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Das Katz und Mausspiel in Nahost

Es ist zwischen Israel und Palästina nicht immer so einfach zu sagen, wer die Katz und Maus ist, den im israelisch-palästinensischen Konflikt wirken mehrere Konfliktdimensionen zusammen und verstärken sich gegenseitig. Dies ist ein wesentlicher Grund, warum er so schwer zu lösen ist. Es gibt kein Gut und Böse – in einem Konflikt oder Krieg sind ALLE Parteien Böse.

Die Nahostexpertin Dr. Muriel Asseburg beschreibt es folgend:
Der Nahostkonflikt hat eine neue Eskalationsstufe erreicht. Am 7. Oktober 2023 hat die radikalislamische Terrorgruppe Hamas vom Gazastreifen aus Israel mit Raketen beschossen. Dabei wurden fast 1.500 Menschen getötet und rund 3.000 verletzt (Stand 19.10.2023). Der Terror der Hamas richtete sich mit Massakern insbesondere und gezielt gegen die israelische Zivilbevölkerung. Zudem verschleppte die Hamas mehr als 200 Menschen als Geiseln. Der Terror der Hamas bedeutet den Beginn eines weiteren Krieges im Nahen Osten. Israel hat als Reaktion auf die Terrorattacke eine massive Militäroperation gegen den von der Hamas kontrollierten Gazastreifen begonnen. Die Folgen des Terrors der Hamas für Israel, für die palästinensische Zivilbevölkerung, unter der es bereits Tausende Tote gibt, sowie für den Nahen Osten insgesamt sind noch nicht absehbar.

Punkt 1: Territorialkonflikt

Es handelt sich erstens um einen Territorialkonflikt. Von den Konfliktparteien wird Anspruch auf dasselbe Territorium erhoben, nämlich das Gebiet des ehemaligen britischen Mandatsgebiets Palästinas, das heute Israel und die besetzten palästinensischen Gebiete (Westjordanland, Ost-Jerusalem und Gazastreifen*) umfasst. Der Streit über den Verlauf von Grenzen und die entsprechende Gebietshoheit ist dabei von herausgehobener Bedeutung. Verbunden ist er mit einem Konflikt um Ressourcen, also um die Zuteilung und Nutzung von Wasser, fruchtbarem Land, Steinbrüchen und Gasvorkommen im Mittelmeer.

*Im Gazastreifen leben im Gegensatz zum Westjordanland und Ost-Jerusalem keine Israelis, sondern beinahe ausschließlich Palästinenser. Weder der israelische Staat noch das israelische Militär sind in Friedenszeiten im Gazastreifen präsent. (Anmerkung der LpB-Internetredaktion)

Punkt 2: Ethno-nationalistischer Konflikt

Es handelt sich zweitens um einen ethno-nationalistischen Konflikt. Zwei unterschiedliche Bevölkerungsgruppen verfolgen mit dem politischen Zionismus und dem palästinensischen Nationalismus konkurrierende nationale Bestrebungen. Während die Jüdinnen und Juden ihr Anliegen bereits 1948 mit der Ausrufung des Staates Israel verwirklichten, steht die nationale Selbstbestimmung der Palästinenser nach wie vor aus. Denn trotz (wiederholter) Ausrufung eines palästinensischen Staates und seiner Anerkennung durch rund 140 Staaten weltweit mangelt es den Palästinensern an effektiver Kontrolle und anerkannter Souveränität über ein Staatsgebiet.

Kompliziert wird die Situation zusätzlich dadurch, dass der Konflikt sich nicht nur auf das Verhältnis zwischen Israel und die palästinensischen Gebiete bezieht, sondern in Israel auch eine innenpolitische Komponente hat. Denn dort lebt eine indigene, palästinensische Minderheit, die rund 20 Prozent der Bevölkerung ausmacht.

Punkt 3: Religiöse Dimension

Der Konflikt hat zudem, drittens, eine religiöse Dimension: Nicht nur betonen Juden und Palästinenser, dass sie seit Jahrtausenden im Heiligen Land ansässig sind. Die Konfliktparteien untermauern ihre Ansprüche auch religiös, also durch den Verweis auf göttliche Versprechen für ihr Volk.

So nutzt die israelische Rechte die biblischen Begriffe „Judäa und Samaria“ für das Westjordanland, um den jüdischen Anspruch auf das Land zu untermauern. Die palästinensische Hamas beschreibt in ihrer Charta das historische Palästina als „Waqf“, also eine den Muslimen von Gott treuhänderisch anvertraute (und damit unveräußerliche) religiöse Stiftung.

