Die Familien verschulden sich bei den Schlepper und können das Darlehen niemals zurück bezahlen. Oft werden nach ein oder zwei Jahren diesen Familien das wenige Eigentum weggenommen. Also hat man nochmals viele Menschen in die Armut, Flucht und Verzweiflung getrieben.

Um dies alles zu begreifen, bedarf es mehr, als die Schlagzeilen der BILD oder den schwachsinnigen Postings in den Sozialen Netzwerken zu lesen.

Foto: Eva Wołkanowska-Kołodziej

Wenn wir diese Welt verbessern möchten, müssen wir als Industriestaaten auch jene anderen Ländern leben lassen und auf Augenhöhe mit einander umgehen. Staatsverträge drückt die sowieso schon schachen Ländern noch mehr an die Wand.
Hurra, wie haben Unimogs von Mercedes, Waffen von Heckler und Kock.  Auch Frankreich ist im Bereich Staatsverträge vorne mit dabei. So werden zum Beispiel militärische Fahrzeuge von ACMAT S.A, ALCEN (u.a. Hubschrauber) oder Produkte der Dassault-Gruppe geliefert.

Diese Liste geht natürlich nicht nur über militärische Waffen und Fahrzeuge einher. Es geht mit allen Branchen weiter: Lebensmittel, Telekommunikation, Medikamente, Erdöl, Chemie….

Foto:Nino Fezza

Um eine immer weiter steigende Profitrate der Konzerne zu haben, braucht man neue Märkte. Ob Lateinamerika, Afrika, Asien, Südostasien oder China. In all diesem Karussell aus Macht, Gier und Profitrate bleiben Menschen aus der Strecke. Dies zeigt uns die Geschichte des Kolonialismus. Auch hier waren es: Afrika, Asien, Lateinamerika, Polynesien, Indien, Indochina (so nannte man früher Südostasien.)

Die westliche Industrie und Wohlstand ist auf die Armut der Schwellenländer dieser Welt aufgebaut. Kriege führen zu Armut und Flucht. Umweltzerstörung führt zu Armut und Flucht. Irrsinnige Subventionen und Staatsverträge führt zu Armut und Flucht.

Foto: Simona Forlini

Nun sitz der Europäer zu Haus auf seinem Sofa und motzt über Migranten, ohne all diese Hintergründe zu wissen. Es ist leichter, die schwächsten in dieser Kette zu bekämpfen, als sich über die Ursachen Gedanken zu machen.

Naike Juchem, 6. Februar 2024

Das Chaos in Afghanistan

Afghanistan ist seit 70 Jahren der Spielball der Nationen und kaum jemand weiß es.

Um die Lage von Afghanistan zu begreifen, muss man die Machenschaften der UdSSR, CIA, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emirate kennen; und zum anderen in der Geschichte weiter zurückgehen.

Autorin Naike Juchem

Ende der 70er Jahren kam Afghanistan hin und wieder in den Medien vor, als die UdSSR in Afghanistan intervenierte. Die UdSSR war eine Weltmacht und sah eine Bedeutung durch die USA mit ihrer Kriegsmarine und Atombomben.
Das Territorium der UdSSR umfasste nach dem zweiten Weltkrieg eine Fläche von 22,4 Millionen Quadratkilometern. Dies war fast ein Sechstel des Festlandes der Erde. Von der West-Ost-Richtung erstreckte sich die UdSSR vom Schwarzen Meer, der 
Ostsee bis hin zum nördlichen Pazifischen Ozean.
Die UdSSR hat trotz dieser gewaltigen Größe keinen geografischen Zugang zum südlichen Pazifik, bzw. Indischen Ozean. Um auch dort mit der seiner Marie präsent sein zu können, wollte man einen Korridor von Usbekistan, was zur Russischen Föderation gehörte, durch Afghanistan und Pakistan. Da Pakistan an der Küste des Arabischen Meeres, eines Nebenmeeres des Indischen Ozeans liegt, wäre der militärische Zugang in den südlichen Pazifik gesichert gewesen.

Dieses Vorhaben scheiterte am Widerstand der Mujahideen, die umfassend mit finanzieller, materieller und personeller Unterstützung aus den arabischen Staaten profitiert habe.  Hier sei die CAI, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Pakistan erwähnt.
Der Begriff Mujahideen verwenden Muslime um diejenigen zu beschreiben, die sich als Krieger im Namen Allahs für den Islam zu kämpfen sehen. Das Wort ist von der gleichen arabischen Wurzel wie der Dschihad – der heilige Krieg.

Ein Sinnloser Krieg gegen einen unsichtbaren Feind

Im Februar 89 beendeten die UdSSR einen Sinnlosen Krieg und zogen sich aus Afghanistan zurück. Was übrig blieb war ein Chaos aus innenpolitischer Zerstrittenheit und ein Land das wirtschaftlich am Boden lag.
Durch den Rückzug der UdSSR sahen sich die Mujahideen als „Arbeitslos“ und durch die Zerstrittenheit der vielen Ethnien im Land, sahen diese nun endlich die Möglichkeit einen Gottesstaat nach ihrem Willen aufzubauen. Auch hier waren Religionsgelehrte aus dem arabischen Raum im Hintergrund.

Kaum ein anderes Land der Welt befindet sich seit so langer Zeit in einem permanentem Kriegszustand. Im Zuge dieses Kriegs wurde das gesamte
Land in Schutt und Asche gebombt; 1,5 Mio. Menschen verloren ihr Leben. Weitere Kriegsfolgen sind die Erblast von über 10 Mio. Anti-Personen Minen ( in keinem anderen Land der Welt liegen mehr Minen), eine Analphabetenrate von über 90 % und
die Flucht von zeitweise bis zu 6,5 Mio. der 14 Mio. Einwohner Afghanistans nach Pakistan und Iran.
Auf den ersten Blick gleicht der Afghanistankrieg einem undurchsichtigen Chaos, in dem andauernd neue Fraktionen auftreten, die sich in ständig wechselnden Koalitionen bekämpfen. Jedoch lassen sich auf den zweiten Blick zwei Konfliktebenen unterscheiden: Zum einen gibt es die internationale Konfliktebene, da der Afghanistankrieg stark von den sicherheitspolitischen, wirtschaftspolitischen und ideologischen Interessen ausländischer Mächte, insbesondere seiner Anrainerstaaten, bestimmt wird. Zum anderen gibt es
die innerafghanische Konfliktebene, auf der zunehmend Ethnizität an Bedeutung gewinnt. Beide Konfliktebenen sind miteinander verzahnt und haben in den Kriegsparteien ihre Überschneidungs-
punkte. Daher wird die Zukunft von Afghanistan nur jene gestalten können, die langfristig die Fraktionen militärisch und politisch behaupten. Da es an ausländischer Unterstützung für die Taliban nicht mangelt, ist ein erneuter Krieg unumgänglich.

Um Afghanistan zu begreifen, muss man in der Geschichte zurückgehen

Ein Reich mit der Bezeichnung Afghanistan existiert seit 1747. Afghanistan in seinen heutigen Grenzen entstand jedoch erst Ende des 19. Jahrhunderts als Pufferstaat zwischen den Interessengebieten der Kolonialmächte Britisch-Indien und
Rußland. In dieser Staatsgründung war das wesentliche Konfliktpotential Afghanistans schon von Anfang an angelegt.
Bei Afghanistan handelt es sich um einen Vielvölkerstaat, in dem über 50 ethnische Gruppen leben. Die größte Ethnie sind die segmentär organisierten Paschtunen, die in verschiedene Stammesverbände zerfallen; die Konföderationen der Durrani und Ghilzai bilden die umfaßendsten paschtunischen Stammeseinheiten. Weitere wichtige ethnische Gruppen sind die Usbeken in Nordafghanistan und die Hazara im zentralen Hochland. Unter der Sammelbezeichnung Tadschiken
wird die persischsprachige, sunnitische Bevölkerung Afghanistans zusammengefaßt.

Die ethnische Vielfalt in Afghanistan drückte sich seit Jahrzehnten in der gesellschaftlichen Schichtung aus. Die Paschtunen erschienen nach außen hin als die staatstragende Ethnie. Sie stellten
von 1747 bis 1973 mit dem Königshaus, das dem durranischen Stammesverband angehört, die Spitze des Landes. Auch die traditionelle Elite bestand in ihrer Mehrheit aus paschtunischen Adligen. Die Tadschiken bildeten das Gros der Mittel-
schicht, weshalb sie die Wirtschaft und staatliche Verwaltung dominierten. Die Usbeken hatten auf den afghanischen Machtapparat nur wenig Einfluß
und waren weitgehend auf ihren Siedlungsraum beschränkt. Die Hazara bildeten aufgrund ihres turko-mongoliden Aussehens und ihrer schiitschen Konfession eine marginalisierte Ethnie, die
weitgehend von der Partizipation an den gesellschaftlichen Ressourcen ausgeschlossen bleibt.

Die CIA tragen eine Mitschuld an dem Chaos in Afghanistan *

Der auf Drogen aufgebauten Irrsinn zeichnete sich ab, als der weltweite Drogenhandel sich auf dem Tiefpunkt seiner jüngeren 200-jährigenGeschichte befand: mitten im Zweiten Weltkrieg. In den USA war der Reinheitsgehalt illegalen Heroins von 28 Prozent 1938 auf nur drei Prozent drei Jahre später gefallen – ein Rekordtief. Zugleich hatte die Anzahl der Süchtigen rapide abgenommen: Nur noch etwa 20.000 waren es1944/45, ein Zehntel derjenigen, die noch 1924 gezählt worden waren.

Ende der 40er Jahre sah es ganz danach aus, als würde die Heroinsucht in den USA ein unbedeutendes Problem werden. Innerhalb eines Jahrzehnts jedoch blühten die Drogensyndikate wieder, die asiatischen Mohnfelder dehnten sich aus, in Marseille und Hongkong schossen Heroinraffinerien aus dem Boden. Der Grund für diese Erholung des Heroinhandels ist in einer Abfolge von CIA-Bündnissen mit Drogenhändlern zu finden.
Die CAI unterhielt sehr enge Kontakte zu korsischen Drogensyndikate in Marseille, nationalchinesischen Truppen in Birma und korrupten thailändischen Polizisten.

* lesen Sie hierzu den externen Berich: Die CIA und ihr Opium

Eine unlösbare Zwickmühle

Die weltweit zunehmende islamistische Gewalt, der Staatszerfall in Asien und Afrika und der daraus resultierende Flüchtlingsstrom nach Europa zwingen die internationale Gemeinschaft, sich verstärkt mit der Befriedung von Krisenregionen und mit gesellschaftlichem Wiederaufbau zu beschäftigen. Wie man aber Lösungen für die Konflikte und Kriege erarbeiten will, sind äußerst schwierig, da zu viele Interessen an politischen, wirtschaftlichen und nicht zuletzt religiösen Gründen auf keine Einheit hinauslaufen werden – und dies auf dem Rücken der zivilgesellschaft ausgetragen werden.

Nach fast 20 Jahre des internationalen  ISAF Einsatz in Afghanistan herrscht in der Öffentlichkeit die Ansicht vor, der ISAF Einsatz sei generell fehlgeschlagen. Zwar waren fast alle militärischen Operationen zur Bekämpfung der Taliban von Erfolg gekrönt, und dennoch gelang es trotz gewaltiger finanzieller und personaler Anstrengungen nicht, eine stabile politische und funktionierende Verwaltung, sowie eine effektive Justiz zu etablieren.
Ebenso ist ein Großteil der afghanischen Bevölkerung der Meinung, die Lasten des Krieges seien ungerecht verteilt worden und sie hätte vom bisherigen Wiederaufbau nicht ausreichend profitiert.
Bei Frauenrechten, Bildung, Gesundheit und Medien kann die internationale Allianz erfolgreiche Erfolge vorweisen, aber leider stehen diese Errungenschaften auf sehr
wackeligen Beinen, da ihnen die ökonomische und gesellschaftliche Unterstützung fehlt.
Die internationalen Beziehungen zwischen Deutschland und Afghanistan gibt es schon seit 1919. Während der kritischen Sicherheitslage von Mitte der 1980er-Jahre bis 2001, hatte Deutschland kein Botschaft in Afghanistan unterhalten. Erst nach der Afghanistan-Konferenz von 2001 wurde wieder ein deutsches Verbindungsbüro in Kabul eingerichtet, das im Folgejahr wieder zur Botschaft aufgewertet wurde. Die deutsche Botschaft war die erste diplomatische Vertretung eines Staates in Afghanistan nach Ende des Taliban-Regimes.
Afghanistan liegt laut der Weltbank beim Investitionsklima auf Platz 162 von 175 untersuchten Ländern. 60 Unternehmen aus Deutschland waren schon kurz nach dem Sturz des Taliban-Regimes in Afghanistan vertreten.
Während die großen deutschen Konzerne zumeist mit Subunternehmen in Afghanistan tätig sind, unterhalten vor allem kleine und spezialisierte deutsche Firmen Vertretungen in dem Land. Siemens baut zum Beispiel das Telefonnetz aus und ist an der Modernisierung von zwei Wasserkraftwerken beteiligt. Der Essener Baukonzern Hochtief repariert und baut Straßen.
Die in Hamburg lebende Familie Rahimi, hat das 1968 in Kabul gegründete Hoechst-Werk vor einigen Jahren gekauft und stellt dort Hustensaft, Schmerzmittel und Antibiotika her. Die Afghanistan Investment Support Agency, wirbt damit, dass ihr Land als einen der weltweit am schnellsten wachsenden Märkte anpreist und seit 2003 bereits 2,4 Mrd. Dollar investiert wurden. Der Internationale Währungsfonds rechnete im Jahr 2007 mit einem Wirtschaftswachstum in Afghanistan von zwölf Prozent.

Die Meinung der meisten in Afghanistan
engagierten Staaten lässt sich mit wenigen Worten beschreiben: Sicherheit ist Voraussetzung für politische Stabilität und politische Stabilität für wirtschaftlichen Aufbau. Heute ist klar, dass diese Strategie nicht funktioniert hat.

Alle Bemühungen der Alliierten für Sicherheit und Ordnung in Afghanistan aufzubauen, sind am Tag mit den „Friedensgesprächen“ in Doha, zwischen den USA und der Taliban gescheitet. Die USA lies mit ihrer Unterzeichnung das Volk von Afghanistan ins offene Messer laufen.
Dieses perfide Abkommen mit Terroristen und das Versprechen, die USA werde ihre Truppen abziehen, war der ungehinderte Zugang der Taliban, um wieder die Herrschaft über Afghanistan zu gewinnen.
Nichts wurde in all den Jahren an Frieden und Sicherheit gewonnen.

Die Lage in Afghanistan hat sich seit Mai 2020 dramatisch verschlechtert und mit jedem weiteren Tag rücken die Taliban in immer mehr Städte und Provinzen vor.
Es ist abzusehen, dass ohne Alliierte Hilfe Afghanistan erneut ins Mittelalter katapultiert wird. Da im letzten Jahr China schon Truppen in die Nähe von Afghanistan verlegt hat, ist nun die Frage, wer wird als erstes das aufkommenden Taliban-Regiem bekämpfen.

Die unglaublich Menge an Resourcen werden einen nächsten Krieg nicht verhindern

Der run auf Resourcen hatte nach dem Sturz des Taliban-Regimes schon einige Länder auf den Plan gerufen.
Die Türkei mischt seit 2001 in dem NATO geführten ISAF Einsatz kräft mit und arbeitete in Afghanistan mit den selben Instrumenten wie die anderen Staaten: Streitkräfte, Institutionen
der Entwicklungszusammenarbeit und Hilfsorganisation. Die Türkei hat aber zwei weitere Punke im Blick: die  Außenwirtschaftspolitik und Investitionen durch private Firmen.
Bereits 2001 hatte die Türkei ihr ökonomisches Interessen klar definiert: der Energie- und im Transportsektor.
Die nachgewiesenen Öl- und
Gasbestände in Afghanistan sind mittel- und langfristig für die türkische Wirtschaft
genauso interessant wie auch chinesische Pläne, neue überregionale Transportwege (Projekt Seidenstraße) zu bauen, die durch Afghanistan bis nach Anatolien führen soll.

Die Ressourcen sind Fluch und Segen für Afghanistan. So haben US-amerikanische Geologen vor 10 Jaher riesige Vorräte an Lithium, Kupfer, Eisen und Gold entdeckt, die bis zu 1000 Milliarden Dollar wert sein sollen. Die Vorräte an Kupfer, Lithium, Eisen, Gold und Kobalt reichten aus, das Land zu einem weltweit führenden Rohstoffexporteur zu machen. Afghanistan hat somit das Potenzial, zum „Saudi-Arabien des Lithiums“ zu werden. Lithium wird für wiederaufladbare Batterien gebraucht – für Handys, Laptops oder Elektroautos.
Die US-Geologen beschreiben zudem große Vorkommen von „seltenen Erden“, die für nahezu alle Hightech-Produkte gebraucht werden und die zu 97 Prozent in China abgebaut werden. Westliche Exportunternehmen sind auf solche Rohstoffe angewiesen. Käme der Abbau von Bauxit in der Nähe von Baghlan in Gang, könnte gleichzeitig der seltene Rohstoff Gallium gewonnen werden, der etwa für Dünnschicht-Solarzellen gebraucht wird.
Der Sensationsfund könnte das Rückgrat der Wirtschaft werden. Der Nachteil wird die weitere Destabilisierung der Region werden. Durch eben jene Vorkommnisse könnte Afghanistan zum geopolitischen und geoökonomischen Brennpunkt der Welt werden.

Die Geschichte zeig, dass solche Ressourcen für die betroffenen Länder eher Fluch als Segen sind. Gleiches ist heute schon im Kongo zu sehen.

Entdeckt wurden viele der Rohstoffreserven mithilfe von Karten- und Datenmaterial sowjetischer Bergbauexperten, die noch aus der Zeit der sowjetischen Besatzung in den 80er Jahren stammen. Nach dem Rückzug der sowjetischen Truppen und dem darauffolgenden Chaos nahmen afghanische Geologen die Karten an sich und brachten sie nach dem Sturz der Taliban 2001 in offizielle Dokumentensammlungen zurück. Dort fanden die US-Geologen die Aufzeichnungen 2004 und stellten auf ihrer Basis eigene Forschungen an. 2007 bereits veröffentlichten sie Berichte über die zur Rede stehenden Riesenvorkommen, allerdings ohne auf großeres Interesse der Regierung zu stoßen. Erst 2009 wurde eine Pentagon-Abteilung zur Wirtschaftsförderung auf die Erkenntnisse aufmerksam und ließ die Unterlagen nochmals prüfen.
Nun bleibt abzuwarten, wie politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich dieses enorme Kapital einsetzen lässt um eine weitere Eskalation des Terrors zu verhindern.

