Archiv der Kategorie: Kambodscha

Die Geburtshelfer

Die Geburtshelfer. Auszug aus Kapitel 41

Mit Pepsi, Eiskaffe und Krabbenchips lagen sie am „Europa Platz“ auf dem Boden der Holzhütten. Patricia erzählte ihrer Familie von den Anfängen in Kampang Rou und woher der „Europa Platz“ seinen Namen hat. Annabell, Maurice und Claude hörten ihr aufmerksam und gebannt zu
Hannes hatte seine Augen geschlossen und dachte an die wahrlich turbulente Zeit. Sylvie grinste hin und wieder, denn sie kannte vieles schon von Patricia oder Hannes. Sylvie lag in der Holzhütte, wo Clodette, Hannes und Franziska auf Strohmatten lagen. Sylvie setzte sich wie von einer Tarantel gestochen auf und schlug Hannes gegen den Oberarm „Hast du dies eben auch gehört?“ Hannes nickte „Ja, eine Kuh hat gemuht.“ Sylvie schüttelte den Kopf „Nein! Sie hat geschrien.“ Hannes setzte sich auf und lauschte. Er hörte nichts. „Jetzt. Hörst du?“ Frage Sylvie nach einiger Zeit und sah ihn an. „Ja. Komm, wir gehen schauen was los ist.“ Im nächste Moment war es kein muhen mehr, sondern ein brüllen. Sylvie rannte zum Ausgang vom „Europa Platz“, um an die Weide zu kommen. Hannes rannte ihr hinterher. Als er bei Kannitha um die Ecke lief, sah er, dass die anderen ihnen folgten. An der Kreuzung zur Weide hatte Hannes Sylvie eingeholt und beide rannten die 200 Meter die Piste hoch zur Weide. Eine Kuh schrie fürchterlich und Hannes dachte an einen Unfall.

Er riss das Gatter zur Weide auf und sah oberhalb vom Stall an dem zweiten Baum eine Kuh stehen, die fürchterliche Schmerzen haben musste.
„Die Kuh hält ihren Schwanz waagerecht, Hannes, sie kalbt. Dies ist ein sicheres Zeichen für den Beginn der Geburt. Irgendetwas stimmt nicht, sonst würde die Kuh nicht so schreien.“
Sylvie lief auf die Kuh zu und wenige Meter vor der Kuh ging sie langsam und redete ruhig. Sie gab mit ihrer rechten Hand Zeichen, dass Hannes sich ruhig bewegen sollte. „Schnelle Bewegungen sind in dieser Phase Stress für die Kühe. Geh langsam und rede ruhig mit ihr. Hannes sagte der Kuh auf khmer, dass alles gut sei, sie ruhig bleiben sollte und sie Hilfe bekommen würde. „Stell dich vor sie. Sie kennt dich. Sie soll dich sehen. Rede weiter.“ Hannes tat was Sylvie ihm auftrug.
Sylvie ging langsam um die Kuh herum. Sie streichelte die Kuh und fühlte mit ihren Händen an ihrem Bauch. „Hannes, das Kalb liegt falsch im  Mutterbauch.“
„Was?!“
Mittlerweile waren die anderen auch auf der Weide und Sylvie sagte auch ihnen, dass sie sich langsam bewegen sollten, oder auf Abstand bleiben.
„Bei einer Geburt ist die Stellung der Wirbelsäule bei der Mutter ein guter Bezugspunkt. Eine obere Stellung bedeutet, dass der Rücken des Kalbes zum Rücken der Mutter liegt. Hier sehe ich dies nicht. Dieses Kalb liegt mit den Beinen nach oben. Hannes, dass Kalb kann so nicht geboren werden. Wir müssen das Kalb drehen.“ „Was immer du sagst.“
Sylvie schaute sich die Scheide, den Rücken und Bauch der Mutterkuh an „Verdammt. Dies wird heikel. Wir brauchen Wasser – lauwarm am besten. Tücher und Seile.“ „Im Stall sind Eimer, für das Futter. Seile habe ich keine.“ „Okay. Bringt die Eimer aus dem Stall – schnell. Patricia, ich brauche Tücher, Seile, Margarine oder irgendetwas was ich als Gleitmittel benutzen kann. Seife reichte auch und davon mehr als eine.“ Patricia nickte und rannte zu Kannitha.

Claude und Maurice brachten die 4 Eimer, die im Stall an einer Wand hingen. „Sind das alle?“ Hannes nickte. „Wir brauchen mehr. Die Kuh sollte Fressen und Wasser bekommen. Hannes, wie lange waren wir spazieren gewesen?“ „Keine Ahnung. Wir sind hier gegen 11 Uhr weg. Nun haben wir nach 16 Uhr.“ „Okay. Dann muss der Geburtsvorgang in der Zeit begonnen haben, wo wir weg waren. Mir ist vorhin nicht aufgefallen, dass die Kuh kurz vorm kalben steht.“ Clodette sagte, dass sie wüsste, dass dies eine Mutterkuh sei, aber mehr auch nicht. „Weißt du wie alt die Kuh ist?“ „Nein. Leider nicht.“
Patricia kam mit dem Motorroller von Kannitha auf die Weide gefahren. Sie hatte bis auf Seile alles dabei, was Sylvie sagte.
„Danke, Tricia. Bringt das Wasser. Ich muss die Scheide eincremen.“

Hannes sprach ein Stoßgebet gen Himmel. Zum Glück hatte er vor Jahren die Furche mit den Wasserbremsen gebaut, so hatten Claude und Maurice kurze Wege. Das Wasser aus der Quelle war frisch – und eben auch kühl. Woher sollten sie nun lauwarmes Wasser bekommen?

Mittlerweile kamen einige Bewohner aus Kampang Rou auf die Weide und wollten schauen, was los war. Hannes schickte sie weg, denn zu viel Leute wäre Stress und Aufregung für die Kuh. Er sah Sophearith, der Besitzer der Herde. „Sophearith, wie alt ist die Kuh?“ Fragte Hannes. „Äh, ich schätze 1 Jahr.“ Hannes sagte Sylvie diese Zahl. „Was?! Du liebe Güte! Das ist viel zu früh! Nun siehst du, welche Probleme die Kuh hat“ brüllte Sylvie. Hannes übersetzte ihre Worte und Sophearith stand bewegungslos neben der Kuh und wusste nicht, was er tun sollte.
Die Kuh schrie vor Schmerzen und Hannes streichelte sie sofort und sprach mit ihr.
„Sylvie, ich fahre einen Gaskocher und Topf besorgen, damit wir das Wasser warm bekommen“ sagte Patricia und lief zum Motorroller.
Sylvie sah Sophearith an und erklärte ihm „Wenn Jungrinder zu früh gedeckten werden, hat man sehr oft das Problem, dass das Kalb nicht durch das Becken der Mutter passt. Hörst du nicht, wie deine Kuh schreit? Das Tier hat unglaubliche Schmerzen! Was ich sehe ist schon schlimm genug. Kannst du das Kalb aus dem Geburtskanal hohlen?“ „Nein, ich habe so etwas noch nie gemacht.“ „Na bravo! Nun liegt das Kalb noch falsch im Mutterbauch. Die Beine von dem Kalb müssen unten sein und der Kopf muss in Richtung dem Geburtskanal liegen. Ich hoffe, dass dies zumindest so ist. Hannes, ich muss einen Kontrollgriff in den Geburtskanal vornehmen. Dazu bräuchte ich lauwarmes Wasser. Ich muss mit meinem Hand oder den Finger zwischen den Kopf und Kreuzdarmbein und zwischen Ellenbogen und Schambein des Beckens kommen. Falls nicht, haben wir ein Problem. Ich kann hier keinen Kaiserschnitt machen.“ „Sylvie, was immer du sagst. Ich tue was ich kann“ sagte Hannes und übersetzte die Worte von Sylvie. Sophearith zog die Schultern hoch. Sylvie nickte und was sie sagte war nicht gerade freundlich „Für Kühe zu halten, braucht es etwas mehr als nur eine Weide und Futter zu geben. Man! Wenn man keine Ahnung hat, sollte man sich keine Tiere anschaffen! Nun muss ich schauen, wie ich beide Tiere retten kann.“ Hannes übersetzte nur einen Teil von Sylvie’s Worte. Sophearith hatte schon genügend Prügel bekommen.
Annabell heulte und alle anderen standen da und wussten nicht, was sie helfen konnten.
„Lasst Sangkhum, Sraleanh oder welche Kühe und Kälber auch immer zu der Kuh, sie soll sehen, dass sie nicht alleine ist.“
Clodette hatte Tränen in den Augen und führte Sraleanh nah an die Kuh heran.

Patricia kam mit einem Gaskocher zwischen ihren Beinen und einem Topf in ihrer linken Hand auf die Weide gefahren. Claude lief sofort zu ihr und schleppte den Gaskocher. „Sylvie, wohin mit dem Ding?“ „10 Meter hinter die Kuh. Wir brauchen Platz.“
Patricia stelle den Topf auf den Gaskocher und Maurice schüttete sofort den Eimer Wasser in den Topf. „Reicht ein Gaskocher?“ Fragte Patricia. „Noch einen wäre super. Das Wasser braucht ewig, bis es warm ist.“ „Sophearith, hast du einen Gaskocher und Topf zu Hause?“ Sophearith nickte Patricia zu. „Los! Beeil dich!“
Jeder auf der Weide schaute auf den Topf und hoffte, dass das Wasser endlich warm werden würde. Sylvie griff immer wieder mit der Hand in den Topf „Wir bräuchten noch Eimer.“ Patricia nickte ihr zu und rannte wieder zum Motorroller.
Sylvie fühlte immer wieder den Bauch der Kuh ab. Sie schaute auf die Scharm von der Kuh und biss sich auf die Lippen.
„Sylvie, was ist los?“ „Hannes, es wird echt knifflig und kompliziert. Traust du dir zu mir zu helfen? Sei ehrlich.“ „Ja. Ich bin da und werde das tun, was du von mir verlangst.“ „Okay. So wie es aussieht, ist das Kalb verkehrt im Mutterbauch. Die Kuh ist zu jung für die Geburt. Wir müssen ihr Becken weiten. Dafür brauche ich dich. Hast du dies verstanden?“ „Ja, ja. Habe ich verstanden und kann mir denken, was ich tun muss.“ „Gut.“
Sylvie fühlte wieder mit ihrer Hand in den Topf „Muss reichen. Schüttet das Wasser in einen Eimer und stellt den nächsten Topf auf.“ Claude schüttete das Wasser in einen Eimer und Sylvie warf ein Stück Seife hinein „Haben wir ein Messer?“ Hannes nickte „Im Stall.“ Und lief sofort das Messer holen.
Mit dem Messer schnitt er kleiner Stücke von der Seife ab und rührte mit seiner Hand das Wasser, bis er merkte, dass sich die Seife auflöste.
Patricia kam mit dem Motorroller und hatte den Gaskocher von Sophearith zwischen ihren Beinen. An ihrem linken Arm hatte sie mehrere Eimer hängen.
Sophearith kam mit seinem Motorrad und hatte den Topf dabei. Maurice füllte sofort den Topf mit Wasser und ging auch gleich nochmal den Eimer füllen. Sylvie tränkte ein Tuch in das Seifenwasser und wisch mit dem Tuch der Kuh an der Scheide vorbei. Dies machte sie mehrmals.
„Sobald das Wasser warm ist, bitte wieder auffüllen. Hannes, ich denke, es könnte reichen. Ich werde jetzt meine Hand in den Geburtskanal stecken und schauen, wie das Kalb liegt. Ich hoffe die Kuh tritt nicht aus. Claude, hilf Hannes die Kuh am Kopf festzuhalten.“
Da Hannes wusste welche Kraft eine Kuh hatte, sagte er Claude, dass er einen festen Stand bräuche. „Okay, fertig?“ Claude und Hannes nickten. Hannes sprach weiter auf die Kuh ein. Die Kuh schrie vor Schmerzen. Sylvie wartete einen Moment „Es können auch ihre Wehen gewesen sein. Okay Jungs, es geht los. Gott im Himmel steh mir bei.“ Was Sylvie in diesem Moment tat war für sie lebensgefährlich. Wenn die Kuh austreten sollte, könnte sie Sylvie töten.
„Ruhig, ruhig, ganz ruhig. Ich schaue nur nach deinem Kind. Ruhig.“

