Archiv der Kategorie: Kinderschutz

Internationaler Tag der sozialen Gerechtigkeit

2009 wurde von den Vereinten Nationen der 20. Februar als Internationaler Tag der sozialen Gerechtigkeit ausgerufen. Der Tag soll jährlich auf die soziale Ungerechtigkeit weltweit aufmerksam machen und zu ihrer Überwindung aufrufen.

Was national schon nicht möglich ist umzusetzen, funktioniert international schon gar nicht, denn Gerechtigkeit heißt: Die Menschenrechte- und Würde zu achten. Bemerkenswert ist, dass es keine verbindliche und einheitliche Definition für jene soziale Gerechtigkeit gibt. Was als gerecht oder ungerech empfunden wird, wird in Politik und Gesellschaft kontrovers diskutiert. Dazu zählen unter anderem die Löhne, Renten oder auch Mieten.

Der Wohlstand in Deutschland ist in den vergangenen Jahren nachweislich gewachsen. Wohlstand ist aber nicht mit Vermögen gleichzusetzen, denn das Vermögen in der Gesellschaft ist extrem ungleich verteilt. Hier wird diese Ungleichheit in den nächsten Jahren noch viel gravierender sein. Viele Menschen in Deutschland werden durch Leiharbeit, gering bezahlte Arbeit oder als Bürgergeldempfäher:innen in eine Altersarmut kommen.

Soziale Gerechtigkeit muss und sollte für alle Menschen gleichermaßen gelten. Männer und Frauen, sowie Menschen verschiedener Herkunft und Hautfarbe sollen und müssen die gleichen Rechte haben. Dies gilt für die Arbeits- und Berufswahl, genauso wie auf das Recht auf Bildung und Entlohnung.

Der Internationale Tag der sozialen Gerechtigkeit soll daran erinnern, dass noch viel zu tun ist, damit es gerechter auf der Welt zugeht. Viele Millionen Menschen weltweit leben in Armut, haben keine Chance auf Bildung, oder bekommen keine Arbeit wegen ihrer Herkunft, Hautfarbe oder Religion.

Die Charta der Vereinten Nationen

Im Präambel der UN vom 24. Oktober 1945, steht wie folgt: Wir, die Völker der Vereinten Nationen – sind fest entschlossen, 
– künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat,

– unseren Glauben an die Grundrechte des Menschen, an Würde und Wert der menschlichen Persönlichkeit, an die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie von allen Nationen, ob groß oder klein, erneut zu bekräftigen,

– Bedingungen zu schaffen, unter denen Gerechtigkeit und die Achtung vor den Verpflichtungen aus Verträgen und anderen Quellen des Völkerrechts gewahrt werden können,

– den sozialen Fortschritt und einen besseren Lebensstandard in größerer Freiheit zu fördern

Nun, alleine bei diesen vier Punkte sehe ich mit Blick auf 74 Disputen, 73 gewaltlose Konflikte, 174 gewaltsame Konflikte, 21 begrenzte Kriege, und 21 Kriege – im Jahr 2022, den Wunschvorstellungen der UN sehr skeptisch gegenüber.

Internationale Probleme

In vielen Ländern der Welt ist Kinderarbeit selbstverständlich. Dies kann und darf nicht sein. Wenn Kinder arbeiten, haben sie nicht die Möglichkeit in Schulen zu gehen.
So entsteht Analphabetismus, von dem ungefähr 770 Millionen Menschen betroffen sind. Dies bedeutet eine Abhängigkeit von anderen Menschen – meist Unternehmer:innen. Diese Menschen sind meist unterbezahl und oder arbeiten unter unwürdigen Bedingungen.
Auf der einen Seite gibt es die Kinderarbeit, auf der anderen Seite gibt es genügend Länder auf der Welt, wo Frauen keiner erwerbstätiger Arbeit nachgehen dürfen.

Fazit

Wenn wir einen Tag der sozialen Gerechtigkeit haben, sollte es in aller Interesse sein, diesen Tag als Grundlage für ein friedliches und soziales Zusammenleben nutzen.
Vielleicht klapp es im nächsten Jahr, oder übernächsten…

Naike Juchem, 20. Februar 2024

Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung
Foto: privat

Das Katz und Mausspiel in Nahost

Es ist zwischen Israel und Palästina nicht immer so einfach zu sagen, wer die Katz und Maus ist, den im israelisch-palästinensischen Konflikt wirken mehrere Konfliktdimensionen zusammen und verstärken sich gegenseitig. Dies ist ein wesentlicher Grund, warum er so schwer zu lösen ist. Es gibt kein Gut und Böse – in einem Konflikt oder Krieg sind ALLE Parteien Böse.

Die Nahostexpertin Dr. Muriel Asseburg beschreibt es folgend:
Der Nahostkonflikt hat eine neue Eskalationsstufe erreicht. Am 7. Oktober 2023 hat die radikalislamische Terrorgruppe Hamas vom Gazastreifen aus Israel mit Raketen beschossen. Dabei wurden fast 1.500 Menschen getötet und rund 3.000 verletzt (Stand 19.10.2023). Der Terror der Hamas richtete sich mit Massakern insbesondere und gezielt gegen die israelische Zivilbevölkerung. Zudem verschleppte die Hamas mehr als 200 Menschen als Geiseln. Der Terror der Hamas bedeutet den Beginn eines weiteren Krieges im Nahen Osten. Israel hat als Reaktion auf die Terrorattacke eine massive Militäroperation gegen den von der Hamas kontrollierten Gazastreifen begonnen. Die Folgen des Terrors der Hamas für Israel, für die palästinensische Zivilbevölkerung, unter der es bereits Tausende Tote gibt, sowie für den Nahen Osten insgesamt sind noch nicht absehbar.

Punkt 1: Territorialkonflikt

Es handelt sich erstens um einen Territorialkonflikt. Von den Konfliktparteien wird Anspruch auf dasselbe Territorium erhoben, nämlich das Gebiet des ehemaligen britischen Mandatsgebiets Palästinas, das heute Israel und die besetzten palästinensischen Gebiete (Westjordanland, Ost-Jerusalem und Gazastreifen*) umfasst. Der Streit über den Verlauf von Grenzen und die entsprechende Gebietshoheit ist dabei von herausgehobener Bedeutung. Verbunden ist er mit einem Konflikt um Ressourcen, also um die Zuteilung und Nutzung von Wasser, fruchtbarem Land, Steinbrüchen und Gasvorkommen im Mittelmeer.

*Im Gazastreifen leben im Gegensatz zum Westjordanland und Ost-Jerusalem keine Israelis, sondern beinahe ausschließlich Palästinenser. Weder der israelische Staat noch das israelische Militär sind in Friedenszeiten im Gazastreifen präsent. (Anmerkung der LpB-Internetredaktion)

Punkt 2: Ethno-nationalistischer Konflikt

Es handelt sich zweitens um einen ethno-nationalistischen Konflikt. Zwei unterschiedliche Bevölkerungsgruppen verfolgen mit dem politischen Zionismus und dem palästinensischen Nationalismus konkurrierende nationale Bestrebungen. Während die Jüdinnen und Juden ihr Anliegen bereits 1948 mit der Ausrufung des Staates Israel verwirklichten, steht die nationale Selbstbestimmung der Palästinenser nach wie vor aus. Denn trotz (wiederholter) Ausrufung eines palästinensischen Staates und seiner Anerkennung durch rund 140 Staaten weltweit mangelt es den Palästinensern an effektiver Kontrolle und anerkannter Souveränität über ein Staatsgebiet.

Kompliziert wird die Situation zusätzlich dadurch, dass der Konflikt sich nicht nur auf das Verhältnis zwischen Israel und die palästinensischen Gebiete bezieht, sondern in Israel auch eine innenpolitische Komponente hat. Denn dort lebt eine indigene, palästinensische Minderheit, die rund 20 Prozent der Bevölkerung ausmacht.

Punkt 3: Religiöse Dimension

Der Konflikt hat zudem, drittens, eine religiöse Dimension: Nicht nur betonen Juden und Palästinenser, dass sie seit Jahrtausenden im Heiligen Land ansässig sind. Die Konfliktparteien untermauern ihre Ansprüche auch religiös, also durch den Verweis auf göttliche Versprechen für ihr Volk.

So nutzt die israelische Rechte die biblischen Begriffe „Judäa und Samaria“ für das Westjordanland, um den jüdischen Anspruch auf das Land zu untermauern. Die palästinensische Hamas beschreibt in ihrer Charta das historische Palästina als „Waqf“, also eine den Muslimen von Gott treuhänderisch anvertraute (und damit unveräußerliche) religiöse Stiftung.

Die religiöse Aufladung hat in den letzten Jahren vor allem in der Konfrontation zwischen Juden und Muslimen zugenommen. Dies zeigt sich immer wieder auch in gewaltsamen Auseinandersetzungen um den Tempelberg / Haram al-Scharif in Jerusalem als wichtiger historischer Stätte des Judentums und drittwichtigster Kultstätte des Islam. Radikale jüdische Siedler:innen streben an, dort den dritten Tempel zu errichten und torpedieren immer wieder den Status quo, der – um den Frieden zu wahren – regelt, dass Vertreter aller Religionen das Plateau betreten, aber nur Muslime dort beten dürfen.

Punkt 4: Regionale Dimension

Viertens hat der Konflikt eine regionale Dimension. Denn er ist eingebettet in den israelisch-arabischen Konflikt. Die arabischen Staaten lehnten die Entstehung des „zionistischen Gebildes“ in Palästina zunächst ab und verwehrten ihm die Anerkennung. Erst 1979 trat ein erstes Friedensabkommen Israels mit Ägypten in Kraft, 1994 dann ein zweites Friedensabkommen mit Jordanien.

Im Zuge des in Oslo 1993 zwischen Israel und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) eingeleiteten Friedensprozessesentspannten sich auch Israels Beziehungen zu anderen arabischen Staaten. Sie blieben aber volatil und vom israelisch-palästinensischen Verhältnis abhängig.

2002 legte die Arabische Liga die sogenannte Arabische Friedensinitiative vor: also das Angebot normaler Beziehungen an Israel, wenn Israel die Besatzung beende und einen palästinensischen Staat zulasse.

Mit den von den USA vermittelten Abraham-Abkommen von 2020 gingen vier arabische Staaten noch einen Schritt weiter: Obwohl der israelisch-palästinensische Friedensprozess seit langem stagnierte, einigten sich die Vereinigte Arabische Emirate, Bahrain, Marokko und Sudan mit Israel auf eine gegenseitige Anerkennung und den Ausbau der Beziehungen. Gleichzeitig gibt es nach wie vor in vielen arabischen und muslimischen Ländern eine hohe Solidarität der Bevölkerung mit den Palästinenser:innen.

Nicht zuletzt ist die Regelung von Konfliktfragen, wie die der Flüchtlinge oder des Umgangs mit Wasserressourcen, nur auf der regionalen Ebene möglich.

Fazit von Naike Juchem

Die Weltgemeinschaft hatte mit der Gründung des Staates Israel einem fatalen Fehler gemacht, der sich bis heute auswirkt – und wohl ewig zu Konflikten führen wird. Man unterstützt seit Jahren Israel in Infrastruktur, Forschung und Wissenschaft, während in Palästina noch nicht einmal überall fließendes Trinkwasser vorhanden ist. Das dies zu einem Hass und Unmut gegen Israel führt, ist eigentlich klar.
Auch ist die massive Siedlungspolitik seitens Israel ein ständiger Konfliktpunkt, welcher noch mehr Wut auf der Seite der Palästinenser hervorbringt.

In diesem Kessel von Ungleichheit kann man als Weltgemeinschaft nicht des einen Freund und des anderen Feind sein. Wenn man endlich den Palästinenser die gleiche Rechten und auch Infrastruktur gibt, könnte es schon mal einen Anfang für Frieden sein.
Der Weltsicherheitsrat muss beide Konfliktparteien an einen Tisch bringen, und gemeinsam nach Lösungen suchen. Wenn man in Palästina eine vernünftige Wirtschaft aufbaut, hätten die Menschen auch eine Perspektive für ihr Leben.
Ferner muss auch der gegenseitige Hass abgebaut werden. Es kann doch nicht sein, wenn man bereits in israelischen Kindergärten sagt, wer der Feind ist.
Die Menschen in Palästina wollen genauso den Frieden wie die Menschen in Israel.
Wenn israelische Soldaten und Polizisten mit Gewalt gegen unbewaffnete palästinensische Kinder vorgeht, ist eine Grenze der Menschenrechte schon weit überschritten.