2012 investierte TPAO, die staatliche Ölfirma der Türkei, 100 Millionen US-Dollar und startete Bohrungen auf bereits explorierten Öl- und Gasfeldern im Norden Afghanistans.
Die eigenen Interessen offen zu verfolgen hat der Türkei bislang nicht geschadet. Im Gegenteil, die afghanische Seite sieht sich eher auf gleicher Augenhöhe, wenn sie als
Wirtschaftspartner und nicht als Hilfeempfänger angesprochen wird. Etlichen türkischen Bauunternehmen
gelang es in relativ kurzer Zeit, auf dem afghanischen Markt Fuß zu fassen. Im Hoch- und Tiefbau hatten sie in den ersten Jahren des westlichen Engagements mehrere Nato-Aufträge übernommen. Dank der Erfahrungen, die sie dabei sammelten, konnten sie sich später größere öffentliche Bau- und Infrastrukturprojekte sichern.
So wurden mehrere Abschnitte der afghanischen Ringroad, die die größeren Städte des Landes miteinander verbinden soll, von türkischen Unternehmen gebaut.
Auch in der Handelspolitik machte die Türkei lokale wirtschaftliche Engpässe für die eigene Wirtschaft zu nutzte. So sind türkische Geschäftsleute auf dem afghanischen Markt stark vertreten. Türkische Produkte sind begehrt.
Oft sind sie der chinesischen, pakistanischen und iranischen Konkurrenz qualitativ überlegen und bezahlbar. Ein Vorzug türkischer Unternehmer ist zweifellos, dass sie risikobereiter sind als die meisten europäischen und US-amerikanischen Unternehmen.

Auch türkische Unternehmer und ihre Mitarbeiter wurden entführt oder gar getötet. Dennoch haben sie es größtenteils vermieden, sich hinter hohen Mauern und Stacheldraht zu verschanzen. So vermittelten sie den Einheimischen das Gefühl, sich nicht von ihnen abzuheben. Türkische Firmen werden vor Ort aber auch deshalb geschätzt, weil sie afghanische Arbeitskräfte einsetzen. Zwar ist der Verdienst bescheiden, doch einen Arbeitsplatz zu haben ist in Afghanistan mit seiner extrem hohen Arbeitslosigkeit bereits ein Privileg.

Die Türkei zieht die Fäden im Hintergrund

Die Türkei befürwortet eine regionale Lösung des Konflikts und initiierte deshalb den sogenannten Istanbul-Prozess. Die Türkei bindet darin nicht nur alle Nachbarn Afghanistans ein, sondern kooperiert auch mit USA, Russland, China sowie auch mit Großbritanien und Deutschland.
Türkische Generäle hatten mehrfach die Leitung verschiedener Teile der ISAF-Truppen. Zweimal kommandierten türkische Offiziere den gesamten ISAF-Einsatz. Dreimal übernahm die Türkei
die Verantwortung für die Sicherheit in der
Hauptstadt Kabul und in der Provinz Wardak. Heute schützen türkische Truppen den internationalen Flughafen in Kabul – auch dies aus wirtschaftlichen Gründen, für deren Export.
Auch ist die Türkei maßgeblich an der
Ausbildung der Afghanischen Natio-
nalarmee und der Nationalpolizei beteiligt und finanziert mehrere Militärschulen. So kommen Waffen aus Deutschland, Frankreich und Israel legal ins Land. Da die türkischen Geheimdienste mit internationalen Partnern zusammen arbeiten, ist es für andere Dienste sehr schwer – wenn nicht gar unmöglich, dieses Netzwerk zu durchschauen.

Ein falsches Spiel von „Brüder im Glauben“

Ungeachtet dieser engen Zusammenarbeit wird die türkische Beteiligung an
militärischen Maßnahmen oft nur als symbolisch bezeichnet. Denn die Türkei hat es von Beginn an abgelehnt, sich an militärischen Aktionen gegen die Taliban, an der Terrorbekämpfung, aber auch an Operationen gegen die Produktion von Drogen und den Handel mit ihnen zu beteiligen; selbst bei der Minenräumung enthält sich die Türkei.
Die Türkei sieht sich nicht als Besatzungsmacht und signalisieren – mit Erfolg, der afghanischen Bevölkerung.  Das dieser „brüderliche Glaube“ sehr zum Nachteil der Bevölkerung werden kann, wird seit Jahren nicht gesehen – und dies ist ein fataler Fehler in anbetracht der immer stärker werdenden Taliban.

Nicht einmal wurde Militärcamps der Türkei seitens der Taliban angegriffen, womit sich bei der Bevölkerung ein positives Bild für die Türkei zeigt.

Doch solange die türkische Regierung immer noch im Glauben ist, sich in einem Konkurrenzkampf mit dem Westen zu befinden, wird Afghanistan von Menschen gleichens Glaubens still und heimlich unterwandert.

Die Taliban braucht keinen Drogenhandel – sie bekommen Steuern

Opium ist trotz allem für Afghanistan eine sehr lukrative Einnahmequelle und dies weiß eigentlich jeder. Die Taliban war in Afghanistan nie weg. In den letzten 10 Jahren haben sie immer wieder Provinzen und Städte eingenommen. So kamen sie auch immer an Waffen und Munition, die sie bei den Stürmungen auf Militär- oder Polizeikasernen erbeuteten.
Die Taliban haben in Afghanistan eigene staatsähnliche Strukturen aufgebaut, mit sogar eigenen Gerichten.
Durch den illegalen Landraub, verfügt die Taliban quasi über ihr eigenes Land – so hat diese Terrorgruppe Steuereinnahmen. Auch durch die Besetzung und Kontrolle von Grenzübergänge, bekommen die Taliban Einnahmen durch Zollgebühren.

Der Geldstrom aus dem Ausland, wie dieser noch in den 90er Jahren war, ist nicht mehr in dem Maße, wie einst. Auch wenn Geheimdienste Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Pakistan im Visier haben, dementieren dies vehement.

Durch den alltäglichen Terror und seit Wochen das schnelle Vorrücken auf Städte und Provinzen, mangelt es den Taliban nicht an finanziellen Mitteln. Sie plündern und rauben was ihnen unter die Finger kommt.

Was kommt wird alle bisherigen Prognosen übersteigen

Der Krieg rückt näher, und somit auch die Angst vor einer erneuten Übernahme der Taliban. Die nächsten Wochen werden zeigen, wie sich die internationale Gemeinschaft in Afghanistan verhält. Je mehr Staaten ihre Botschaften schließen werden, desto mehr verliert die Bevölkerung den Glauben an die Regierung und das bisherige Staatssystem.

Es ist nue noch eine Frage der Zeit, bis die Taliban Kabul angreift und die jetzige Regierung stürzen wird. Die Apokalypse steht vor der nächsten Stufe und das was kommt, wird ein Massenmord.
Die Menschen wissen nicht mehr wohin sie noch fliehen sollen, und die hochausgebildeten Militärs werden sich wohl kaum der Taliban beugen. Wenn das jetzige Staatssystem zusammen bricht und die Soldaten und Polizisten keinen Soldt und Lohn bekommen werden, steht einem Bürgerkrieg kaum noch was im Weg.

Die Taliban wird ihrerseits die zivil Bevölkerung als Schutzschilde nutzen, wie sie dies vor 20 Jahren schon einmal taten und in den von ihnen kontrollierten Provinzen schon seit Jahren tun.

Mit jedem Tag, an dem die Taliban Städte und Provinzen einnehmen, sinkt die Hoffnung auf ein Ende der Gewalt und Terror.

Naike Juchem 14. August 2021

Quelle
– Alfred W. McCoy. Professor an der Universität Wisconsin für südostasiatische Geschichte. Die CIA und das Heroin. Weltpolitik durch Drogenhandel
– Bundeszentrale für politische Bildung
– Library.fes.de Conrad Schetter
– Stiftung Wissenschaft und Politik

Ich fühle immer zu viel

Ich fühle immer zu viel und am Ende tut es nur noch weh.
Ich lache immer zu viel und bekomme gesagt, du bist peinlich und albern.
Ich liebe immer zu viel und bekomme trotzdem die Schläge ab.
Ich vermisse immer zu viel und spüre die Traurigkeit zu oft.
Ich leide immer zu viel und keiner sieht die Einsamkeit im Herz.
Ich lebe.
Ich fühle immer zu viel und sehe das Menschen meine Gefühle teilen.
Ich lache immer zu viel und bekomme Momente des Lächelns zurück.
Ich liebe immer zu viel und bekomme Geborgenheit zurück.
Ich vermisse immer zu viel und merke das mir an Güte nichts fehlt.
Ich leide immer zu viel und weiß das ich getragen werden.
Ich lebe.
Ich lebe immer zu viel.
Ich lebe immer fröhlich.
Ich lebe immer liebevoll.
Ich lebe immer geborgen.
Ich lebe immer begeistert.
Ich lebe.

Naike Juchem 30. Oktober 2018

Frauenrechte in Afghanistan

Unter dem Taliban-Regime, dass sich ab 1994 in Afghanistanlangsam wie ein Geschwür ausbreitete und bis zum Ende ihrer Herrschaft, im Jahr 2001, wurden den afghanischen Frauen ihre Menschenrechte und ihr Würde abgesprochen. Als die internationale Gemeinschaft unter der Führung der USA mit dem Versprechen auf Demokratie, Schutz der Menschenrechte undsoziale Gerechtigkeit nach Afghanistan kam, war die Hoffnunggroß, dass sich die Situation der Frauen wieder verbessern würde und sie endlich die gleichen Rechte wie Männer bekämen. Internationale Organisationen, insbesondere die UN, die Europäische Union und die Entwicklungsagentur der USA, sagten ihre Unterstützung zu, um die Lage der afghanischen Frauen zu verbessern. Die UNO machte ihre Unterstützung der afghanischen Regierung davon abhängig, dass diese die Rechte der Frauen und ihre stärkere Beteiligung in der Afghanischen Gesellschaft gewährleistete. Die UN koordinierten diese Hilfen für Frauen und allmählich zeichnete sich eine Verbesserung der Situation ab: Frauen erhielten mehr Zugang zu Bildung und beteiligten sich vermehrt an der Gestaltung von Politik und Gesellschaft. Die unabhängige Menschenrechtskommission Afghanistan, UNAMA (United Nations Assistance Mission in Afghanistan) wurde gegründet, und die Gleichberechtigung der Frau wurde in der Verfassung Afghanistans festgeschrieben. Mädchen durften wieder in Schulen und Universitäten, Frauen nahmen an Wahlen teil, und fünfundzwanzig Prozent der Sitze des afghanischen Parlaments wurden Frauen zugewiesen. Auch in anderen Bereichen der Politik, der Gesellschaft und der Wirtschaft wurden Frauen aktiv und Arbeits- und Bildungsmöglichkeiten für Frauen nahmen zu. Im Schlussdokument der Afghanistan-Konferenz in Bonn im Dezember 2011 hat die internationale Gemeinschaft bekräftigt, auch nach 2014 und dem Abzug der ISAF-Truppen Afghanistan weiter helfen zu wollen. Bundeskanzlerin Angela Merkel sicherte damals Afghanistan langfristige Hilfe über den Abzug der internationalen Kampftruppen hinaus zu. „Afghanistan kann sich auch nach 2014 auf die Unterstützung der internationalen Staatengemeinschaft verlassen“,sagte Merkel. Da die UNO, wie auch die NATO ihre militärische Präsenz in Afghanistan zurückschraubte und sich dadurch auch die Hilfenverringerten, erlahmte seitens der UNO, insbesondere der USA, auch das Interesse und die Aufmerksamkeit für den Schutz dersozialen Gerechtigkeit, der Demokratie und der garantierten Beteiligung von Frauen an der Politik. Da die Regierung unter Hamid Karsai auch nicht gerade mit Zuverlässigkeit glänzte,
erfüllte diese ihre Verpflichtungen gegenüber Frauen nicht, denn die Gesetze und Vorschriften, die zur Sicherung der Frauenrechte eingeführt worden waren, standen lediglich auf dem Papier, wurden jedoch nicht angewandt. Die Erwartung, dass die UNO und die Regierung Afghanistans die Gleichstellung und die Menschenrechte von Frauen gewährleisten würden, erfüllte sich nicht. Im Gegenteil – niemand arbeitete ernsthaft an der Erfüllung dieser Verpflichtungen. Es zeigte sich beispielsweise, dass Frauen nur eine symbolische Rolle in der Struktur der afghanischen Regierung inne hatten. Inzwischen hat sich, insbesondere aufgrund von wieder zunehmenden Sicherheitsproblemen, Armut, langlebigen Traditionen sozialer Unterdrückung und der Bedrohungen durch die Taliban, den IS und andere extremistische Gruppen, die Lage der afghanischen Frauen wieder verschlechtert, bis hin zu Lebensgefahr, und die Arbeits- und Bildungsmöglichkeiten haben sich verringert und sogar dramatisch verschlechtert.

Fortsetzung von Krieg und Unsicherheit

Der fortdauernde Krieg und Terror und die insgesamt unsichere Lage hat für Frauen das Leben in vielen Provinzen wo die Taliban wieder die Macht stark erschwert. Die Recherchen von Afghan Women ́s Network ergab mit rund 100 Vorfällen in nur 71 Tagen (01.11.2018 – 10.01.2019)
ein erschreckendes Bild: In fast allen der 34 Provinzen Afghanistans waren mindestens zwei Vorfälle zu finden. In den unsicheren Teilen des Landes können derzeit Mädchen, wie auch in der Vergangenheit, keine Schulen besuchen; viele Familien erlauben ihren Töchtern nicht, zur Schule zu gehen, weil es zu wenig weibliche Lehrkräfte gibt. Heute, im einundzwanzigsten Jahrhundert, können sechzig Prozent der afghanischen Frauen und Mädchen weder lesen noch schreiben.
Viele Frauen, die in mehreren Provinzen für Regierungs- und
Nichtregierungsorganisationen gearbeitet hatten, mussten Arbeit aufgrund der Sicherheitslage einstellen, oder haben schon in den letzten Jahren im Verborgenen gearbeitet und auch agiert. Darüber hinaus töteten und erschossen die Taliban mehrere Frauen wegen des bloßen Verdachts, mit der Regierung zusammen gearbeitet zu haben.

Gewalt gegen Frauen in der Familie und in der Öffentlichkeit.

Traditionen sozialer Unterdrückung gibt es heute überall in Afghanistan; immer noch leiden rund drei von vier Frauen unter unterschiedlichen Formen von Gewalt, nicht nur in der Familie, sondern auch in der Gesellschaft– am Arbeitsplatz, an Ausbildungsorten und sogar auf offener Straße. Viele Familien bevorzugen klar die Geburt eines Jungen und sind unglücklich
über die Geburt eines Mädchens.
Kinder und Frauen werden zwangsverheiratet oder an ältere Männer verkauft, manchmal werden sie getauscht, gegen Vieh oder gegen die Lösung eines Konfliktes. Frauen und junge Mädchen werden vergewaltigt und Gewalt gegen Frauen wird von manchen im Namen der Religion gerechtfertigt. Polygamie stellt eine weitere Herausforderung für Frauen dar. Ein Mann hat beispielsweise das Recht, mit bis zu vier Frauen gleichzeitig verheiratet zu sein, und diese Frauen besitzen keinerlei Rechte.
Viele Fälle von Gewalt gegen Frauen werden mittels informeller Gerichte oder in Stammesversammlungen entschieden. Die Entscheidungen dieser Stammesversammlungen sind unfair und ungerecht, vor aller Augen werden Frauen gesteinigt oder ausgepeitscht. 2015 wurde in der Provinz Ghor eine Frau gesteinigt, obwohl sie kein Verbrechen begangen hatte.
Nicht wenigen Frauen werden durch ihre Ehemänner Ohren und Nasen abgeschnitten. Viele Frauen suchen in den Frauen- und Schutzhäusern der wenigen Internationalen oder auch private
Organisationen Zuflucht vor dieser immer stärker um sich greifenden Gewalt. In vielen Provinzen sind die Täter dieser
Gewaltakte mächtige Männer, Kriegsherren, Regierungsbeamte oder Parlamentsabgeordnete, und die Regierung sieht sich nicht in der Lage, sie zu verhaften und oder zu bestrafen.

Basierend auf Zahlen von Afghan Women ́s Network wurden im Jahr 2017 rund 3800 Fälle von Gewalt gegen Frauen registriert; 19 der betroffenen Frauen haben sich selbst verbrannt. 2018 nahm die Zahl der Verbrechen weiter zu und lag bei knapp 4200. Im vergangen Jahr blieb die Zahl auf gleich hohem Niveau.
Menschenrechtsorganisationen können durch die instabile Lage in vielen Regionen gar keine Hilfe, bzw. Registrierungen vornehmen und so liegt die Zahl der tatsächlichen Opfer um ein vielfaches höher.
Die sehr lasche Verfolgung der Behörden, lässt somit eine Straffreiheit für die Männer zu und ist als Hauptgrund
für die Zunahme dieser Gewalt zu nennen. Selbst in Kabul sind Frauen und Mädchen nicht vor körperlicher Gewalt sicher. Als Beispiel hierfür sei der Mord an Farkhunda genannt. Dieses Mädchen wurde vor 2015 von Dutzenden Männern brutal getötet und verbrannt – nur wenige Kilometer entfernt vom Präsidentenpalast und vor den Augen von Sicherheitskräfte. Dieser Vorfall spiegelt die Tragweite der Tragödie wider, mit der afghanische Frauen konfrontiert sind. Zwar wurden mehrere Personen im Zusammenhang mit diesem Mord verhaftet, jedoch gingen sie letztendlich straffrei aus. Frauen und Mädchen sind selbst an ihrem Arbeitsplatz oder an den Universitäten nicht sicher. Sie werden auf dem Arbeitsmarkt und in Bildungseinrichtungen von Männern auf unterschiedliche Arten belästigt und aufgefordert, illegitime Dinge zu tun; es gibt keinerlei Gesetze zur Unterstützung von Frauen in diesen Bereichen.
Die Erfolge der afghanischen Frauen und deren mangelnde Anerkennung
Menschenrechtsaktivistinnen haben in den letzten Jahren bedeutende Erfolge in Afghanistan und über die Grenzen Afghanistans hinaus erzielen können, sie haben nationale und internationale Preise gewonnen und damit der Welt ein anderes
Gesicht von Afghanistan gezeigt, als das von Krieg und Gewalt.
Doch die Beteiligung von Frauen an der politischen Entscheidungsfindung ist immer noch verschwindend gering.
Trotz positiver Errungenschaften im Leben der afghanischen Frauen beschränken sich der Fortschritt und die
Entwicklungsmöglichkeiten von Frauen in vielerlei Hinsicht auf Worte und Slogans. Zahllose Gesetze, Programme und Strategien wurden entwickelt, um die Stellung der afghanischen Frau zu stärken, doch deren Umsetzung war weniger erfolgreich. Immer wieder wurden diese Maßnahmen seitens der Regierung ignoriert.