Alle die um die Kuh im sicheren Abstand standen, schauten auf die Kuh. Sylvie’s Sinne waren bis aufs äußere angespannt. „Ich bin im Geburtskanal. Fühle die Füße. Ich kann nicht sagen, ob es sie Vorderfüße oder Hinterfüße sind. Ruhig, ganz ruhig. Ich schaue nach deinem Kind.“ Die Kuh bewegte ihr Hinterteil und Sylvie ging sofort zur Seite. Die Kuh trat nicht aus. „Großer Gott im Himmel, ich brauche noch etwas Zeit.“ Die Kuh schrie erneut. „Ja, es sind deine Wehen. Alles gut. Ruhig, ganz ruhig. Verdammt, ich fühle die Hinterbeine.“
Sylvie zog ihren rechten Arm aus dem Geburtskanal und ging ein paar Schritte von der Kuh weg. „Hast du gemacht. Danke, dass du mich nicht getreten hast“ Sylvie streichelte die Kuh und gab ihr einen Kuss. „Hannes, es wird bald dunkel. Ich brauche Licht.“ „Ja, ist gut. Mein Auto hat genügend Licht.“ „Die Geburt kann Stunden dauern.“ „Okay.“ Hannes wählte die Nummer von Asger. „Asger…? Ich brauche dich und Cees in Kampang Rou auf der Weide. Fahrt an den Baucontainer und bringt das Stromaggregat. 200 Meter Kabel, alles an Licht was ihr findet und bringt Seile mit. Auf der Weide ist eine Kuh, die kalbt. Das Kalb liegt verkehrt herum im Mutterbauch. Sylvie tut was sie kann. Beeilt euch.“

Alle saßen in der Nähe der Kuh und hörten Sylvie zu, was sie sagte „Bei einer normalen Geburt kommt das Kalb in der Vorderendlage, also mit den Vorderbeinen zuerst und in gestreckter Haltung zur Welt. Diese Kalb liegt mit den Beinen nach oben und noch gedreht im Mutterbauch. Also wird es mit den Hinterbliebenen zuerst kommen. Da die Mutterkuh das Kalb aber nicht raus pressen kann, weil es dem Kalb dann wahrscheinlich das Genick brechen würde, müssen wir das Kalb raus ziehen. Was ich bis jetzt bei der Mutterkuh von außen gesehen und an ihren Bauch gefühlt habe, ist das Kalb immerhin gestreckt – also muss ich es nur etwas drehen. Es kann auch sein, dass sich während der weiteren Geburt das Kalb dreht und ich müsste es wieder zurück drücken, um es in die richtige Lage zu bringen. Selbst dies ist nicht so einfach, denn ich könnte mit den Klauen von dem Kalb die Gebärmutter verletzen.“
Sylvie stand auf und wischte wieder mit lauwarmen Wasser um die Scheide, Becken und Rücken der Kuh. „Dies mache ich, weil die Scheide und Becken zu eng sind. Kühe sind zwar zwischen 7 und 10 Monaten geschlechtsreif, aber man sollte mindestens eineinhalb Jahre oder gar noch länger warten, bis man eine Kuh decken lässt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Kuh künstlich besamt wurde.“ „Bist du Tierärztin?“ Fragte Annabell. „Nein. Ich bin Agraringenieurin und arbeite für eine Hilfsorganisation in Paris. Ich bin in Kambodscha, weil ich das Dossier von Hannes las und ich ihm bei seinem Trockenfeldanbau Projekt helfen möchte. Darüber schreibe ich auch meine Dissertation.“ „Wow! Und woher weißt du, warum die Kuh diese Probleme hat?“ „Ich bin auf einen Bauernhof aufgewachsen. Meine Brüder führen den Hof weiter. Wir haben über 200 Rinder verschiedener Rassen. Ich war schon als Kind bei Geburten dabei. Als Jugendliche musste ich oder einer meiner Brüder unserem Vater helfen, wenn es Komplikationen bei der Kalbung gab.“ Annabell sah zu der Kuh. Sie wollte etwas sagen, traute sich aber nicht. Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
„Annabell, mach dir keine Sorgen, ich bin da und Hannes wird mir helfen. Wir bekommen dieses kleine Lebewesen gesund und munter auf die Welt.“
Annabell wischte sich erneut die Tränen weg „Darf ich etwas helfen?“ Sylvie nickte „Ja. Darfst du. Wir müssen ständig das Fleisch um ihre Scheide, ihr Becken und Rücken mit warmen Wasser einreiben. Dies merkt die Kuh und es tut ihr gut. Die Kuh wird zum einen ruhiger, weil sie weniger Schmerzen hat und zum andern werden mit dem Wasser die Muskeln und Haut weicher. Wenn wir sie streicheln und mit ihr reden, beruhigt dies auch.

Asger kam mit einem Affentempo an die Weide gefahren. Cees und er kamen sofort auf sie zugelaufen.
„Danke Jungs. Wir brauchen Licht für die Geburt. Lasst das Stromaggregat auf dem Auto stehen. Ich komme später mit deinem Auto nach Svay Rieng. Wir legen nun das Kabel und verteilen das Licht.“
Claude, Maurice, Franziska und Patricia packten mit an. Sie verteilten im Umkreis von 5 Meter die Lampen und Leuchtstoffröhren. Hannes lief auf den „Europa Platz“ sein Auto holen. Zum einen hatte er auch noch genügend Licht vor dem Auto und auf dem Dach. Zum anderen brauchte sie etwas, um die Kuh mit Seilen festzubinden. Es wäre für die weitere Geburt für Sylvie und Hannes lebensgefährlich, wenn sie hinter der Kuh standen und diese austreten würde.

Am Gatter und Stall standen viele Bewohner aus Kampang Rou und schauten die Weide hoch, was dort vor sich ging. Sophearith ging zu den Männern und Frauen und sagte, dass die Europäer ein Kalb retten würden, welches verkehrt herum im Bauch der Kuh liege und er sehr dankbar für deren Hilfe sei. „Immerhin“ sagte Sylvie, als Hannes ihr dies übersetzt hatte.

Mittlerweile war es 18.30 Uhr und auf der Weide schrie immer wieder die Kuh.
Annabell machte ihre Arbeit sehr zaghaft – aber gewissenhaft. Maurice brachte ihr immer wieder neue Eimer mit lauwarmen Wasser.

„Wenn wir später das Kalb herausziehen, wäre eine Kette besser als ein Seil. Auch wenn sich dies nun brutal anhört, aber eine Kette zieht sich nicht zu. Mit dem Seil könnte ich dem Kalb die Beine abschnüren. Bei der Lage von dem Kalb, wäre es gut, wenn die Kuh liegen würde. Ich müsste aber vorher in den Geburtskanal, um dem Kalb die Seile um die Beine zu legen.“ „Sylvie, welchen Knoten brauchst du?“ Frage Asger. „Einen der hält und sich aber beim ziehen nicht zuzieht.“
Asger nahm ein Seil und legte das Ende über das Seil, legte eine Schlaufe und zog das Seil durch die Öffnung. „So?“ Und reichte Sylvie das Seil. „Ich war Seemann. Ich werde wohl noch ein paar Knoten hinbekommen. Sylvie lächelte und gab Asger einen Kuss „Danke du Seebär.“ „Gerne, Frau Agraringenieurin. Okay, wie willst du die Kuh zum liegen bringen, wenn sie es nicht selbst tut?“ „Mit Seilen lässt sich da schon etwas machen. Es gibt bestimmte Schnürtechniken für die Beine, womit sich die Kuh zum Hinlegen bewegen lässt.“ „Okay. Wir sind da.“ „Danke. Aber ihr alle müsst nicht hier bleiben. Eine Erstgeburt kann mehrere Stunden dauern.“ „Wir bleiben und helfen. Stell dir mal vor, nachher fehlte nur eine helfende Hand“ sagte Claude. „Okay. Danke. Wenn später die Geburt beginnt, und wir das Kalb herausziehen, ziehe nur ich. Ich muss die Wehen abwarten. Wenn die Kuh ihre Wehenpause hat, höre auch ich auf zu ziehen. Einfach mal ziehen und flutsch, das Kalb ist draußen, gibt es nur im Fernsehen. Hannes ist als Geburtshelfer bereit und wird den Geburtsweg mit beiden Händen weiten, während ich versuche das Kalb zu drehe. Ich hätte niemals gedacht, dass ich im dunklen in Kambodscha ein Kalb auf die Welt bringen werde.“ Cees klopfte Sylvie auf die Schulter „Das Leben ist ein Abenteuer.“

Kannitha kam zu ihnen auf die Weide und hatte ein Dutzend Wasserflaschen dabei und erkundigte sich über den Stand bei der Geburt. Patricia sagte ihr, was zuvor Sylvie gesagt hatte. „Soll ich euch Essen vorbeibringen? Ihr könnt nicht über Stunden hier auf der Weide sitzen.“ Bevor jemand antworten konnte, sagte Kannitha, dass sie Klebereis und Papayasalat machen würde.

„Mal eine Frage: packst du das Kalb aus der Kuh zu ziehen?“ Dabei sah Asger die schmale Sylvie an. Sylvie zog die Schultern hoch „Wir werden das Seil um den einen Baum legen und du könntest dann mit mir ziehen. Zum einen ziehen wir dann nicht mit voller Kraft, denn wir könnten das Kalb und die Gebärmutter verletzen. Und zum anderen hätte ich die Gewissheit, dass noch jemand da ist, wenn ich keine Kraft mehr habe.“

Patricia und Hannes standen am Kopf von der Kuh und gaben ihr einen Eimer mit frischem Wasser. Die Kuh hatte Durst und trank auch aus dem gerechten Eimer.

Sylvie legte Seile um die Hinterbeine der Kuh und sagte Asger, er solle diese richtig gut festbinden. Ein Seil legte er um einen Baum, der links von der Kuh stand und das andere Seil befestigte er an der Seilwinde am Auto von Hannes. „Sylvie, würde es auch mit der Seilwinde gehen?“ „Nein, Asger. So schnell kann man die Seilwinde nicht anhalten und wir haben kein Gefühl, wann wir stoppen müssen.“

Es war schon weit nach 22 Uhr, und immer mehr Wehen setzten bei der Kuh ein.
„Okay Jungs und Mädels, versuchen wir es. Ich werde nochmal in den Geburtskanal greifen und schauen, wo das Kalb jetzt ist.“
Sylvie schmierte sich die rechte Hand und Arm mit Naturseife ein und ging auf die Kuh zu. Mit der linken Hand fühlte sie den Bauch der Kuh ab „Bist ein tapferes Mädchen. Ich schaue nochmal nach deinem Kind. Du hast es bald geschafft.“ Sylvie klopfte der Kuh auf ihr Hinterteil und wartet auf die nächste Wehe. „Ruhig, ganz ruhig. Alles ist gut“ dabei klopfte sie immer wieder leicht auf das Hinterteil. „Okay, die Wehe kommt. Es geht los.“
Mit welcher ruhe und Selbstsicherheit Sylvie dies tat, war beachtlich. Sie war wahrlich Profi genug, um zu wissen was sie tat. Sie hatte dies in den vergangenen Stunden mehr als bewiesen.
Levi war auch schon seit über eineinhalb Stunden bei ihnen, denn er machte sich bereits um 19 Uhr Gedanken über den Verbleib seiner Frau.