Die religiöse Aufladung hat in den letzten Jahren vor allem in der Konfrontation zwischen Juden und Muslimen zugenommen. Dies zeigt sich immer wieder auch in gewaltsamen Auseinandersetzungen um den Tempelberg / Haram al-Scharif in Jerusalem als wichtiger historischer Stätte des Judentums und drittwichtigster Kultstätte des Islam. Radikale jüdische Siedler:innen streben an, dort den dritten Tempel zu errichten und torpedieren immer wieder den Status quo, der – um den Frieden zu wahren – regelt, dass Vertreter aller Religionen das Plateau betreten, aber nur Muslime dort beten dürfen.

Punkt 4: Regionale Dimension

Viertens hat der Konflikt eine regionale Dimension. Denn er ist eingebettet in den israelisch-arabischen Konflikt. Die arabischen Staaten lehnten die Entstehung des „zionistischen Gebildes“ in Palästina zunächst ab und verwehrten ihm die Anerkennung. Erst 1979 trat ein erstes Friedensabkommen Israels mit Ägypten in Kraft, 1994 dann ein zweites Friedensabkommen mit Jordanien.

Im Zuge des in Oslo 1993 zwischen Israel und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) eingeleiteten Friedensprozessesentspannten sich auch Israels Beziehungen zu anderen arabischen Staaten. Sie blieben aber volatil und vom israelisch-palästinensischen Verhältnis abhängig.

2002 legte die Arabische Liga die sogenannte Arabische Friedensinitiative vor: also das Angebot normaler Beziehungen an Israel, wenn Israel die Besatzung beende und einen palästinensischen Staat zulasse.

Mit den von den USA vermittelten Abraham-Abkommen von 2020 gingen vier arabische Staaten noch einen Schritt weiter: Obwohl der israelisch-palästinensische Friedensprozess seit langem stagnierte, einigten sich die Vereinigte Arabische Emirate, Bahrain, Marokko und Sudan mit Israel auf eine gegenseitige Anerkennung und den Ausbau der Beziehungen. Gleichzeitig gibt es nach wie vor in vielen arabischen und muslimischen Ländern eine hohe Solidarität der Bevölkerung mit den Palästinenser:innen.

Nicht zuletzt ist die Regelung von Konfliktfragen, wie die der Flüchtlinge oder des Umgangs mit Wasserressourcen, nur auf der regionalen Ebene möglich.

Fazit von Naike Juchem

Die Weltgemeinschaft hatte mit der Gründung des Staates Israel einem fatalen Fehler gemacht, der sich bis heute auswirkt – und wohl ewig zu Konflikten führen wird. Man unterstützt seit Jahren Israel in Infrastruktur, Forschung und Wissenschaft, während in Palästina noch nicht einmal überall fließendes Trinkwasser vorhanden ist. Das dies zu einem Hass und Unmut gegen Israel führt, ist eigentlich klar.
Auch ist die massive Siedlungspolitik seitens Israel ein ständiger Konfliktpunkt, welcher noch mehr Wut auf der Seite der Palästinenser hervorbringt.

In diesem Kessel von Ungleichheit kann man als Weltgemeinschaft nicht des einen Freund und des anderen Feind sein. Wenn man endlich den Palästinenser die gleiche Rechten und auch Infrastruktur gibt, könnte es schon mal einen Anfang für Frieden sein.
Der Weltsicherheitsrat muss beide Konfliktparteien an einen Tisch bringen, und gemeinsam nach Lösungen suchen. Wenn man in Palästina eine vernünftige Wirtschaft aufbaut, hätten die Menschen auch eine Perspektive für ihr Leben.
Ferner muss auch der gegenseitige Hass abgebaut werden. Es kann doch nicht sein, wenn man bereits in israelischen Kindergärten sagt, wer der Feind ist.
Die Menschen in Palästina wollen genauso den Frieden wie die Menschen in Israel.
Wenn israelische Soldaten und Polizisten mit Gewalt gegen unbewaffnete palästinensische Kinder vorgeht, ist eine Grenze der Menschenrechte schon weit überschritten.

Naike Juchem, 13. Februar 2024

Quelle: Der Beitrag beruht auf Dr. Muriel Asseburg/Jan Busse: Der Nahostkonflikt. Geschichte, Positionen, Perspektiven, 4. Aufl., München 2021 sowie Muriel Asseburg: Palästina und die Palästinenser. Eine Geschichte von der Nakba bis zur Gegenwart, 2. Aufl., München 2022.

Fotos: Hanita-Carolin Hendelman