Es ist offensichtlich, dass Frauenrechte in Afghanistan nur eine symbolische Rolle spielen, diese Doppelmoral und die
frauenfeindlichen Einstellungen zeigen sich an folgendem Beispiel: Hamid Karsaihatte dem Parlament zwölf
Ministeramtskandidaten zur Aussprache des Vertrauens präsentiert; das Parlament hat daraufhin den elf männlichen
Kandidaten das Vertrauen ausgesprochen, Nargis Nehan aber, die als einzige Frau als Ministerin für Bergbau und Erdöl
vorgeschlagen war, wurde abgelehnt. Dies zeigt, dass in allen drei Organen der afghanischen Regierung Frauenfeindlichkeit herrscht und nach wie vor politische Entscheidungen auf der Grundlage gefällt werden, die männliche Dominanzkultur zu erhalten. In all den Jahren konnte keine einzige Frau Mitglied des Obersten Gerichtshofs von Afghanistan werden, stets lehnte das Parlament die Mitwirkung von Frauen in dieser Institution ab; Frauen gelten in Afghanistan immer noch als Menschen zweiter Klasse.
Die allgemein unsichere Lage, das Versagen der afghanischen
Regierung bei der Gewährleistung von Sicherheit für Frauen, die Einschränkungen und verschiedenen Arten von Diskriminierung sind Gründe dafür, dass Frauen nicht in der Lage sind, in Frieden in Afghanistan zu leben, und sich gezwungen sehen, allein oder mit der Familie in andere Länder zu gehen, insbesondere nach
Europa, um dort Asyl zu beantragen.

Afghanische Frauen in Europa und Gewalt in der Familie

Abgesehen von mentalen und psychischen Gesundheitsproblemen erleben afghanische Frauen und Mädchen in vielen europäischen Ländern, insbesond
ere in Deutschland sexuelle und auch häusliche Gewalt. Nach Quellen deutscher Medien wurden allein 2017 zwei
afghanische Frauen in den Städten Frankfurt und Herzogenrath von ihren Ehemännern getötet. Gewalt ereignete sich auch in einem Flüchtlingslager in
Schwerin, wo im November 2017 eine afghanische Frau durch einen iranischen Mann vergewaltigt wurde. Gemäß der Aussage eines Verteidigers von Frauenrechten in Frankfurt leben einige afghanische Familien hier nach den selben traditionellen Vorstellungen wie in Afghanistan und erlauben ihren Frauen nicht einmal, an Sprachkursen
teilzunehmen. Die Hilfsangebote vieler Organisationen und Vereinigungen, die Geflüchtete bei ihren Integrationsbemühungen
unterstützen, laufen dann ins Leere. Ein weiterer schwerer Fall von Gewalt afghanischen Männer ist der Mord an Mia im Dezember 2017.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Unsicherheit, Ungerechtigkeit, mangelnde Rechtsstaatlichkeit und fehlende Gleichberechtigung der Männer die Hauptgründe dafür sind, dass viele afghanische Frauen in Europa Asyl beantragt haben.
Niemand würde ohne die oben genannten Gründe derart viele Risiken eingehen, ohne dazu gezwungen zu sein, niemand würde seinen Geburtsort verlassen und in einem Land mit einer anderen Kultur und Sprache
Asyl suchen.
Das Leben in Deutschland, oder deren westlichen Nachbarstaaten, ist nicht einfach, es muss von Null aufgebaut werden und es braucht Zeit, sich der Gesellschaft anzupassen und die neue Sprache und Kultur zu lernen. Angesichts der Situation afghanischer Asylbewerberinnen ist klar, dass diese mehr als manche andere Unterstützung benötigen – von Organisationen, die die Menschenrechte verteidigen, sowie von der deutschen und den europäischen Regierungen. Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland heißt es, dass alle Menschen in diesem Land die gleichen Rechte haben und dass dieses Land demokratisch regiert wird. Aus diesem Grund erhoffen sich die afghanischen Frauen mehr von der Regierung dieses Landes. Gerade Frauen, die alleine sind oder allein die Verantwortung für ihre ganze Familie tragen, sind auf die Unterstützung der Bundesregierung und von Menschenrechtsorganisationen angewiesen. Geflüchtete
Afghaninnen wünschen sich, dass ihre Fälle in Bezug auf die Situation in Afghanistan und die politischen und sozialen Probleme von Frauen in diesem Land überprüft werden.


P.S. Mir ist durchaus bewusst, dass ich mit meinem Text den Unmut einiger Menschen auf mich ziehe, die sich für Flüchtlinge einsetzen. Ich schreibe keine Märchen, ich schreibe Fakten und diese sollen dann auch so verstanden werden. Ich kann und werden diese Welt nicht schön reden.


Naike Juchem, 20. April 2020

Minen

2018 sind in Afghanistan 1.415 Menschen durch Minen und explosive Kriegsreste getötet oder verletzt worden, wie der United Nations Mine Action Service (UNMAS) berichtete. Die Zahl der Opfer von Landminen und anderen Sprengstoffen in Afghanistan stieg laut dem Minenräumdienst der Vereinten Nationen in den vergangenen Jahren deutlich an, seit 2012 habe diese sich mehr als verdreifacht. 2017 seien pro Monat mehr als 150 Menschen durch Minen oder andere nicht explodierte Munitionsrückstände verletzt oder getötet worden. 2012 seien es noch 36 Tote und Verletzte je Monat gewesen. Insbesondere Kinder sind gefährdet, acht von zehn Opfern seien Kinder.

Seit 1989 wurden der UNMAS zufolge in Afghanistan mehr als 730.000 Antipersonenminen und 30.145 Anti-Tank-Minen geräumt.
Trotz dieser immens hohen Zahl an beseitigten Landminen liegen in keinem Land der Erde so viele Minen wie in Afghanistan.
Mehr als 5000 kartierte Flächen sind bekannt und jeder Schritt in diesen Gebieten ist Lebensgefährlich. Durch Erderosionen bei Starkregen oder Schneeschmelze werden all zu oft auch Minen mit in Täler oder Flächen gespült, die vorher Minenfrei waren oder dort Minen bereits entfernt wurden.

Was sind Minen? Antipersonenminen und Antifahrzeugminen

Landminen – Antipersonenminen und Antifahrzeugminen – sind geduldige und heimtückische Waffen: Sie sind oft mit dem bloßen Auge nicht sichtbar und lösen aus, wenn Erwachsene oder Kinder mit ihnen unabsichtlich in Kontakt kommen. Die geschieht häufig auch noch Jahrzehnte, nachdem sie verlegt worden sind. Betroffene werden getötet oder langfristig und schwer verletzt.

Über 600 verschiedene Minentypen sollen weltweit existieren.
Nachweislich wurden vor dem Verbot von Antipersonenminen in 54 Ländern produziert. Deutschland, Österreich, Frankreich, Belgien gehörten zu jenen Produktionsstätten.
Durch die Ottawa-Konvention wurde in den angeführten europäischen Ländern die Produktion von Antipersonenminen eingestellt – was aber nicht heißt das Rheinmetall, EADS oder auch Diehl bzw. deren Tochterfirmen in Ländern wie Myanmar, Pakistan, Russland, die USA und China weiter produzieren. Man gab dieser unmenschlichen Waffen einen neuen Namen: Antifahrzeugminen

Die Zahl der Produzenten erhöht sich signifikant, wenn man die Länder einbezieht, die Antifahrzeugminen und andere high-tech Minen entwickeln und produzieren. Weiterhin werden weltweit in Staaten wie Deutschland, Österreich, Frankreich und Belgien neue Minen entwickelt, produziert und auch exportiert. Minen, die nach Herstellerangaben gegen Fahrzeuge gerichtet sind, oder auch sog. „intelligente“ Minen.

Ähnlich wie bei Landminen zeigen sich auch die Produzenten von Streumunition erfinderisch. In über 30 Ländern wurden bislang weit über 200 verschiedene Typen von Streumunition produziert Zu den größten Produzenten gehören die USA, Russland und China, bis 2008 aber auch Deutschland.

Landminen lösen aus, wenn sie in Kontakt mit einem Menschen oder Tier kommen. Dabei töten oder verletzten sie fast immer die Betroffenen. Da sie dabei nicht zwischen Kämpfenden und der Zivilbevölkerung unterscheiden und noch Jahre nach Konfliktende im Erdreich versteckt liegen bleiben, stammen fast Dreiviertel aller Minenopfer aus der Zivilbevölkerung. Kontaminierte Gebiete stellen somit eine große Gefahr für die Bevölkerung dar dar. Deswegen wurden sogenannte Antipersonenminen durch die Ottawa-Konvention, die 1999 in Kraft trat und bislang von 164 Staaten ratifiziert worden ist, verboten. Seitdem ist der geschätzte weltweite Bestand von 160 Mio. auf 50 Mio. Landminen zurückgegangen und 33 ehemals kontaminierte Länder/Gebiete sind als minenfrei erklärt worden. Allerdings sind wichtige Staaten, wie die USA, China oder Russland, dem Abkommen nicht beigetreten. Die Betroffenen, die eine Minenexplosion überlebt haben, tragen oft lebenslange Verletzungen und Behinderungen mit sich. Sie sind somit noch lange nach dem Vorfall auf Hilfe angewiesen. Obwohl auch die Notwendigkeit der Opferhilfe in der Ottawa-Konvention festgehalten ist, geht diese oft nicht weit genug und wird zu früh eingestellt. Hier leistet zum Beispiel die Hilfsorganisation Handicap International (HI) einen wichtigen Beitrag: Sie versorgt die Überlebenden und ihre Angehörigen – und setzt sich für eine Welt ohne Minen ein.

Das Ottawa-Abkommen

Da die Abrüstungsverhandlungen innerhalb der Vereinten Nationen sehr festgefahren waren, einigte sich 1997 ein Großteil der internationalen Staatengemeinschaft außerhalb des UN-Rahmens auf ein Verbot von Antipersonenminen (Ottawa-Vertrag), das 1999 in Kraft getreten ist.

Es war das erste Mal, dass kleinere und mittelgroße Staaten (vor allem Kanada und Norwegen, aber auch Australien und Simbabwe) zusammenkamen und eine Vorgehensweise zum Verbot von Antipersonenminen beschlossen, anstatt sich von traditionellen Mächten, die sich nicht zum Verbot von Landminen verpflichtet hatten (wie China, Russland und die USA), zurückhalten zu lassen. Selbst die meisten ehemaligen Minenproduzenten und viele Anwender, darunter Belgien, Kambodscha, Italien, Mosambik und Südafrika, schlossen sich dem Prozess an. Zusätzlich spielte auch erstmals die Zivilgesellschaft eine entscheidende Rolle bei der Ausarbeitung eines völkerrechtlichen Verbots-Vertrages, indem sie global einen hohen Druck auf die Staaten ausübte.

Der Vertrag war somit das Ergebnis einer ungewöhnlich kohärenten und strategischen Partnerschaft zwischen Regierungen, internationalen Organisationen wie dem IKRK, UN-Organisationen und der Zivilgesellschaft, vertreten durch die Internationale Kampagne für ein Verbot von Landminen (ICBL). Die ICBL wurde 1992 von mehreren Organisationen gegründet, darunter HI, und spielte bei der eigentlichen Ausarbeitung und Formulierung des Vertrags von Anfang an eine wichtige Rolle. Bei allen diplomatischen Treffen im Vorfeld der Verhandlungen sowie während der Verhandlungen selbst erhielt sie einen formellen Platz am Tisch und Mitspracherecht.

Das Ottawa-Abkommen war auch ein Meilenstein des humanitären Völkerrechts und verbietet Produktion, Einsatz, Weitergabe und Lagerung von Anti-Personen-Minen und verpflichtet die Vertragsstaaten zu Entminung und Opferhilfe. Minen, die der Konstruktion nach gegen Personen gerichtet sind, sind somit durch den Vertrag von Ottawa verboten. Minen, die nicht gegen Personen, sondern gegen Fahrzeuge gerichtet sind, fallen allerdings nicht unter das Verbot. Bis heute (Stand: Oktober 2020) haben 164 Staaten das Abkommen unterzeichnet, das sind mehr als 80 Prozent aller Länder weltweit. Mit nur 32 fehlenden Staaten ist der Minenverbotsvertrag einer der weltweit am meisten akzeptierten Verträge. Die Vertragsstaaten verpflichten sich auch zur Räumung von verminten Gebieten und zur Unterstützung von Minenopfern. Alle Vertragsstaaten haben zudem beschlossen, bis 2025 eine minenfreie Welt zu erreichen.

Gegenwärtig sind 110 Millionen Landminen auf der Welt verlegt. Die Produktion einer Landmine kostet nur drei US-Dollar, die Räumung einer Mine verursacht jedoch Kosten in Höhe von 1.000 US-Dollar.
Bei der geschätzten Zahl an Minen ist es schlichtweg unmöglich in den nächsten Jahren die Welt Minenfrei zu räumen. Zumal es überhaupt nicht finanzierbar ist.

In den sogenannten asymmetrische Konflikte, zu denen Bürgerkriege, Terror und milizionäre / rebellierende Streitigkeiten zöhlen, werden sehr gerne Antipersonenminen verwendet und zum Beispiel Getreidefelder zu verminen. Ein Feld ist vermint ungeachtet der Tatsache ob eine oder zehn Minen in dem Feld liegen.

Bei der Verlegung von Minen ist es üblich, verschiedene Minenarten zu mischen, damit z. B. Minenräumpanzer nicht gefahrlos in ein Feld von Anti-Personenminen fahren können und im Gegenzug menschliche Minenräumer nicht ungefährdet Panzerminen entschärfen können. Panzerminen mit Druckzünder werden durch das Gewicht eines Menschen normalerweise nicht ausgelöst, aber durch Sicherungsminen, Aufnahmesicherungen und Sprengfallen wird ihre Räumung dennoch erschwert und ist für die Minensucher ein Lebensgefährlicher Job. Auch ist die Topografie ein Faktor der nicht immer den Einsatz von Panzerfahrzeugen ermöglicht.

In Afghanistan gibt es von staatlicher Seite kaum noch Minenräumer, da das Geld für die Löhne von circa 240 € im Monat der Männer seit Jahren weniger wird. Neben ihrem sowieso schon sehr gefährlichen Job, kommt die Gefahr von Terror noch hinzu. In den letzten Jahren habe die Taliban mehrere hundert Minenräumer von staatlicher, wie auch privaten Organisationen entführt und getötet.

Zu den am meisten belasteten Ländern gehören weiterhin: Afghanistan, Angola, Ägypten, Bosnien und Herzegowina, Laos, Kongo (Demokratische Republik), Kambodscha, Kolumbien, Kroatien, Ruanda, Vietnam, aber auch Regionen wie Berg-Karabach, Tschetschenien und die Falkland-Inseln.

Im Jahr 2017 wurden weltweit 2.793 Personen durch Antipersonenminen und oder explosiven Munitionsrückstände  getötet, 4.431 Personen wurden verletzt. 87 Prozent der Opfer waren Zivilisten, unter ihnen viele Kinder. Zu den körperlichen Schäden kommt noch die psychische Belastung hinzu. Viele Ortschaften die in Konflikten oder Kriege nicht eingenommen wurden, oder der Vertreibung von Menschen auf perfide Weise noch Wege und Pfade vermint wurden, sind an und durch diese Waffe getötet oder verletzt worden.
Wenn Menschen in ihren Dörfern zurück bleiben, benutzen diese oft die gleichen Pfade oder Wege, die nach ihrer Meinung Minenfrei sind. Einen halben Meter abseits jener Pfade oder Wege kann eine Tod bringende Mine liegen. Dieses Bewusstsein prägt Generationen von Menschen.
Zwangloses spielen von Kinder kann tödlich sein. Einem Fussball auf einem Feld hinterher zu laufen kann tödlich sein.
Auch wenn die Bewohner von Ortschaften ungefähr wissen, wo Minen liegen könnten, kann dies beim nächsten Erdrutsch, Starkregen oder Schneeschmelze schon völlig anders sein.

In mindestens 60 Staaten der Welt liegen noch Minen – teils registriert und gekennzeichnet, teil seit Jahrzehnten im Verborgenen.
Um ein Beispiel von Europa zu nennen: Der Kroatienkrieg von 1991-1995 hat bis heute circa 500 Quadratkilometer kontaminierte Ladefläche aufzuweisen. Flächen die zum größten Teil landwirtschaftlich genutzt werden könnten.

Beispiel Ruanda

Bei dem Völkermord im Jahr 1994, bei dem in drei Monate schätzungsweise 1 Millionen Menschen ums Leben gekommen waren, gingen die Hutu-Rebellen nicht zimperlich mit dem Vokl der Tutsi und ihrem eigenen Land um. Ruanda könnte durch seine geographische Lage und den klimatischen Bedingungen das Land werden um die Hälfte der Bevölkerung südlich der Sahara zu ernähren.
Da bis zu 60% der Nutzfläche für Getreide vermint sind, ist eine Landwirtschaft kaum möglich.
Auch hier fehlt es an Equipment und finanziellen Mitteln um Minen zu räumen. Zwar gab es Ende der 90er von der Bundesregierung ein Projekt zur Beseitigung der Minen, dies aber nach wenigen Jahren eingestellt wurde.

Wie in allen Ländern in den Antipersonenminen verlegt sind, hindern dies die Menschen daran, in ihre Heimat zurückzukehren und es wieder aufzubauen. Der wirtschaftliche und landwirtschaftliche Schaden der Länder ist automatisch.

Naike Juchem , 25. November 2020

Quellen:
– Auswärtigesamt
– Convention on the Prohibition of the use
–  Dgvn.de
–  Landminen Index
– United Nations Mine Action Service (UNMAS)

Wenn fanatische Religion die Kultur vernichtet

Afghanische Frauen unter einer Burka Foto:UNHCR

Ein Gesetz, welches keines ist: das Burka-Verbot in Europa

Wenn fanatische Religion die Kultur vernichtet

Kultur ist bunt, ausdrucksstark, musikalisch und freude.
Alleine diese vier Punkte gelten für Millionen Frauen auf dieser Welt nicht.

Seit einigen Jahren hat sich in der Bevölkerung eine Bild von muslimischen Frauen eingeprägt, welches nie das Bild der Frauen war: die Vollverschleierung

Der Niqab ist ein Gesichtsschleier, der in Verbindung mit einem Tschador oder einem anderen, zumeist schwarzen Ganzkörpergewand getragen wird. Er bedeckt das ganze Gesicht und lässt nur einen Sehschlitz frei.

Die in Afghanistan verbreitete Burka  ist ein weites, meist blaues Gewand, das über den Kopf gezogen wird und die Frau bis zu den Zehenspitzen komplett verhüllt. Die Augen sind hinter einem feinmaschigen Gitter versteckt.