Naike Juchem, 13. Februar 2024

Quelle: Der Beitrag beruht auf Dr. Muriel Asseburg/Jan Busse: Der Nahostkonflikt. Geschichte, Positionen, Perspektiven, 4. Aufl., München 2021 sowie Muriel Asseburg: Palästina und die Palästinenser. Eine Geschichte von der Nakba bis zur Gegenwart, 2. Aufl., München 2022.

Fotos: Hanita-Carolin Hendelman

Kein Mensch flieht ohne Grund

Ein paar Hintergründe, die zum Nachdenken bringen sollen.

Autorin Naike Juchem

Melilla ist eine spanische Enklave in Westafrika und hat seine Grenze zu Marokko.
In einem Werbeprospekt wird über die schöne und mittelalterliche Festungsanlage und über prachtvolle Jugendstilgebäuden in den schönsten Worten geschrieben.
Wörtlich heißt es dort: „Es gibt keinen besseren Weg, ihre Geschichte kennenzulernen, als eine Besichtigung von La Ciudadela, auch bekannt als Melilla la Vieja oder „das Dorf“ (El Pueblo) zu besuchen. Diese Festungsanlage wurde im 15. Jahrhundert auf Felsen erbaut und verschiedene Kulturen haben hier im Laufe der Zeit ihre Spuren hinterlassen.“
So weit über die einstige Geschichte.

Über die aktuelle Geschichte hört man kaum etwas. Im Sommer 2022 versuchten fast 2.000 Migranten, die meterhohen Zäune von Melilla – also der EU Außengrenze zu überwinden. Es gab hunderte Tode und genau so viele Verletzten. Hilfe für die Menschen gab es keine!
Dies ist die Realität vor den Türen von Europa!
Ob in Libyen, Griechenland, Türkei, Italien (Lampedusa) oder an den Grenze zwischen Polen und Weißrussland. Überall werden Menschen mit Waffengewalt an der Einreise nach Europa gehindert.

Foto: Simona Forlini

„Sollen sie doch bleiben wo sie hergekommen sind.“


Dies sind oft die Aussagen von Menschen, die für sichere Grenzen und konsequenter Abschiebung sind.
Natürlich können diese Menschen in ihrer Heimat bleiben – nur hat die EU durch irrsinnige Subventionen und Staatsverträge fast alle Länder in Afrika in den Ruin getrieben. Tomaten aus Italien werden in Ghana billiger verkauft, als die Landwirte in Ghana diese verkaufen können.
Hähnchenfleisch, welches in Europa keinen Absatz hat, wird über Subventionen per Container nach Nigeria geschafft. Dort hat man mit unserem Lebensmittelmüll mal eben die Landwirtschaft ruiniert.

Elektronikmüll wird an die Elfenbeinküste oder Ghana verschifft. Dort liegen Hunderttausende Tonnen Elektronikmüll auf weiten Felder – auf denen einst mal Saat ausgebracht wurde. Mit einfachsten Mittel wird noch das letzte Stück Kupfer aus den Geräten geholt. Die Umweltverschmutzung ist gigantisch. Durch die Schwermetalle im Boden und Wasser, ist Leben für Tiere und Fische nicht mehr möglich.

Natürlich gibt es auch „positive“ Beispiele, wenn in Kenia Tulpen und andere Blumen gezüchtet werden, und diese dann in den Discounter in Europa für wenig Geld an den Kassen stehen. Von diesem ökologischen Irrsinn mag ich gar nicht schreiben.

Diese wenigen Beispiele zeigen schon, wie global vieles zusammen hängt. Es ist natürlich leicht zu sagen: „Sollen sie doch bleiben wo sie hergekommen sind.“ Würden diese Menschen eigentlich auch, wenn das zivilisierte Europa nicht deren Heimat, Lebensraum und Wirtschaft zerstören würde. Kein Mensch flieht ohne Grund!

Foto: Saleh Syrian

Die Menschen, die fliehen, brauchen Geld für ihre Flucht. Dieses Geld kratzen sie von Verwandten zusammen. Die Familien verschulden sich bei den Schlepper und können das Darlehen niemals zurück bezahlen. Oft werden nach ein oder zwei Jahren diesen Familien das wenige Eigentum weggenommen. Also hat man nochmals viele Menschen in die Armut, Flucht und Verzweiflung getrieben.

Um dies alles zu begreifen, bedarf es mehr, als die Schlagzeilen der BILD oder den schwachsinnigen Postings in den Sozialen Netzwerken zu lesen.

Foto: Eva Wołkanowska-Kołodziej

Wenn wir diese Welt verbessern möchten, müssen wir als Industriestaaten auch jene anderen Ländern leben lassen und auf Augenhöhe mit einander umgehen. Staatsverträge drückt die sowieso schon schachen Ländern noch mehr an die Wand.
Hurra, wie haben Unimogs von Mercedes, Waffen von Heckler und Kock.  Auch Frankreich ist im Bereich Staatsverträge vorne mit dabei. So werden zum Beispiel militärische Fahrzeuge von ACMAT S.A, ALCEN (u.a. Hubschrauber) oder Produkte der Dassault-Gruppe geliefert.

Diese Liste geht natürlich nicht nur über militärische Waffen und Fahrzeuge einher. Es geht mit allen Branchen weiter: Lebensmittel, Telekommunikation, Medikamente, Erdöl, Chemie….

Foto:Nino Fezza

Um eine immer weiter steigende Profitrate der Konzerne zu haben, braucht man neue Märkte. Ob Lateinamerika, Afrika, Asien, Südostasien oder China. In all diesem Karussell aus Macht, Gier und Profitrate bleiben Menschen aus der Strecke. Dies zeigt uns die Geschichte des Kolonialismus. Auch hier waren es: Afrika, Asien, Lateinamerika, Polynesien, Indien, Indochina (so nannte man früher Südostasien.)

Die westliche Industrie und Wohlstand ist auf die Armut der Schwellenländer dieser Welt aufgebaut. Kriege führen zu Armut und Flucht. Umweltzerstörung führt zu Armut und Flucht. Irrsinnige Subventionen und Staatsverträge führt zu Armut und Flucht.

Foto: Simona Forlini

Nun sitz der Europäer zu Haus auf seinem Sofa und motzt über Migranten, ohne all diese Hintergründe zu wissen. Es ist leichter, die schwächsten in dieser Kette zu bekämpfen, als sich über die Ursachen Gedanken zu machen.

Naike Juchem, 6. Februar 2024

Genitalverstümmelung, die seelische Folter für Millionen Mädchen und Frauen

Die Genitalverstümmelung, auch FGM genannt, hört sich so weit weg an – und trotzdem ist dieses Thema so nah. Geschätzte 150 Millionen Frauen erleben im 21. Jahrhundert immer noch dieser barbarischen „Tradition“.
Die zunehmende Migration in Deutschland verschärft das Problem der weiblichen „Beschneidung“.

Autorin Naike Juchem

Die weibliche Genitalverstümmelung – auch Female Genital Mutilation: FGM, genannt, beschreibt nach einer Definition der Welt­gesund­heits­organi­sation jede nichttherapeutische, zum Beispiel religiös oder kulturell begründete, teilweise oder vollständige Entfernung oder Verletzung der weiblichen äußeren Genitale. In den meisten Regionen Afrikas spricht man dagegen von „Beschneidung“ oder davon, ob eine Frau „offen“ oder „geschlossen“ ist.

Die „Beschneidung“
Der Ausdruck „Beschneidung“ sollte kritisch verwendet werden, da er – analog zur männlichen Zirkumzision – nur die Entfernung der klitoralen Vorhaut betrifft. Der Ausdruck „weibliche Genitalverstümmelung“ trifft die Irreversibilität und Schwere des Eingriffs besser und wird auch von den Vereinten Nationen in allen offiziellen Dokumenten gebraucht. Dennoch sollte betroffenen Patientinnen gegenüber von „Beschneidung“ gesprochen werden, um sie mit der Wortwahl nicht zusätzlich zu stigmatisieren.

FGM, eine Jahrtausend alte Folter

FGM betrifft weltweit circa 150 Millionen Frauen und Mädchen. Durch zunehmende Migration werden Ärztinnen und Ärzte auch in Deutschland vermehrt mit Patientinnen konfrontiert, die eine weibliche Genitalverstümmelung erlitten haben.
Wichtige Voraussetzungen für den Umgang mit Frauen nach FGM sind ausreichendes Fachwissen, Aufmerksamkeit und Sensibilität.

Weibliche Genitalverstümmelung wird seit mehr als 2.000 Jahren durchgeführt. Der Ursprung dieser Tradition ist unklar. Belege für einen religiösen Hintergrund gibt es nicht. FGM wird nicht nur von Moslems, sondern auch von Christen, Juden, Animisten und Atheisten praktiziert.
In vielen Gebieten dient die FGM als Initiationsritual und ist Teil der kulturellen Tradition. Sie soll die Frau vor Verdächtigungen, Ungnade und ihrer eigenen Sexualität „schützen“. Ein korrektes moralisches Verhalten und die Treue zum Ehemann sollen damit gewährleistet werden.

FGM wird als Symbol der Weiblichkeit und ethnischen Zugehörigkeit betrachtet

Das Mädchen wird durch den Eingriff in die Gemeinschaft aufgenommen. Eltern lassen die Genitalverstümmelung bei ihren Töchtern durchführen, um ihnen eine gute Zukunft zu sichern.
Die Zeremonie der Beschneidung symbolisierte ursprünglich auch den Übergang vom Mädchen zur Frau. Sie wird jedoch heute häufig schon bei Kleinkindern durchgeführt, sodass diese Bedeutung unwichtig geworden ist. Auch hygienische und gesundheitliche Faktoren werden zur Rechtfertigung der Genitalverstümmelung angeführt. So soll das Fehlen der Klitoris die Vagina sauber halten und die Fruchtbarkeit erhöhen. Es kursiert außerdem die Vorstellung, dass die Klitoridektomie die sexuelle Lust des Ehemanns steigert und die Kinder- und Müttersterblichkeit senkt.

In Ägypten ist die Entfernung des äußeren Genitales und der Körperbehaarung ein Attribut für Schönheit.
Die Klitoris dagegen gilt beispielsweise in Mali, Burkina Faso und Westafrika als Symbol für Männlichkeit.

Auch aus wirtschaftlichen Gründen wird FGM weiter praktiziert und verbreitet. In einigen Ländern bemisst sich der Brautpreis proportional zum Ausmaß der Operation. Die „Beschneiderinnen“ genießen einen hohen sozialen Status, sie erzielen gute Einnahmen durch die Infibulation, aber auch durch die Defibulation bei einer Geburt oder in der Hochzeitsnacht. In manchen Regionen wird FGM erst jetzt als zusätzliche Verdienstmöglichkeit auch von Hebammen durchgeführt.

Aus menschenrechtlicher Sicht ist FGM ein Versuch, Frauen eine untergeordnete Stellung zuzuweisen, indem man sie mit einem Stigma versieht, das sie stets daran erinnert, dass sie „nur Frauen“ sind. Die Genitalverstümmelung verwehrt der Frau das Recht auf körperliche Unversehrtheit.
Die meisten Frauen mit FGM leben in 28 afrikanischen Staaten.
Am häufigsten wird die weibliche Genitalverstümmelung in Somalia, dem nördlichen Sudan, Erithrea, Sierra Leone und Djibouti praktiziert. Der Sudan ist das einzige Land, in dem bisher Untersuchungen zur Häufigkeit von weiblicher Genitalverstümmelung durchgeführt wurden. Danach sind bis zu 90 Prozent der sudanesischen Mädchen und Frauen beschnitten.

FGM kommt jedoch auch in den südlichen Teilen der arabischen Halbinsel, am Persischen Golf und in muslimischen Gemeinden in Indien, Malaysia und Indonesien vor.
Zunehmend ist auch die Verbreitung unter Immigrantinnen in Europa, Kanada, Australien, Neuseeland und den USA.

Einer britischen Untersuchung zufolge waren 80 Prozent der Einwanderinnen aus Somalia, dem Jemen, aus Eritrea und Äthiopien beschnitten oder wollten ihre Töchter beschneiden lassen.