„Hannes, ich muss das Kalb drehen. Du musst mir jetzt helfen, denn ich brauche beide Arme dafür. Du musst das Becken auseinander drücken. Stellt dich dicht hinter mich. Annabell, wenn du willst, rede mit der Kuh, streichel sie.“
Als alle dies taten, was Sylvie sagte, fragte sie, ob Hannes bereit sei. „Bin ich. Fangen wir an.“ Hannes drückte mit aller Kraft das Becken von der Kuh auseinander und Sylvie glitt mit ihren beiden Arme in die Scheide der Kuh. Hannes musste den Kopf zur Seite halten, denn der Geruch war nicht besonders angenehm.
„Okay. Ich bin am Kalb. Ich habe einem Huf. Wo verdammt ist der andere? Hab ihn.“ Sylvie drehte sich unter Hannes nach rechts weg. Hannes fingen bereits die Arme an zu zittern. „Ich muss nochmal nach greifen“ Sylvie stellte sich wieder, packte das Kalb und drehte sich noch einmal unter Hannes nach rechts weg. Sie zog ihre Arme aus der Kuh und klopfte ihr auf das Hinterteil „Braves Mädchen. Wir haben es bald geschafft. Danke Hannes. So, nun legen wir die Kuh auf ihre linke Seite. Ich habe das Kalb gedreht. Es müsste passen. Asger, gibt mir bitte die zwei Seile.“
Sylvie cremte sich wieder ihren rechten Arm ein und führte nun die Seile in den Geburtskanal. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis Sylvie ihren Arm aus dem Geburtskanal zog.
Dann nahm sie mehrere Seile und band diese an die Vorderfüße der Kuh.
„Nun wird es haarig. Wir müssen die Kuh quasi auf die Knie zwingen und darauf achten, dass sie sich nicht nach rechts Ablegt. Claude, du nimmt dir das Seil an ihrem linken Vorderbein. Cees, du das rechte. Ihr zieht langsam nach hinten, wenn ich es sage. Patricia, Clodette, redet mit der Kuh und drückt sie an ihrer Blesse nach unten. Wenn ihr es nicht schafft, muss Hannes es machen. Alle anderen kommen auf die rechte Seite. Wenn die Kuh in die Knie geht, müsst ihr sie nach links drücken. Bitte nicht am Bauch. Drückt oben unterhalb der Wirbelsäule, am Becken und Hals. Asger, du bis der größte. Du drückst in der Mitte der Wirbelsäule – hier. Okay? Jeder alles verstanden?“ Alle nickten. „Los!‘
Unter muhen, brüllen und mit dem Kopf schlagend, ging die Kuh langsam auf die Knie. „Weiter ziehen, weiter ziehen. Hannes, drück ihr den Kopf nach unten. Weiter ziehen. Drücken und nun alle an der Seite. Weiter, weiter, weiter.“ Langsam ging die Kuh auf die Knie und legt sich ab.
„Halleluja! Danke, Leute. Die Kuh liegt. Lasst sie nun mal etwas ausruhen.“

Annabell machte wieder ihre Arbeit mit dem lauwarmen Wasser weiter. Die anderen saßen auf dem Boden. 20 Meter von ihnen entfernt stand ein Pulk an Menschen und beobachten alles sehr genau. Die Menschen sprachen leise miteinander.

Nach 23 Uhr setzte immer mehr Wehen ein und etwas an Flüssigkeit lief aus der Scheide der Kuh.
„Okay, es geht los. Ich habe je ein Seil an den Beinen von dem Kalb befestigt. Ich muss abwechselnd ziehen, sonst wird das nichts.“ Asger nickte und packte sich die Seile. Sylvie setzte sich auf den Boden und drückte ihre Füßen gegen die Oberschenkel von der Kuh. Ihr Oberkörper war nach vorne gebeugt. Sie legte sich das Seil einmal um die rechte Hand und hielt das Seil mit beiden Händen fest – aber noch nicht auf zug. Die Kuh bekam eine weite Wehe und Sylvie zog mit aller Kraft. Ihr Oberkörper ging immer weiter zurück. „Stopp.“ Asger lies sofort das Seil locker – aber auf zug. „Sehr gut Asger. Wenn die nächste Wehe kommt, machen wir weiter.
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis die nächste Wehe kam. Sylvie war hochkonzentriert. „Los.“ Und wieder machte Sylvie die gleichen Bewegungen wie zuvor. Die nächste Wehe kam. „Los. Annabell, schütte immer wieder lauwarmes Wasser über die Scheide. Du braucht kein Tuch mehr.“
Maurice und Franziska füllten die Eimer voll für Annabell. Claude brachte ständig neues Wasser an die Gaskocher.
Die nächste Wehe kam. „Los.“ Hannes sah den ersten Huf von dem Kalb. Ihm lief der Schweiß nur so über das Gesicht. Er musste ja irgendwie das Becken der Kuh zu sich hoch ziehen.

„Okay, Asger. Nun das andere Seil.“ Sylvie legte sich auch dieses Seil einmal um die Hand und wartete auf die nächste Wehe. „Los.“ Zweimal zog sie und man sah den zweiten Huf. „Asger, wir ziehen noch einmal mit diesen Seil.“ „Okay Chefin.“ „Los.“ Bei diesem zug kam das eine Hinterbein gute 20 Zentimeter zum Vorschein.
Die nächste Wehe kam und auch hier kam das Bein immer weiter raus. „Nochmals dieses Seil.“ Die Wehe kam. „Los.“ Bei diesem zug sah man das Knie von dem Kalb. „Anderes Seil.“ Die Wehen kamen in immer kürzeren Abständen. Auch hier kam das Knie von dem Kalb zum Vorschein.

Nach über einer drei Viertel Stunde war endlich das Becken von dem Kalb zu sehen.
„Hannes, kannst du noch?“ „Eigentlich nicht mehr. Ich habe kaum noch Kraft in den Armen. Aber wir bekommen dieses Kalb auf die Welt.“
„Okay. Wir haben es bald geschafft. Asger, wir müssen jetzt das Kalb in Richtung Euter ziehen.“ Sylvie suchte sich einen anderen Platz auf dem Boden. In dieser Stellung konnte sie aber nicht gegen die Hinterbeine der Kuh drücken, denn dies würde ihr Schmerzen zufügen. Patricia und Franziska setzen sich hinter einander links neben die Kuh, Clodette und Levi taten dies rechts. So konnte Sylvie ihre Füße gegen ihr drücken und hatte etwas mehr halt. Asger hatte nun keinen Baum mehr, den er benutzen konnte. „Versuchen wir es. Zieh nicht zu fest.“ „Alles klar, Chefin.“

Die nächste Wehe kam. „Los. Ziehen, ziehen.“ Das Becken von dem Kalb war frei.
„Braves Mädchen. Wir haben es bald geschafft. Anderes Seil.“ Nach 10 Minuten kam eine weitere Wehe. „Los.“ Bei diesem zug kam der Rücken von dem Kalb zum Vorschein. Sylvie wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Okay. Machen wir eine kurze Pause, die Kuh ist auch erschöpft.“

Hannes verteilte erneut Wasserflaschen. Sylvie lief der Schweiß, als ob sie einen Marathon gelaufen wäre. „Danke, Hannes“ und trank den Halben Liter Wasser fast mit einem zug leer.

„Okay, es geht weiter. Die Wehe wird gleich kommen.“ Jeder sah der Kuh an, dass die nächste Wege bevor stand. „Okay.Los.“ Die Kuh schnaufte, muhte und brüllte. „Los. Weiter, weiter, weiter. Sehr gut. Das andere Seil. Wir haben es gleich geschafft. Los. Ziehen, ziehen, ziehen.“ Man sah den Nacken von dem Kalb.
„Okay. Leute, wir haben es gleich geschafft. Die Kuh erholt sich jetzt. Es geht gleich weiter. Die Zeit schien still zu stehen. Annabell schüttet langsam immer wieder Wasser über das Hinterteil.

Die nächste Wehe kündigte sich an. „Asger, nun ziehen wir mit beiden Seilen. Warte, warte. … Es geht los. … Moment… Los. Ziehen, ziehen, weiter, weiter. Stopp.“ Sylvie ging nochmals mit ihrem Oberkörper nach vorne „Okay, wenn gleich die Wehe kommt, ziehen wir das Kalb heraus.“

Sylvie wischte sich mit ihrem T-Shirt erneut den Schweiß aus dem Gesicht. Sie hielt das Seil auf zug, damit das Kalb nicht vielleicht nochmal ein Stück in den Geburtskanal zurück rutschen konnte.

Die Uhr war schon weit nach Mitternacht.
„Okay, es geht wieder los.“ Die Kuh fing an zu schreien. „Los. Ziehen, ziehen, ziehen.“ Das Kalb rutschte aus dem Geburtskanal auf den Boden. Sofort ließ Sylvie die Seile fallen und rutschte auf ihren Knien zu dem Kalb, um zu schaute, ob es atmete. „Großer Gott im Himmel. Es lebt. Es lebt.“ Sylvie kamen die Tränen. Alle, die auf der Weide standen fingen an zu jubeln oder zu weinen.
Asger nahm Sylvie in die Arme und streichel ihr über den Rücken „Du bist ein gutes Mädchen.“
Jeder umarmte Sylvie und drückte sie fest an sich.
„Kommt, legen wir das Kalb an den Euter“ sagte Sylvie. Asger und Hannes trugen das circa 40 Kilo schwerer Kalb an den Euter der Mutter und sofort fing das Kalb an zu saugen.
„Gutes Mädchen. Du hast ein Kind auf die Welt gebracht“ sagte Sylvie und streichelte der Kuh den Kopf.
Annabell streichelte das Kalb und wischte sie ihre Tränen weg. Mit den Tüchern wischte sie das Fell von dem Kalb sauber.

Hannes entfernte die Seile an den Beinen der Kuh und brachte einen großen Packen Heu aus dem Stall. Patricia hielt den Eimer mit Wasser schräg, damit die Kuh trinken konnte.

Sophearith traute sich näher und stand wie ein geprügelter Hund neben der Kuh.
„Du hättest heute zwei Lebewesen getötet! Denk mal über deine Fehler nach. Ich hoffe, die anderen Kühe sind nicht trächtig“ sagte Sylvie zurecht sehr böse zu Sophearith.

Minen

2018 sind in Afghanistan 1.415 Menschen durch Minen und explosive Kriegsreste getötet oder verletzt worden, wie der United Nations Mine Action Service (UNMAS) berichtete. Die Zahl der Opfer von Landminen und anderen Sprengstoffen in Afghanistan stieg laut dem Minenräumdienst der Vereinten Nationen in den vergangenen Jahren deutlich an, seit 2012 habe diese sich mehr als verdreifacht. 2017 seien pro Monat mehr als 150 Menschen durch Minen oder andere nicht explodierte Munitionsrückstände verletzt oder getötet worden. 2012 seien es noch 36 Tote und Verletzte je Monat gewesen. Insbesondere Kinder sind gefährdet, acht von zehn Opfern seien Kinder.

Seit 1989 wurden der UNMAS zufolge in Afghanistan mehr als 730.000 Antipersonenminen und 30.145 Anti-Tank-Minen geräumt.
Trotz dieser immens hohen Zahl an beseitigten Landminen liegen in keinem Land der Erde so viele Minen wie in Afghanistan.
Mehr als 5000 kartierte Flächen sind bekannt und jeder Schritt in diesen Gebieten ist Lebensgefährlich. Durch Erderosionen bei Starkregen oder Schneeschmelze werden all zu oft auch Minen mit in Täler oder Flächen gespült, die vorher Minenfrei waren oder dort Minen bereits entfernt wurden.

Was sind Minen? Antipersonenminen und Antifahrzeugminen

Landminen – Antipersonenminen und Antifahrzeugminen – sind geduldige und heimtückische Waffen: Sie sind oft mit dem bloßen Auge nicht sichtbar und lösen aus, wenn Erwachsene oder Kinder mit ihnen unabsichtlich in Kontakt kommen. Die geschieht häufig auch noch Jahrzehnte, nachdem sie verlegt worden sind. Betroffene werden getötet oder langfristig und schwer verletzt.

Über 600 verschiedene Minentypen sollen weltweit existieren.
Nachweislich wurden vor dem Verbot von Antipersonenminen in 54 Ländern produziert. Deutschland, Österreich, Frankreich, Belgien gehörten zu jenen Produktionsstätten.
Durch die Ottawa-Konvention wurde in den angeführten europäischen Ländern die Produktion von Antipersonenminen eingestellt – was aber nicht heißt das Rheinmetall, EADS oder auch Diehl bzw. deren Tochterfirmen in Ländern wie Myanmar, Pakistan, Russland, die USA und China weiter produzieren. Man gab dieser unmenschlichen Waffen einen neuen Namen: Antifahrzeugminen

Die Zahl der Produzenten erhöht sich signifikant, wenn man die Länder einbezieht, die Antifahrzeugminen und andere high-tech Minen entwickeln und produzieren. Weiterhin werden weltweit in Staaten wie Deutschland, Österreich, Frankreich und Belgien neue Minen entwickelt, produziert und auch exportiert. Minen, die nach Herstellerangaben gegen Fahrzeuge gerichtet sind, oder auch sog. „intelligente“ Minen.