Durch religiöse Fanatiker wurde und wird eine jahrhundert alte Tradition und Kultur zu Grabe getragen.
Musik und Gesang gehören auf der ganzen Welt zu den Menschen, wie das ein- und ausatmen.
Egal ob mal ein Fest feierte zum Frühlings- oder Sommerbeginn. Ob eine Erntedankfest, eine Gottheit oder den eigenen Geburtstag. Mit Farben und Schmuck brachten die Kinder, Frauen und Männer ihre Freude zum Ausdruck.

All dies wurde in Ländern der muslimischen Welt immer mehr verboten, bis schließlich auch die Farben, Frohsinn, Musik und Tanz verboten wurde.
Durch eine Burka oder Nikab wird den Frauen jegliche Freiheit, Menschenrechte und Würde genommen.

Bettelnte Frau in Afghanistan Foto:RFERL

Heiße Diskussionen über die Burka oder Niqab

Am 11. 4. 2011 trat in Frankreich ein Gesetz in Kraft, das die gänzliche Bedeckung des Gesichts an öffentlichen Orten, etwa in öffent￾lichen Verkehrsmitteln, Parks, Schulen, Geschäften und anderen Einrichtungen, verbot. Damit war Frankreich das erste europäische Land, das das Tragen des Vollschleiers in der Öffentlichkeit verbot; im selben Jahr folgte ein ähnliches Verbot in Belgien. Auch in Österreich, Schweiz, Dänemark und Niederlande gibt es mittlerweile Gesetze für die Vollverschleierung von Frauen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) stellt in einem Urteil vom 1. Juli 2014 fest, das das Gesetz vom Frankreich vom 11. Oktober 2010 rechtens ist. Nach Ansicht des EGMR verletzt das Gesetz weder die Freiheit des Glaubens, der Gedanken oder des Gewissens (Art. 9 EMRK) noch das Recht auf ein Privat- und Familienleben (Art. 8 EMRK). Dieses Urteil wurde natürlich nicht ohne starken Widerstand hingenommen.
So waren auch zwei Richterinnen vom EGMR gegen dieses Urteil.
Eine deutsche und schwedische Richterin beurteilten die Sachlage in gewissen Punkten etwas anders. Sie hielten in der Urteilsbegründung fest: „Konkrete individuelle Rechte, welche die Konvention garantiert, wurden hier abstrakten Prinzipien unterworfen. Unserer Ansicht nach ist ein dermassen generelles Verbot, welches das Recht einer jeden Person auf eine eigene kulturelle und religiöse Identität tangiert, in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig.“

„Dies ist eindeutig ein Angriff auf die muslimische Gemeinschaft in der Schweiz. Ziel ist es, Muslime noch mehr zu stigmatisieren und an den Rand zu drängen“, sagte Inès El-Shikh, Mitglied von Les Foulards Violets, einem muslimischen feministischen Kollektiv in der Schweiz, im Mai 2021 in einem Interview mit „The Guardian“.

„Wir müssen der Regierung signalisieren, dass wir uns der Diskriminierung und einem Gesetz, das speziell auf eine religiöse Minderheit abzielt, nicht beugen werden“, sagte eine Niqab-tragende Studentin gegenüber Reuters, bei einer Demonstration in Kopenhagen, im August 2016.

Auch befürchten Hotel- und Gastronomieverbände in einigen Ländern von Europa einen Rückgang an Besucher, vornehmlich aus den Arabischen Emiraten, wenn solche Verbote Landesweit, in diesem Fall die Schweiz, eingeführt werden.

Foto:Poster of Iran

Eine Vollverschleierung verstößt gegen Menschenrechte – oder doch nicht

In Sure 2 Vers 256 heißt es: „Es gibt keinen Zwang in der Religion“, was eben bedeutet, dass sich jeder Mensch frei für seine religiöse Überzeugung entscheiden darf. Ebenso kann man einen Menschen nicht zu bestimmten Handlungen zwingen, auch wenn es ihm seine Religion vorschreibt. Man ist letztlich einzig vor Allah/Gott verantwortlich, wenn man durch sein Verhalten nicht die Rechte anderer Personen verletzt.
Alleine dieser Vers wird von fast allen islamisch geprägten Staaten missachtet.

Aus islamischer Sicht, also der Religion – und nicht den Religionswächter, ist das Tragen einer Kopfbedeckung Pflicht, die Allah im Koran offenbarte. Frauen und Männer sollten sich aus Überzeugung an die von Allah offenbarten Kleidervorschriften halten. Da der Islam für Nüchternheit eintritt und die Menschen sich nicht von vordergründigen Reizen beeinflussen lassen sollen, ist es wichtig, im öffentlichen Leben dafür zu sorgen, dass jene Anziehungsbereiche menschlicher Sexualität, die sofort ins Auge springen können, bedeckt gehalten bleiben. Dies bedeutet jedoch keine Ungleichheit von Frauen und Männern.

Auch steht in Sure 33, Vers 59: Frauen sollten in der Öffentlichkeit „etwas von ihrem Überwurf“ über sich ziehen. Es wird aber nicht geschrieben, welcher Teil des Körpers verdeckt werden soll und ob dies auch die Haare betrifft.

Um noch einmal auf das Urteil des EGMR zu kommen, heißt es dort, dass es weitgehend den einzelnen Staaten überlassen ist, ob und wo sie Frauen in Burka, Niqab oder auch mit weniger verhüllenden Kopftüchern akzeptieren und wo nicht. Entsprechend hält der EGMR auch ein Burka-Verbot nicht für ein Verstoß die Menschenrechte – wie sie insgesamt das Recht des Staates, die Verwendung religiöser Symbole zu reglementieren, tendenziell höher bewerten als das Recht des einzelnen Bürgers auf freie Religionsausübung

Der UN-Menschenrechtsausschuss hat das Verbot der Vollverschleierung in Frankreich bereits 2018 kritisiert, denn das Urteil des EGMR verstoße gegen die Religionsfreiheit und die Menschenrechte der Trägerinnen, denn das tragen von einer Burka sei
angemessen um ein friedliches Zusammenleben zu gewährleisten.

Fazit

Bei allen Debatten, Vorschriften und Gesetze gibt es keine Einigung über eine stoffliche Hülle, in einer patriarchalisch geprägten Religion. Niemand wird im öffentlichen Raum eine Burka oder Nikab tragende Frau fargen, ob sie dieses Kleidungsstück freiwillig trägt.

Jene Befürworter sollten doch mal für mehrer Tage, vorzugsweise im Hochsommer, ein solches Kleidungsstück tragen.
Toleranz hin oder her, eine Burka ist die schlimmste Entwürdigung für eine Frau.

Die Ethnologie in Afghanistan

Um Afghanistan zu begreifen, muss man sehr weit in der Geschichte zurück gehen und auch die Ethnologie wie auch die Anthropologie in Betracht ziehen.

Was wir in Europa bis Anfang 1990 als Jugoslawien kannten, funktionierte in diesem – ebenfalls Vielvölkerstaat nur, weil man von Grund auf alles an Ethnien bekämpfte. Der Jugoslawien Krieg zeigte, wie verfeinert die Menschen in diesem Staatsgebiet waren. Es endete im Völkermord.

Wenn Afghanistan eine Zukunft haben sollte, kann es nur die Aufteilung des Staatsgebiet zur Folge haben.

Die Probleme in Afghanistan liegen in den vielen Ethnien die in diesem Land leben. Seit Jahrzehnten kämpft jeder gegen jeden. Dies ist und war der Nährboden für den Fundamentalismus, aus den der Terror resultiert.
Auf lange Sicht gesehen, wird es in Afghanistan niemals Frieden geben, solange es ein territoriales Land gibt.
Es muss endlich in Betracht gezogen werden, dass diese Form als Land so nicht existieren kann und wird.

Die Ethnologie in Afghanistan

In der Ethnologie und Anthropologie bezeichnet man als Clan eine Verwandschaftsgruppe, die sich auf einen gemeinsamen Ahn bezieht, ohne dabei jedoch die Abstammung lückenlos herleiten zu können. Eine genauere Definition von Clan, die sich in der englisch- und deutschsprachigen Forschungsliteratur durchgesetzt hat, geht auf den US-amerikanischen Anthropologen George P. Murdock (1897–1985) zurück. Murdock bezeichnet eine Verwandtschaftsgruppe, die gemeinsam auf einem Territorium zusammen lebt, als Clan. Eingeschlossen werden hier die angeheirateten Ehepartner, ausgeschlossen die wegheiratenden. Die Zugehörigkeit wird durch die Patrilinearität bestimmt. Diese Definition trifft auch auf Afghanistan zu.

Die Rolle der Ethnien und Stämme in der afghanischen Staatsbildung und Politik geht auf eine Zeit zurück, als Afghanistan im 18. Jahrhundert im Anschluss an eine neuntägige „Jirga“ gegründet und die Regierung von Ahmad Shah Abdali konstituiert wurde. Der Chronist der afghanischen Geschichte Mir Mohammad Ghobar schrieb, dass diese „Jirga“ sich aus Khans der Gheljaeis, Usbeken, Hazaras, Belutschen und Tajiken zusammensetzte.

Nach der Machtübernahme durch die Paschtunen wurde die Rolle andere Ethnien in der Geschichte Afghanistans unbedeutender. Die Paschtunen versuchten, den neuen Staat alleine zu prägen.
Der deutsche Afghanistan-Experte Conrad Schetter schreibt dazu: „Die herrschende paschtunische Familie, welche durch Britisch Indien an die Macht gekommen war, favorisierte paschtunische Elemente bei ihrem Konzept von Staat und Nation Die Politik der herrschenden Familie setzte die eigenen ethnischen Muster ein, um öffentliche Güter und die Verwaltung unter ihre Kontrolle zu bringen.“
Die nicht-paschtunischen Ethnien, d.h. Tajiken, Hazaras und Uzbeken, verloren allmählich unter dem Druck der herrschenden Ethnie an Einfluss. Der Prozess der „Staats- und Nationsbildung“ beschränkte sich damit auf Aktionen und Reaktionen zwischen der Zentralregierung in Kabul und paschtunischen Stämmen. Aber auch zwischen den paschtunischen Stämmen gab es ständig Kämpfe und politische Rivalitäten.

Der iranische Soziologe Hossein Boshiria schreibt in seinem Dossier: „Die wichtigsten politischen Spannungen ereigneten sich unter paschtunischen Stämmen selbst; insbesondere zwischen Durranis und Barekzais gab es immer politische Rivalitäten.“ Man kann also sagen, dass der Prozess der „Staats- und Nationsbildung“ mit oder ohne Erfolg untrennbar mit der Rolle der Paschtunen in Bezug auf die Zentralregierung im Zusammenhang stand.

Stämme als Hindernis der Staatsbildung

Der italienische Afghanistan-Experte Antonio Giustozzi meint, dass Spannungen zwischen regionalen Fürsten und der Zentralregierung geschichtliche Wurzeln haben. Diese Spannungen lassen sich in verschiedenen Phasen der afghanischen Geschichte beobachten:

Amir Abdul Rahman Khan (Regierungszeit 1880 bis 1901) ist der erste afghanische Herrscher, der große Anstrengungen zur Stärkung der Nation und Errichtung einer Zentralregierung unternahm. Er ging dabei so grausam vor, dass man ihm den Titel „eiserner Emir“ gab. Abdul Rahman Khan siedelte Bevölkerungsteile um und setzte Paschtunen an ihre Stelle. Trotzdem konnte er die Prozesse der Staats- und Nationsbildung nicht vorantreiben, denn einerseits unterdrückte er wichtige afghanische Ethnien, und andererseits gelang es ihm nicht mit den Stammesfürsten der ländlichen Regionen eine produktive Beziehung herzustellen. Barfield schildert diese Situation so:

„Mit der Unterdrückung von Rivalen innerhalb seines Clans, der religiösen Bewegungen und ländlichen Unruhen durch Abdul Rahman Khan, entstand in Afghanistan eine Schicht der ‚politischen Elite‘, die sich zunächst aus wenigen Personen zusammensetzte, aber großen Einfluss durch die Regierung von Abdul Rahman Khan hatte. Da diese Elite ihre ethnischen und ländlichen Bindungen abgelegt hatten, spielten die autonomen regionalen Stammesfürsten eine Vermittlungsrolle zwischen der Kabuler Zentralregierung und dem Volk. Die Loyalität dieser Stammesfürsten basierte auf deren ethnischen, regionalen, religiösen Netzwerken und Stammesrivalitäten. Die Loyalität ihrer Anhänger galt an erster Stelle diesen Stammesführern und erst an zweiter Stelle der Zentralregierung.“

Nach Abdul Rahman Khan versuchte Amanullah Khan mit einer unterschiedlichen Art und sanfter Annäherung den Prozess der Staats- und Nationsbildung voranzutreiben. Er unterdrückte andere Ethnien nicht und schaffte die bis dahin geltende Versklavung der Hazaras ab.

Auch die Anstrengungen Amanullahs blieben ohne Ergebnis. Erschöpft vom Krieg gegen England widmete er sich der Modernisierung Afghanistans. Scheinbar hatte er es aber versäumt, tiefgehende Beziehungen zu Paschtunen herzustellen. Er hat versucht sensible Punkte der paschtunischen Tradition, wie das Verbot der Heirat von Minderjährigen, das Verbot der Polygamie und Bildung für Frauen uvm. zu etablieren. Das war für die Paschtunen ein rotes Tuch. Gerade diese Unzulänglichkeit war ein Grund für das Scheitern der Modernisierung und den Prozess der Staats-und Nationsbildung.

Jules Stewart erklärt beispielsweise, wie die paschtunischen Stämme Amanullah provozierten. Im Dezember 1927 unternahm der König auf Einladung der italienischen Regierung eine Europareise. Er kam im Juni 1928 wieder zurück und begann, inspiriert von seiner Eindrücken, mit neuen Reformen. Die Engländer verteilten indessen ein Bild von Königin Soraya unter den paschtunischen Stämmen; in diesem Bild war sie ohne Kopftuch zu sehen während eines gemeinsamen Essens mit ausländischen Männern, wobei der französische Präsident ihr die Hand küsst. Dies war der Grund, warum Amanullah gleich bei seiner Rückkehr nach Afghanistan mit einer schweren Welle der Unruhe unter den Stämmen und Geistlichen konfrontiert wurde, die ihn am Ende, ein Jahr später, seine Herrschaft kostete.

Die Stammesfürsten kontrollierten unter Amanullah nicht nur ihre eigenen Stämme, sondern übten über einen „Stämmebund“ Einfluss auf das Land aus und widersetzten sich der Modernisierung des Landes. Die „Loya Jirga“ widersetzte sich dem Wunsch Amanullahs das Mindestalter für die Heirat bei Mädchen auf 18 und bei Männern auf 21 festzulegen und die Polygamie abzuschaffen. Die Regierung Amanullahs stand kurz vor dem Sturz. Den beschriebenen Stämmebund bezeichnet Ibn-e Khaldoun als „asabieyeh“. Es ist jene strategische Koalition unter Mitgliedern eines Stammes oder mehrerer Stämme, die sie in einer Krisensituation zusammenbindet. Diese Form des Widerstandes ist alteingesessen und wird immer wieder dann ins Leben gerufen, wenn die Traditionen und Religion gefährdet wird. Im Fall Amanullahs haben sich Stammesführer, Geistliche und Feudalherren bereits 1924 erstmalig in Paghman getroffen, um gegen die Reformen des Königs vorzugehen.

Der Islam in Afghanistan

Islamischer Fundamentalismus, eine rückwärtsgewandte Religiosität und mittelalterliche Denken und Lebensweisen bestimmen häufig das Bild von Afghanistan. Dabei hat das Land mittlerweile eine Verfassung, einen direkt gewählten Präsidenten und ein demokratisch gewähltes Parlament. Trotzdem können sich bestimmte religiöse Kräfte über das Gesetz stellen. Wie groß ist ihr Einfluss? Wie wird der Islam in Afghanistan verstanden?

Am 12. August 2012 musste ein beliebter afghanischer Sänger, Shafiq Monir, sein seit langem geplantes Konzert in der Stadt Herat absagen. Grund war der Aufruf einiger Gelehrter der Stadt, allen voran der
des populären Predigers Sheikh Mojib ar-Rahman Ansari. Ansari wollte das Konzert verhindern, weil er es für unmoralisch hielt. Dem Druck Ansaris und seiner Befürworter folgend, strichen die Behörden das Konzert schließlich. Das ist nicht das erste und wird wohl auch nicht das letzte Mal sein, dass bestimmte religiöse Kräfte in Afghanistan eine eigenwillige Interpretation des Islam vornehmen und sie den anderen aufzwingen. Auch vielen Afghanen diente der Vorfall als Beleg dafür, warum Afghanistan in der allgemeinen Wahrnehmung als ein rückschrittliches und vormodernes Land gilt. Mit Afghanistan werden seit mittlerweile über dreißig Jahren islamischer Fundamentalismus,
rückwärtsgewandte Religiosität und mittelalterliche Denk- und Lebensweisen assoziiert. Es gilt als ein Land, in dem es keine Spur von Zivilität und Zivilisation gibt. Viele können vielleicht den politischen
Anarchismus und die damit einhergehende religiös legitimierte bzw. motivierte Gewalt in der Zeit des Bürgerkrieges bis Ende 2001 noch nachvollziehen; es herrschte letztlich überall im Land Krieg und es
gab keine souveräne Zentralregierung, die für Gesetz und Ordnung sorgen konnte. Inzwischen hat Afghanistan eine mit viel Aufwand verabschiedete Verfassung, einen vom Volk direkt gewählten
Präsidenten und ein demokratisch gewähltes Parlament. Trotzdem können bestimmte religiöse Kräfte sich über das Gesetz stellen, ihre Meinung der Politik aufzwingen und letzten Endes die Souveränität des Staates sabotieren. Wie groß ist der Einfluss religiöser Akteure? Wie wird der Islam in Afghanistan verstanden?