Die „Operateure“

Die Genitalverstümmelung wird meist von älteren Frauen in traditioneller Weise durchgeführt. Die „Operation“ dauert 15 bis 20 Minuten und erfolgt mithilfe von Messern, Skalpellen, Glasscherben, Rasierklingen und Ähnlichem. Anästhetika oder Analgetika werden meist nicht verwendet. Zur Blutstillung werden Salben aus Kräutern oder Asche auf die Wunden aufgetragen. Bei der Infibulation werden die Wundränder mit Dornen oder Seide zusammengehalten.
Durch schlechte hygienische Verhältnisse, ungeeignete Instrumente, schlechtes Licht und mangelnde medizinische Kenntnisse wird den Frauen und Mädchen zusätzlicher Schaden zugefügt. In manchen Ländern nehmen vermehrt Hebammen und anderes medizinisches Personal die weibliche Genitalverstümmelung vor.
Ägyptische Frauen berichteten, dass ihre eigene Beschneidung in 13 Prozent der Fälle von Ärzten durchgeführt wurde. Bei ihren Töchtern erfolgt sie bereits in 46 Prozent der Fälle durch ärztliches Personal.
Die Medikalisierung der weiblichen Genitalverstümmelung ist umstritten. Auf der einen Seite kann sie die Komplikationen und eventuell auch das Ausmaß des Eingriffs reduzieren.

In den 1970er- und 1980er-Jahren wurden beispielsweise im Sudan und in Somalia traditionelle Hebammen für die weibliche Genitalverstümmelung geschult.
Aus Kenia wurde über die Verteilung von prophylaktischen Antibiotika, sterilen Einmalrasierern und Tetanus-Impfungen bei betroffenen Mädchen berichtet. Diese prophylaktischen Maßnahmen senkten die Rate an frühen Komplikationen um etwa 70 Prozent.
In Krankenhäusern im Sudan wurde die weibliche Genitalverstümmelung angeboten, jedoch nur der Typ I der FGM durchgeführt. In städtischen Regionen in Mali und Nigeria ist es inzwischen üblich, dass Krankenschwestern die „Beschneidung“ durchführen.

Auf der anderen Seite besteht durch die Medikalisierung die Gefahr der Verharmlosung und der verzögerten Ausrottung der weiblichen Genitalverstümmelung. Die WHO verurteilte 1982 die Beteiligung von medizinischem Personal an der Genitalverstümmelung der Frau als unethisch. In den 1990er-Jahren schlossen sich verschiedene internationale Organisationen dieser Stellungnahme an (International Federation of Gynecology and Obstetrics 1994, American College of Obstetricians and Gynecologists committee opinion 1995).
1996 hat auch der Deutsche Ärztetag die Beteiligung von Ärztinnen und Ärzten an der weiblichen Genitalverstümmelung verurteilt. Derartige Praktiken seien berufsrechtlich zu ahnden, heißt es in einer Entschließung. Entsprechend wurde 1999 einem Berliner Arzt, der FGM durchführte, die Approbation entzogen.

Die Opfer von FGM werden immer jünger

Das Alter, in dem die Genitalverstümmelung vorgenommen wird, unterscheidet sich regional. In Äthiopien und Nigeria werden die Mädchen im Alter von sieben bis acht Tagen beschnitten, in Somalia, im Sudan und in Ägypten dagegen erst mit fünf bis zehn Jahren. In manchen Gegenden Ostafrikas findet die FGM sogar erst während der Hochzeitsnacht, in Westafrika während der ersten Schwangerschaft statt. Sowohl in den Herkunftsländern als auch bei Migranten zeichnet sich jedoch der Trend ab, die weibliche Genitalverstümmelung in immer jüngerem Alter durchzuführen. Damit sollen Fragen der Schulbehörden vermieden, aber auch verhindert werden, dass sich die Mädchen gegen den Eingriff wehren.

Frauen, die den schwereren Formen von weiblicher Genitalverstümmelung unterzogen werden, leiden mit großer Wahrscheinlichkeit an gesundheitlichen Folgen, die häufig eine lebenslange medizinische Behandlung erfordern. Nur etwa 15 bis 20 Prozent der Komplikationen werden von medizinischem Personal behandelt, weil die nächste Krankenstation zu weit entfernt ist – oder aus Angst vor rechtlichen Konsequenzen.

FGM und ihre Komplikationen

Blutungen während oder nach dem Eingriff können zu Anämie, Hämorrhagie (vier bis 19 Prozent), Hypotension, Schock und Tod führen. Bisher gibt es keine Studien zur Mortalität von Mädchen bei FGM, obwohl man davon ausgehen muss, dass die Sterblichkeit hoch ist Akute Infektionen führen zu Abszessen und Wundheilungsstörungen. Andere Komplikationen können hohes Fieber, Tetanus (zwei Prozent), Gangrän oder ein septischer Schock (zwei Prozent) sein. Oligurie, Harnverhalt sowie eine Verletzung von Blase, Urethra, Vagina und Rektum wurden beschrieben. Durch gewaltsames Festhalten der Frau während des Eingriffs kann es zu Frakturen von Humerus, Femur und Clavicula kommen.

Als wichtigste chronische Komplikationen der weiblichen Genitalverstümmelung sind fünf Gruppen zu nennen: Komplikationen der Harnwege, Komplikationen durch Narbenbildung, Komplikationen bei Sexualität und Menstruation sowie Komplikationen in der Schwangerschaft und bei der Geburt. Durch die enge Nachbarschaft des Operationsgebietes kommt es häufig zur Verletzung der Urethra mit nachfolgender Obstruktion oder Striktur. Die Patientinnen klagen über Harnverhalt, rezidivierende Harnwegsinfekte und Harninkontinenz. Die Narbenbildung nach FGM führt in etwa 20 Prozent der Fälle zur partiellen oder kompletten Fusion der Labien.
65 Prozent der verstümmelten Frauen leiden an Blutungsstörungen. Chronische Adnexititiden und Endometritiden führen ebenfalls zu anhaltenden Schmerzen. Dyspareunie, Vaginismus und Vaginalstenosen führen bei 25 bis 30 Prozent der Frauen nach weiblicher Genitalverstümmelung vom Typ III zu Infertilität. Durch Verlust der Klitoris kommt es bei einem Teil der Frauen zu mangelnder Orgasmusfähigkeit.
Vor allem bei Frauen nach weiblicher Genitalverstümmelung vom Typ III ist mit prä-, intra- und postpartalen Komplikationen zu rechnen. Durch die Bildung von Narbengewebe kann es zu einem prolongierten Geburtsverlauf kommen. Es gibt Hinweise, dass es bei Frauen mit FGM daher beim Kind häufiger zu schwerer Asphyxie oder zum Tod kommt.

Durch Defibulation unmittelbar vor der Geburt kann die Entbindung erleichtert und das Risiko der Geburtsverletzungen gesenkt werden. Die Rate an Dammrissen, Wundinfektionen, Wundheilungsstörungen und postpartalen verstärkten Nachblutungen ist jedoch erhöht.
Die Genitalverstümmelung kann ein schwerwiegendes Trauma hinterlassen. Die psychologischen Begleiterscheinungen können sich tief in das Unterbewusstsein des Mädchens eingraben und Verhaltensstörungen verursachen. Unter Umständen ist die körperliche und seelische Belastung so stark, dass die Betroffenen das Erlebnis nicht nur verdrängen, sondern abspalten.

Gesetze gegen FGM

Langfristig leiden die Frauen unter vielfältigen psychischen Symptomen wie dem Gefühl von Unvollständigkeit und Minderwertigkeit, Angst, Depression, chronischer Reizbarkeit, Frigidität, und Partnerschaftskonflikten. Viele durch die Genitalverstümmelung traumatisierte Frauen haben keine Möglichkeiten, ihre Gefühle und Ängste auszudrücken und leiden im Stillen.
Internationale Organisationen, wie die WHO, der Weltärztebund, die UNESCO, UNICEF und das Europa-Parlament, verurteilen die weibliche Genitalverstümmelung. Ein Gesetz, welches die FGM verbietet, gibt es in Europa jedoch nur in Großbritannien, Schweden, Norwegen, Dänemark und Belgien. Außerhalb Europas haben Ägypten, Australien, Benin, Burkina Faso, Djibouti, Elfenbeinküste, Ghana, Guinea, Guinea-Bissou, Kanada, Kenia, Neuseeland, Niger, Senegal, Simbabwe, Tansania, Togo, Uganda, die USA sowie die Zentralafrikanische Republik Gesetze gegen die weibliche Genitalverstümmelung verabschiedet. Die Bestrafung reicht von einer Geldbuße bis zu lebenslanger Haft.

In Deutschland ist ein Gesetz, das die weibliche Genitalverstümmelung verbietet, nach Ansicht von Juristen nicht notwendig, da sie als einfache, gefährliche oder schwere Körperverletzung (§§ 223, 224, 226 StGB) oder Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) beziehungsweise Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 StGB) gilt und damit strafbar ist. Dies trifft auch dann zu, wenn der Eingriff auf Verlangen oder mit Einwilligung der Patientin oder ihrer Erziehungsberechtigten erfolgt, da er gegen die guten Sitten verstößt. Dem „Beschneider“ droht damit in Deutschland eine Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren (Drucksache des Deutschen Bundestags Nr. 14/6682).

Dennoch bleiben rechtliche Fragen ungeklärt. Muss ein Arzt seine Schweigepflicht brechen, um ein gefährdetes Mädchen davor zu schützen, in ihrem Heimatland oder auch in Deutschland beschnitten zu werden? Bislang haben Ärzte in diesem Fall das Recht, ihre Schweigepflicht zu brechen, eine Meldepflicht wie zum Beispiel in Frankreich gibt es jedoch nicht. Ob Gesetze die Tradition der FGM wirksam bekämpfen können, ist umstritten.

Aufklärung ist wichtig

Bildungsprogramme, die ein Bewusstsein in der Bevölkerung der betroffenen Länder fördern, über die medizinischen Folgen informieren und über Menschenrechte aufklären, sollten die gesetzlichen Verbote zweifellos begleiten.
Die weibliche Genitalverstümmelung ist ein Problem, das durch zunehmende Migration auch in Deutschland immer häufiger werden kann. Um die Töchter betroffener Frauen zu schützen, sollten Präventionsgespräche stattfinden, in denen die medizinischen Folgen und die internationale Haltung angesprochen werden.
Die psychosozialen Beratungsstellen in Deutschland haben wenig Erfahrung mit den besonderen Problemen von Frauen mit weiblicher Genitalverstümmelung. Insbesondere in den Großstädten sollten diese Einrichtungen für das Konfliktfeld der FGM ausgebaut werden.
Aufgabe der Ärzte und Beratungsstellen ist es, den von weiblicher Genitalverstümmelung betroffenen Frauen eine Betreuung zu ermöglichen, die den kulturellen Hintergrund respektiert, einfühlsam reagiert und eine individuelle Lösung des Konflikts sucht.

Die vier Typen von FGM

Laut WHO werden vier Typen der weiblichen Genitalverstümmelung unterschieden.

Typ I: Die „Sunna“ beschreibt ursprünglich die Exzision der klitoralen Vorhaut. Der Eingriff wird in dieser minimalen Form nur selten durchgeführt, meist erfolgt die partielle oder totale Klitoridektomie.

Typ II: Es wird eine Klitoridektomie vorgenommen, und die kleinen Labien werden teilweise oder ganz entfernt. Das Ausmaß des Eingriffs variiert. Zusammen mit der „Sunna“ macht diese Form etwa 85 Prozent der FGM aus.

Typ III: Die „Infibulation“ oder „pharaonische Beschneidung“ beinhaltet die Entfernung von Klitoris, kleinen und großen Labien. Die Restvulva wird anschließend mit Seide vernäht oder mit Dornen verschlossen. Das Einführen eines Fremdkörpers verhindert ein vollständiges Verkleben der Wundränder, sodass eine kleine Öffnung für Urin und Menstruationsblut bleibt. Zum Geschlechtsverkehr muss die verbleibende Vaginalöffnung dilatiert werden. Trotz dieser schmerzhaften Prozedur ist der Verkehr oft nicht möglich, und es muss wie auch zur Geburt eine Defibulation durchgeführt werden.

Typ IV: Darunter werden verschiedene Formen der Genitalverstümmelung gefasst wie das Einstechen, Beschneiden, Dehnen oder Verätzen von Klitoris und Labien, das Ausschaben der Vagina und das Einschneiden von Klitoris und umliegendem Gewebe sowie der Vagina.

In Deutschland gibt es auch Hilfsorganisation die sich für die Aufklärung der Mädchen und Frauen vor Ort einsetzen – dazu gehört auch TARGET e.V von Rüdiger Nehberg.

Quellen:
– Deutscher Ärztebund
– Ärzte ohne Grenzen
– Prof. Dr. med. Heribert Kentenich

Früh- bzw. Kinderehen im Iran

Kinderehen sind im Iran legal. Mädchen können ab einem Alter von 13 Jahren, Jungen ab 15 Jahren verheiratet werden. Durch diese rechtlichen Voraussetzungen werden die vor allem in ländlichen Gebieten verbreiteten Kinderehen weiterhin ermöglicht.