Ähnlich wie bei Landminen zeigen sich auch die Produzenten von Streumunition erfinderisch. In über 30 Ländern wurden bislang weit über 200 verschiedene Typen von Streumunition produziert Zu den größten Produzenten gehören die USA, Russland und China, bis 2008 aber auch Deutschland.

Landminen lösen aus, wenn sie in Kontakt mit einem Menschen oder Tier kommen. Dabei töten oder verletzten sie fast immer die Betroffenen. Da sie dabei nicht zwischen Kämpfenden und der Zivilbevölkerung unterscheiden und noch Jahre nach Konfliktende im Erdreich versteckt liegen bleiben, stammen fast Dreiviertel aller Minenopfer aus der Zivilbevölkerung. Kontaminierte Gebiete stellen somit eine große Gefahr für die Bevölkerung dar dar. Deswegen wurden sogenannte Antipersonenminen durch die Ottawa-Konvention, die 1999 in Kraft trat und bislang von 164 Staaten ratifiziert worden ist, verboten. Seitdem ist der geschätzte weltweite Bestand von 160 Mio. auf 50 Mio. Landminen zurückgegangen und 33 ehemals kontaminierte Länder/Gebiete sind als minenfrei erklärt worden. Allerdings sind wichtige Staaten, wie die USA, China oder Russland, dem Abkommen nicht beigetreten. Die Betroffenen, die eine Minenexplosion überlebt haben, tragen oft lebenslange Verletzungen und Behinderungen mit sich. Sie sind somit noch lange nach dem Vorfall auf Hilfe angewiesen. Obwohl auch die Notwendigkeit der Opferhilfe in der Ottawa-Konvention festgehalten ist, geht diese oft nicht weit genug und wird zu früh eingestellt. Hier leistet zum Beispiel die Hilfsorganisation Handicap International (HI) einen wichtigen Beitrag: Sie versorgt die Überlebenden und ihre Angehörigen – und setzt sich für eine Welt ohne Minen ein.

Das Ottawa-Abkommen

Da die Abrüstungsverhandlungen innerhalb der Vereinten Nationen sehr festgefahren waren, einigte sich 1997 ein Großteil der internationalen Staatengemeinschaft außerhalb des UN-Rahmens auf ein Verbot von Antipersonenminen (Ottawa-Vertrag), das 1999 in Kraft getreten ist.

Es war das erste Mal, dass kleinere und mittelgroße Staaten (vor allem Kanada und Norwegen, aber auch Australien und Simbabwe) zusammenkamen und eine Vorgehensweise zum Verbot von Antipersonenminen beschlossen, anstatt sich von traditionellen Mächten, die sich nicht zum Verbot von Landminen verpflichtet hatten (wie China, Russland und die USA), zurückhalten zu lassen. Selbst die meisten ehemaligen Minenproduzenten und viele Anwender, darunter Belgien, Kambodscha, Italien, Mosambik und Südafrika, schlossen sich dem Prozess an. Zusätzlich spielte auch erstmals die Zivilgesellschaft eine entscheidende Rolle bei der Ausarbeitung eines völkerrechtlichen Verbots-Vertrages, indem sie global einen hohen Druck auf die Staaten ausübte.

Der Vertrag war somit das Ergebnis einer ungewöhnlich kohärenten und strategischen Partnerschaft zwischen Regierungen, internationalen Organisationen wie dem IKRK, UN-Organisationen und der Zivilgesellschaft, vertreten durch die Internationale Kampagne für ein Verbot von Landminen (ICBL). Die ICBL wurde 1992 von mehreren Organisationen gegründet, darunter HI, und spielte bei der eigentlichen Ausarbeitung und Formulierung des Vertrags von Anfang an eine wichtige Rolle. Bei allen diplomatischen Treffen im Vorfeld der Verhandlungen sowie während der Verhandlungen selbst erhielt sie einen formellen Platz am Tisch und Mitspracherecht.

Das Ottawa-Abkommen war auch ein Meilenstein des humanitären Völkerrechts und verbietet Produktion, Einsatz, Weitergabe und Lagerung von Anti-Personen-Minen und verpflichtet die Vertragsstaaten zu Entminung und Opferhilfe. Minen, die der Konstruktion nach gegen Personen gerichtet sind, sind somit durch den Vertrag von Ottawa verboten. Minen, die nicht gegen Personen, sondern gegen Fahrzeuge gerichtet sind, fallen allerdings nicht unter das Verbot. Bis heute (Stand: Oktober 2020) haben 164 Staaten das Abkommen unterzeichnet, das sind mehr als 80 Prozent aller Länder weltweit. Mit nur 32 fehlenden Staaten ist der Minenverbotsvertrag einer der weltweit am meisten akzeptierten Verträge. Die Vertragsstaaten verpflichten sich auch zur Räumung von verminten Gebieten und zur Unterstützung von Minenopfern. Alle Vertragsstaaten haben zudem beschlossen, bis 2025 eine minenfreie Welt zu erreichen.

Gegenwärtig sind 110 Millionen Landminen auf der Welt verlegt. Die Produktion einer Landmine kostet nur drei US-Dollar, die Räumung einer Mine verursacht jedoch Kosten in Höhe von 1.000 US-Dollar.
Bei der geschätzten Zahl an Minen ist es schlichtweg unmöglich in den nächsten Jahren die Welt Minenfrei zu räumen. Zumal es überhaupt nicht finanzierbar ist.

In den sogenannten asymmetrische Konflikte, zu denen Bürgerkriege, Terror und milizionäre / rebellierende Streitigkeiten zöhlen, werden sehr gerne Antipersonenminen verwendet und zum Beispiel Getreidefelder zu verminen. Ein Feld ist vermint ungeachtet der Tatsache ob eine oder zehn Minen in dem Feld liegen.

Bei der Verlegung von Minen ist es üblich, verschiedene Minenarten zu mischen, damit z. B. Minenräumpanzer nicht gefahrlos in ein Feld von Anti-Personenminen fahren können und im Gegenzug menschliche Minenräumer nicht ungefährdet Panzerminen entschärfen können. Panzerminen mit Druckzünder werden durch das Gewicht eines Menschen normalerweise nicht ausgelöst, aber durch Sicherungsminen, Aufnahmesicherungen und Sprengfallen wird ihre Räumung dennoch erschwert und ist für die Minensucher ein Lebensgefährlicher Job. Auch ist die Topografie ein Faktor der nicht immer den Einsatz von Panzerfahrzeugen ermöglicht.

In Afghanistan gibt es von staatlicher Seite kaum noch Minenräumer, da das Geld für die Löhne von circa 240 € im Monat der Männer seit Jahren weniger wird. Neben ihrem sowieso schon sehr gefährlichen Job, kommt die Gefahr von Terror noch hinzu. In den letzten Jahren habe die Taliban mehrere hundert Minenräumer von staatlicher, wie auch privaten Organisationen entführt und getötet.

Zu den am meisten belasteten Ländern gehören weiterhin: Afghanistan, Angola, Ägypten, Bosnien und Herzegowina, Laos, Kongo (Demokratische Republik), Kambodscha, Kolumbien, Kroatien, Ruanda, Vietnam, aber auch Regionen wie Berg-Karabach, Tschetschenien und die Falkland-Inseln.

Im Jahr 2017 wurden weltweit 2.793 Personen durch Antipersonenminen und oder explosiven Munitionsrückstände  getötet, 4.431 Personen wurden verletzt. 87 Prozent der Opfer waren Zivilisten, unter ihnen viele Kinder. Zu den körperlichen Schäden kommt noch die psychische Belastung hinzu. Viele Ortschaften die in Konflikten oder Kriege nicht eingenommen wurden, oder der Vertreibung von Menschen auf perfide Weise noch Wege und Pfade vermint wurden, sind an und durch diese Waffe getötet oder verletzt worden.
Wenn Menschen in ihren Dörfern zurück bleiben, benutzen diese oft die gleichen Pfade oder Wege, die nach ihrer Meinung Minenfrei sind. Einen halben Meter abseits jener Pfade oder Wege kann eine Tod bringende Mine liegen. Dieses Bewusstsein prägt Generationen von Menschen.
Zwangloses spielen von Kinder kann tödlich sein. Einem Fussball auf einem Feld hinterher zu laufen kann tödlich sein.
Auch wenn die Bewohner von Ortschaften ungefähr wissen, wo Minen liegen könnten, kann dies beim nächsten Erdrutsch, Starkregen oder Schneeschmelze schon völlig anders sein.

In mindestens 60 Staaten der Welt liegen noch Minen – teils registriert und gekennzeichnet, teil seit Jahrzehnten im Verborgenen.
Um ein Beispiel von Europa zu nennen: Der Kroatienkrieg von 1991-1995 hat bis heute circa 500 Quadratkilometer kontaminierte Ladefläche aufzuweisen. Flächen die zum größten Teil landwirtschaftlich genutzt werden könnten.

Beispiel Ruanda

Bei dem Völkermord im Jahr 1994, bei dem in drei Monate schätzungsweise 1 Millionen Menschen ums Leben gekommen waren, gingen die Hutu-Rebellen nicht zimperlich mit dem Vokl der Tutsi und ihrem eigenen Land um. Ruanda könnte durch seine geographische Lage und den klimatischen Bedingungen das Land werden um die Hälfte der Bevölkerung südlich der Sahara zu ernähren.
Da bis zu 60% der Nutzfläche für Getreide vermint sind, ist eine Landwirtschaft kaum möglich.
Auch hier fehlt es an Equipment und finanziellen Mitteln um Minen zu räumen. Zwar gab es Ende der 90er von der Bundesregierung ein Projekt zur Beseitigung der Minen, dies aber nach wenigen Jahren eingestellt wurde.

Wie in allen Ländern in den Antipersonenminen verlegt sind, hindern dies die Menschen daran, in ihre Heimat zurückzukehren und es wieder aufzubauen. Der wirtschaftliche und landwirtschaftliche Schaden der Länder ist automatisch.

Naike Juchem , 25. November 2020

Quellen:
– Auswärtigesamt
– Convention on the Prohibition of the use
–  Dgvn.de
–  Landminen Index
– United Nations Mine Action Service (UNMAS)

Umweltschutz geht uns alle an

Umweltschutz geht uns alle an. Dies ist soweit richtig. Nur sollten dann auch ALLE dies beherzigen.

Autorin Naike Juchem

Ich bekam heute ein Video von einem Freund aus Kambodscha zugeschickt. Ich habe einige Screenshots aus dem über einstündigen Video gemacht, damit ihr mal einen kleinen Einblick bekommt, wie Menschen in anderen Teilen der Welt mit ihre Umwelt umgehen.
In dem Video geht es um einen Taucheinsatz der Spezial Forces 911. Im Stadtteil Russey Keo in Phnom Penh, suchen Taucher nach einer vermissten Person.

Durch dieses Distrikt fließt der Tonle Sap, welcher wenige Kilometer weiter an der vorgelagerten Insel Koh Pich in den Mekong mündet.
Der Mekong gehört zu den größten Flüssen dieser Welt und seine Wasserkraft und Fließgeschwindigkeit sind gigantisch.

Nun sehe ich dieses Video und mir blutet das Herz, wenn ich all diesen Müll auf dem Wasser schwimmen sehe.
Von der vermissten Person fehlt nach jetzigen Kenntnisstand jegliche Spur. Unfälle mit Todesfolge durch Alkohol, Drogen und Leichtsinnigkeit sind in Südostasien an Tagesordnung.

Teil I Kapitel 9 Aufbruch nach Kambodscha

„Manchmal wünschte ich, ich könnte in dein Hirn schauen!“


„Same procedures as last night, Miss Patricia?“

Nach Weihnachten fuhren Hannes und Patricia noch nach Deutschland zu seinen Eltern. Die Verabschiedung war, wie zu erwarten, sehr Emotional und Hannes war hin und her gerissen. Zum einen war es ein Abschied für zunächst drei Monate und zum anderen war es eine Ungewissheit in ein völlig neues Leben. Er wollte diesen Schritt gehen und wusste nicht was auf ihn und Patricia in Kambodscha zu kommen wird.