Religiöse Akteure

Religiöse Akteure und insbesondere die offiziellen Träger des Islam, die ‘olama’, haben in der politischen Geschichte Afghanistans immer wieder eine weitreichende Rolle gespielt. Diese Tatsache geht nicht zuletzt darauf zurück, dass sie im Prozess der Meinungsbildung und der politischen Orientierung vieler
Menschen ein wichtiger Faktor sind. Die politische Klasse ist stets darum bemüht gewesen, für ihre Regierungsbeschlüsse und -praktiken die Zustimmung der ‘olama’ zu gewinnen. Die ‘olama’ wurden aber andererseits oft für bestimmte Politiken, die im Grunde mit eindeutigen Anforderungen des Islam nicht konform waren, benutzt. Amir Abdorrahman Khan (1881-1901), der sogenannte Eiserne Emir, konnte seine nationalistische Unterdrückungspolitik beispielsweise im Namen des Islam durchführen. Legitimiert durch Fatwas der ‘olama’ ging er erbarmungslos gegen religiöse und ethnische Minderheiten vor. Unterstützt durch einige ‘olama’ ließ er sogar religiöse Stiftungen in Beschlag nehmen. Dem als Reformkönig geltenden Amanullah (1919-1929) dagegen verweigerten die ‘olama’ ihre Unterstützung. So gelang es ihm nicht, liberale Reformen durchzusetzen.
Nach einer Europareise in Begleitung seiner freizügig gekleideten Frau teilte Amanullah der „Großen Ratsversammlung“ (Loya Jirga) seine Pläne zur Modernisierung des Landes mit. Dazu gehörten das Verbot der Sklaverei, die Religions- und Meinungsfreiheit und die Schulpflicht für Mädchen. Die religiösen Akteure, allen voran der einflussreiche Fazl Omar Mojaddadi, bekannt als Hazrat-e Shur Bazar, lehnten die Reformmaßnahmen ab und bezeichneten sie als nicht islamisch. Der anschließende Volksaufstand gegen Amanullahs Modernisierungsvorhaben führte letztlich zu seinem Sturz. Trotz
derartiger Einflussnahmen wurden ‘olama’ nicht als eine politische Größe, sondern als eine religiöse Instanz angesehen. Die politisch zentrale Bedeutung, die den ‘olama’ in der Zeit des Widerstandes gegen die sowjetische Usurpation und des damit einhergehenden Bürgerkrieges zukam, war allerdings eine ganz neue Erscheinung, die das Selbstverständnis der ‘olama’ und ihr Bild in der Gesellschaft völlig veränderte. Diese neue gesellschaftspolitische Position religiöser Akteure ist u.a. auf die großzügigen finanziellen und militärischen Zuwendungen der Länder zurückzuführen, die die Widerstands- bzw. Bürgerkriegsparteien unterstützten. Die Führung dieser Parteien war zumeist in den Händen religiöser Akteure. Bald beanspruchten die ‘olama’, welche gewohnt religiöse Orientierung der Menschen bestimmten, auch die politische Führung. Während sie vor Kriegsbeginn allgemein auf die Gnade der politischen Klasse angewiesen waren, stellten sie während des Kriegs selbst die
politische Führung dar. Diese Rolle wollen sie auch unter der neuen politischen Ordnung weiter ausüben, solange sie sich nicht als zivile sondern als religiös legitimierte politische Akteure verstehen

Der gelebte Islam in Afghanistan

Wie überall in der islamischen Welt zeichnet sich der Islam in Afghanistan durch eine Vielzahl von heterogenen Prägungen und Eigenheiten aus. Noch vor Kriegsbeginn wurde diese „Kultur der
Ambiguität“ im Alltag gelebt. Trotz aller Diskriminierung lebten auch nichtmuslimische Gemeinschaften
wie Sikhs, Hindus, Juden neben schiitischen und sunnitischen Muslimen. Viele Gelehrte sahen den unterschiedlichen Islamauffassungen und -praxen gelassen entgegen und richteten sich dabei nach der bekannten Tradition des Propheten, dass der Dissens muslimischer Gemeinschaft ein Zeichen der Gottesgnade sei eine Tradition, die in der islamischen Geschichte vielerorts jahrhundertelang praktiziert wurde. Dieser Usus kennzeichnete die sogenannte Blütezeit der muslimischen Kultur (750-1250) mit ihren Zentren wie Bagdad, in denen sich Kunst, Wissenschaft und Forschung glanzvoll entfalten konnten. Schon in der frühislamischen Zeit gab es ganz legitim nebeneinander existierende divergente Lesarten des Korans und damit der Scharia. Diese Tatsache hat bis zum Aufkommen des ideologisierten Islam im 19. Jahrhundert kaum jemanden in der
islamischen Welt gestört. Mehrdeutigkeit sprach nicht gegen eine göttliche Herkunft des Korans oder der Scharia. Wer kann schon behaupten, die Scharia gänzlich zu erfassen? Als Gelehrte hatte man
lediglich den bescheidenen Anspruch, eine eigene Interpretation der Scharia zu präsentieren und nicht die Scharia. Daher hat man die Meinung eines Gelehrten als Ergebnis seiner individuellen wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Scharia, als seinen ijtihad verstanden und nicht als „den einen wahren Islam“. Dementsprechend haben auch die meisten Gelehrten in Afghanistan andere Meinungen und Praktiken respektiert.
Darüber hinaus weist der Islam in Afghanistan mystische Züge auf. Bis zum Aufbruch des Widerstandskampfes gegen die sowjetische Usurpation und des damit einhergehenden Bürgerkrieges hielt der mystische Islam Distanz zur Politik und forderte gemäß seines Selbstverständnisses Toleranz von den Menschen. Erst in der Kriegszeit mischte er sich zunehmend in die Politik ein und kämpfte wie die anderen Strömungen um mehr politischen Einfluss.
Eine der wichtigsten Bruderschaften in Afghanistan stellt die Naqshbandeyya dar. Der Orden geht auf Muhammad Bahaoddin an-Naqshbandi (gestorben 1389) zurück und hat sich zunächst in Zentralasien verbreitet. In Afghanistan hat die Nashbandeyya vor allem unter den Tadschiken der Großstädte, aber auch unter einigen paschtunischen Stämmen im Süden und Südosten ihre Anhänger. Ein weiterer mystischer Orden in Afghanistan ist die Qadereyya. Der Begründer der ebenfalls einflussreichen Bewegung, Abd al-Qader Gilani (gestorben 1166), stammte aus Bagdad. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam die Bruderschaft nach Afghanistan. Im Gegensatz zu diesen beiden Orden, die vor allem in der Hauptstadt präsent waren, hatte der Chishteyya-Orden seine Anhängerschaft insbesondere in und um Herat, im Westen des Landes. Die Chisteyya wurde von Moinoddin Muhammad Chishti (gestorben 1236) gegründet und hat sich über die Grenzen des heutigen Afghanistans hinaus vor allem auf dem indischen Subkontinent verbreitet.
Viele Menschen haben zwar die ‘olama’ als offizielle Träger des Islam betrachtet, sie hatten aber gleichzeitig ihre Beziehungen zu mystischen Bruderschaften und pflegten in ihrem Alltagsleben deren in der Regel offene Haltung, z.B. zur Musik oder zum Verkehr mit anderen religiösen Gruppen. Man legte ebenfalls viel Wert auf große zumeist mystisch orientierte Dichter. Ihre Gedichte wurden als Interpretation der koranischen Botschaft angesehen, ihre Einstellungen zum Leben und zur Welt wurden besonders geschätzt. Man nahm die Aufforderungen von Hafez (1320-1389) „In diesen beiden
Ausdrücken liegt der Schlüssel zum Frieden im Diesseits und Jenseits“ und „Übe den Freunden gegenüber Großmut und den Feinden gegenüber Toleranz“ genauso ernst wie die Botschaft von Saadi (1190-1283): „Die Kinder Adams sind aus einem Stoff gemacht als Glieder eines Leibs von Gott, dem Herrn, erdacht Sobald ein Leid geschieht nur einem dieser Glieder dann klingt sein Schmerz sogleich in allen wider.“
Auch die Gedichte von Maulana Jalaloddin Balkhi (1207-1273) haben einen großen Platz im Alltagsleben der Menschen gehabt. Maulana sah die Liebe als Hauptkraft des Universums und das Universum als ein harmonisches Ganzes. Sein kultureller Kontext prägte selbstverständlich seine Vorstellungen von Gott, sein Gott kannte aber keine religiösen oder sonstigen Grenzen: „Was soll ich tun, o ihr Muslime? Denn ich kenn‘ mich selber nicht. Weder Christ noch bin ich Jude, und auch Pars und Muslim nicht. Nicht von Osten, nicht von Westen, nicht vom Festland, nicht vom Meer Nicht stamm‘ ich vom Schoß der Erde und nicht aus des Himmels Licht.“
Noch mehr als Hafez und Maulana wird in Afghanistan der große mystische Dichter Abdolqader Bidel Dehlavi (1645-1721) verehrt und gelesen. Er lebte und wirkte im Mogulreich und gehörte dem
Qadereyya-Orden an. Seine Gedichte wurden von vielen Afghanen wie Koranverse rezitiert. Man beschäftigte sich mit ihm und seiner Philosophie in Lesungen und Diskussionsrunden. Eine Abendreihe über ihn unter dem Shab-e Aschoqan Bidel“ ist vielen Afghanen immer noch in Erinnerung geblieben. Der Meister der afghanischen klassischen Musik, Ostad Muhammad Hosain Sarahang (1923-1982), war der bekannteste Interpret der Dichtung von Bidel und sorgte mit seiner faszinierenden Stimme für die Omnipräsenz von Bidels Gedanken im Alltag vieler afghanischer Familien. Bidel wird als Anhänger einer gewissen pantheistischen Philosophie Vahdat al-vojud („Einheit der Existenz“) bezeichnet, der in dem als sehr komplex angesehenen Indischen Dichtungsstil dichtete. Indem er diese komplexe Ausdrucksweise pflegte, machte er doch die Ambiguität des Seins deutlich. „Solange die Einzelnen nicht zueinanderfinden, kann keine Gemeinschaft existieren.“
„Eine Ähre ist keine, wenn die Körner nicht zusammenwachsen.“

Die Kriegszeit

Krieg wurde in vielen Fällen der Religion halber geführt. So spricht man in der Geschichtswissenschaft vom „Religionskrieg“ oder „Glaubenskrieg“ oder auch vom „Konfessionskrieg“. Krieg verändert gleichzeitig den Zugang zur Religion und deren Textgrundlagen. In der Kriegssituation duldet man keine Dissidenten und keinen Zweifel an eigenen, eindeutig formulierten und für absolut richtig gehaltenen Zielen. Auch die Religion soll im Dienste des Krieges und der mit ihm einhergehenden Gewalterscheinungen stehen und sie legitimieren. Auf diese Weise entsteht religiöser Fundamentalismus. So entstand er in der Geschichte des Christentums und so erschien er in der islamischen Geschichte. Der über dreißig Jahre andauernde Kriegszustand in Afghanistan hat kaum Platz fürs Weiterbestehen einer Kultur der Pluralität und Toleranz übrig gelassen. Vielmehr setzte sich ein einseitiges, für eindeutig gehaltenes und damit fundamentalistisches Verständnis des Islam durch.
Bereits im „Jahrzehnt der Verfassung“  1963-1973 haben sich vor allem in Kabul kleine islamistische Kreise gebildet. Ihr vordergründiges Anliegen war die Bekämpfung von marxistisch orientierten Gruppen, die über eine beachtliche Anhängerschaft unter den Studenten verfügten. Sie bezeichneten sich teils als „Jungmuslime“ und teils als
„Islamische Gemeinschaft“ und wurden hauptsächlich von Persönlichkeiten geführt, die an der Al-Azhar-Universität in Kairo ausgebildet worden waren und mit dem Gedankengut der „Muslimbrüder“  vertraut waren. Zu den Führungskadern dieser Gruppen gehörten die Dozenten Gholam Muhammd Neyazi (gest. 1978) und Borhanoddin Rabbani (1940-2011)
und die Studenten Golboddin Hekmatyar (geb. 1947) und Ahmad Shah Massud (1951-2001).
Die drei Letzteren führten später nicht nur die wichtigsten Widerstandsparteien gegen die sowjetischen Truppen, sie lieferten sich auch gegenseitig blutige Kämpfe, die nach dem Rückzug der sowjetischen Armee noch erbitterter weitergeführt wurden. Die Logik des Krieges hat sich mit der Zeit fast aller
religiösen Akteure und der mystischen Bruderschaften bemächtigt. Die herausragende Figur des Naqshbandeyya-Ordens Sebghatollah Mojaddadi (geb. 1925) mit seiner Partei Nationale Rettungsfront und der geistliche Führer des Qadereyya-Ordens Pir Sayyed Ahmad Gailani (geb. 1932) mit seiner Organisation Nationale Islamische Front und die Chishteyya-Bewegung in der Herat-Region waren nicht nur an dem Widerstandskampf beteiligt, sondern auch an den schmutzigen Brüderkriegen der Mujahidin. Die intellektuelle Nahrung der Gruppen waren nicht mehr und konnten auch nicht mehr die Gedichte von Maulana oder Bidel sein, sondern die Gedanken von den fundamentalistischen Vordenkern Sayyid Qutb (1906-1966) und Abu Ala Maududi (1903-1979). Die großzügigen finanziellen und militärischen Mittel, die die Kriegsparteien über Jahrzehnte erhielten, begünstigten und verfestigten die fundamentalistische Auffassung des Islam umso mehr. Fundamentalismus war schließlich der Marktrenner.
Trotz einer einigermaßen demokratisch gewählten und halbwegs funktionierenden Zentralregierung herrscht weiterhin der Kriegszustand in Afghanistan und in den Köpfen einiger religiöser Akteure. Viele Menschen, insbesondere viele junge Männer und Frauen in den Großstädten, wollen dennoch zu einem normalen Leben zurückfinden. Geschäfte, wissenschaftliche Tätigkeiten, künstlerische Aktivitäten und literarisches Schaffen kehren in den Lebensalltag zurück und damit auch eine Kultur der Vielfalt. Wenn man einen Augenblick die kriegerischen Momente, die ebenfalls zum Alltag der Menschen gehören, ausblendet, spürt man in Kabul, in Herat, in Kandahar und in Mazar einen Hauch, einen sehr dünnen Hauch vom Bagdad des 10. Jahrhunderts voller Tüchtigkeit und Pluralität.

Die Ethnien in Afghanistan

Iranische Völker
Über 85 % der Menschen sprechen eine iranische Sprache als Muttersprache und gehören somit einem iranischer Volksgruppen an.

Die größte und einflussreichste Ethnie in Afghanistan sind die Paschtunen, nach denen Afghanistan auch benannt ist. Seit der Abspaltung Afghanistans vom Iran im 18. Jahrhundert prägen die Paschtunen das Land. Historisch waren sie Nomaden, heute sind jedoch die meisten Paschtunen sesshaft, sind aber in viele Stämmen eingeteilt, die bekanntesten sind die Durrani und die Ghilzai, die vor allem im Osten des Landes leben. Auch ein Großteil der Taliban-Bewegung war bzw. ist paschtunisch, weshalb sie in der Region ein schlechtes Bild haben. Deren Sprache, das Paschtu, ist jedoch nicht die häufigste Muttersprache, da mehrere Volksgruppen Persisch sprechen, dazu gehören die Tadschiken, Hazara, Aimaken und Perser.

Tadschiken und Perser machen mit etwa 27 % die zweitgrößte ethnische Gruppe aus, sprechen Persisch und sind genau wie die Paschtunen in der Regel sunnitisch, was sie von den Hazara und den iranischen Persern unterscheidet, es gibt jedoch im Norden und Westen einige schiitische Tadschiken. Der Begriff „Tadschike“ ist in Afghanistan nicht genau definiert, häufig werden alle Sunniten, die Persisch sprechen, als Tadschiken bezeichnet. Die Tadschiken machen die Mehrheit der Stadtbevölkerung aus und beherrschen die Basare. Sie teilen sich in viele Stämmen auf.

Die Hazara sprechen den persischen Dialekt Hazaragi und sind schiitisch. Sie haben eine mongolische Abstammung, man geht davon aus, dass sich mongolische Soldaten nach der Expansion im 13 Jh. in der Region niedergelassen haben und mit der schiitischen, persischen Bevölkerung vermischt haben. Aufgrund der ethnischen Herkunft, Sprache und des schiitischen Glaubens sind sie immer wieder Opfer von Diskriminierung und Gewalt, insbesondere von paschtunischer Seite. Im Bürgerkrieg wurden einige Hazara gezielt von sunnitischen Islamisten getötet. Viele Hazara sind ins Ausland geflüchtet, vor allem in den Iran, nach Pakistan und Europa. In den Zielländern werden sie ebenfalls häufig diskriminiert.

Die Aimaken stellen ebenfalls eine bedeutende persischsprachige Minderheit dar, sind sunnitisch und bezeichnen sich häufig auch als Tadschiken oder Perser. Sie sind ebenfalls in zahlreiche Stämmen aufgeteilt, die im Westen und Zentrum des Landes leben.

Die Belutschen leben im Süden des Landes, sprechen Belutschisch und sind sunnitisch. Viele sehnen sich nach einem belutschischen Nationalstaat mit den Belutschen in Pakistan und im Iran.

Weitere iranische Volksgruppen in Afghanistan sind die Kurden, die etwa 0,6 % der Bevölkerung ausmachen, sowie zahlreiche ostiranische Volksgruppen im Pamirgebirge wie die Wakhi, Sanglechi, Shughni, Ishkamini, Munji oder Tangshewi. Deren Zahlen sind rückläufig, da zu wenig getan wird, um die Sprachen und Kulturen dieser Völker zu erhalten. Einige Sprachen sind gefährdet, da die Menschen persisch oder paschtu annehmen und an ihre Nachkommen weitergeben. Mit dem Aussterben der Sprache ist in der Regel auch die Grundlage der ethnischen Kultur dieser Völker in großer Gefahr.

Die Turkvölker

Die Usbeken sind mit rund 9 % die größte turksprachige Ethnie Afghanistans und leben vor allem im Norden nahe Usbekistan. Afghanistan hat die größte usbekische Bevölkerung nach Usbekistan. Sie sind sunnitisch und in Konflikten mit den Tadschiken verbündet.

Die Turkmenen leben entlang der 
turkmenischen Grenze im Norden des Landes und machen zwischen 3 und 5 % der Bevölkerung aus. Sie sind sunnitisch. Einige Turkmenen, Usbeken, Kirgisen und Tadschiken sind in den 1920er Jahren wegen der stalinistischen Politik und der daraus folgenden Hungersnöte wegen der Zwangskollektivierung nach Afghanistan geflohen. Viele leben direkt an der Grenze zu Turkmenistan und wünschen sich einen Anschluss an Turkmenistan.

In der Provinz Wakhan leben einige 
kirgisische Nomaden, die faktisch von der Außenwelt isoliert sind. Sie sind teilweise ebenfalls Flüchtlinge des Kommunismus nach der russischen Revolution.

Auch gibt es noch zahlreiche weitere kleine turksprachige Gruppen wie die Qizilbasch, Kasachen, Türken oder Afscharen, die nur eine geringe Zahl ausmachen. Sie leben teilweise nomadisch.

Die Sadat werden in Afghanistan als ethnische Gruppe anerkannt.
Die mehrheitlich in Balch und Kundus im Norden und in Nangarhar im Osten lebenden Sayyiden sind sunnitische Muslime, aber es gibt auch einige, darunter in der Provinz Bamiyan, die dem schiitischen Islam angehören. Diese werden oft als Sadat bezeichnet, ein Wort, das traditionell „im nördlichen Hedschas -Gebiet und in Britisch-Indien gleichermaßen auf die Nachfahren von Hasan und Hussein, Söhnen von Ali und Enkeln von Mohammed, angewendet wurde“.