Durch islamische Gesetze und von einem seit Jahrzehnten patriarchalisch geführten Regim im Iran, sind Missachtungen, Polygynie und Unterdrückung von Kinder- und Frauenrechte legitim. Eine Gleichberechtigung von Mädchen und Frauen wird damit weitgehend verhindert.

Legalisierung von Früh- bzw. Kinderehe im Iran

Vor der Islamischen Revolution im Jahr 1979 war die Volljährigkeit im Iran für beide Geschlechter bei 18 Jahren angesetzt – was auch der Definition für Volljährigkeit der UN-Kinderrechtskonvention von 1989 entspricht. Seit einer Gesetzesänderung von 1981 sind Mädchen im Iran jedoch schon ab 9 und Jungen mit 15 Jahren volljährig. Dies geht aus Artikel 1210, Absatz 1 des Iranischen Zivilgesetzbuches hervor. Nach deren Festlegung des Alters wird nach dem islamischen Kalender, dem sogenannten Mondkalender gerechnet. Wenn man dies auf den gregorianischen Kalender umrechnet, ergibt sich ein Alter von ca. 8 Jahren und 8 Monaten bzw. 14 Jahren und 7 Monaten.
Diese Herabstufung der Volljährigkeit von iranischen Jungen und Mädchen ist nach der Definition und internationalem Recht zum Schutz der Kinder, ein klarer Verstoß seitens der Mullah-Regierung.

Rechtliche Voraussetzungen

Obwohl der Iran 1994 die internationale Kinderrechtskonvention der UN ratifizierte, wurde festgehalten, dass nationales und islamisches Recht vorgehen sollte. Seit einer Gesetzesänderung des Artikel 1041 in iranischen Zivilgesetzbuch vom 17. Dezember 2000,  können Mädchen und Jungen unter 13 bzw. 15 Jahren nur noch mit der Erlaubnis eines Gerichts verheiratet werden. Nach Artikel 1043 des iranischen Zivilgesetzbuch, ist die Zustimmung des männlichen Vormunds dabei zwingend. Für Jungen ist keine Zustimmung des Vaters nötig. Soll heißen, dass ab einem Alter von 13 Jahren Mädchen ohne Gerichtserlaubnis, der sogenannte «Heiratsreife» verheiratet werden können.

Menschenrechtler:innen kämpfen noch immer für eine Änderung dieser Gesetze.
Die parlamentarische Kommission für Rechts- und Justizfragen im Iran hatte 2019 den Entwurf zur Erhöhung des Heiratsalters für Mädchen auf 16 und für Jungen auf 18 Jahre abgelehnt.
Um jenes patriarchalische Denken der Mullah-Regierung zu verdeutlichen, sieht man daran, dass Mütter oder andere weibliche Familienmitglieder in den Entscheidungsprozess einer Frühehe nicht eingreifen können. Auch die verheirateten Kinder selbst haben kein Mitspracherecht im Vermählungsprozess.

Obwohl die Kinderehe im Iran erst durch die Gesetzesänderung nach der Islamischen Revolution wieder legalisiert wurde, haben zahlreiche Forschungen zu Kinderehe im Iran gezeigt, dass vor allem wirtschaftliche Faktoren wie z.B. niedriges Einkommen pro Kopf und die hohe Inflation Familien dazu bringen, Kinderehen abzuschließen bzw. zu arrangieren und nicht vorwiegend religiöse Gründe, wie häufig vermutet wird. Besonders in ländlichen Regionen führen wirtschaftliche Faktoren zu arrangierten Ehen von Kindern. Mit einfachen Worten: die Kinder weder regelrecht verkauft.

Verankerung der Ungleichheit von Mann und Frau

Das Konzept der Kinderehe im Iran dient vor allem dazu, die patriarchalen Strukturen zu verankern, indem es gesellschaftliche und sexuelle Freiheiten von Frauen unterdrückt und die Ungleichstellung von Mann und Frau reproduziert.

2016 waren über 11% aller verheirateten Frauen im Iran zwischen 10 und 19 Jahren alt, davon 6% unter 15 Jahren. In ländlichen Regionen ist sogar jedes fünfte Mädchen im Alter von 10-19 Jahren bereits verheiratet. Auch regional weist die Rate von Frühehen sehr starke Schwankungen auf. Demnach sind Frühehen in besonders den wirtschaftlich und strukturschwachen Regionen, wie in Zanjan, Sistan und Belutschistan noch häufiger. 

Die negativen Konsequenzen von Frühehen

Ein verheiratetes Kind geht im Iran in den meisten Fällen nicht mehr in die Schule, allgemein sind die Verheirateten mental weniger weit entwickelt daher weniger eigenständig.
Jungen sind traditionell für den Unterhalt der Familie verantwortlich und arbeiten häufig als unterbezahlte Tagelöhne, während die Mädchen für den Haushalt und bald für die Aufsicht der Kinder zuständig sind und zudem auch kranke und ältere Familienmitglieder pflegen müssen.
Die Eheleute, insbesondere die Ehefrauen, bleiben daher auf dem Bildungsniveau stehen, welchen sie bis zum Zeitpunkt der Heirat erreicht haben. Demnach haben die Mädchen einen bedeutend geringeren Bildungsgrad als Mädchen, die zu einem späteren Zeitpunkt heiraten.
Somit sinkt der gesamte Bildungsstand im Iran seit Jahrzehnten. Folglich steigt der Analphabetismus, die Armut und Abhängigkeit ganzer Generationen stetig an.

Nach einer Studie der WHO aus dem Jahr 2016 sind besonders Frauen und Mädchen, die jung heiraten, häufiger Opfer häuslicher Gewalt. Da es im Iran – wie auch in allen anderen muslimischen Ländern,
keine Vorschriften des Altersunterschieds zwischen Mann und Frau gibt, kommt es in den meisten Fällen vor, dass junge Mädchen mit Männern, die um ein Vielfaches älter sind, verheiratet werden. Da die „Ehefrauen“ sehr häufig noch minderjährige Mädchen sind, wird die Praxis der sexuellen Beziehung auch bei Mädchen als eheliche Pflicht betrachtet.

Der Koran genehmigt Kindesmisshandlungen

Wie in allen solcher Fällen des Kindesmissbrauchs, wird an dieser Stelle die Sure 2, Vers 223 aus dem Koran herangezogen.

Eure Frauen sind euch ein Saatfeld. So kommt zu eurem Saatfeld, wann und wie ihr wollt. Doch schickt (Gutes) für euch selbst voraus. Und fürchtet Allah und wisst, dass ihr Ihm begegnen werdet. Und verkünde den Gläubigen frohe Botschaft.

Die Rollenverteilung in einer islamischen Ehe sieht vor, dass die Ehefrau ihrem Mann sexuell gehorsam ist. Dementsprechend kann ein Mann sexuelle Gewalt an Minderjährigen anwenden, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Das Konzept von Vergewaltigung existiert in diesem Kontext nicht, weil jede Art von Geschlechtsverkehr im Rahmen einer Ehe als Ausübung der ehelichen Pflichten gesehen wird.
Die „Erlaubnis‘ der Anwendung von Gewalt gegenüber der eigenen Ehefrau ist nach gängiger Auslegung in Sure 4, Vers 34 wie folgt festgelegt:

Die Männer stehen in Verantwortung für die Frauen wegen dessen, womit Allah die einen von ihnen vor den anderen ausgezeichnet hat und weil sie von ihrem Besitz (für sie) ausgeben. Darum sind die rechtschaffenen Frauen (Allah) demütig ergeben und hüten das zu Verbergende, weil Allah (es) hütet. Und diejenigen, deren Widersetzlichkeit ihr befürchtet, – ermahnt sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie. Wenn sie euch aber gehorchen, dann sucht kein Mittel gegen sie. Allah ist Erhaben und Groß.

Die Risiken von Schwangerschaften in Frühehen

Nach einer WHO-Studie von 2016 zählen Komplikationen während der Schwangerschaft oder Geburt zu den häufigsten Todesursachen bei jungen Frauen unter 19 Jahren. Auch «Kinderschwangerschaften» und Fehlgeburten gehören zu den negativen Auswirkungen von Frühehen, da von verheirateten Mädchen – unabhängig der körperlichen und geistigen Entwicklung, trotzdem erwartet wird, dass sie ihren ehelichen Pflichten nachkommen müssen. Da die körperliche Entwicklung von Mädchen noch gar nicht abgeschlossen ist, sind Schwangerschaften bei minderjährigen ein oft sehr großes Risiko für Baby bzw. Mutter.

Logo der UN Kinderrechtskonvention

Ein Auszug aus den Artikel der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen

Der Iran verstößt mit seinem Zivilgesetzbuch zigfach gegen geltenden Kinder- und Menschenrechte

Artikel 1
«Im Sinne dieses Übereinkommens ist ein Kind jeder Mensch, der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, soweit die Volljährigkeit nach dem auf das Kind anzuwendenden Recht nicht früher eintritt.»

Das Recht der Islamischen Republik Iran betrachtet neunjährige Mädchen und 15-jährige Jungen bereits als Erwachsene.

Artikel 2 Absatz 1
«Die Vertragsstaaten achten die in diesem Übereinkommen festgelegten Rechte und gewährleisten sie jedem ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Kind ohne jede Diskriminierung, unabhängig von der Rasse, der Hautfarbe, dem Geschlecht, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen, ethnischen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, einer Behinderung, der Geburt oder des sonstigen Status der Kindes, seiner Eltern oder seines Vormunds.»

Die vertraglich festgelegten Rechte des Kindes werden durch den Iran systematisch verletzt. Dabei werden Mädchen gegenüber den Jungen durch die massive Herabsetzung der Grenze der Minderjährigkeit auf 15 Jahre zusätzlich schlechter gestellt und diskriminiert.

Artikel 3 Absatz 2
«Die Vertragsstaaten verpflichten sich, dem Kind unter Berücksichtigung der Rechte und Pflichten seiner Eltern, seines Vormunds oder anderer für das Kind gesetzlich verantwortlicher Personen den Schutz und die Fürsorge zu gewährleisten, die zu seinem Wohlergehen notwendig sind; zu diesem Zweck treffen sie alle geeigneten Gesetzgebungs- und Verwaltungsmaßnahmen.»

Vor allem junge Mädchen werden im Iran häufig bereits als Kinder verheiratet, weil wirtschaftliche Umstände die Familie des Kindes dazu zwingen. Diese Möglichkeit besteht aber nur, weil iranisches Recht Kinderehen ausdrücklich erlaubt. Die Islamische Republik verletzt damit ihre Pflicht, eine entsprechende Rechtslage zum Schutz der Kinder herzustellen.

Artikel 4
«Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen zur Verwirklichung der in diesem Übereinkommen anerkannten Rechte. Hinsichtlich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte treffen die Vertragsstaaten derartige Maßnahmen unter Ausschöpfung ihrer verfügbaren Mittel und erforderlichenfalls im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit.»

Der Iran hat durch die gesetzlichen Regelungen zur Ehe von Kindern ganz konkrete Maßnahmen getroffen, die dem Schutz des Kindes entgegenstehen.

Artikel 6 Absatz 2
«Die Vertragsstaaten gewährleisten in größtmöglichem Umfang das Überleben und die Entwicklung des Kindes.»

Die Kinderehe greift in die freie geistige, schulische und teilweise auch körperliche Entwicklung des Kindes ein.

Artikel 12 Absatz 1
«Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äußern, und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife.»

Bei einer Heirat unterhalb des durch die UN-Kinderrechtskonvention festgelegten Alters wird das Kind ohne dessen Willen bzw. ohne dessen bewusste und reflektierte Entscheidung verheiratet.

Artikel 19 Absatz 1
«Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs-, Sozial- und Bildungsmaßnahmen, um das Kind vor jeder Form körperlicher oder geistiger Gewaltanwendung, Schadenszufügung oder Misshandlung, vor Verwahrlosung oder Vernachlässigung, vor schlechter Behandlung oder Ausbeutung einschließlich des sexuellen Missbrauchs zu schützen, solange es sich in der Obhut der Eltern oder eines Elternteils, eines Vormundes oder anderen gesetzlichen Vertreters oder einer anderen Person befindet, die das Kind betreut.»

Kinder in Kinderehen leider häufiger unter Gewalt, insbesondere sexuellem Missbrauch.

Artikel 28
«Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes auf Bildung an.»