Vom Hunsrück fuhren sie noch in die Pfalz nach Annweiler, um sich auch von Patricia’s Großeltern zu verabschieden. Wie zu erwarten war, hatte die Oma viel geweint und immer wieder gesagt, Patricia sollte sich diesen Schritt doch noch einmal überlegen. Patricia war sichtlich genervt von dem ständig gleichen Thema und so wurde der Aufenthalt in der Pfalz doch erheblich kürzer als sie es eigentlich geplant hatten.

An Silvester wollte Patricia nichts unternehmen. Sie wollte auch auf keine Feier von ihren Freunden gehen. Hannes war es egal, denn es begann nur ein neues Jahr im Kalender. So saßen sie alleine in dem riesigen Haus im Zimmer von Patricia und schauten Fernsehen. Sie lachten Tränen bei „Dinner for one“. „Same procedures as last year, Miss Sophie?“ Patricia kuschelte bei ihm auf der Couch und hatte ihren Kopf auf seinen Beinen liegen.
„Chérie, ich bin die glücklichste Frau auf der Welt! Du bist seit vier Wochen täglich bei mir und kein Tag war wie der andere. Je t’aime pour toujours. Ich will jetzt mir dir schlafen.“ „Same procedures as last night, Miss Patricia?“
Sie boxte ihn.

Am 2. Januar 1990 kamen Franziska und Bernhard aus Fréjus zurück. Sie sahen anders aus – erholter und verliebter. Nun kannten auch sie die Magie von diesem wunderschönen Haus in der Rue Jean Bacchi. Dieses Haus hatte Magie auf eine besondere Weise, die man nicht erklären und schon gar nicht begreifen konnte. Eigentlich waren es nur aufeinander gesetzte Steine und trotzdem etwas ganz Besonderes. In einem solchen Haus zu leben, wäre sehr schön. Kinder sehen, wie sie in einer solchen Umgebung aufwachsen und morgens von den schönsten Farben dieser Welt geweckt würden. Kinder. Wird Hannes jemals Kinder haben? Wird er jemals das Glück spüren, wie es ist Vater zu sein? Ist die Leukämie von der Mutter genetisch übertragbar? Könnte er so etwas für sein Kind verantworten? Er wusste es nicht. Diese Fragen war schon seit einiger Zeit in seinen Gedanken. Wird die Forschung und Medizin in ein paar Jahren so weit sein, um Leukämie einzudämmen? Wie viele Silvester wird er mit Patricia noch zusammen erleben können? Diese Gedanken in seinem Kopf waren eine tägliche Achterbahnfahrt und er wusste nicht mit wem er darüber reden könnte.


Die Abschiedsparty

Für den 6. Januar organisierte Hannes eine kleine Abschiedsfeier mit den Freunden von Patricia. Er lud Claude, Cosima und Yvonne ein. Mit ihnen hatte er in den letzten Monaten gerne zu tun. Seit der Entschuldigung von Cosima sah er sie in einem völlig anderen Licht. Ohne Frage war Cosima die schönsten Frau die er jemals getroffen hatte, aber eingebildet oder gar arrogant war sie nicht. Auch Yvonne zeigte sich seit dem Geburtstag von Patricia ihm gegenüber ganz anders. Sie hatte begriffen, dass ein Abitur nicht für den Charakter von einem Menschen steht. Claude wurde seit dem Geburtstag von Patricia zu einem der besten Freunde von Hannes. Claude war Claude: bodenständig, offen und geradeaus. Auch er war über die Freundschaft von Hannes sehr froh und beide konnten sich so einigen Kummer von der Seele reden oder auch schon mal trinken.
Franziska kannte Claude von der Schule und auch die Umstände in seinem Elternhaus. Sie war froh, dass Claude so oft zu ihnen kam und er und Hannes so gute Freunde wurden.

Da sich die Abschiedsparty bei den ehemaligen Schulfreunde herumgesprochen hatte, kamen auch noch Laura, Jasmin, Marco, Benjamin und noch ein halbes Dutzend andere Schulfreund vorbei.
Im Zimmer von Patricia wurde es mit 15 Personen recht eng. Mit Claude schleppe Hannes noch Tische und Stühle vom Gesindestock ins Zimmer.
Die Freunde bewunderten den Weihnachtsbaum und natürlich auch das Bild von Peter. Laura musste natürlich ihren Kommentar zu dem nicht fertigen Bild von sich geben, was Hannes ignorierte. Patricia lies dies nicht so stehen und sagte Laura, dass dieses Bild vollkommen und somit ein einmaliges Kunstwerk sei.
Claude brachte vier Flaschen von dem guten Rosè mit, den beide vor Weihnachten ausgiebig in der Cafeteria im Super Marché getestet hatten.
Claude erzählte den Freunden die Geschichte von der Cafeteria und alle brüllten vor lachen, nur Patricia war not amused. Yvonne nahm Patricia in den Arm „Tricia, nun nimm dies doch nicht so ernst! Die beiden verstehen sich super und wenn sie mal besoffen sind, dann ist das eben so. Wir alle in diesem Raum kennen uns schon seit Jahren und seien wir auch mal ehrlich, wer von uns hatte in diesen Jahren eine solche Freundschaft zu Claude wie es Hannes hat?“
Hannes hielt die Luft an. Wo wird diese Aussage von Yvonne hinführen? Schweigen im Raum.
Yvonne traf es schließlich auf dem Punkt „Muss ein Deutscher uns zeigen, wie Freundschaft sein kann? Ich bin ehrlich zu euch. Ich hatte Hannes im Sommer beim campen getroffen und ein völlig falsches Bild von ihm gehabt. In den letzten Monaten habe ich mich viel mit ihm unterhalten und bin dankbar für diese Zeit. Viele in diesem Raum hatten über Hannes und Patricia geredet – aber nicht mit ihnen.“
Hannes sah an den Gesichter der Gäste wer sich angesprochen fühlte.
Cosima und Claude waren die ersten die nickten.
„Ich stimme Yvonne voll und ganz zu“ sagte Cosima „Ich hatten einen großen Fehler gemacht und dabei fast die Freundschaft zu Patricia aufs Spiel gesetzt. Hannes hätte den wohl größten Grund mich nicht auf diese Party einzuladen und trotzdem tat er es.“ Cosima hatte Tränen in den Augen „Ich wünschte, ich könnte diesen Fehler rückgängig machen.“
Hannes stand vom der Couch auf und ging zu Cosima, die auf einem Küchenstuhl saß und nahm sie in die Arme „Es ist vergessen. Cosima, lass uns nicht an das Vergangene denken.“
Yvonne saß links von Cosima und streichelte Hannes den Arm.

Die Stimmung war nun nicht die von einer Party und Hannes wollte nicht, dass dies so bleibt.
„Leute, ihr seid hier um mit uns eine Party zu feiern und nicht um sich gegenseitig Vorwürfe zu machen. Ich habe in Frankreich neue Freunde gefunden und bin dankbar dafür. Was war, können wir nicht ändern – was kommt schon. In wenigen Tagen werde ich mit Patricia einen Weg gehen, den wir beide nicht kennen. Was uns in Südostasien erwartet wissen wir nicht. Lasst uns nun diese gemeinsame Zeit genießen. Im April sind wir wieder zu Hause und dann haben wir entweder viel gutes oder schlechtes zu erzählen. Claude, ich habe durst.“ „Sofort mein Freund“ und Claude schenkte zwei Gläser Wein ein.

Es wurde ein schöner Nachmittag und Hannes war froh in dieser Runde, dass er nicht mehr als „DER Deutsche“, „DER Andere“ angesehen wurde. Mit Yvonne und Claude saß er lange zusammen und hatte schöne Gespräch mit ihnen. Patricia sprach sehr viel mit Cosima. Hannes wie auch Yvonne merkten dies und Yvonne streichelte das Bein von Hannes und lächelte ihn an „Fehler sind da um zu verzeihen.“
Hannes nickte ihr zu „Ich weiß. Cosima war die Tage hier gewesen und wir haben es geklärt.“

Cosima setzte sich zu der kleinen Gruppe von Claude, Hannes und Yvonne dazu. „Hannes, ich möchte mich noch einmal bei dir bedanken. Yvonne kennt deine Reaktion
mir gegenüber aus dem Super Marché und bin auch ihr dankbar für ihr verzeihen. Du hast eben wieder deinen Charakter gezeigt. Danke dafür.“ „Cosima, du Engel aus dem Orient, Charakter hin oder her, ich möchte keinen Streit haben. Wir sind doch gebildete Menschen, ihr natürlich mehr als ich, und so sollten wir uns auch verzeihen können. Ich bin froh, dass du und Patricia euch ausgesprochen habt. Eine Freundschaft sollte an so etwas nicht kaputt gehen.“
Yvonne nickte ihm zu und Cosima hielt seine Hand „Du sagst immer so kluge Worte. Ich verstehe gar nicht, dass du dich immer so klein machst.“
Claude schenkte Cosima und Yvonne ein Glas Wein ein.
„Schaut euch Claude an. Er passte nicht in eure Klasse, von reichen Eltern, Ärzte, Rechtsanwälte oder Unternehmer. Yvonne hatte es vorhin treffend gesagt, Claude und ich sind Freunde und darauf bin ich sehr stolz. Nicht die Güter bestimmen über einen Menschen, sondern das Herz und Charakter.“ „Ich mag dich auch, du Deutsche Kartoffel. Ich werde dich vermissen! Du warst von Anfang an freundlich, nett und ehrlich zu mir. Auch wenn ich in Frankreich lebe, habe ich wenig Freunde hier. Nun geht einer der besten auch noch weg.“
Hannes sah zu Cosima und Yvonne bei diesen Worten von ihm „Claude, ich bin nicht aus der Welt! Ich komme doch wieder zurück.“ „Mit wem soll ich denn nun Billard spielen oder ein Bier trinken gehen?“
So hatte Hannes die Freundschaft zu Claude noch nie gesehen. Jetzt erst redete er darüber.
„Claude, ich weiß wie es ist, nicht dazuzugehören, nicht so zu sein, wie andere es sind. Du hast dir deine Eltern nicht ausgesucht. Du hast trotzdem dein Abitur gemacht und hast angefangen Geologie zu studieren. Ich habe dies alles nicht. Ich war immer nur der Klassenkasper. Heute würde ich auch vieles anders machen. Ich habe mir vieles selbst verbaut. Nun habe ich eine Chance dies nachzuholen. Ich weiß nicht, was mich in Kambodscha erwartet. Ich werde es sehen. Vielleicht mache ich nur den Handlanger und bin unglücklich über diese Arbeit. Was dann? Komme ich nach drei Monate zurück und gehe wieder nach Deutschland in meinen alten Beruf? Ich gehe nach Kambodscha, weil Patricia nicht studieren möchte und mit ihrem Vater nach Kambodscha geht. Ich sehe dies als eine Chance für mich und gehe mit.“ „Ich dachte immer du möchtest unbedingt nach Kambodscha“ sagte Cosima verwundert.
„Ja, dies ist auch so. Ich will oder möchte Bildung für Kinder. Ja, dies ist mein Traum. Ich kann kein Lehrer werde, dafür müsste ich zum einen Abitur haben und zum anderen studieren. In Länder wo die Bildung nicht all zu hoch ist, bin ich der König unter den Blinden.“
Cosima schüttelte den Kopf „Sag so etwas nicht! Auch wenn wir uns selten gesehen haben, weiß ich, dass du kein Kasper bist und es nie warst. Du redest schon sehr gut französisch und dein Umgang mit Menschen hat Größe!“
Claude und Yvonne nickte anerkennend den Worten von Cosima zu.
„Dankeschön. Ich mag euch alle sehr. Ihr seid gekommen um euch von Patricia und mir zu verabschieden. Von meinen Freunden aus Deutschland kam niemand. Ich habe alles aufgegeben für meine Liebe. Meine Familie, meine Freunde und sogar meine Heimat. Wobei ich meinen Freunden offensichtlich ziemlich egal zu sein scheine.“
Yvonne nahm seine Hand „Du hast Freunde denen du nicht egal bist.“
Cosima und Claude nickten.
„Komm nach Frankreich und lass die Kartoffelesser zurück“ „Claude, habe ich dies nicht schon längst?“
Alle sahen sich wortlos an.
„Ich wurde von euch, den Freunden und Klassenkameraden von Patricia, akzeptiert und trotz ein bisschen geholper sind wir nun Freunde. Ich fand in euch neue Freunde. Mir fällt der Abschied genau so schwer wie euch.“


Die Eifersucht von Patricia

Am späten Abend gingen die Freunde nach Hause. Es war nicht die typischen Verabschiedung von einer Party: Ciao, Tschüss, Au revoir, wir sehen uns Morgen auf ein Bier oder Cappuccino.
Man würde sich längere Zeit nicht sehen. Wenn Hannes nicht mit Patricia nach Kambodscha gehen könnte, wüsste er nicht wie er damit umgehen sollte. Eine Woche waren schon 168 Stunden. Dies mal Monate! Wie wird dieses fremde Land für beide sein? Sie laßen über Kambodscha nur in Bücher oder das was Bernhard oder Stephane erzählten. In vier Tagen würden sie es wissen.