Die dravidischen Brahui machen 0,8 % der Bevölkerung aus und leben vor allem im Süden mit den Belutschen zusammen.

Die Nuristani leben nordwestlich von Kabul. Deren Sprachen: Kati und Ashkun sind zwar indoiranisch, aber weder iranisch noch indoarisch. Es wird behauptet sie seien die direkten Nachfahren der Griechen, die sich während des Indienfeldzugs Alexander des Großen in Nuristan niedergelassen haben. Diese These wird jedoch von verschiedenen Experten angezweifelt. Da sie lange Zeit nicht muslimisch waren, wurden sie früher als Kafiren bezeichnet.

Auch leben in Afghanistan noch zahlreiche kleine indoarische Völker, die zusammen etwa 1,5 % ausmachen. Die Paschai sind die größte Ethnie, weitere sind die: Punjabi, Sindhi, Kohistani, Gujjar und Roma. Die Indoarier, die nicht in den letzten Jahrhunderten eingewandert sind, sprechen dardische Sprachen. Die meisten Indoarier in Afghanistan sind sunnitisch, wobei es auch einige Sikhs und Hindus gibt. Urdu gilt als Lingua Franca der indischen Völker in Afghanistan.

Durch die teilweise verfeindeten Ethnien und Stämme existiert in weiten Teilen der afghanischen Bevölkerung kein Nationalgefühl. Viele Bewohner Afghanistans fühlen sich unterdrückt und möchten nicht als „Afghanen“ bezeichnet werden. Eskaliert ist die Situation, als es elektrische Personalausweise mit dem Eintrag „Nationalität: Afghane“ geben sollte. Ethnische Konflikte spielen eine wichtige Rolle im Bürgerkrieg. Durch die Spaltung des Landes und Sprachprobleme ist eine politische Entwicklung kaum möglich. Daher ist auch ein gemeinsamer Kampf gegen die Taliban schwer möglich.

Viele Volksgruppen, vor allem Hazara und Tadschiken, fühlen sich gegenüber den Paschtunen benachteiligt. Paschtunische Nationalisten versuchen, einen paschtunischen Nationalstaat auf Kosten der Minderheiten aufzubauen Ethnischer Separatismus ist entstanden. Viele Turkmenen möchten ihre Siedlungsgebiete an Turkmenistan anschließen,
Usbeken an Usbekistan. Die Hazara streben nach einem unabhängigen Hazaristan.

Fazit

Afghanistan ist entgegen der herrschenden Auffassung kein stammesorientierter Staat. Vielmehr ist der „Stamm“ nur die „politische Einheit“ eines Teils von Afghanistan und bezieht sich auf die Paschtunen. Nations- und Staatsbildung sind in den vergangenen 100 Jahren in einer Wechselbeziehung zwischen der Zentralregierung und Stämmen aus zwei wesentlichen Gründen misslungen:

a) Der Widerstand der Stämme gegenüber dem „modernen Staat“.
b) Die „ineffiziente“ Politik der Zentralregierungen gegenüber den Stämmen und die mangelnde Verbreitung des Verwaltungsapparates in den Stämmen und ländlichen Regionen.

Um die Nations- und Staatsbildung in Afghanistan zu verwirklichen, müssen alle „politischen Einheiten“ berücksichtigt und in einem weiteren Schritt die Art ihrer Beziehung zut Zentralregierung definiert werden. In der gegenwärtigen Phase, nach 2001, sind im Prozess der Nations- und Staatsbildung zwar auch andere politische Gruppierungen auf die Bühne getreten, die zu verschiedenen Ethnien gehören, d.h aber nicht das sie auch die Interessen ihrer Ethnie vertreten, da sie nicht demokratisch gewählt worden sind. Beispielsweise bedeutet die Präsenz von nicht-paschtunischen Stammesfürsten nicht zwangsläufig, dass sie ihren eigenen Stamm vertreten. Es muss deshalb in Kabul eine politische Struktur entstehen, an der sich in natürlicher Form verschiedene politische Einheiten beteiligen können.

In der jetzigen Situation ist die Macht in Form von „Kontingentierung“ unter bestimmte Personen verteilt worden, und zwar unter der Annahme, dass die jeweiligen Personen einen Stamm repräsentieren. Das führt zur Unterdrückung der politischen Dynamik in den Ethnien und dazu, dass politische Akteure einer Ethnie gezwungen sind, zur Teilnahme an politischen Entscheidungen den Führer des jeweiligen Stammes als Brücke zu nutzen. So muss z. B. eine neu unter den Uzbeken entstandene politische Einheit zu ihrer Bestand- und Beteiligungssicherung auf der politischen Landschaft von General Dostum genehmigt werden. Dostum ist seit den Neunziger Jahren der Anführer der usbekischen Miliz. Nach dem Sturz der Taliban 2001 hat er an Macht gewonnen und ist der Anführer aller Usbeken. Daher muss jeder Usbeke, der sich politisch engagieren will, die Linie Dostums einhalten.

Weiter lässt sich feststellen, dass ein moderner Staat auch moderne Strukturen verlangt. Die Loya Jirga stellt ein Parallelorgan zu anderen Institutionen wie Parlament und Senat dar und verringert deren Einfluss. Darüber hinaus verstärkt sie die Legitimation von Anführern in Stämmen und ländlichen Regionen. Dies wiederum bewirkt eine Stärkung der traditionellen Institutionen und Schwächung des staatlichen Verwaltungsapparates in diesen Regionen. Moderne Institutionen müssen in den zentralen Blickwinkel der Regierung rücken, damit durch ihre Stärkung die politische Struktur rational und effizient gestaltet werden kann.

Quellen
–  Conrad Schetter, Ethnicity and the Politics Reconstruction in Afghanistan. Bonn: Center for Development Studies (ZEF), Universität Bonn.

– Dr. Abbas Poya, Freiburg Institute for Advanced Studies (FRIAS), School of History.

– Dr. Najibullah, Retrieved June 28, 2012, from Afghanistan’s Information Network

– Mohammad Hossein Allafi:Islamistischer Wirrwarr kontra Demokratie?  2014


– Thomas Bauer, Die Kultur der Ambiguität. Eine andere Geschichte des Islams, Berlin 2011

– Thomas Barfield, Afghanistan; A Cultural and Political History. Princeton and Oxford: Princeton University / WordPress

Weltfrauentag

Vor 112 Jahren wurde der erste Weltfrauentag gefeiert. Nun, ich mag mir gerade vorstellen welch ausgelassene Stimmung auf den Straßen war, als Horden von Frauen für ihre Gleichberechtigung, Rechte und Anerkennung mit bunten Transparenten und Konfetti durch die Straßen zogen. Weg vom Herd – rein in die Gesellschaft. Gleiche Rechte wie Männer, gleiche Bezahlung wie Männer und gleiches Mitspracherecht in der Gestaltung von Demokratie.

Nun, es war offensichtlich nicht so, denn sonst würde weltweit nicht immer wieder auf eben jene Punkte hingewiesen werden.
Natürlich darf man in den letzten 112 Jahren die Erfolge für Frauen nicht vergessen, aber die negativen Tatsachen auf der anderen Seite der Waagschale sind um ein vielfaches höher.
Frauen erleiden weltweit heute noch Folter.
Gängelungen, Gewalt und Vergewaltigung.  Dies sind nur drei von unzähligen Formen der Folter in China, Nordkorea, Syrien, Türkei, Iran, Afghanistan, Kongo, Ruanda, Sudan, Nigeria, Venezuela, Belarus….
Gewalt an Frauen passiert aber auch in Deutschland, Frankreich, Belgien, Niederlande, USA…. Natürlich ist dies eine andere Form der Gewalt – aber, Gewalt bleibt es so oder so!
Der Mann nimmt sich das Recht heraus, eine Frau als sein Besitz oder Lustobjekt anzusehen. Die Macht über das „schwache“ Geschlecht auszuüben bringt Genugtuung, Befriedigung und Orgasmus. Dieses Denken der Macht geht bis weit in die Antike zurück.
Doch zurück ins 21. Jahrhundert.
Frauen sind immer noch schlechter Bezahlt als Männer. Frauen gibt man öfter keine Vollwertigen Jobs. Frauen kämpfen für ihre Karriere um ein vielfaches mehr als Männer. Eine deutsche Partei hatte vor nicht all zu langer Zeit den Rückkehr zum Herd auf ihren Wahlplakten gefordert.  Das jene Partei sich im eine längst abgeschlossene Epoche zurücksehnt ist allgemein bekannt. Das jene Partei ein nicht gerade positives Bild von Frauen hat, zeigt doch schon deren Gedanken zurück zum Herd und Familie.

Frauen leisten in alle  Kulturen und Religionen unglaubliches und es wird kaum wahrgenommen: Kinder bekommen und erziehen, Haushalt managen und noch den Beruf unterbringen. Frauen kämpfen immer noch für ihre Gleichberechtigung im Job. Frauen engagieren sich in der Gesellschaft, Kirche, Kultur und Politik. Frauen gestalten.

Frauen in der Religion

Frauen erfahren unsägliches Leid in und durch den „Glauben“ von Religionen. Natürlich wird sofort auf den Islam gezeigt. In der katholischen Kirche sind  Frauen heute noch weit von einer Gleichberechtigung entfernt.
Unter Berufung auf die kirchliche Tradition lehnen die römisch-katholische Kirche – die im Übrigen darauf verweist, dass der Priester bei der Heiligen Messe in persona Christi handele und daher männlich sein müsse und dass Frauen daher auch nicht die Homilie der Heiligen Messe halten könnten – die orthodoxe Kirche und die selbständig evangelisch-lutherische Kirche sowie die meisten evangelikalen Gemeinden die Frauenordination ab. Als wesentlicher Grund für die Ablehnung wird der fehlende Auftrag Jesu Christi genannt. Die katholische Kirche sehe sich daher und weder aus der Praxis Jesu noch aus der kirchlichen Tradition heraus ermächtigt, Frauen zum Priesteramt zuzulassen. Sie weist auch darauf hin, dass ihr der Grund, weshalb Jesus keine der Frauen, die ihm nachfolgten und dienten, zu Apostelinnen machte.

Frauen im Isalm

Vor Gott gleichberechtigt, doch der Mann erbt mehr

Männer und Frauen sind vor Gott beide gleich und deshalb auch gleichberechtigt, sagt der Koran. Darin sind sich Islamwissenschaftler einig.

Doch weil Mann und Frau sich körperlich unterscheiden und deshalb verschiedene Stärken und Schwächen haben, hat Gott ihnen laut Koran unterschiedliche Aufgaben zugeteilt. Die Rechte des einen ergeben daher nach der Lehre des Korans auch die Pflichten des anderen und umgekehrt.

Der Mann etwa ist im Islam verpflichtet, allein für den Unterhalt seiner Familie zu sorgen. Er muss sich vor Gott dafür verantworten, dass es seiner Familie gut geht. Wenn eine Frau dagegen durch ihre Arbeit eigenes Geld verdient, braucht sie davon nichts an die Familie abzugeben.

Deshalb werden Männer und Frauen bei der Erbfolge auch unterschiedlich berücksichtigt: Frauen erben nur die Hälfte des Vermögens, das einem Mann zustehen würde, weil er davon auch seine Angehörigen mitversorgen muss.

Die Frau dagegen trägt die Hauptverantwortung für das Wohl der Kinder. Gerade in den ersten Jahren ist sie die wichtigste Person im Leben ihrer Kinder.

Dass eine Mutter ihr Baby stillen soll, wenn sie dazu in der Lage ist, steht ausdrücklich im Koran – und auch, dass sie dafür bei einer Scheidung sogar eine finanzielle Entschädigung von ihrem Exmann einfordern darf (Sure 65:6).

Ein Mann darf laut Koran mehrere Frauen heiraten, muss sie dann aber sowohl finanziell als auch emotional gerecht und gleich behandeln. Frauen dürfen nicht mehrere Männer gleichzeitig haben, aber sie dürfen selbst entscheiden, wann und wen sie heiraten. Und sie haben das Recht, ihren Mann per Ehevertrag davon abzuhalten, weitere Frauen zu heiraten.

Das steht in den Überlieferungen des Propheten Mohammed. Auch eine Scheidung ist erlaubt und darf laut Sure 2:227 von beiden Seiten ausgehen.

Doch im Koran gibt es auch einige Passagen, die manchmal als Beweis der Überlegenheit von Männern gegenüber Frauen ausgelegt werden. Sure 4 spricht zum Beispiel davon, dass die Männer „über den Frauen stehen“, was viele Gelehrte so verstehen, dass die Männer über die Frauen bestimmen dürfen. Und in der gleichen Sure wird den Männern auch erlaubt, „widerspenstige Frauen“ zu ermahnen, sie im Ehebett zu meiden und auch zu schlagen.

Der Alltag von muslimischen Gläubigen wird – wie der von Christen auch – nicht nur von religiösen Texten, sondern auch von jahrhundertealten Traditionen geprägt. Deshalb unterscheiden sich Theorie und Praxis in vielen Lebensbereichen, und viele Frauen werden durch kulturelle Traditionen viel stärker in ihrem Alltagsleben eingeschränkt, als es der Koran vorsieht.

Frauen im Hinduismus

Indien ist ein Land voller Widersprüche. Indien ist Wirtschafts- und Atommacht und unterhält ein ambitioniertes Weltraumprogramm. Frauen sind im modernen Indien als Managerinnen, Ärztinnen, Ministerinnen, Diplomatinnen, Richterinnen oder Journalistinnen aktiv. Schon vier Jahrzehnte bevor in Deutschland mit Angela Merkel erstmals eine Frau als Bundeskanzlerin antrat, wurde Indira Gandhi Regierungschefin Indiens. Dies ist die eine Realität auf dem Subkontinent; doch eine andere lässt Millionen Frauen in Unterdrückung und Sklaverei verharren.
Hindu-Traditionalisten verehren Frauen zwar als dienende Gattinnen und respektieren sie in ihrer Mutterrolle, verweigern ihnen aber die Anerkennung als eigenständige Individuen. Dabei berufen sie sich auf eine Basisschrift der Hindu-Religionen, das Gesetzbuch Manus. Das Werk fußt auf mündlichen Überlieferungen, die von mehreren Autoren zwischen 200 vor und 200 nach Christus zusammengetragen wurden. Die Gebote Manus, die als Wegweiser im Dickicht religiöser, ethischer und sozialer Fragestellungen dienen, haben sich tief in die Psyche der Hindu-Gesellschaft eingebrannt.

Nach Manu ist die Frau schwach, es ist ihre „Natur, dass sie die Männer verdirbt“. Frauen sollen nicht selbständig handeln, nicht einmal in den eigenen vier Wänden. Es gilt das Vormundschaftsprinzip: Das Mädchen wird vom Vater kontrolliert, die Frau vom Gatten, die Witwe von den Söhnen. Einem Ehemann wird göttlicher Status zugesprochen: Die Frau hat den Dienst an ihm als persönlichen Gottesdienst zu verstehen – „auch dann, wenn er keine guten Eigenschaften besitzt“. Nach seinem Tod soll sie fortwährend Trauer tragen.

Religiös mündig kann eine Frau ebenfalls nicht sein, Mädchen werden deshalb von der Upanayana, einer Art Jugendweihe, ausgeschlossen. In der Kastenhierarchie wird die Frau auf der Ebene der Knechte (Sudras) eingruppiert.Die der Frau zugewiesene Rolle der Dienerin wird auch in einer anderen für die Hindu-Religiosität bedeutsamen Schrift, der Bhagavad Gita, hervorgehoben. Die Gita zeigt Wege zur Erlösung auf.

Frauen im Buddhismus

Im Buddhismus sind Frauen und Männer im Alltag oft gleich gestellt. Aber es werden ihnen sehr unterschiedliche Eigenschaften zugesprochen.
Buddhisten sind sich nicht ganz einig, wie sie zu den Rollen von Männern und Frauen stehen. Manche sind der Meinung, Männer stünden auf einem höheren Rang als Frauen. Andere halten davon nichts. Allerdings weisen viele Buddhisten Männern und Frauen unterschiedliche Eigenschaften und Fähigkeiten zu.
Frauen sind danach: weich und fürsorglich. Sie kümmern sich darum, dass alle satt werden und können sich gut auf andere Menschen einstellen und mit ihnen leiden.

Männer sind nach dem buddhistischen Glauben stark und packen gerne mit an. Sie sind hart im Verhandeln,
gleichgültig gegenüber anderen und haben weniger Selbstdisziplin.

Das religiöse Weltbild von Mann und Frau zieht sich so durch alle Weltreligionen.

Frauen und Bildung

Ein großer Unterschied zeigt sich bei der Schulbildung gerade in den islamisch geprägten Ländern.
Laut Koran hat Gott Männern und Frauen gleichermaßen befohlen, sich weiterzubilden. „Das Streben nach Wissen ist eine Pflicht für jeden Muslim, Mann oder Frau“, sagte auch der Prophet Mohammed im 7. Jahrhundert.
Aber tatsächlich bleibt vielen muslimischen Mädchen bis heute eine umfassende Schulausbildung verwehrt. Schließlich bedeutet ein längerer Schulbesuch gerade in ländlichen Gegenden oft, dass die Mädchen in eine andere Stadt ziehen müssten und damit nicht mehr in der Obhut der Familie stünden. Oft schreibt auch die Tradition vor, dass Mädchen nur von Frauen unterrichtet werden dürfen. Deshalb gehen die Mädchen in Ländern wie Afghanistan 
oder Pakistan meist nur einige Jahre zur örtlichen Schule. Danach bleiben sie wieder zu Hause, um der Mutter zu helfen und alles zu lernen, was sie für Haushaltsführung und Kindererziehung wissen müssen, bis sie mit 16 bis 20 Jahren verheiratet werden.
In Afghanistan gibt es zwar ein Gesetz, dass Mädchen erst ab 16 Jahren verheiratet weden dürfen, aber aus der Armut vieler Familien heraus, werden Mädchen bereits mit der Vollendung des 10. Lebensjahr verheiratet. Viele der Stammesältesten berufen sich bei dieser „Eheschließung“ auf Aischa bint Abi Bakr, die als dritte und jüngste der zehn Frauen des islamischen Propheten Mohammed bei jener Eheschließung 10 Jahre alt gewesen sein sollte. Diese „Eheschließung“ war um das Jahr 624 n. Chr.
Fast 1400 Jahre später gibt es nach Schätzungen der UN weltweit 650 Millionen Kinder- Zwangsehen. Auch wenn es mittlerweile einigen AktivistInnen in Malawi, Sudan, Nigeria, Mali, Afghanistan und Pakistan gibt, die erfolgreich Kinderehen annullieren und unter Strafe stellen, sind es leider nur Wassertropfen in einem Meer.