Mädchen, die schon als Kinder verheiratet werden, haben oft nach der Hochzeit keinerlei Zugang zu Bildungsmöglichkeiten mehr.

Artikel 34
«Die Vertragsstaaten verpflichten sich, das Kind vor allen Formen sexueller Ausbeutung und sexuellen Missbrauchs zu schützen. Zu diesem Zweck treffen die Vertragsstaaten insbesondere alle geeigneten innerstaatlichen, bilateralen und mehrseitigen Maßnahmen, um zu verhindern, dass Kinder a) zur Beteiligung an rechtswidrigen sexuellen Handlungen verleitet oder gezwungen werden; b) für die Prostitution oder andere rechtswidrige sexuelle Praktiken ausgebeutet werden.»

Mit der Legalisierung von Heirat ab dem 14. Lebensjahr sind insbesondere junge Mädchen nicht vor sexuellem Missbrauch geschützt, sondern vielfach sexueller Gewalt ausgesetzt.

Quellen
– Ahmady, Kameel. 2017. “The Nexus between the Temporary Marriage and Early Child Marriages.” 
– Khadijeh Azimi. Tehran University of Medical Sciences | TUMS · Faculty of Nursing and Midwifery. Master of Science Forensic Midwifery.
– Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM)
– UNICEF. n.d. “Girls’ Education: Introduction”.
– WHO. 2016. “Global health estimates 2015: deaths by cause, age, sex, by country and by region, 2000–2015.”

Kinder in Afghanistan

Foto Weltspiegel

TRIGGERWARNUNG: Darstellung von leidenden Kindern.

Die Korrespondentin Silke Diettrich besuchte die Kinderstation im Mirwais Krankenhaus in Kandahar, Afghanistan. Hier werden unterernährte Kinder behandelt – gerade sind 90 Kinder auf der Station, dabei gibt es gerade einmal 30 Betten. Das liegt zum einen daran, dass die Menschen nun nach dem langen Krieg endlich auch aus entfernteren Ecken die Klinik erreichen können. Aber innerhalb des letzten Jahres sind auch viele noch ärmer geworden, unter dem neuen Taliban-Regime haben sie ihre Jobs verloren.

Foto: Weltapiegel

Sie können sich nicht genug zu Essen leisten. Mehr als die Hälfte der Menschen im Land wissen nicht, wann und ob sie eine nächste Mahlzeit haben werden. Mehr als eine Millionen Kinder, so Hilfsorganisationen, seien akut unterernährt. Die Mirwais-Klinik wird derzeit komplett vom Internationalen Roten Kreuz finanziert, die Taliban haben nicht genügend Geld, um das Krankenhaus am Laufen zu halten.

Quelle: Weltspiegel

Foto Weltspiegel
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Kindersoldaten als Akteure der neuen Kriege

Kindersoldat in Nordvietnam Wikilmages, Pixabay, 5. Dezember 2021.
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Eines vorweg, für den Begriff „Kindersoldaten“ gibt es keine international verbindliche Definition. In Artikel 38 der UN Kinderrechtskonvention ist zwar die Altersgrenze von 18 Jahren für die Rekrutierung in Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen festgeschrieben, aber eine Einhaltung jener Resolution gibt es nicht – selbst in Deutschland. Dazu später mehr.

Kinder für den bewaffneten Kampf zu rekrutieren ist kein neues Phänomen. Die Geschichte zeigt, dass es selbst in der Antike bereits Kindersoldaten gab.
UNICEF oder amnesty international, bezeichnen als Kindersoldaten: alle Kämpfer und deren Helfer, die unter 18 Jahre alt sind. Die Cape Towns Principles von 1997 schließen in ihre Definition nicht nur minderjährige Kämpfer, sondern auch Träger, Köche, Informanten und Sexsklavinnen mit ein.

Kindersoldat in den 70er in Afrika Foto Printerest

Als internationales Schutzabkommen zur Verhinderung der Rekrutierung von Minderjährigen trat im Jahr 2002 das UN-Fakultativprotokoll über Kinder in bewaffneten Konflikten als Ergänzung zur UN- Kinderrechtskonvention in Kraft. Von Deutschland wurde es im Jahr 2004 mit einer Klausel zur freiwilligen Aufnahme von 17jährigen ratifiziert. Die Rekrutierung von Minderjährigen unter 15 Jahren gilt nach dem Römisches-Statut  vom 17. Juli 1998  nach dem IStGH ( Internationaler Strafgerichrtshof) in Den Haag als Kriegsverbrechen.

Kindersoldat in Südamerika 2008 Foto Kim Pezz, Pixabay

Präambel von A/CONF.183/9

„Die Vertragsstaaten dieses Statuts –
im Bewusstsein, dass alle Völker durch gemeinsame Bande verbunden sind und ihre Kulturen ein gemeinsames Erbe bilden, und besorgt darüber, dass dieses
zerbrechliche Mosaik jederzeit zerstört werden kann, eingedenk dessen, dass in diesem Jahrhundert Millionen von Kindern, Frauen und Männern Opfer unvorstellbarer Gräueltaten geworden sind, die das Gewissen der Menschheit zutiefst erschüttern, in der Erkenntnis, dass solche schweren Verbrechen den Frieden, die Sicherheit und das Wohl der Welt bedrohen, bekräftigend, dass die schwersten Verbrechen, welche die internationale Gemeinschaft als Ganzes berühren, nicht unbestraft bleiben dürfen und dass ihre wirksame Verfolgung durch Maßnahmen auf einzelstaatlicher Ebene und durch verstärkte internationale Zusammenarbeit gewährleistet werden muss, entschlossen, der Straflosigkeit der Täter ein Ende zu setzen und so zur Verhütung solcher Verbrechen beizutragen, daran erinnernd, dass es die Pflicht eines jeden Staates ist, seine Strafgerichtsbarkeit über die für internationale Verbrechen Verantwortlichen auszuüben,
in Bekräftigung der Ziele und Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen und insbesondere des Grundsatzes, dass alle Staaten jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der UN unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt zu unterlassen haben, in diesem Zusammenhang nachdrücklich darauf hinweisend, dass dieses Statut nicht so auszulegen ist, als ermächtige es einen Vertragsstaat, in einen bewaffneten Konflikt oder in die inneren Angelegenheiten eines Staates einzugreifen…“
Soweit das Präambel der 38-seitigen Resolution.

Robert, Patrick, Child Soldier – National  Patriotic Front – Monrovia, Liberia, 1996. Foto: Printerest

Ein altes Phänomen in neuen Kriegen

Erst seit Anfang 1990 werden diese Misshandlungen an Kinder durch Hilfsorganisationen oder Journalist_innen hin und wieder öffentlich gemacht.
Im 21. Jahrhundert gibt es mindestens 16 Länder in denen Kindersoldaten im täglichen Einsatz sind.
Nach UNICEF Angaben gibt es allein im Südsudan ungefähr 10.000 und der Zentralafrikanischen Republik 17.000 Kindersoldaten, die zwangsrekrutier sind.
Auch in Kolumbien, Mexiko, Uganda, Nigeria, Sudan, Burkina Fasso, Irak und Syrien, Burma oder Afghanistan Kinder greifen nicht freiwillig zu einer Waffe – sie werden gezwungen.

Im Jahr 2015 missbrauchte die Terrorgruppe Boko Haram in Nigeria laut den Vereinten Nationen 21 Mädchen als Selbstmordattentäterinnen. Die VN gehen weiterhin davon aus, dass Boko Haram in Nigeria und den angrenzenden Staaten allein im Jahr 2016 rund 2.000 Kindersoldaten zwangsrekrutiert hat.
Die UN haben auch im Jemen, nach der Eskalation des Konfliktes ab März 2015, einen starken Anstieg der Rekrutierung von Kindersoldaten festgestellt und mindestens 1.500 Fälle dokumentiert.

Darüber hinaus ist bekannt, dass Rebellengruppen, wie die Lord Resistance Army in der Zentralafrikanischen Republik und der Demokratischen Republik Kongo, sowie Terrormilizen, wie Al-Shabaab in Somalia zahlreiche Kindersoldaten für ihre Zwecke missbrauchen.

Junge im Bürgerkrieg in Salvador. Foto: Carlo Bussi, Salvadoren Civil War. Printerest

Die Gründe einer Rekrutierung

Die Armut wird auf der Welt immer größer und folglich steigt der Analphabetismus. Ohne Bildung und Hunger sind Menschen  – insbesondere Kinder sehr leicht zu führen und manipulieren. Milizen, Armee und Terrorgruppen verfügen über Geld, Macht und Lebensmittel. Dies eben durch ihre Gewalt am eigenen Volk oder Ethnischen Minderheiten.

Kindersoldaten werden gezwungen zu töten und zu plündern. Sie werden an die Front geschickt und durch Minenfelder getrieben. Mehr als eine Viertel Million Kinder und Jugendliche werden weltweit als Soldaten missbraucht – sowohl von regulären Armeen wie auch von Rebellengruppen. Darunter sind je nach Konflikt und Land auch fünf bis 20 Prozent Mädchen.

Kinder sind in vielen bewaffneten Kriegsparteien fester Bestandteil der militärischen Infrastruktur. Ihr Alltag ist geprägt durch Gewalt, ihre Erziehung basiert auf bedingungslosem Gehorsam. Kinder sind einfacher zu manipulieren und gehorsamer als Erwachsene.

Diese Kinder werden entführt oder mit falschen Versprechungen und einem geringen Sold gelockt und militärisch gedrillt. Oft werden sie durch Misshandlungen, Drogen oder Geld gefügig gemacht. Mädchen und Jungen werden häufig sexuell missbraucht. Die langfristigen Folgen der Psyche sind katastrophal: Sie werden zu absolutem Gehorsam gezwungen, das Selbstbewusstsein schwindet, sie stumpfen gegenüber Grausamkeiten ab, werden traumatisiert und seelisch schwer verletzt.

Kindersoldat in Kambodscha bei der Roten Khmer. Foto:Sou Vichith, Gamma-Rapho via Getty Images

Was wird gegen den Einsatz von Kindersoldaten unternommen?

In New-York fand vom 8. bis 10. Mai 2002 eine Sonderkommission der
UNO-Generalversammlung zur Lage der Kinder statt. Dabei sollte überprüft werden, ob die beim Weltkindergipfel im Jahr 1990 gesteckten Ziele erreicht worden sind, und wie die Lebensbedingungen für Minderjährige in den nächsten zehn Jahren weiter verbessert werden können. Zum Abschluss der Sondersession wurde ein 21 Punkte umfassendes Dokument mit konkreten Zielen zur Verbesserung der Lage der Kinder und Jugendlichen verabschiedet.

Die UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Mary Robinson, forderte die internationale Gemeinschaft auf, das Zusatzprotokoll nicht nur zu ratifizieren, sondern sich auch aktiv für die Eindämmung dieses Missstandes einzusetzen. Bis bis heute habe lediglich 105 Staaten das Protokoll ratifiziert – die USA gehören nicht dazu.

Foto: Printerest

Verstoß gegen das Völkerrecht

Das humanitäre Völkerrecht ächtet grundsätzlich den Einsatz von Kindersoldaten. In den Zusatzprotokollen I und II der Genfer Konventionen von 1977 wurde festgelegt, dass keine Kinder unter 15 Jahren für den Armeedienst rekrutiert oder bei Kampfhandlungen eingesetzt werden dürfen. Für Minderjährige zwischen 15 und 18 Jahren gelten dagegen Einschränkungen. So sollen zunächst nur die Ältesten zum Militärdienst eingezogen werden.

Die Internationale Arbeitsorganisation der UN definiert mit der Konvention Nummer 182 von 1999 die Zwangsrekrutierung von Kindersoldaten zum Einsatz in bewaffneten Konflikten als eine der schlimmsten Formen von Kinderarbeit.

Das Fakultativprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention über die Rechte von Kindern und ihrer Beteiligung an bewaffneten Konflikten versucht ebenfalls, Kinder zu schützen. So wird die Beteiligung von Minderjährigen (unter 18 Jahren) an Kampfhandlungen und die erzwungene Rekrutierung von Minderjährigen zum Militärdienst untersagt. Das fakultative Kindersoldaten-Protokoll wurde im Jahr 2000 vereinbart und trat im Februar 2002 in Kraft. Das Protokoll wurde bis Ende 2016 von 166 Staaten unterzeichnet. Die Bundesrepublik Deutschland hat es am 13. Dezember 2004 ratifiziert.