„Braucht der Herr noch eine Aspirin oder ist der Kopf noch klar?“ Patricia lag mit einem atemberaubenden weißen Negligee links neben ihm im Bett.
„Alles gut, Prinzessin.Wir hatten den Wein diesmal nicht alleine getrunken. Du bist eine wunderschöne Frau. Ich kann mich gar nicht satt sehen an dir.“ „Oh, da hab ich ja noch Glück, dass du noch Hunger hast“ sagte sie spitz.
„Was soll dies nun? Nur weil Cosima sich bei mir bedankte? Nur weil ich mit ihr geredet habe? Ja, Herr Gott, sie ist verdammt schön. Ich behaupte, sie ist die schönste Frau in Frankreich – kann auch nicht so sein! Patricia, was nützt ihr diese unglaubliche Schönheit, wenn sie in ihrem Herzen einsam ist?“ Sagte Hannes gereizt.
„Tut mir leid! Ich wollte dich nicht verärgern“ und legte ihren Kopf auf seine Brust und streichelte seinen Bauch.
„Ich wusste nie, dass Claude in mir einen so guten Freund sieht. Was er vorhin sagte, hat mir schon sehr weh getan.“ Patricia sah ihn fragend an.
„Er sagte, dass er mich vermissen würde und das ich für ihn ein guter Kumpel sei. Nun wüsste er nicht mit wem er Billard spielen sollte. Ich werde dies aber noch vor unserem Abflug machen. Ich mag ihn sehr.“ „Tu dies. Er ist dein Freund. Dies ist es was dich von allen anderen Menschen auszeichnet, du kümmerst dich um andere. Dafür liebe ich dich jeden Tag mehr.“


Eine Geschichte über das Leben

Patricia packte die Koffer. Was nimmt man mit? Was braucht man nicht? Es ist gar nicht so leicht einen Koffer für drei Monate zu packen. Natürlich kann man in jedem Land dieser Welt Kleider und Schuhe kaufen, man hat aber auch seine eigene Garderobe – seine Lieblingskleider und Schuhe.
In einem Entwicklungsland erübrigt sich vieles an dem sonst oft schwierigen Fragen. Welche Schuhe zu welchem Oberteil? Welches Hose oder Rock zu diesem oder jenen Oberteil? Hannes fand dies ganz praktisch. Schrank auf, Hose und T-Shirt raus, Schrank zu. Fertig! Frauen denken da anders. In der Zeit wo Patricia ihre Garderobe ausgesucht hatte, hätte er locker 2000 Quadratmetern Rasen mähen können. Sagte er dann etwas von wegen Zeitplan oder man könnte doch endlich mal…, wurde er öfter von ihr geboxt. Ja, so sind die Frauen. Aber wehe man trinkt in der Cafeteria mal Wein. Trotz allem liebte er diese kleine quirlige Person.

Hannes traf sich mit Claude zum Billard spielen in Zentrum von Thionville. Es machte mal wieder sehr viel Spaß, bei Bier, guten Gespräche und einige Partien Billard, die Zeit zu genießen.
„Warum hast du angefangen Geologie zu studieren, hat dies einen bestimmten Grund?“ Fragte Hannes beim Spiel.
„Oui, mein Freund, hat es. Steine reden nicht! Steine ist es egal wer oder was du bist.“
Hannes legte den Queue auf den Billardtisch und schaute Claude fassungslos an „Wer oder was du bist? Claude, was soll das? Du bist ein toller Mensch. Du musstest zu viel alleine machen und hast dein Ziel erreicht. Jetzt erzähle ich dir einen Geschichte. Lass uns setzten, denn es wird etwas länger werden.“

Beide setzten sich an den kleinen Bistrotisch in der Nähe von ihrem Billardtisch.
„Es war im Oktober letzten Jahr“ begann Hannes „Ich traf Cosima in Yutz im Super Marché. Wir kamen ins Gespräch – nichts besonderes allgemeine Dinge eben. Sie ging mit mir durch die Regalreihen und machte mit mir den Einkauf. Danach sind wird in die Cafeteria gegangen. Irgendwann fing sie an über mich und Patricia zu reden. Als sie dann sagte, ich sollte es mir mit Particia überlegen, da sie schließlich Leukämie hat, hätte ich fast in ihr schönes Gesicht hinein geschlagen.“
Claude riss die Augen auf.
„Sie hatte Yvonne am gleichen Abend ein völlig falsches Bild von mir gegeben und diese Unterhaltung mit einer Lüge verbreitet, um mich und Patricia auseinander zu bringen. Als ich dies mitbekommen hatte, war ich böse und auch enttäuscht von ihr. Vor Weihnachten traf ich sie wieder. Ich wollte es klären, geraderücken und aus der Welt schaffen – dies ist mir auch gelungen. Cosima ist mit Abstand die schönste Frau die ich je gesehen habe. In ihrem Herzen ist sie sehr einsam. Natürlich möchte jeder Mann dieser Welt mit ihr schlafen. Nur ist der Sex nicht die Liebe. Ihre unglaubliche Schönheit ist der Preis, weswegen sie einsam ist. Die Männer die Cosima an der Hand halten, geben mit ihr an. Sie prahlen mit einer solchen Schönheit Sex zu haben – oder wünschen es sich. Claude – schau bei all dieser Schönheit von Cosima ihr in die Augen. Beim ersten Blick in diese wunderschönen Augen könntest du auf die Knien fallen. Beim zweiten Blick siehst du es. Auch ihr habt alle ein falsches Bild von ihr. Sie liegt nicht mit jedem Mann im Bett oder lässt sich aushalten wie eine Laura Poyet.“
Claude stand der Mund offen, bei dem was Hannes sagte „Soll dies wahr sein?“ Hannes nickte „Cosima hat iranische Wurzeln, auch wenn sie in Frankreich geboren ist, kann sie nicht dieses freizügige Leben führen, wie viele glauben. Ihr Vater würde sie in den Iran schicken. Und was dort für Sitten sind, muss ich dir nicht erklären.“ „Woher weißt du dies alles?“ „Sie hat es mir gesagt.“
Claude sah ihn immer noch fassungslos an „Dies glaube ich jetzt nicht! Und ich dachte immer sie wickelt jeden Mann um den Finger und bekommt alle Wünsche erfüllt.“
Hannes nickte langsam „So dachte ich auch. Du siehst, es ist nicht so.“ „Jetzt verstehe ich, was sie meintet, als sie sagte, du hättest allen Grund sie zu hassen und jetzt verstehe ich auch die Worte von Yvonne.“ „Genau. Nun mach du dein Ding und studiere die Steine dieser Welt. Und noch etwas – Steine können auch reden.“ Claudes irritierter Blick sprach Bände. „Schau dir Steine genau an. Ihre Form, Farbgebung und Beschaffenheit. Sie sprechen mit dir. Wo ich herkomme gibt es sehr viele Drusen. Jede ist aus dem gleichen Quarz und trotzdem ist jede ein Unikat. Du, ich, Patricia, Cosima wir alle sind gleich und trotzdem Unikate.“ „Danke mein Freund. Danke für deine Worte und Freundschaft.“ „Lass uns noch ein Bier trinken.“


Paris, Charles de Gaulle am 9. Januar 1990

Franziska fuhr mit nach Paris zum Flughafen. Der Flughafen von Luxemburg ist von Thionville nur einen Steinwurf entfernt, machte aber wenig Sinn, denn der Flug von Luxemburg nach Bangkok führte über Paris und man hätte auf dem Charles de Gaulle 7 Stunden Aufenthalt. Von Frankfurt gab es auch Nonstop Flüge nach Bangkok. Es bleibt sich also gleich in welche Richtung man fuhr.

Der Charles de Gaulle ist ein sehr großer Flughafen. Hannes war noch nie geflogen und von daher war für ihn jeder Flughafen groß.
Der Abschied fiel Franziska sichtlich schwer. Wie wird es für sie sein, wenn ihr Mann mal wieder drei Monate weg ist? Ist die Liebe nach so vielen Jahren eine andere? Er wollte dies nie fragen, obwohl es ihn interessierte. Ist die Liebe die gleiche wie bei ihm und Patricia? Er dachte an die Sonntage wenn er nur von Lothringen zurück ins Nahetal fuhr. Wie schlimm die ersten Kilometer für ihn waren. Der Weg nach Hause war irgendwie immer länger, als der Weg zu ihr. Das Raum-Zeit-Kontinuum sollte er doch mal erforschen. Oder das Liebe-Zeit-Kontinuum. Vielleicht wird so etwas ja mal nach ihm benannt? Der Halley’sche Komet wurde ja schließlich auch nach seinem Entdeckter benannt.

Patricia wedelte mit ihrem Pass und Ticket vor ihm herum „Erde an Hannes.Hallo? Wir sollten mal zum Gate gehen. An was hast du mal wieder gedacht.“ „Nix besonderes. An das Raum-Zeit-Kontinuum und den Halley’schen Kometen.“
Sie blieb abrupt stehen und schaute ihn Kopfschüttelnd an „Manchmal wünschte ich, ich könnte in dein Hirn schauen.“
Er gab ihr einen Kuss, legte seinen Arm um ihr Hüfte und ging mit ihr zum Gate.


Auf nach Südostasien

Mit der Thai Air ging es von Paris nach Bangkok in über 11 Stunden.
Hannes konnte noch nie im sitzen schlafen. Was macht man also? Die Magazine die vor ihm im Sitz steckten konnte er schon rückwärts lesen. Das Fernseheprogramm im Flugzeug war nicht das, was einen hohen Stellenwert der Unterhaltung bot. Interessant war eine Dokumentation über die Herstellung von Champagner.
Patricia schief neben ihm. Sie hielt seine Hand fest und sah friedlich und zufrieden aus. Auch Bernhard hatte die Augen geschlossen und schlief.

Die Stewardess fuhr mit einem Wägelchen durch die Reihen. Sie fragte, ob er etwas trinken möchte. Gerne. Eine große Auswahl an Getränke zählte sie auf. Beim Wein sagte er stopp.
Der Rosè war durchaus sehr lecker.
Die nette Dame kam noch öfters mit ihrem Wägelchen vorbei. Irgendwann fragte sie gar nicht mehr nach seinem Wunsch und griff gleich zur Flasche. Sie hätte diese auch eigentlich bei ihm stehen lassen können. Wie gut das Patricia schlief. Irgendwann wurde das Abendessen serviert. Patricia wurde wach. Die überaus nette Stewardess schenkte Hannes Rosè ein, ohne zu fragen. Der Blick von Patricia sprach Bände!