Bildung für Mädchen muss auf der Agenda für eine besser Zukunft ganz oben stehen und dafür müssen Frauen an die Macht um endlich von dem Frauenverachtenden Weltbild aller Religionen Abstand zu bekommen.
In einer Gesellschaft, die Frauen als Dienerinnen des Mannes betrachtet, Söhne verhätschelt und Töchter vernachlässigt, ist es kaum verwunderlich, dass Frauen, die es wagen, den häuslichen Schutzraum zu verlassen, als Freiwild betrachtet werden. Sexuelle Belästigung, Bedrohung und (Gruppen-)Vergewaltigung sind Mittel, um Frauen zu disziplinieren und sie aus dem öffentlichen Raum herauszuhalten. Männliche Machtpositionen sollen so gesichert werden.

Vergewaltigung als Kavaliersdelikt

Spektakuläre Fälle wie die Vergewaltigung und Ermordung einer Studentin in Indien im Jahr 2012 oder Übergriffe auf Touristinnen haben weltweit für Aufsehen gesorgt und in Indien Massenproteste ausgelöst. Vor Gericht gaben die Täter Einblicke in ein – aus westlicher Sicht – abstruses Wertesystem, das Frauen die Schuld an einer Vergewaltigung zuweist.

In Afghanistan ist es durchaus üblich, dass „Ehefrauen“ die keine guten (sexuellen) Qualitäten aufbringen,  von ihren Männern getötet werden und die Männer straffrei bleiben.

In vielen Ländern südlich der Sahara werden täglich Mädchen verschleppt um von Rebellen oder Milizen als „Stimmungsmacher“ der Männerhorden zigfach vergewaltigt und anschließend ermordet zu weden.

In Deutschland gibt es Gerichtsurteile, die nach einer Vergewaltigung der Frau freizüglichkeit vorwerfen.

Der Weltfrauentag steht am 8.März im Zeichen für all diese Gewalt gegen Frauen und es wäre zu wünschen, wenn wir den nächsten Weltfrauentag in Frieden, Gleichberechtigung und Wertschätzung feiern können.

Quellen:
– Dissertation von Manfred Hauke: Die Problematik um das Frauenpriestertum vor dem Hintergrund der Schöpfungs- und Erlösungsordnung.
– Volker Eklkofer: Frauen im Hinduismus
– Religionen-entdecken.de

Fotos:                                                           – Pinterest                               -Worldpress Media

Terror und seine Folgen

Terroranschlag auf ein PRT in Afghanistan

Die Zahl der Terrortoten ist 2014 um 80 Prozent gestiegen: 32.658 Menschen kamen weltweit ums Leben. Die Hochburgen des globalen Terrors sind in Ländern wie Irak, Nigeria und Afghanistan. IS und Boko Haram sind für mehr als die Hälfte der Opfer verantwortlich.

Die Zahl der Terroropfer in der Welt ist 2014 sprunghaft angestiegen. Nach Angaben des in London ansässigen Instituts für Wirtschaft und Frieden kamen im Jahr 2014 über 32.658 Menschen durch Terroranschläge ums Leben. Das seien rund 80 Prozent mehr als im Jahr zuvor – der stärkste Anstieg an Terroropfern, der jemals gemessen wurde. 2013 waren 18.111 Menschen von Terroristen getötet worden, 61 Prozent mehr als im Jahr zuvor.
Allein 10.000 Terroropfer im Irak
Auch die wirtschaftlichen Kosten des globalen Terrorismus klettern nach Recherchen des Instituts rasant an: Im vergangenen Jahr hätten sie 53 Milliarden Dollar erreicht – die Kosten lägen damit zehnmal höher als im Jahr 2000.
Am weitaus stärksten vom Terror betroffen seien Afghanistan, Irak, Nigeria sowie Pakistan und Syrien, heißt es im Globalen Terrorismus-Index, den die Organisation in London veröffentlicht. Dort wurden 78 Prozent der bei Anschlägen 2014 getöteten Menschen gezählt. Am schlimmsten sei die Lage im Irak, allein dort starben im vergangenen Jahr fast 10.000 Terroropfer. Den höchsten Anstieg der Opferzahl verzeichnete Nigeria mit 7.512 Toten, 300 Prozent mehr als im Vorjahr.

In westlichen Ländern sei das Risiko, einem Anschlag zum Opfer zu fallen, deutlich geringer, heißt es in der Studie. Die Anschläge von Paris, bei denen am Freitag 129 Menschen getötet wurden, zeige aber, dass sich dies ändern könne, sagte Institutsleiter Steve Killelea. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) sei in der Lage, „ausgefeilte und tödliche Anschläge in Europa zu verüben“.
IS und Boko Haram für mehr als die Hälfte der Toten verantwortlich
Hauptakteure des Terrors seien der IS sowie und die in Westafrika operierende Boko Haram. Diese beiden Gruppierungen seien für gut die Hälfte aller Terroropfer verantwortlich.
Die Ursachen des Terrorismus seien sehr verschieden, erklärte Killelea. „Im Westen korrelieren sozioökonomische Faktoren wie etwa Jugendarbeitslosigkeit und Drogenkriminalität mit Terrorismus. In Nicht-OECD-Ländern gibt es eine stärkere Beziehung zwischen Terrorismus und andauernden Konflikten, Korruption und Gewalt.“

Anschläge treiben Menschen in die Flucht

„Zehn der elf am meisten vom Terrorismus betroffenen Länder haben auch die höchsten Raten an Flüchtlingen und Vertriebenen“, meinte Killelea. Im Westen seien es die „lone wolf attackers“ – Extremisten, die auf eigene Faust zuschlagen – , die für die meisten Toten verantwortlich seien.
Das Institut für Wirtschaft und Frieden bezeichnet sich selbst als eine der weltweit führenden Denkfabriken, die über Frieden und die ökonomischen Vorteile des Friedens nachdenken.

Naike Juchem, 17. November 2020

Brücken für den Frieden

Im Februar 2020 erstrahlte die Hochmoselbrücke bei Zeltingen-Rachtig in einem farbenfrohen Lichtkunstwerk.
Der lange in Morbach-Hundheim lebende Künstler R.O. Schabbach stellte mit 20 eigens entwickelten Projektionsgeräte die Pfeiler und den Unterbau der Brücke unter das Motto: Wir bauen Brücken für den Frieden und ein besseres gegenseitiges Verständnis.

„Es soll eine dreidimensionale Lichtkunstskulptur mit Weltrekordformat sein“, sagte der Künstler der Deutschen Presse-Agentur zu seinem Kunstprojekt.

Immerhin erstreckte sich die IInstallation auf über 250 Meter Breite und 160 Meter Höhe.

Am Abend des 14. und 15. Februars wird die Arbeit nun noch einmal gezeigt.

Schabbach hat mit seinen Lichtkunstprojekten bereits fünf Einträge in Guinness-Buch der Rekorde geschafft: Darunter mit seinem „Lichtdorf“ im Wohnort Morbach-Hundheim, in dem er 115 Gebäude zum Leuchten brachte. In Bad Bertrich (Kreis Cochem-Zell) strahlte er Hausfassaden durchgängig über 1,52 Kilometer an. An der Hochmoselbrücke wurde das höchste Lichtkunstwerk an einem Stück geschafft.
R.O. Schabbach hatte auch in Malta, Paris und Istanbul ähnliche Lichtkunstskulpturen gezeigt.

Im Juli 2022 ist der Künstler nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von 58 Jahren verstorben.

Landraub in Afghanistan

Foto: Facebook Group

„Stattdessen hätten in einigen Gebieten arme und landlose Menschen sowie die Angehörigen von Märtyrern Grundstücke erhalten, um darauf Häuser zu bauen.“
Soweit die Worte von dem Sprecher der Taliban, Zabihullah Mujahed.

In Anbetracht von einem Jahrzehnte herrschenden Krieg in Afghanistan wird die Landbevölkerung immer ärmer und da wundert es niemand, dass die Taliban in den letzten 20 Jahren nie vollends aus Afghanistan verschwunden waren.

Nun ein fachlicher Artikel von Afghanistan Analysts Network vom 15. April 2020, in dem deutlich wird, warum jegliche Bemühungen westlicher Staaten in Afghanistan gescheitert sind.

Ein Bericht von Fazl Rahman Muzhary
(aus dem englischen übersetzt und gekürzt.)

In dem Maße, in dem die Taliban ihre Kontrollgebiete im ganzen Land ausgeweitet haben, sind vereinzelte Berichte aufgetaucht, wonach Kommissionen und Kommandeure der Taliban in mehreren Provinzen staatliches Land verkauft haben. Ein genauerer Blick auf die drei bekanntesten Beispiele – Helmand, Uruzgan und Takhar – zeigt jedoch ein undurchsichtigeres Bild, als Medienberichte und Behauptungen von Regierungsvertretern vermuten lassen. Obwohl es klar ist, dass die Taliban an der „Landverwaltung“ beteiligt waren – einschließlich der Umverteilung, Verpachtung und Besteuerung von Land sowie der Errichtung neuer Basare und Gemeinden – gibt es keine eindeutigen Beweise dafür, dass sie systematisch staatliches Land verkauft haben. Das bedeutet nicht, dass ihre Interventionen nicht problematisch sind, nicht zuletzt wegen des Fehlens eines angemessenen Dokumentationssystems oder auch nur der Klarheit darüber, ob das Land verschenkt, verkauft, verpachtet oder vermietet wurde. Fazal Muzhary von AAN (mit Unterstützung von Christian Bleuer) stellt fest, dass die Taliban, sollten sie jemals Teil einer neuen Regierung werden, mit der Verwirrung und den Streitigkeiten, die sie derzeit säen, umgehen müssen.
Die Erbringung von Dienstleistungen in von Aufständischen heimgesuchten Gebieten wurde als gemeinsames Forschungsprojekt des Afghanistan Analysts Network (AAN) und des United States Institute of Peace (USIP) gestartet.

Staatliches Land, Verkauf und Verteilung

Landstreitigkeiten sind seit langem ein Auslöser für gewaltsame Konflikte in Afghanistan, wobei der Wettbewerb um Land in einer Zeit wachsender Bevölkerung und wirtschaftlicher Not noch zunimmt. Privates Landeigentum in Afghanistan ist ein komplexes rechtliches Problem, da Landeigentum sowohl auf staatlichen Gesetzen als auch auf informellen Systemen des lokalen Konsenses beruht, wobei beide Systeme Mängel aufweisen. Die formellen und informellen Systeme widersprechen sich manchmal und weisen ein und dasselbe Stück Land verschiedenen Eigentümern zu.
Das System, das staatliches Land regelt, ist noch komplexer, da diese Kategorie rechtlich nicht nur Land umfasst, das der Regierung gehört, sondern auch jedes Land, dessen privater Besitz nicht rechtlich nachgewiesen werden kann, was angesichts der Zahl der Menschen, die keine Eigentumsurkunden oder andere Dokumente besitzen, von Bedeutung ist. Nicht alle staatlichen Grundstücke kommen für den Verkauf oder die Verteilung an private Eigentümer in Frage; es gibt viele Unterkategorien, die nach dem Landmanagementgesetz (2008) nicht verkauft werden können. Dazu gehören Land, das in den letzten fünf Jahren als Acker- und Weideland genutzt wurde, Weiden, Wälder, Minen, historische Stätten oder jeder Landabschnitt, der vom Staat für einen öffentlichen Zweck benötigt wird, einschließlich Stadtentwicklungspläne.

Alle afghanischen Regierungen im Laufe der Geschichte – einschließlich der Taliban-Regierung von 1996-2001 – haben Land als Instrument eingesetzt, wobei es insbesondere in Zeiten von Krieg und Eroberung zu Beschlagnahmungen, Umverteilungen und Verkäufen kam. Politiker auf lokaler und nationaler Ebene haben staatseigenes Land verkauft und verteilt, um ihre Anhänger zu belohnen und zu stärken. In der modernen Geschichte Afghanistans war dieses Phänomen in den Jahrzehnten der Herrschaft von Amir Abdul Rahman (1880-1901) am stärksten ausgeprägt, als die Regierung in Kabul Land in Zentral- und Nordafghanistan beschlagnahmte und es an eine große Zahl paschtunischer Siedler aus anderen Teilen des Landes verschenkte oder verkaufte. Dieser Landtransfer setzte sich auf niedrigerem Niveau bis in die 1970er Jahre fort.

Der Sturz der Taliban im Jahr 2001 und die anschließende Umverteilung der Macht brachten eine neue Runde des Landraubs mit sich, als mächtige Politiker, Kommandeure und Einheimische im ganzen Land Land beschlagnahmten (oder zurücknahmen). Dazu gehörten auch neue Regierungsbeamte und andere einflussreiche Persönlichkeiten, die staatliches Land für ihren persönlichen Profit verkauften. Die afghanische Regierung reagierte im April 2002 mit dem Erlass 99 und ordnete einen landesweiten Verteilungsstopp für staatliches Land an, um, wie Conor Foley (2005) berichtet, „dem entgegenzuwirken, was als weit verbreitete Verteilung von öffentlichem Land an unverdiente Begünstigte auf lokaler, provinzieller und nationaler Ebene wahrgenommen wurde.“ Dennoch wurde die Verteilung von staatlichem Land an mächtige Militärkommandeure, politische Persönlichkeiten und bereits wohlhabende Einzelpersonen auch nach diesem Datum fortgesetzt.

Im Rahmen ihres Mandats zum Staatsaufbau erließ die afghanische Regierung nach 2001 mehrere neue Gesetze über Eigentum und Staatsland und übertrug die Zuständigkeit an verschiedene Regierungsstellen, Abteilungen und Kommissionen. Dieser Rahmen sah eine hyperzentralisierte Verteilung von Staatsland vor, bei der jeder einzelne Verkauf von Staatsland vom Präsidenten genehmigt werden muss. Andere an dem Verkauf beteiligte Stellen können lediglich Empfehlungen abgeben, die dann vom Präsidenten genehmigt werden müssen. Afghanistan verfügt zwar über einen rechtlichen Rahmen (mit detaillierten Leitlinien, Regeln und Normen), aber nicht über die institutionellen Kapazitäten für die konsequente Durchsetzung dieser Gesetze. Eine Untersuchung der UNAMA aus dem Jahr 2015 ergab, dass das afghanische System für die Verteilung von staatlichem Land unter dem „Fehlen einer übergreifenden Landverteilungspolitik und dem weitgehenden Fehlen eines integrierten, transparenten und rechenschaftspflichtigen Landverteilungssystems“ leidet.

Erschwerend kommt hinzu, dass der größte Teil der besten staatlichen Flächen bereits vergeben ist. Wie lokale Beamte gegenüber UNAMA erklärten: 

… Landraub ist weit verbreitet, und es gibt nur noch wenig bis gar kein staatliches Land mehr, das verteilt oder verkauft werden könnte, weil es von den Taliban oder mächtigen Einzelpersonen gestohlen und vom Staat noch nicht zurückerobert wurde. Weitere Nachforschungen ergaben, dass es sich bei den genannten Ländereien um begehrtes staatliches Land handelte, d. h. um Land, das für einen bestimmten Zweck genutzt werden konnte, z. B. für den Wohnungsbau in oder in der Nähe einer Gemeinde, für die Landwirtschaft oder für die gewerbliche Entwicklung, oder weil das Land wertvoll oder potenziell wertvoll war.

Die Möglichkeiten der Regierung, durch den Verkauf staatlicher Ländereien beträchtliche Einnahmen zu erzielen, scheinen nun relativ begrenzt zu sein, da es sich bei dem, was noch verkauft werden kann, in der Regel um Land handelt, das nicht attraktiv genug war, um bereits gestohlen oder verkauft zu werden. 

Berichte, dass die Taliban staatliches Land verkaufen (oder umverteilen)

Berichte, dass die Taliban in den von ihnen kontrollierten Gebieten staatliches Land verkaufen, erreichten den Autor erstmals 2013 bei mehreren Besuchen in Helmand. Im Jahr 2017 gab es Medienberichte, wonach die Taliban in der Provinz Uruzgan staatliches Land verkauft und in der Provinz Takhar im Norden sogar eine ganze neue Stadt eingeweiht hatten. Aufgrund dieser Berichte beschloss der Autor, das Thema näher zu beleuchten. In den drei untersuchten Provinzen Helmand, Uruzgan und Takhar wurde zwar die Umverteilung von staatlichem Land durch die Taliban bestätigt, doch ist das Bild in Bezug auf den Verkauf von staatlichem Land weniger klar. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts konnte der Verfasser keine weiteren Fälle finden, in denen die Taliban staatliches Land verkauft oder umverteilt haben. Es muss eingeräumt werden, dass es schwierig ist, mit den Bewohnern der von den Taliban kontrollierten Gebiete zu sprechen, da die Mobilfunkunternehmen in diesen Gebieten nicht oder nur sporadisch tätig sind. Anwohner in den von der Regierung kontrollierten Gebieten konnten die erforderlichen Angaben nicht machen.

Der Sprecher der Taliban, Zabihullah Mujahed, wies den Gedanken an Landverkäufe in einem Whatsapp-Interview entschieden zurück und erklärte gegenüber AAN, dass dies nicht die Politik der Taliban während des Krieges sei. Stattdessen hätten in einigen Gebieten arme und landlose Menschen sowie die Angehörigen von Märtyrern Grundstücke erhalten, um darauf Häuser zu bauen. Er sagte, dass diese Art der Verteilung in „toten Wüsten“, d.h. auf unkultivierbarem Land oder auf Land, das noch nie kultiviert wurde, stattgefunden habe, dass aber angesichts des Krieges und der Unbeständigkeit der Situation kein Plan für eine breitere Verteilung existiere. Mujahid machte keine Angaben darüber, wie viel Land an Landlose oder Arme verteilt wurde und in welchen Provinzen dies geschehen ist. Er räumte jedoch ein, dass in einigen Fällen Land für Geschäfte verteilt worden sei, wie dies in Takhar der Fall gewesen sei.

In Helmand gaben die Anwohner widersprüchliche Berichte ab. Einige sagten der AAN, die Taliban hätten Land an Behinderte, Arme, Landlose und Verwandte von Opfern militärischer Operationen verteilt. Andere sagten, die Taliban hätten tatsächlich Land verkauft, konnten aber keine Angaben darüber machen, welche Taliban-Befehlshaber oder Kommissionen an den angeblichen Transaktionen beteiligt gewesen seien. In Uruzgan konnte die AAN erneut die Umverteilung von Land – sowohl staatlichem als auch privatem Land – bestätigen, nicht aber die Behauptungen, die Taliban hätten staatliches Land verkauft. In Takhar herrschte große Verwirrung über die Bedingungen, unter denen die Menschen Land für eine ganz neue Gemeinde erhalten hatten, was vielleicht nicht überrascht, da die Gemeinde zum Zeitpunkt der Befragung erst wenige Wochen alt war. Laut Mujahed hatten die Menschen in Takhar das Land erhalten, ohne etwas dafür zu bezahlen. Einheimische erzählten der AAN, dass sie für die Grundstücke und die Läden bezahlt hätten, obwohl die Beträge recht niedrig waren. In allen drei Provinzen befand sich das verkaufte oder verteilte Land in Wüstengebieten (dasht) und war in der Vergangenheit nicht bewässert worden. Wie später noch erörtert wird, haben andere Forschungsarbeiten jedoch die zunehmende Erschließung zuvor ungenutzter Wüstengebiete festgestellt, die vor allem auf den Opiumanbau zurückzuführen ist. 