Kindersoldat in Äthiopien, 11. November 2015. Foto Didier Ruef, Pixabay

Red Hand Day – eine ständige Erinnerung

Der sogenannte Red Hand Day (zu Deutsch: „Tag der roten Hand“) am 12. Februar ist der jährliche Internationale Tag gegen den Einsatz von Kindersoldaten. Dieser Tag erinnert an das Fakultativprotokoll über die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten, das am 12. Februar 2002 in Kraft trat.

Kindersoldaten in Deutschland

In Deutschland werden jedes Jahr unter 18-jährige Jungen und Mädchen für die Bundeswehr rekrutiert, im Jahr 2018 waren es insgesamt 1.679. Somit verstößt Deutschland gegen eine Resolution die es selbst 2004 unterzeichnet hat.

Quellen:
– bmvg.de
– IStGH Statut A/CONF.183/9
– terres des homes
– UNICEF
– UNTC (United Nations Treaty Collection)

Fotos
– Wikilmages, Pixabay, 5. Dezember 2021.
Pixabay License. Freie kommerzielle Nutzung. Kein Bildnachweis nötig.
– Sou Vichith, Gamma-Rapho via Getty Images
–  Robert, Patrick, Child Soldier – National  Patriotic Front – Monrovia, Liberia, 1996
– Kindersoldat in Äthiopien, 11. November 2015. Foto Didier Ruef
– Kim Pezz, Kindersoldat in Südamerika 2008
– Carlo Bussi, Salvadoren Civil War

Zwangsheirat ist Vergewaltigung auf Lebenszeit

Foto gefunden im www

Weltweit wird jede fünfte minderjährige Frau zwangsverheiratet. Nach Angaben von UNICEF gibt es 650 Millionen Mädchen und Frauen, die in einer Zwangsehen leben. Jährlich werden geschätzte 12 Millionen Mädchen zwangsverheiratet. Die Zahl ist in den letzten Jahren zwar auf 10 Millionen gesunken, trotzdem spricht diese Zahl eine eindeutige Sprache.
In den Zwangsehen ist Perversion sehr weit verbreitet, es gibt keinerlei Aufklärung in der Sexualität. Frauen haben nach der Meinung und Religion von dem Mann keine Rechte und werden dann auch so behandelt. Mädchen und Frauen haben in den muslimischen Ländern nicht die gleiche Stellung wie ein Mann und sind in deren Augen auch nichts wert.
Eine Zwangsheiratung ist Vergewaltigung auf Lebenszeit!
Die Perversion geht über das sexuelle noch weiter. Mädchen und Frauen werden wie Leibeigene behandelt und es ist völlig in Ordnung was der Mann mit „seiner“ Frau macht. Sklavenhaltung in einem Käfig, tägliche Vergewaltigung oder sogar Totschlag ist erlaubt. Hat ein Mann genügend Geld, kauft er sich für ein paar Hundert Euro wieder eine neue Frau.

Mädchen aus Pakistan vor der Hochzeit. Foto gefunden im www

In Afghanistan ist es verboten Mädchen unter 16 Jahren zu verheiraten und trotzdem wird es getan. Oft sind die Mädchen erst 10 Jahre alt!
Viele Männer und Stammesälteste berufen sich bei einer Hochzeit, die gegen alle Menschenrechteverstößt, auf den Koran in dem steht, dass
Mohammed einst eine neun Jährigen geheiratet hat.
Mohammed lebte 571 bis 632 nach Christus. Wenn ich 600 nach Christus annehme, sind es immerhin 1419 Jahre bis zum Dezember 2019. Wer in diesen 1419 Jahren noch nicht begriffen hat, dass sich die Welt weiter gedreht hat, steht etwas weit in der Intelligenz zurück.

Männer mit ihren „Frauen“ Foto gefunden im www

Zwangsehen gibt es nicht nur in der islamischen Welt. Auch in Europa, Afrika, Asien und Lateinamerika sind solche Ehen zu finden. Selbst den deutschen Behörden sind Kinderehen bekannt.


In einer Zwangsehe dürfen Mädchen und Frauen keine Schule mehr besuchen, keine Ausbildung machen und auch sonst nicht am Gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Es ist ein Leben in ständiger Angst und Isolation. Den Mädchen wird alles verwehrt um ein Leben in Würde oder Selbstbestimmung zu führen. Sie sind in der Abhängigkeit von den Mann. Die Mädchen können nie richtig schreiben und lesen lernen und nur ihr bisschen Wissen an ihre Kinder weitergeben. So bleibt folglich auch die Bildung der Familie immer auf dem untersten Stand stehen. Bekommt die Frau ein oder zwei Mädchen, ist deren Leben auch schon vorprogrammiert.

Weltkindertag

Kinder sind all zu oft die Leidtragenden in sinnlosen Kriegen, Ausbeutung und Armut.

Autorin Naike Juchem

Was Kinder erleben müssen, kann man sich in der heilen Welt gar nicht vorstellen.
Von Terroranschläge über Bombenangriff durch Flugzeuge bis hin zu Augenzeugen von Exekutionen.
Es gibt für Millionen von Kinder keine Sicherheit und schon gar keine Traumatherapien. Millionen Kinder müssen ihr ganzes Leben mit Tod, Verstümmelungen, Vergewaltigungen, Gewalt, Hunger und Angst zurechtkommen.

Kaum jemand kümmt sich um verwaiste und traumatisierte Kinder im Jemen, Parkistan, Irak, Iran, Afghanistan, Mexiko, Honduras….
Kaum jemand nimmt diese Kinder in den Arm und tröstet sie.
All dies passiert täglich und es wird kaum wahrgenommen.

Kinderarbeit in der Türkei. Foto: Safe the Children
Foto: Facebook

Kinderrechte jetzt!
So hieß das Motto zum diesjährigen Weltkindertag am 20. September. Dieser Tag ist der Weltkindertag in Deutschland und Österreich.

Die Vereinten Nationen begehen den Weltkindertag am 20. November als Internationalen Tag der Kinderrechte, dem Jahrestag, an dem die UN-Vollversammlung die Kinderrechtskonvention von 1989 verabschiedete; auch diesem Datum haben sich viele Staaten angeschlossen.

Wo sind die Kinderrechte, wenn Kinder aus Angst, Religion oder Ethnische Zugehörigkeit nicht in Schulen gehen können?
Wo sind die Kinderrechte, wenn Kinder täglich von Erwachsenen ausgebeutet werden?

Kinderarbeit in Chile. Foto: UNICEF

99 Jahre Kindertag

Erste Ideen reichen bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts zurück und sind eng mit der Entwicklung der Kinderrechte verbunden. 1902 veröffentlichte die schwedische Reformpädagogin Ellen Key ihr Buch  „Jahrhundert des Kindes“, womit sie den Schutz, die Bedürfnisse und Rechte der Kinder in das Blickfeld einer zunehmend aufgeklärten Öffentlichkeit rückte.

Aufgerüttelt durch das massenhafte Elend der Flüchtlingskinder vor allem in Osteuropa nach dem Ersten Weltkrieg gründete die englische Grundschullehrerin Eglantyne Jebb das britische Komitee „Save the Children“. Überzeugt von der Notwendigkeit, für die Interessen des Kindes einzutreten, entwarf sie ein Fünf-Punkte-Programm, das sie 1923 an den Völkerbund in Genf schickte. Diese Charta – bekannt als Genfer Erklärung – wurde am 24. September 1924 von der Generalversammlung des Völkerbundes verabschiedet. Auch wenn es bei dieser Erklärung vor allem um den Schutz und das Wohl der Kinder ging, enthielt sie mit dem Artikel 5 ein wichtiges Element des sozialistisch geprägten internationalen Kindertages: „Das Kind soll in dem Gedanken erzogen werden, seine besten Kräfte in den Dienst seiner Mitmenschen zu stellen.“ 
Im Zuge dieser und weiterer Entwicklungen führten einige Staaten einen entsprechenden Tag ein. In Deutschland propagierte vor allem die Arbeiterbewegung einen Kindertag. Als 1931 in Wien die 2. Internationale
Arbeiterolympiade stattfand, begannen die Feierlichkeiten am 19. Juli mit einem „Fest des Kindes“ und es wurde ein Internationaler Kindertag ausgerufen. Wegen der politischen Verhältnisse wurde dieser Aktionstag als sozialistische Propaganda angesehen.

Mit der Gründung der UNO am 26. Juni 1945 und der darauffolgenden Auflösung des Völkerbundes 1946 wurde die Genfer Erklärung nicht übernommen und verlor somit ihre völkerrechtliche Grundlage.

Flüchtlingskind aus Myanmar. Foto: privat

Weltkindertag

Als die Geburtsstunde des UN-Weltkindertages gilt der 21. September 1954. An diesem Tag empfahl die 9. Vollversammlung der UNO ihren Mitgliedsstaaten die Einrichtung eines weltweiten Kindertages. So sollte

• der Einsatz für die Rechte der Kinder gefördert werden sowie

• die Freundschaft unter den Kindern und Jugendlichen.

• Außerdem sollten sich die Regierungen einmal im Jahr öffentlich verpflichten, die Arbeit des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen UNICEF zu unterstützen.

Foto: UNICEF

Die Staatengemeinschaft beauftragte UNICEF mit der Ausrichtung dieses weltweiten Tages. Damit griffen die Vereinten Nationen sowohl den Vorschlag auf, den die amerikanische Organisation International Union for Child Welfare unterbreitete, die bereits 1952 für einen weltweiten Kindertag plädierte, als auch trugen sie dem Umstand Rechnung, dass sich in den sozialistischen Staaten schon seit 1950 ein internationaler Kindertag (1. Juni) zu etablieren begann. Die Wahl eines geeigneten Datums wurde jedem UN-Mitglied freigestellt, ebenso der Schwerpunkt und die Art und Weise.

Am 29. November 1959 wurde von der Generalversammlung der UN die „Erklärung der Rechte des Kindes“ – 35 Jahre nach der Genfer Erklärung – einstimmig verabschiedet, aber noch immer nicht völkerrechtlich bindend. 1979 wurde von der UN das gesamte Jahr zum Internationalen Jahr des Kindes erklärt. Im Zuge dessen wurde auf polnische Initiative hin eine Kommission eingesetzt, die eine Kinderrechtskonvention erarbeiten sollte. Weitere zehn Jahre später, 1989, wurde das „Übereinkommen über die Rechte des Kindes“ völkerrechtsverbindlich von der UN-Vollversammlung verabschiedet. Das Datum, der 20. November, wird seitdem von der UN als Internationaler Tag der Kinderrechte gefeiert.

Fotos: Facebook

Wo steht der Weltkindertag im 21.Jahrhundert?

Immer mehr Kriege beherrschen die Welt und somit immer mehr Flucht, Armut, Gewalt und Tod.
Immer mehr zeigt der Kapitalismus seine hässliches Gesicht in Form von Ausbeutung an Menschen – hier vermehrt immer mehr Kinder.
Ob in der Türkei auf den Haselnuss Plantage für den all bekannten Nuss-Nougat-Brotaufstich oder in den Kobalt-Minen im Kongo. Ob in der Prostitution in Thailand, Philippinen oder Malaysia. Ob in den Bergwerken in Chile oder in der Landwirtschaft in Osteuropa.

Überall auf der Welt gibt es Kinderarbeit. Sei es in den Textilfabriken in Kambodscha oder Bangladesch. Kinder müssen in Kriegs und Krisengebieten als Tagelöhner arbeiten, damit die Familien genug zu essen haben.
Kinder werden aus Armut heraus für oft unter 200 Dollar verkauft. Sei es zur Prostitution, zum Betteln, Frühehen oder zum schufften auf Kakao-Plantage.

Es liegt an uns Erwachsenen dies endlich zu ändern und dafür zu sorgen, dass Kinder ihre Rechte auf Freiheit, Bildung und Sicherheit leben und erleben können.


Naike Juchem, 9. Oktober 2021

A/RES/22/2263

A/RES/22/2263
A/RES/67/146
A/61/438, Ziff. 27

Dies sind die Resolutionsnummern der Vereinten Nationen zur Diskriminierung der Frauen und zur Ächtung der Genitalverstümmelung bei Mädchen.
Zwangsehe mit minderjährigen Mädchen

Um nun all meine Wut zu schreiben, würde dieser Artikel ins Endlose gehen. Ich beschränke mich nur auf die Genitalverstümmelung und Zwangsehen bei minderjährigen Mädchen – dies auch nur in Auszügen.