Bangkok, Don Mueang International Airport. Mittwoch, 10. Januar 1990. 6.20 Uhr Ortszeit

Der Don Mueang Airport in Bangkok war ein in die Jahre gekommener Flughafen. Hannes schätze das der Flughafen in den 60er oder frühen 70er Jahren gebaut wurde. Die Plastikstühle in dem Gebäude waren hellrosa und auch sonst wurde viel Plastik in der Flughafenhalle verbaut. Er wurde das Gefühl nicht los, dass ihn alles in diesem Gebäude an die Käse-Igel aus roten und weißen Hartplastik erinnert, welche in den 70er Jahren überaus modern und beliebt waren.
Nachdem sie ihr Gepäck hatten, setzten sich die drei auf eben jene hellrosa Plastikstühle. Nicht nur das die Dinger komisch aussahen – sie waren auch noch unbequem dazu.
Der Weiterflug nach Phnom Penh würde erst in einigen Stunden sein. Mehrere Stunden auf diesem Plastik zu sitzen kam jeder Folter gleich.
„Chérie, lass und doch etwas laufen. Ich kann in einem solchen Folterstuhl nicht sitzen“ sagte Patricia.
Bernhard wollte nicht mit gehen. Er blieb beim Gepäck und las in einen Buch.

Dies also war Asien: rosa Plastikstühle.
In dem riesigen Terminal war es angenehm kühl und Hannes dachte, ist ja gar nicht so schwülheiß wie erwartet – bis die Schiebetür vom Terminal aufging! Sofort schlug ihm eine Schwüle entgegen, die einem die Luft zum atmen nahm. Er sah mit erschrockenen Augen Patricia an, auch ihr blieb für den Moment die Luft weg. Sie zog ihn an der Hand wieder zurück ins Terminal.
„Wir werden uns wohl daran gewöhnen müssen. Lass uns noch die kühle Luft hier drinnen genießen.“
Hand in Hand gingen beide durch das Flughafengebäude.
„Prinzessin, dies hier ist alles unglaublich. Vom Stausee im Saarland nach Fréjus und nun Südostasien. Wir haben in unsere kurzen Liebe schon mehr erlebt, als manche in ihrem ganzen Leben nicht!“ „Oui nous avons. Je ne regrette pas un jour“ sie gab ihm einen Kuss.
„Ich bereue auch keinen einzigen Tag, meine Prinzessin.“

Im Flughafen gab es hier und da kleine Shops wo man essen konnte. Blöd, wenn man kein thai lesen kann. Sie suchten sich etwas aus, was auf dem Foto über der Theke ganz gut aussah und brachten dies dem Koch hinter dem Tresen auch irgendwie bei.
Das Essen war super lecker. Gemüse mit Bambus und Sojasprossen. Dazu Hähnchenfleisch mit Kokosmilch.
Das Landei aus dem Hunsrück in der großen weiten Welt. Er hat es so gewollt. Mit Patricia würde es an jeden Punkt dieser Welt gehen.
Patricia hat ihm mit ihrem Ellbogen an den Arm gestupst und sah Hannes fragen an „Denkst du schon wieder an den Halley’schen Kometen?“ „Non, Prinzessin. Ich denke an dich. An jeden Ort dieser Welt würde ich mit dir gehen. Ich liebe dich mit jeder einzelnen Phase meines Körpers. Komm, lass uns zu deinem Vater gehen. Er muss nicht alleine bleiben“ Hannes gab ihr über den kleinen runden Tisch von dem Bistro einen Kuss.

Sie setzten sich zu Bernhard auf die unbequemen Plastikstühle und schaute den Menschen nach. Urlauber aus Europa die hektisch oder fluchend an ihnen vorbei liefen. Hannes schüttelte den Kopf. Was erwarteten Touristen von einem anderen Land? Jägerschnitzel mit Pommes und das jeder die Sprache, in diesem Fall deutsch, könnte? Ein schon stark genervte Paar setzte sich unmittelbar neben sie und war der Verzweiflung nah. Beide beschimpfen sich gegenseitig.
„Wenn so denen ihr Urlaub weiter geht, ist die Trennung nicht weit“ sagte Hannes auf französisch zu Bernhard und Patricia.


Weiterflug nach Kambodscha

Mit der Air Asia ging es von Bangkok nach Phnom Penh weiter. Der Flug dauerte etwas über eine Stunde. Das Flugzeug war schon in die Jahre gekommen und roch etwas muffig. Das Flugzeug war nur zur hälfte besetzt, so konnten die drei es sich bequem machen und nicht wie Presswurst in der Sitzreihe eingedrückt sitzen.

Der Internationaler Flughafen von Phnom Penh war irgendwie eine Mischung aus Lagerhalle und Plattenbau. Das Terminal war sehr kühl eingerichtet und hatte einen Charme von einer Bahnhofstoilette. Herzlich willkommen in Kambodscha.

Kapitel 42 Buddha beschützt dich Schwester

Buddha beschützt dich Schwester

Bei der Toyota Niederlassung in Svay Rieng

Am Vormittag wollte Hannes sich um Motorräder und Autos kümmern. Für das Agrarkollektiv brauchten sie in Zukunft auch vernünftige Autos. Da er mit seinem Toyota sehr zufrieden war, fuhr er in die Toyota Niederlassung in Svay Rieng.
Als er mit seinem Umgebauten Land Cruiser Lexus LX vor fuhr, war in der Werkstatt großes staunen. In Kambodscha gab es nur zwei solcher Autos und selbstverständlich hatte der ein oder andere Mechaniker in der Werkstatt das Auto von ihm oder Patricia schon gesehen. Ihre Autos fielen durch die Erhöhung der Karosserie, den vielen Scheinwerfer auf dem Dach und am Kühlergrill im chaotischen Straßenverkehr immer auf.

Ein junger Verkäufer kam sofort vor die Tür und begrüßte ihn auf die bekannte asiatische Art. Hannes verbeugten sich ebenfalls vor dem Mann.
„Guten Tag, wie darf ich Ihnen weiterhelfen? Haben Sie eine Panne oder Reparatur an Ihren Fahrzeug?“ „Nein, alles in Ordnung. Ich bin hier, um mich nach ein paar Autos umzuschauen.“
Da Hannes ein paar Autos sagte, lächelte der Verkäufer und bat ihn mit ihm zu kommen.
„Welche Fahrzeuge suchen Sie?“ „Pickup’s und ein SUV“ sagte Hannes dem Verkäufer.
„Sehr gerne. Folgen Sie mir. Ich denke, wir haben etwas für Sie.“

Auf dem Gelände standen einige Neu- und Gebrauchtfahrzeuge zu verkaufen.
Vom Kleinwagen, Limousine, über Hilux Pickup’s in der SingleCab-Variante und auch als Xtracab-Version, also eine Doppelkabine, bis zum HiAce Minibus war alles vorhanden.
Der Verkäufer ging auf den Hilux Pickup zu.
Da Hannes selbst einem Hilux Doppelkabiner als Firmenauto hatte, wollte er dieses Modell gerne nochmals kaufen.
„Dieses Model hätte ich gerne mit Dieselmotor. Als Aufbau möchte ich keinen Hardtop, sondern Plane haben. Wie viel haben Sie davon zu verkaufen?“
„Wie viele? Nun, 5 dieser Modelle habe ich aktuell, wobei 2 in einer 4×4 Version zur Verfügung stehen.“ Hannes nickte und lächelte „Sehr schön. Dann kaufe ich diese Fahrzeuge jetzt.“
Der junge Verkäufer sah ihn ungläubig an „Ihre Entscheidung ist aber schnell getroffen. Ich kann Ihnen aber gerne noch das neuste Modell: den T100 zeigen.“ „Gerne.“
Im Verkaufsraum standen neue Modelle welches Hannes nicht kannte.
Der Verkäufer ging auf einen roten Pickup zu „Dies ist das neuste Modell. Der T100 ist größer als der Hilux. Seine Ladefläche ist länger und das Auto ist etwas höher in der Karosserie.“
Hannes schaute sich das Auto an. Es gefiel ihm sehr gut.
„Gibt es dieses Modell auch mit einer längeren Kabine?“ „Zur Zeit noch nicht.“ „Nee, es sollten schon bis zu 5 Personen im Fahrzeug platz haben. Was ist dieses für ein Modell. Dies kenne ich nicht.“ Hannes zeigte auf einen roten SUV der links von dem T100 stand.
„Das ist der 4-Runner. Dieses Modell gibt es auch erst seit diesem Jahr auf dem Markt.“
Hannes schaute sich dieses Auto genauer an. Von außen war dieses Modell fast so groß wie sein Land Cruiser. Das Interieur war etwas schlichter gehalten, sonst konnte er keinen Unterschied sehen.
„Worin besteht der Unterschied zu diesem Auto gegen meinen Land Cruiser?“ „Die Motorleistung ist etwas weniger, die Inneneinrichtung ist nicht so luxuriöse wie die im Land Cruiser. Dafür hat dieses Auto eine andere Karosserie und ist noch etwas besser für das Gelände geeignet.“ „Noch besser als mein Auto? Respekt. Dies würde ich gerne mal ausprobieren. Haben Sie dieses Auto zur Vorführung?“
Der Verkäufer bedauerte dies.
„Na ja, macht ja nichts.“ Hannes setzte sich in den Wagen und schaute sich alles sehr genau an. Das Auto hatte ein Automatikgetriebe und zuschaltbaren Allrad-Antrieb mit Differenzialsperre für beide Achsen. Das Platzangebot im Auto war ordentlich. Das Glasschiebedach, wie auch alle Fenster im Fond und Kofferraum waren getönt. Die Ledersitze, Seitenverkleidung und Armlehnen mit roten Applikationen gefielen ihm sehr gut.
Die verstellbare Lenksäule in Neigung und Länge kannte er aus seinem Land Cruiser.
Auf dem Typenschild an der Scheibe sah er, dass dieses Auto einen 3,0 Liter V6 Dieselmotor mit 136 PS hatte.
Hannes rief Maona an und bat sie doch bitte in der nächsten Zeit in die Toyota Niederlassung nach Svay Rieng zu kommen. Er hätte ein Auto für sie.

Im Büro der Niederlassung sagte Hannes, dass er gerne einen Vollservice Vertrag für die Fahrzeuge möchte. Der Verkäufer notierte diesen Wunsch und hatte noch einige Fragen über die Finanzierung der Fahrzeuge. Hannes schüttelte den Kopf „Keine Finanzierung. Ich zahle Bar.“ „Das ist mal eine Ansage. Gut, dann können wir die Kaufverträge fertig machen.“
Der Verkäufer schrieb alle Daten von Hannes auf und fragte nach der Wohnanschrift. Hannes sah den Verkäufer an und zuckte mit den Schultern „Eine Adresse habe ich noch nicht.“
Der Verkäufer sah etwas irritiert zu Hannes. In diesem Moment sah Hannes ein Taxi auf das Gelände der Toyota Niederlassung fahren. Der Verkäufer sah auch aus dem Fenster.
Maona stieg in ihrer gewohnten schnellen athletischen und sehr eleganten Bewegung aus dem Taxi. Hannes sah leicht nach rechts zu dem Verkäufer und grinste kaum erkennbar.
Der Verkäufer sah wieder zu ihm „Entschuldigung. Sie ist eine wunderschöne Frau.“ Hannes grinste breit „Durchaus. Vielleicht kann sie die Frage nach einer Adresse beantworten.“
Fragend sah der Verkäufer zu Hannes, als er sich vor dem Schreibtisch des Verkäufers erhob und zur Bürotür ging. Hannes drehte sich zu dem Verkäufer um „Ich habe sie angerufen, daher ist sie hier.“

Eine Frau vom Autohaus ging im schnellen Schritt auf die verglaste Eingangstür zu und hielt Maona die Tür auf. Maona bedankte sich bei der Frau.