Link zum original Artikel

https://www.afghanistan-analysts.org/en/reports/economy-development-environment/one-land-two-rules-three-case-studies-on-taleban-sales-of-state-land/


Fotos: Facebook Group


Weiterführende Links


https://www.google.com/url?sa=t&source=web&rct=j&url=https://unama.unmissions.org/sites/default/files/unama_land_report_2_state_land_distribution_system_final_19march15_0.pdf&ved=2ahUKEwjLn7_h88r5AhXqnf0HHaHJDrEQFnoECCUQAQ&usg=AOvVaw2RzJQngh0bS1xYmtBavRbr

https://www.google.com/url?sa=t&source=web&rct=j&url=https://www.reuters.com/article/afghanistan-corruption-idUSL3N0T948M20141119&ved=2ahUKEwjLn7_h88r5AhXqnf0HHaHJDrEQFnoECBkQAQ&usg=AOvVaw1WGmxzZj9Mot_UTtVYdHKi

https://www.google.com/url?sa=t&source=web&rct=j&url=https://tolonews.com/afghanistan/almost-16000%25C2%25A0land-grabbing-suspects-2-years-ministry&ved=2ahUKEwjLn7_h88r5AhXqnf0HHaHJDrEQFnoECBgQAQ&usg=AOvVaw21lNucHSG323w5leKIbBso

Ein Jahr Taliban

Photo: Facebook Group

15. August 2021, die Welt schaut schockiert nach Afghanistan, als vor einem Jahr die Taliban erneut die Macht und Kontrolle über dieses seit Jahrzehnten gebeutelte Land übernommen hat.

Die Weltgemeinschaft wollte in Form von dem NATO ISAF Einsatz das Volk von Afghanistan von der Taliban befreien. Seit einem Jahr wissen wir, dass dieser Einsatz und Gedanke völlig gescheitert ist. Alleine Deutschland kostete der Afghanistan Einsatz 20 Milliarden Euro und 59 Bundeswehr Soldaten verloren ihr Leben.

Elite Soldat in den USA ausgebildet   Foto: Facebook Group

In den 20 Jahren Bundeswehr Einsatz wurde nie über Krieg in Afghanistan gesprochen. Man wollte der Bevölkerung (oder sich selbst) die Wahrheit nicht zumuten. Man versprach Polizisten und Soldaten für eine innenpolitischen Stabilisierung auszubilden. Man führte Konferenzen mit Vertretern der Afghanen unter anderem in der Nähe von Bonn und ließ die vielen Ethnischen Minderheiten in Afghanistan mal eben unter den Tisch fallen. Man wollte die Korruption in Afghanistan besiegen und saß mit eben jenen korrupten Stammesältesten an einem Tisch.

Die Armut wird täglich größer           Foto: Facebook Group

Was bleibt nach einem politischen Desaster über?

Deutschland hatte in Afghanistan nie eine Führungsrolle gehabt. Man tat es mehr aus Gefallen für die USA. Das die USA mit ihrer glorreichen CIA ein sehr perfides Doppelmoralisches Spiel mit der NATO, UN und dem Volk von Afghanistan gespielt hatte, sahen offensichtlich zu wenige oder man wollte es nicht sehen.
Seit der Intervention der UdSSR in Afghanistan, geht dieses Land stetig bergab. Trotz ISAF von 2002 bis 2021 waren insgesamt 76 Kontingenten mit 93.000 Soldatinnen und Soldaten im Einsatz und alle schafften es nicht, eine Stabilität für dieses Land hinzubekommen.
Mit dem Friedensabkommen von Doha, am 29. Februar 2020, wurde von den USA das Volk von Afghanistan verraten und verkauft.
Seit nun einem Jahr stürzt Afghanistan in den wirtschaftlichen Abgrund. Fundamentaliste Terroristen können dieses Land nicht führen. Dies hat auch der IS sehr schnell begriffen und so kämpfen Fundamentalisten gegen Fundamentalisten. Das Volk, insbesondere Mädchen und Frauen, sind die leidtragenden zwischen Macht, Gier, geopolitische Interessen und Terror.
Menschenrechte werden mit Füßen getreten

Ein Mann wird gesteinigt                     Foto: eastcoastdaily

In den vergangenen 365 Tagen gab es immer wieder Berichte über Folter, Vertreibung und Menschenrechtsverletzungen gegen Frauen in Afghanistan.
Nun folgt ein Text, den ich bereits im September 2021 geschrieben habe.

„Wir werden nach den islamischen Regeln bestrafen. Was auch immer der Islam uns vorschreibt, wir werden es entsprechend bestrafen. Der Islam hat seine Regeln für die wichtigsten Sünden. Wenn man zum Beispiel jemanden tötet, gelten andere Regeln. Wenn man es absichtlich tut, wenn man die Person kennt und sie absichtlich tötet, wird man auch getötet. Wenn man es nicht absichtlich tut, kann es eine andere Strafe geben, z. B. die Zahlung eines bestimmten Geldbetrags. Bei einem Diebstahl wird die Hand abgeschnitten. Bei illegalem Geschlechtsverkehr werden die Täter gesteinigt.“

Eine Frau wird ausgepeitscht             Foto: eastcoastdaily

Nein, dies ist kein Text aus einer historischen Schrift der vergangenen 500 Jahre  – es ist ein Text von August 2021.

Viele Afghanen sind beunruhigt, als die Taliban verkündete, das Ministerium „Für die Verbreitung von Tugend und die Verhinderung von Lastern“ wieder einzuführten. Jenes Ministerium, das von Mohamad Khalid geleitet wird, ist von Grund auf eine Menschenverachtende Institution.

Das berüchtigte Ministerium ist dafür bekannt, dass es die strenge Auslegung der Scharia umsetzt, zu der auch das Verbot für Frauen gehörte, ihr Haus ohne männliche Begleitung zu verlassen, sowie ein Verbot von Musik und anderen Formen der Unterhaltung. 

„Das Hauptziel ist es, dem Islam zu dienen. Deshalb ist ein Ministerium für Laster und Tugend obligatorisch. Wir wollen ein friedliches Land mit islamischen Regeln und Vorschriften.“ So steht es in einer Mail, die mit von einem Freund geschickt wurde.

Während der letzten Taliban-Herrschaft, die von 1996 bis 2001 dauerte, mussten Frauen eine Burka tragen und durften nicht ohne einen männlichen Vormund ins Freie gehen. Auch wurden die Gebetszeiten streng vorgeschrieben, und Männer wurden gezwungen, sich einen Bart wachsen zu lassen.
Mit dem Sturz der Regierung wurde vor Wochen damit begonnen in jeder Straße eine Sittenpolizei eingerichtet, die Verstöße mit harten Strafen wie Auspeitschungen, Amputationen und öffentlichen Hinrichtungen ahndete.

In vielen Städten und Ortschaften gibt es inzwischen wieder viele solche Vorfälle. 

Noch etwas zu der aktuellen Leistung des Innenministerium, des Islamischen Emirats Afghanistan, das von Sirajuddin Haqqani geleitet wird. Er ist der Sohn von Dschalaluddin Haqqani. Die CIA und das FBI haben für Hinweise, die zu seiner Ergreifung führen, eine Belohnung von bis zu 10 Millionen US-Dollar 
ausgesetzt.

Wer nun immer noch der Meinung ist, das es für Afghanistan eine Zukunft geben wird, sollte endlich mal aufwachen und der Realität ins Auge sehen.

Naike Juchem, 16. August 2022

Quelle:
– ARD Studio Neu-Delhi
– Reuters
– Tolo News

Kinder in Afghanistan

Foto Weltspiegel

TRIGGERWARNUNG: Darstellung von leidenden Kindern.

Die Korrespondentin Silke Diettrich besuchte die Kinderstation im Mirwais Krankenhaus in Kandahar, Afghanistan. Hier werden unterernährte Kinder behandelt – gerade sind 90 Kinder auf der Station, dabei gibt es gerade einmal 30 Betten. Das liegt zum einen daran, dass die Menschen nun nach dem langen Krieg endlich auch aus entfernteren Ecken die Klinik erreichen können. Aber innerhalb des letzten Jahres sind auch viele noch ärmer geworden, unter dem neuen Taliban-Regime haben sie ihre Jobs verloren.

Foto: Weltapiegel

Sie können sich nicht genug zu Essen leisten. Mehr als die Hälfte der Menschen im Land wissen nicht, wann und ob sie eine nächste Mahlzeit haben werden. Mehr als eine Millionen Kinder, so Hilfsorganisationen, seien akut unterernährt. Die Mirwais-Klinik wird derzeit komplett vom Internationalen Roten Kreuz finanziert, die Taliban haben nicht genügend Geld, um das Krankenhaus am Laufen zu halten.

Quelle: Weltspiegel

Foto Weltspiegel
Foto Weltspiegel

14 Tage nach 16 Tage Odyssee

Das erste Foto nach 16 Tagen Odyssee

Vor 14 Tagen kam Mimi durch einen reinen Zufall zu mir zurück.

Jeder der sein Tier liebt, macht sich bei Krankheit oder abhandensein viele Gedanken und kann kaum schlafen – so auch ich.
Viele Menschen halfen 16 Tagen nach Mimi zu suchen. Ich danke all jenen, die nie die Hoffnung für Mimi aufgegeben haben.
Am Samstag, den 16. Juli, kam meine kleine Mimi zu mir zurück. Petra, ich danke dir von ganzen Herzen.

Mimi und ihre Retterin

Wir Menschen können uns durch sprache artikulieren – Tiere nicht. „Wie geht es dir mein Schatz?“ , „Wo warst du nur gewesen?“ Solche Fragen hat jeder von uns schon seinem Tier gestellt. Eigentlich total bescheuert und trotzdem stellen wir diese Fragen. Ist es Dummheit oder Liebe wenn wir mit Tieren reden? Für mich ist es menschlich, denn Tiere, wie auch Menschen nehmen Worte in verschieden Tonlagen wahr. „Komm bitte her“ haben wir alle schon als Kinder von unserem Eltern gehört. Bei der Tonlage der Erwachsenen wussten wir, wir bekommen ein Geschenk oder eine Standpauke. So ist es auch mit den Tieren. Auch hier kennen wir die Blicke von unseren Hunden, wenn sie genau wissen, sie haben etwas falsch gemacht. Bei Katzen wirkt das schimpfen offensichtlich nicht all zu sehr – also bei Mimi zumindest, wenn sie mal wieder mein Brot oder Essen haben möchte.

Mimi am 16. Juli um 20.15 Uhr.
Mimi um 19.30 Uhr
Ganz die Alte
Völlig Entspannt am Grillabend am Breitenstein
Am Nachmittag des 16. Juli

„Mimi, mein Schatz, ich bin da.“ Waren meine ersten Worte an jenem Samstagmorgen um 6.30 Uhr. Mimi sah mich an und mit ihrer typischen Schwanzbewegung begrüßte sie mich.
„Wo warst du nur gewesen?“ Frage ich sie, als ich Mimi fest in die Arme geschlossen hatte. Sie kann es mir ja nicht sagen. Doofe Frage.

Mimi war kurze Zeit später wieder in ihrem zuhause und ruhte sich von ihrer Odyssee aus. Natürlich machte ich mir Gedanken über ihren gesundheitlichen Zustand. Hat sich Mimi durch ihr unfreiwilliges Abenteuer verändert? Wieviele epileptische Anfälle wird sie die nächsten Tage bekommen? Hat sie Schmerzen; oder hat sie sich vom Charakter her geändert?
Am Abend konnten sich Freunde bei grillen von Mimis Charakter überzeugen – sie hatte und hat sich nicht verändert.

Wer so schläft dem geht es gut
In Koblenz am Rhein
In Mosbach am Neckar
Die Chefin im Auto
Mimis lieblings Platz. Sie schläft fest und entspannt. Sie hatte geträumt

In den ersten Tagen habe ich Mimi mehr beobachtet als sonst. Schnell merke ich, dass Mimi durch ihren unfreiwilligen Aufenthalt in einer fremden Umgebung keine negativen Auswirkungen hat. Das Gegenteil ist der Fall: Mimi ist gereift und hat sich positiv verändert. Ihre Aufmerksamkeit ist größer geworden und ihr rebellisches Verhalten ist etwas weniger geworden.

In Mosbach am Neckar
Auf der A48 vom Westerwald nach Koblenz
In Hürth im Kraftwerk. Gibt mir dein Fleischkäse. Man beachte die Krallen und Hartnäckigkeit wenn Mimi ihren Willen durchgesetzt

Mit den Fotos und Videos möchte ich die vergangenen 14 Tagen zeigen, wie wohl sich Mimi bei mir fühlt und dass es unser beider Schicksal war, uns am 5. Januar zusammen zubringen.

Mimi and Friends in Esslingen
Mimi and Friends in Esslingen
An einem Baggersee bei Speyer
Ihr geliebter Obstgarten
Ohne zu sendieren konnte die Tierärztin ihr etwas das Fell rasieren

Was ist Zeit?

Photo by Pinterest

Was ist Zeit?

Was ist Zeit?
Ein Augenblick
Ein Stundenschlag
Tausend Jahre
Sind ein Tag.
Nun, so weit will ich gar nicht ausholen, die letzten 48 Jahre sollen auch reichen.

Was ist Zeit?
Durch einen völlig neuen Lebensabschnitt kommen mir in den letzten Wochen immer wieder Bilder aus längst vergangenen Tagen in den Sinn.
Die unbeschwerte Kindheit mit Freunden aus der Nachbarschaft. Hütten bauen im Wald, das klettern in einer Felswand in einem längst verlassenen Steinbruch in Schwindelerregender Höhe. Fussball spielen bis es dunkel wurde.

Was ist Zeit?
Erinnerungen an so viele Momente im Leben sind auf einmal wieder da. Klare Bilder zum greifen nah. Das Leben war so unbeschwert. Keine Gedanken über das was morgen kommt. Keine Gedanken über die Steuererklärung.

Was ist Zeit?
Der ernst des Lebens begann und man sah die Chancen auf Freiheit, auf Führerschein und den Beruf den man nun erlernte.
Die große Liebe trat ins Leben und ging mit einer noch größeren Enttäuschung.

Was ist Zeit?
Man stolperte ins Leben und ins Erwachsen sein. Die Welt war im Umbruch und die Mauer fiel.
Von nun an ging es mit großen Schritten in ein neues Jahrtausend. Die unbeschwerte Kindheit lag noch gar nicht so lange zurück und trotzdem war sie nicht mehr da.

Was ist Zeit?
Die Heirat rückte immer näher und irgendwann war auch der Kinderwunsch immer größer ein Thema. Das Leben ging mit Volldampf ins Glück. Pläne für ein Eigenheim wurden auf einmal sehr real und man musste Dinge lernen die einem keiner beigebracht hatte.

Was ist Zeit?
Das Leben war wunderbar und man dachte gar nicht an Hürden, Rückschläge, Probleme und Schulden. Alles war bunt und heller Sonnenschein. Ein paar dunkle Wolken machten nichts.
Fotos wurden sortiert und Erinnerungen an die Wand gehängt in teuren Rahmen.

Was ist Zeit?
Der dritte runde Geburtstag ist lange vorbei und man hört das ein Schulfreund im Sterben liegt. Trennungen und Scheidungen sind auf einmal ein Thema und nicht mehr die Schlittenfahrt mit Taschenlampen in Eiskalter Winternacht.

Was ist Zeit?
Man hört immer mehr von schlechten Nachrichten. Die Welt verändern sich und die Freunde auch. Dem Glück von einst hat nun die Tristess voll ausgefüllt.
Dann geht es auf einmal Schlag auf Schlag. Die eigene Ehe kommt ins wanken. Die Probleme nehmen zu die Auswege immer verschwommener.

Was ist Zeit?
Am Abgrund vom Leben sind Erinnerungen an der Wand nur noch lästig und störend. Wo sind die Momente von Glück, als das Kind geboren wurde? Wo sind die Momente bei Sonnenuntergang am weißen Strand in fernen Ländern?

Was ist Zeit?
Ist man als erwachsener Mensch frei von Fehlern oder der eigenen Verwirklichung? Tausend Fragen und keine Antworten. Zweifel kommen am eigenen Versagen.

Wo ist die Zeit?
Das Leben schlägt auf einmal knallhart zu und nichts ist plötzlich wie es war. Man sehnt sich zurück auf Camping mit den Freunden von einst. Man sehnt sich zurück auf die erste Zigarette im Wald.

Was ist Zeit?
Trümmern des Lebens liegen vor einem und keinen Plan wo man anfangen soll zu schaufeln oder wieder aufzubauen. Man ist am Limit von aller Kraft. Leer, ausgebrannt, traurig und nur noch existent. Nach einem Tief kommt ein Hoch. Verdammt, niemand sagt dir wie tief es überhaupt geht.

Was ist denn nun mit der Zeit?
Freunde sind gestorben. Die eigene Familie nicht mehr vorhanden und das Glück hat sich um Lichtjahre entfernt.
Fotos von dem Leben im Schuhkarton. Die ersten Schritte. Weihnachten und mit der Schultüte im Arm auf vergilbten Papier.

Wo ist die Zeit geblieben?
Menschen treten ins Leben und Liebe wächst und plötzlich ist Krebs im Bewusstsein. Atemnot und Hilflosigkeit brennen ins Herz. Warum ist dieses verdammte Knochenmark nicht das gleiche? Was sind ein paar Trümmer gegen Morphium, Metastasen und Krebszellen?

Was ist Zeit?
Das Leben, die Gesundheit, Vergilbte Fotos oder die Erinnerung?
Die Zukunft kann man ändern, die Vergangenheit nicht.

Das ist die Zeit.
Die Zeit zum aufstehen, zum anpacken und los zu gehen hat jeder von uns. Die Zeit für neue Ideen und Wege ist da. Zeit für neue Fotos in teuren Rahmen ist aktueller als je zuvor.
Kämpfen muss man lernen und sich gegen den Wind stellen. Es bleibt nur noch die Zeit.
Atemnot und Hilflosigkeit brennen wieder ins Herz für die Liebe die so kompliziert sein kann.
Was ist Zeit?

Naike Juchem 26. September 2018