Zu Punkt 1: Genitalverstümmelung

Bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen, in New York, wurde am 20. Dezember 2012 einstimmig die Resolution zur Verstärkung der weltweiten Bemühungen um die Durchführung der weiblichen Genitalverstümmelung beschlossen.
Die UN hat weibliche Genitalverstümmelung weltweit als Menschenrechtsverletzung geächtet und durch zahlreiche internationale Übereinkommen verboten. Dennoch werden jeden Tag bis zu 8.000 Mädchen, zum Teil bereits im Alter von 5 Jahren auf schlimmste Weise verstümmelt. Dies überwiegend in muslimisch geprägten Länder.
Die Genitalverstümmelung von Mädchen ist ein globales Gewaltphänomen mit mindestens 4 Millionen Opfern jedes Jahr. Mittlerweile haben zwar viele Länder, in denen die genitale Verstümmelung von Mädchen verbreitet ist, Strafgesetze erlassen. Dennoch müssen derzeit über 264 Millionen Mädchen und Frauen in afrikanischen, arabischen und asiatischen Ländern mit den schwerwiegenden Folgen weiterleben. Weltweit jede 20. Frau wurde Opfer dieser barbarischen „Tradition“ und leidet unter dieser seelischen Vergewaltigung.
In manchen Ländern ist nahezu die gesamte weibliche Bevölkerung betroffen, wie etwa in Ägypten, Guinea und Somalia.
Diese systematische Gewalt gegen die weibliche Bevölkerung ist in etwa 28 afrikanischen Ländern verbreitet und tritt verstärkt sowohl im Nahen Osten als auch in Asien und Zentralasien auf.

Die von Unicef herausgegebenen Verbreitungszahlen führen außer den afrikanischen Ländern nur auch den Irak und Jemen an. Allerdings hat Unicef im Februar 2016 die Opferzahlen nach oben korrigiert, da die Verbreitung in Indonesien und Malaysia mit mindestens 50 Millionen Betroffenen repräsentativ belegt ist. Studien unter anderem aus dem Iran, Oman, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Pakistan zeigen das wahre geographische Ausmaß. Es bleibt abzuwarten, ob die wichtige Feldforschung in diesen Ländern den Weg in die offizielle Verbreitungsstatistik finden wird.
Da in letzter Zeit vermehrt die Arbeit von Menschenrechtsorganidationen in vielen afrikanischen und asiatischen Ländern massiv behindert und blockiert wird, können die Organisationen oft nur auf Fallzahlen zurückgreifen.

FGM auf dem Weg nach Europa

Durch Migration tritt die Genitalverstümmelung auch immer mehr in den USA, Australien und Europa in Erscheinung. Recherchen von UNICEF und der Waris Dirie Foundation haben ergeben, dass in Europa mindestens 500.000 betroffene Frauen und Mädchen leben und circa 180.000 minderjährige Mädchen als akut gefährdet eingestuft werden.
Allein in Deutschland sind nach Schätzung etwa 81.000 Mädchen von dieser besonders schweren Form der Gewalt bedroht oder bereits betroffen.
Die Gewalt macht also keineswegs vor europäischen Rechtsstaaten Halt. Um in Deutschland Mädchen umfassend vor der Verstümmelung ihrer Genitalien schützen zu können, sollten effektive präventions Maßnahmen, wie die Einführung einer Meldepflicht nach französichem Vorbild mit verpflichtende Kindervorsorgeuntersuchungen, schnellstmöglich greifen. Ein Gesetz mit der Strafbarkeit zur Genitalverstümmelung gibt es in Deutschland bereits seit September 2013. Dort wird die Verstümmelung weiblicher Genitalien als Straftatbestand gemäß § 226 a Strafgesetzbuch (StGB) eingestuft und kann mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft werden.

Auch in Österreich zählt die Genitalverstümmelung als Tatbestand einer schweren Körperverletzung nach
§ 84 Abs. 1 StGB, unter bestimmten Voraussetzungen, etwa wenn die Tat ein schweres
Leiden zur Folge hat, sogar den Tatbestand einer Körperverletzung mit schweren
Dauerfolgen nach § 85 StGB, und ist als solche strafrechtlich zu ahnden.

So in etwa lautet jedes Gesetz in den Mitgliedstaaten der EU.
Unter der Resolutionsnummer: COM/2013/0833 final, kann man auch den Handlungsbedarf zur FGM in der Europäischen Union nachlesen.

Eine Auflistung von FGM Fälle in den EU-Mitgliedstaaten.

Land, Jahr der Erhebung, Zahl der Frauen mit Genitalverstümmelung, Zahl der in Bezug auf Genitalverstümmelung gefährdeten Mädchen und die Zahl der Strafsachen.

Belgien: 2011. Frauen mit FGM: 260 und die Zahl der gefährdeten Mädchen: 975.
Dänemark: Keine Daten verfügbar lediglich ein Straftatbestand.
Deutschland: 2007. Frauen mit FGM:19 000 und 4 000 gefährdete Mädchen.
Irland: 2011. Frauen mit FGM: 3170. Keine weiteren Daten verfügbar.
Spanien: Keine Daten verfügbar. Dafür sechs Strafbestände.
Frankreich: 2007. Frauen mit FGM: 61 000. Bei den Mädchen keine Daten verfügbar. Dafür 29 Fälle von Straftatbestände.
Italien: 2009. Frauen mit FGM:35000. Gefährdete Mädchen circa 1 000 und 2 Fälle von Strafbarkeit.
Ungarn: 2012. 170 – 350 Frauen mit FGM und sonst keine Daten verfügbar.
Niederlande: 2013. Frauen mit FGM: 29 210 und  40 – 50g efährdete Mädchen jedes Jahr. Eine Strafbarkeit ist bekannt.
Schweden: Keine Daten verfügbar, dafür 2 Strafbestände.
Im Vereinigten Königreich lag 2007 die Zahl der Frauen mit FGM bei 65 790. Die unglaubliche Zahl von 30 000 gefährdeten Mädchen ist erschreckend hoch.

Nun eine Auflistung der Länder in denen die Genitalverstümmelung praktiziert wird. Die Angaben sind in Prozent der Frauenanteile in den jeweiligen Ländern.

Ägypten: 87%
Äthiopien: 65%
Benin: 9%
Burkina Faso: 76%
Côte d’Ivoire: 37%
Dschibuti: 93%
Eritrea: 83%
Gambia: 75%
Ghana: 4%
Guinea: 97%
Guinea-Bissau: 45%
Indonesien: 49%
Irak: 8%
Jemen:19%
Kamerun: 1%
Kenia: 21%
Liberia: 44%
Mali: 83%
Mauretanien: 67%
Niger: 2%
Nigeria: 18%
Senegal: 23%
Sierra Leone: 86%
Somalia: 98%
Sudan: 87%
Tansania:10%
Togo: 8%
Tschad: 38%
Uganda: 1%
Zentralafrikanische Republik:24%

Foto: Google

Punkt 2: Frühehen

Zwangsehen mit minderjährigen Mädchen oder der Menschen als Wegwerfartikel.

Um eines gleich vorweg zu nehmen, mir ist durchaus bewusst das es auch Zwangsehen mit Jungen gibt. Diese sind in der weltweiten Statistik mit unter 1% angeführt.

In den meisten Ländern gilt man zwar erst ab 18 Jahren als „ehemündig“, aber in vielen Ländern gibt es eine Reihe von Ausnahmen, wenn zum Beispiel die Eltern oder ein Gericht zustimmen. Das ist problematisch, da es häufig die Eltern sind, die die Ehe arrangiert haben. In einigen Ländern gibt es außerdem ein unterschiedliches Mindest-Heiratsalter für Mädchen und für Jungen. Wie so oft ist außerdem die Frage, ob auf dem Papier bestehende Gesetze auch wirksam durchgesetzt werden. Gesetze gegen Kinderehen sind also wichtig, aber nur ein Element von vielen zur nachhaltigen Bekämpfung von Kinderehen.

Lückenhafte Gesetze zum Schutz vor Kinderehen gibt es übrigens nicht nur in Ländern des globalen Südens: In einigen US-Bundesstaaten sind beispielsweise Kinderehen in Ausnahmen erlaubt. Auch in Deutschland war bis vor kurzem eine Heirat ab 16 möglich, wenn das Familiengericht zustimmte – diese Regelung wurde erst 2017 geändert und auf 18 Jahre erhöht.

Was nun folgt ist die brutale Realität in der ein Mädchenleben nichts wert ist und in der Frauen keine Rechte haben, wie ich es an der Situation von Pakistan zeigen werde. Ich verzichte bewusst auf Fotos von verbrannten und getöteten Kinder.

In Pakistan dürfen Männer minderjährige Mädchen heiraten, sobald sie ihre erste Periode hatten. Dies hat ein Gericht im Februar 2020 in der Stadt Sindh entschieden und verstößt damit gegen das Verbot von Kinderehen, welches die Vereinten Nationen in der Resolution 61/144 Verabschiedet auf der 81. Plenarsitzung am 19. Dezember 2006 verabschiedet hat.
Das Gericht in Pakistan hat auf Grundlage der Scharia entschieden. Die Scharia ist das islamische Recht, dass sich auf die Lehren des Korans bezieht. Da die Scharia im Islam die Ordnung Gottes repräsentiert, steht sie für strenggläubige Muslime über dem Gesetz.
Der Rechtsspruch wurde durch das Höchste Gericht in Sindh, einer der vier pakistanischen Provinzen, am 3. Februar 2020 verkündet. Er war das Ergebnis einer Klage, bei der ein 14-Jähriges katholisches Mädchen zur Konvertierung zum Islam und anschließender Kinderehe gezwungen wurde.
Diese Urteil verstößt gegen geltendes Völkerrecht.

Um zu beweisen, dass die Eheschließung ungültig und illegal war, zeigten die Eltern des Mädchens die Taufurkunde und eine Schulbescheinigung bei der Anhörung vor. Beide Beweise bestätigten, dass ihre Tochter zum Zeitpunkt der Ehe noch minderjährig war. Die Familie berief sich in ihrer Klage auf das Verbot von Kinderehen, dass das Höchste Gericht in Sindh 2014 verabschiedet hatte. Entgegen dieser Rechtslage entschieden die Richter, dass die Eheschließung zwischen dem Mädchen und ihrem Mann nach der Scharia rechtsgültig sei, da das junge Mädchen ihre erste Periode bereits hatte.

Wie Frauenverachtend das patriarchalischen Denken am Beispiel Pakistans ist, zeigt der nachfolgende Text.


Ein sechsjähriges Mädchen wurde vergewaltigt, gefoltert und mit einem Stein zu Tode geprügelt, bevor man ihren Körper im Müll fand. Ein 5-jähriges Mädchen in Südpakistan wurde vergewaltigt, auf den Kopf geschlagen und in Brand gesteckt. Eine Frau im Osten des Landes wurde aus ihrem Auto gezerrt und auf der Straße vor ihren Kindern sexuell missbraucht.
Wie in Indien werden auch in Pakistan Neugeborene auf Müllhalden entsorgt oder verkauft, weil sie Mädchen sind. Sie sind ungewollt, überflüssig – Müll eben. Oft werden sie direkt nach der Geburt von den Hebammen in einem Müllsack entsorgt.
Mädchen werden täglich brutal vergewaltigt und anschließend umgebracht und einfach auf einer Müllhalde weggeworfen. Wenn Opfer überleben werden diese oft wie Kriminelle behandelt oder für die sexuellen Angriffe verantwortlich gemacht.

Ein weiter Bericht zeigt, dass Mädchen und Frauen in Pakistan keinen Wert darstellen. So eurde ein 16-jähriges Mädchen lebendig verbrannt, weil sie einen Heiratsantrag abgelehnt hatte.

In Pakistan gibt es jedes Jahr Tausende Fälle von Gewalt gegen Frauen, von Vergewaltigungen und Säureangriffen. Das gezielte abtreiben weiblicher Föten, das Töten und Aussetzen geht täglich bis zum Ehrenmord.

Hunderte von Kindern werden in Pakistan jährlich ausgesetzt. Andere werden gleich getötet und entsorgt. Viele sind das Ergebnis einer Vergewaltigung, manchmal vom eigenen Ehemann oder dessen Familienangehörigen. Die Kinder dürfen nicht leben, weil sie unehelich sind, weil sie daran erinnern, wie sie gezeugt wurden, weil sie ein lebender Beweis wären. Niemand will sie haben.

Die pakistanischen Medien veröffentlichen regelmäßig Berichte über die brutale Vergewaltigung und Ermordung von Mädchen und Frauen.
Immer wieder kommt es in Pakistan zu Protesten, wie im Falle der Entführung, Vergewaltigung und Ermordung eines 10-jährigen Mädchens aus Islamabad. Nachdem sich das Mädchen in einem Park verirrt hatte, in dem sie spielen ging, wurde die Leiche gefunden und das Foto ihres Körpers, das in den sozialen Medien verbreitet wurde, zeigte Anzeichen von Folter. Obwohl die pakistanischen Gesetze die Rechte und Freiheiten von Frauen unterstützen, werden sie nicht umgesetzt. Als sich die Familie an die Polizei wandte, um den Fall ihrer Entführung zu melden, spielte die Polizei die Vermisstenanzeige herunter, dass 10-jährige Mädchen sei nur davongelaufen. Nach der Untersuchung des Leichnam wurde bei dem Mädchen inneren Blutungen durch Vergewaltigung festgestellt. Daraufhin verhaftete die Polizei einen nahen Verwandten von dem Mädchen und auch drei Polizeibeamte. Den Polizeibeamten konnte Fahrlässigkeit nachgewiesen werden, aber auch nur, weil Menschen nach dem Mord an dem Mädchen auf die Straße gingen.

Laut der pakistanischen Kinderschutzorganisation Sahil wurden in den ersten sechs Monaten des Jahres 2020 durchschnittlich mehr als acht Kinder täglich sexuell missbraucht. In seinem im September 2020 veröffentlichten sechsmonatigen Bericht „Cruel Number“ berichtete Sahil, dass allein bis Juni dieses Jahres 497 Kinder sexuell missbraucht wurden. Laut Sahil wurden 38 Kinder getötet, nachdem sie sexuell missbraucht worden waren.

Im August 2020 sorgte ein Mord an einem sechsjährigen Mädchen in für Empörung. Sie wurde vergewaltigt, gefoltert und mit einem Stein zu Tode geprügelt, bevor ihr Körper in einen Sack gesteckt wurde.

Ein 5-jähriges Mädchen in Südpakistan wurde vergewaltigt, auf den Kopf geschlagen und in Brand gesteckt. Das Mädchen wurde am 04. September 2020 entführt, nachdem es in einem Geschäft in der südlichen Hafenstadt Karachi Kekse gekauft hatte, teilte die Polizei mit. Ihre Leiche wurde zwei Tage später gefunden und eine Autopsie ergab, dass sie sexuell angegriffen worden war. Die Polizei hat in dem Fall mehr als 20 Verdächtige festgenommen.

Studien zur Gewalt gegen Frauen schätzen, dass alle zwei Stunden eine Frau in Pakistan vergewaltigt wird. Etwa 70 bis 90 Prozent der Frauen leiden unter häuslicher Gewalt. Nur 5 Prozent der missbrauchenden Ehemänner und Familienmitglieder werden überhaupt verurteilt. Oft werden die Opfer auch von ihren eigenen Familienangehörigen gezwungen zu schweigen oder sie werden bestraft.

Eine Frau wandte sich an ihren Schwiegervater, als ihr Ehemann sie schlug, aber dieser befahl stattdessen, sie zu verbrennen, nachdem ihr Ehemann sie beschuldigt hatte, weniger als 35 Dollar aus seiner Brieftasche gestohlen zu haben. Ihr Mann und ihr Schwager übergossen sie mit Öl und zündeten sie lebendig an.
Allein in den letzten acht Jahren wurden in Islamabad viertausend Frauen von ihren Familienmitgliedern in Brand gesteckt und weniger als 4 Prozent überlebten. Die Mehrheit der Opfer war zwischen achtzehn und fünfunddreißig Jahre alt und ungefähr 30 Prozent waren schwanger.

Auch werden Mädchen und Frauen unter dem bloßen Vorwurf getötet, „illegale“ sexuelle Beziehungen eingegangen zu sein. Sie erhalten nie die Gelegenheit, ihre Version der Behauptung zu geben, da dies keinen Sinn macht – die Behauptung allein reicht aus, um die Ehre eines Mannes zu beschmutzen, und sie reicht daher aus, um die Ermordung der Frau zu rechtfertigen.

Nach dem Gesetz, das das Parlament im März 2020  verabschiedet hat, kann jeder, der ein Minderjährigi entführt, vergewaltigt oder ermordet, mit lebenslanger Haft oder Todesstrafe rechnen. Aber bisher sei niemand nach den Gesetzen strafrechtlich verfolgt worden.

Naike Juchem, 1. Oktober 2020

Quellen:
Afghan Women’s Network, Global Citizen, Terres des hommes, UNICEF, WHO.

Die Hilfsorganisationen Mercy Ships

Foto: mercyships.org

Ärzte ohne Grenzen, Care, Plan, Word Vision kennen viele. Heute möchte ich eine Hilfsorganisationen vorstellen, die es bereits seit 43 Jahren gibt und kaum in der Weltöffentlichkeit auffällt.

Die NGO Mercy Ships ist mit ihren Hospitalschiffen auf der ganzen Welt unterwegs, um Hoffnung und Heilung zu den Ärmsten der Armen zu bringen.

Schätzungsweise 5 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu sicheren, erschwinglichen und rechtzeitigen chirurgischen Eingriffen, und 93 Prozent von ihnen leben in Afrika südlich der Sahara.

Die Geschichte beginnt mit einem Hurrikan

Man könnte tatsächlich einen Hurrikan als die Geburtsstunde von Mercy Ships nennen. 1964 verwüstete Hurrikan Cleo die Bahamas. In Nassau erlebte diesen Hurrikan der damals 18-jährige Don Stephens aus Colorado aus nächster Nähe. Mit einer Jugendgruppe des christlichen Missionswerks „Jugend mit einer Mission“ war er dort bei einem Sommereinsatz, als das Unwetter die ganze Gruppe unversehens um ihr Leben fürchten ließ. Eines der anwesenden Mädchen sagte: „Wäre es nicht wunderbar, wenn es ein Schiff mit Ärzten und Krankenschwestern gäbe, das nach einer solchen Katastrophe kommen würde, um zu helfen?” 
Der Hurrikan ebbte nach einiger Zeit wieder ab, aber Don konnte diese Frage nie vergessen.

Mutter Teresa gab den Anstoß für die Gründung

In den Siebzigern lebte Don mit seiner Frau Deyon als Mitarbeiter von „Jugend mit einer Mission“ in Lausanne, in der Schweiz. Nach zwei gesunden Kindern wurde 1976 ihr schwerstbehinderter Sohn John Paul geboren, der sowohl autistisch als auch körperlich und geistig behindert ist.
Dieses Ereignis erschütterte Don, es warf schwierige Fragen auf, und so nahm er ein Jahr später die von einem Bekannten vermittelte Einladung an, Mutter Teresa in Kalkutta zu besuchen. Überwältigt von dem Elend in der Millionenstadt, faszinierte ihn die berühmte Ordensleiterin, die ihrer Schwesternschaft einprägte, sich auf jeden Einzelnen zu fokussieren, als wäre er der einzige Mensch auf der Welt, der ihre Aufmerksamkeit und Fürsorge erhalten würde. 

Mutter Teresa half ihm, die Vision für sein Leben klarer herauszufeilen und sagte ihm: „Dein Sohn wird dir auf deinem Weg helfen, die Augen, die Ohren, der Mund und die Hände für die Armen zu werden.“

Zutiefst beeindruckt von dieser Begegnung verließ Don Stephens Kalkutta, entschlossen, seinen alten Traum von einem Hospitalschiff endlich Wirklichkeit werden zu lassen: „Die Vision konkreter Barmherzigkeit, die Idee eines Schiffes, die Vorstellung, auf diese Weise den Ärmsten der Armen moderne medizinische Versorgung anbieten zu können, das war zunehmend das, worüber ich nachdenken, reden, beten und träumen konnte.“

Und dies bewegte ihn auch, als er wieder zurück in Lausanne mit einem Schweizer Unternehmerehepaar zu Abend aß.
Henri und Francoise André hörten ihm eine Weile lang zu, dann schlug Henri vor: „Warum kommst du nicht mal in unser Büro? Ich stelle dir unseren Verantwortlichen für die technische Seite unserer Reederei vor.“
Don war perplex. Er hatte gar nicht gewusst, dass seine Gastgeber auch im Reedereigeschäft tätig waren.
Das Ehepaar André halfen ihm, ein Schiff zu finden und unterstützten ihn bei der Finanzierung. Am 5. Oktober 1978 wurde der Kaufvertrag für das 159 Meter lange italienische Passagierschiff „Victoria „
unterzeichnet, das sie später in 
Anastasis“ umbenannten. Dieses Schiff sollte das erste Mercy Ships Hospitalschiff werden.

Mercy Ships Deutschland

Seit der Gründung von Mercy Ships Deutschland haben Menschen aus dem ganzen Land die Hospitalschiffe mit über 25 Millionen Euro unterstützt und über 1000 mal selbst ehrenamtlich mitgearbeitet. 

Begonnen hat es, man kann es sich vorstellen, nicht am Rand der Alpen. Anfang der 90er Jahre legte das damalige Hospitalschiff von Mercy Ships, die MS Anastasis, regelmäßig in deutschen Häfen an. Der Amerikaner Don Stephens hatte die Hilfsorganisation 1978 gegründet und suchte auch hierzulande nach Unterstützern.

Wolfgang Groß hatte ungefähr zur selben Zeit seine eigene Hilfsorganisation, Humedica, gegründet. Er hörte von Stephens Projekt und besuchte die Anastasis. Humedica half Mercy Ships in der Folge bei der Versorgung mit medizinischen Hilfsgütern. 1995 wurde Groß dann erster Vorsitzender des neu gegründeten Mercy Ships Deutschland e.V. In Kaufbeuren, dem Sitz des Vereins, liefen die logistischen Fäden zusammen.

Foto: mercyships.org

Eine dramatische Lage für Millionen von Menschen

Laut dem Bericht der Lancet-Kommission „Weltweite Chirurgie 2030“ sterben jedes Jahr 16,9 Millionen Menschen, weil sie keine chirurgische Versorgung erhalten. Darüber hinaus haben mehr als 93% der in Subsahara-Afrika lebenden Bevölkerung keinen Zugang zu zuverlässigen chirurgischen Eingriffen.

Da die COVID-19-Krise die Stabilität der ohnehin schon fragilen Gesundheitssysteme weltweit bedroht, gewinnt die Notwendigkeit einer lebensrettenden, schnellen und zugänglichen chirurgischen Versorgung eine entscheidende Dimension, vor allem in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. 

Seit 1990 hat Mercy Ships mehr als 30 humanitäre Einsätze in 14 afrikanischen Ländern durchgeführt und dabei über 105 000 kostenlose chirurgische Eingriffe vorgenommen, über 49 000 einheimische Gesundheitsfachkräfte ausgebildet, über 100 Gesundheitseinrichtungen renoviert und über 1000 Gemeindeprojekte umgesetzt. Mit über 1.740.000.000 US-Dollar wurden in den letzten Jahren Hilfsleistungen erbracht.  Mehr als 1.100 landwirtschaftlichen und infrastrukturellen Entwicklungsprojekten, einschließlich Bau oder Renovierung von medizinischen und zahnmedizinischen Kliniken wurden voran gebracht.

Foto: mercyships.org
Foto: mercyships.org

Engel aus See

Zu den allgemeinen Operationen von Mercy Ships gehören  auch die Behandlungen von Tumoren, Verbrennungen, Sehstörungen, Frauenkrankheiten und orthopädischen Erkrankungen bei Kindern.

Die „Global Mercy“ ist für viele afrikanischen Ländern eine sichere medizinische Plattform, indem sie die Unterstützung und die Ressourcen von Gesundheitsteams bereitstellt, die zu den qualifiziertesten der Welt gehören. 

Neben sechs Operationssälen ist die „Global Mercy“ mit technischen Schulungsräumen ausgestattet, darunter ein Simulationslabor mit virtueller Realität und ein simulierter postoperativer Pflegebereich, die es den Schulungsleitern ermöglichen werden, Praktiken zu vermitteln, die für ressourcenarme Umgebungen geeignet sind.

Eine Organisation mit Hand und Fuß

Mercy Ships hat in 56 Entwicklungsländern lebensverändernde und lebensrettende medizinische Hilfe geleistet. Aber das ist nur ein Teil ihres Engagements im Kampf gegen die globale Operationskrise. Mercy Ships arbeitet einen Fünfjahresplan aus, um die Bedürfnisse jedes Landes vor, während und nach dem zehnmonatigen Aufenthalt des Krankenhausschiffs im Hafen zu erfüllen und eine nachhaltige Wirkung zu erzielen.

Naike Juchem, 5. Dezember 2021

Quelle:
– mercyships.org
-Reality Report Network