„Hallo Maona, schön, dass du so schnell kommen konntest. Du bist doch auf der Suche nach einem Auto. Ich hätte da etwas für dich.“ Hannes umarmte Maona und streichelte ihren Rücken „Wow, dein Parfum ist der Hammer.“ „Hallo Borsa mneak del mean ko, bei dir muss ja immer alles schnell gehen. Dankeschön. Dies ist Sunflowers von Elizabeth Arden. Was hast du nun wieder in deinem Kopf, was meine Anwesenheit erfordert?“

Hannes zeigte auf den 4-Runner, der rechts von ihnen stand „Was hältst du von diesem Auto?“
Der Verkäufer eilte sofort zu dem Neuwagen und öffnete die Fahrertür und erklärte Maona einiges über dieses Fahrzeug. Maona setzte sich schwungvoll auf den Fahrersitz und schaute sich das Interieur an. Hannes setzte sich auf den Beifahrersitz „Und? Wäre dies ein Auto für dich?“ Maona nickte „Das Auto ist schön und mächtig groß. Zwei Nummern kleiner würde auch reichen. Der Preis ist schon gewaltig für dieses Auto.“ „Mach dir um den Preis mal keine Gedanken. Ich denke, da geht noch einiges. Ich habe eben 5 Pickup’s gekauft.“
Maona sah ihn mit großen Augen an „Du hast was?!“ „Ich hatte vor Wochen bereits gesagt, dass wir für das Agrarkollektiv auch Autos bräuchten. Bis jetzt hat sich niemand darum gekümmert.“ „Wohl wahr. Entschuldigung. Noch ist es dein Geld.“
Hannes sah zu dem Verkäufer „Dieses Auto kommt noch mit auf die Liste. Ich denke, an dem Kaufpreis könnte man noch etwas ändern.“
Der Verkäufer nickte schnell „Natürlich, natürlich.“ „Sehr gut. Dann sollten wir dies festhalten.“

In dem verglasten Büro saßen Maona und Hannes vor dem Schreibtisch des Verkäufers. Bei der erneuten Frage nach der Adresse sah Hannes zu Maona. Sie zog auch die Schultern hoch „Zur Zeit fällt mir nur die Adresse von meinem Onkel ein. Oder hast du eine bessere Idee?“
Hannes schüttelte den Kopf.
Die Frau von dem Autohaus brachte frisches Wasser und Obst ins Büro und verbeugte sich erneut vor Maona.
„Ich bewundere Sie und hoffe, Sie gewinnen die Wahl. Es wird Zeit, dass es Veränderungen gibt.“ „Dankeschön. Dies hoffen viele Bewohner in der Provinz. Wir werden es in 3 Wochen sehen.“
Die Frau sah alle in dem Büro an und wollte etwas sagen, wusste offensichtlich nicht, wie sie es formulieren konnte oder Angst hatte, es auszusprechen.
Schließlich sagte sie „Ich hoffe, mein Stimmzettel kommt in die richtige Hände.“ Die Korruption in dieser Provinz war offenbar vielen Menschen bekannt.

„Dürfte ich einige Fotos von Frau Sokthat in dem neuen Fahrzeug machen? Selbstverständlich können auch Sie mit auf die Fotos.“
Hannes sah den Verkäufer an und schüttelte den Kopf „Ich kann Sie durchaus verstehen. Sie möchten Werbung für die Niederlassung mit Maona machen. Dies ist aber in der jetzigen Situation nicht sonderlich gut. Der derzeitige Gouverneur sucht nach Verfehlungen gegen uns und könnte schnell diese Fotos als Sponsoring – also Korruption im weiteren Sinn gegen uns auslegen.“
Die beiden Angestellten von dem Autohaus nickten Hannes zu.

Hannes erklärte den beiden Angestellten wofür diese Fahrzeuge gebraucht würden und stellte ihnen die Idee von dem Agrarkollektiv vor.
„Große Sache“ sagte der Verkäufer respektvoll, nachdem Hannes geendet hatte.
„Ja. Es wird groß, nachhaltig und gibt vielen Menschen eine Perspektive. Ich bestimme zur Zeit über ein Vermögen von weit über 1 Milliarde Riel. Daher kann ich diese Fahrzeuge auch sofort bezahlen. Ich baue mit einem internationalen Team die Infrastruktur auf, den Rest müssen die Mitglieder in diesem Kollektiv selbst schaffen.“ „Eine Milliarde Riel…“ sagte die Frau leise und sah anerkennend zu Hannes.

Der Anruf vom Fernsehen

Maona saß auf dem Beifahrersitz und fragte, was Hannes heute machen würde.
„Ich fahre zu den anderen an die Felder, damit wir dort weiterkommen. Soll ich dich nach Hause fahren?“ Maona nickte.
Hannes fuhr von der Toyota Niederlassung auf die Hauptstraße, als Maona’s Mobiltelefon klingelte. Nach einiger Zeit sagte sie zu Hannes, er sollte bitte anhalten.
„Du, da war eine Frau vom Fernsehen am Telefon und fragte, ob ich mich mit ihr treffen könnte.“ „Fernsehen ist gut. Kommt darauf an, was die von dir will.“ „Sie fragte, ob wir uns in Rokar treffen könnte.“ „Rokar? Warum nicht hier?“
Maona zog die Schultern hoch „Keine Ahnung. Ich fahre mit einem Taxi dort hin.“ „Quatscht. Ich fahre dich. Ich rufe Asger an und sage ihm, dass ich später komme. Wo sollst du die Frau treffen?“ „Ich rufe sie an und frage.“

Die Armut links und rechts der Straße

Hannes fuhr mit Maona die Nationalstraße 315 in Richtung Norden. Der mächtige Fluss Waikou lag rechts von ihnen. Auch in diesem Teil der Provinz sah man die Armut der Menschen sehr deutlich. An den Reisfelder auf der linken und rechten Seite waren einige Hütten der Reisbauern zu sehen. Verrostetes Wellblech sah man auf dem Dach oder an den Wänden. Die Hütten hatten oft keine Fenster oder wenn, waren es nur rechteckige Aussparungen ohne Scheiben. Die Hütten standen auf Stelzen und unter den Hütten standen hier und da ein paar Bullen. Die Tiere waren für das ziehen der Pflüge in den Reisfeldern vorgesehen. Maurecourt fiel ihm ein. Würde ihm auch ein solches Leben bevorstehen?
Hannes erzählte Maona von der äußerst schwierigen Geburt am Sonntagabend.

Bei Phumi Cham bog er von der Nationalstraße nach links ab. Die Straße war schlagartig in einem schlechteren Zustand und nicht asphaltiert. Der Sand war so trocken, dass Hannes nichts mehr im Rückspiegel sah.
Sie fuhren durch die kleine Ortschaft Kuok Preang und Hannes sah das gleiche Bild wie damals in und um Kampang Rou.
„Maona, hier in diesem Teil der Provinz hast du sehr viel Arbeit. Die Menschen brauchen endlich Perspektiven.“
Sie sah ihn wortlos mit ihren schönen Augen an.
„Ich kann nicht begreifen, warum über UNTAC so wenig Hilfe bei der Bevölkerung ankommt. Warum werden hier keine Wasserleitungen verlegt? Zumindest gibt es Strom für die Menschen. Wenn ich abends durch die Ortschaften fahre, sehe ich oft Kerzenscheine oder Petroleumlampen in den Hütten. Die Leute haben kein Geld, um sich wenigstens etwas Strom für eine Leuchtstoffröhre zu gönnen. Wie soll dieses Land jemals auf die Füße kommen?“ „Borsa mneak del mean ko, ich weiß es nicht. Die Menschen südlich von Svay Rieng profitieren von der Arbeit von dir und ODHI. Ich profitiere von ODHI. Mir ist klar, dass ihr nicht überall sein könnt. Wenn ich Veränderungen für diese Menschen schaffen soll, bräuchte ich Geld, Baumaschinen für die Infrastruktur und Arbeiter. Wo soll ich anfangen? Was soll ich den Menschen sagen? Irgendwann kommt Hilfe zu euch – oder auch nicht. Hannes, ich weiß, wie weh es dir im Herz tut, wir müssen uns der Realität stellen und schauen, dass wir das Beste daraus machen.“

Die Piste nach Rokar führte am Prek Vai Kou Fluss vorbei. Kleine Fischerboote sah man auf dem Wasser und Männer und Frauen, die immer wieder ihre Netze ins Wasser warfen. Auf den Feldern, die mit Wasser überschwemmt waren, zogen Büffel Pflüge über die Reisfelder. Weiter links der Piste sah man brachliegende Flächen oder Felder mit Zuckerrohr. Die wenigen Weizenfelder versprachen auch keine all zu große Ernte.

Die Ortschaft Rokar lag an der Grenze der Provinzen Svay Rieng und Prey Veng. Rokar hatte eine kleine Verwaltung und somit auch einige Läden und eine handvoll Restaurants. Ein paar Touristen verirrten sich hin und wieder in diese Gegend.

Ab der Ortschaft Khai Khvet am Boeng Khnhei See, konnten Touristen eine mehrtägige Reise auf dem Prek Cham zum Wat Samrong buchen. Die nächste Etappe führte von Preaek Chi Phoch über den Prek Vai Kou. Vorbei an Me Sang, wo eine der größten Ruinen von Angkor zu besichtigen war. Weiter Flussabwärts kam die wunderschöne Ompov Sarat Pagode mit ihrem buddhistischen Kloster. In Ponlai konnte man eine riesige Felsmalerei aus dem 11. Jahrhundert bewundern. Bei Prey Banteay war nochmals eine sehr gut erhaltene Ruine von Angkor – der Wat Angkor Par.
All diese Sehenswürdigkeiten waren in der Provinz Prey Veng. Nach der Provinzgrenze war es wie abgeschnitten.

Im Phochniyodthan meattuk

Hannes fand die angegebene Adresse von dem „Phochniyodthan meattuk – Am Wasser Restaurant“ und parkte vor dem großen Holzhaus sein Auto. Er blickte über den Parkplatz und sah bis auf einen alten Pickup und ein Moped sonst kein Fahrzeug stehen.
Das „Phochniyodthan meattuk“ hatte auch schon bessere Zeiten gesehen. Das Hauptgebäude war ein großes Holzhaus mit riesigen Fenstern – ohne Glas. Da der Dach gute 3 Meter über die Wände ging, konnte man auch bei Regen geschützt im Lokal sitzen. Im Haus standen einigen Teakholz Tische und Bänke. Eine lange Theke aus Teakholz und ein Regal in der gleichen Länge mit vielen Ablagen dominierte den Raum. Im Anschluss der Theke war eine große Aussparung in der Wand und man sah in eine große Küche. Das Interieur in diesem Restaurant sah abgetragen und verbraucht aus. Immerhin stammte der Coca-Cola Kühlschrank rechts am Tresen aus eine neueren Zeit. Ein großer Holzventilator an der Decke drehte sich ungleichmäßig und ein Flügel hing etwas weiter runter. Jedes Mal wenn der Flügel an Hannes vorbei kam, brachte dieser etwas frische Luft mit.
Ohne Frage war dieses Restaurant vor Jahren ein sehr schönes Gebäude und durch die größte der Theke und Küche war es wohl auch für viele Besucher ausgelegt.

Eine Mitte 20-jährige Bedienung stand hinter dem Tresen und schaute auf ein Fernsehgerät an der Wand. Eine Quiz-Show war live zu sehen. Der Kandidat wurde von dem Moderator der Show gefragt, wie die Reihenfolge der Planeten in unserem Sonnensystem ist.
„Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun.“
Maona sah Hannes fragend an.
„Der Typ in Fernsehen. Ich gab ihm die Antwort. Schau, er überlegt immer noch.“ Maona schüttelte den Kopf und fragte, ob sie etwas zu essen bestellen könnten. Immerhin hatte Maona so viel Anstand und schüttelte nur ihren Kopf. Patricia hätte ihn geboxt und ihm einen ihrer schlauen Sprüche um die Ohren geschlagen – oder die Speisekarte

Maona fragte, ob sie etwas zu essen bestellen könnten. Die jungen Frau nickte und reichte ihr die Speicherkarte und schaute wieder auf den kleinen Fernseher an der gegenüber liegenden Wand. Hannes schaute auch auf den kleinen Bildschirm und wartete auf die Nächste Frage. Der Show-Kandidat hatte Uranus und Neptun verwechselt und eine Sirene machte: Böööööööph.
Der Show-Master stellte die nächsten Frage. Er wollte wissen wie die Schicht in unserer Atmosphäre heißt, die der Erde am nächsten ist.
„Dies ist die Troposphäre“ sagte Hannes zu der Bedingung. Maona war am lesen der Speisekarte.
Mit je einem „Ping“ wurde eine mögliche Antwort nach dem Single Choice Verfahren eingeblendet.
Ping a) Stratosphäre
Ping b) Mesosphäre
Ping c) Troposphäre
Ping d) Thermosphäre
„Sag ich doch: die Troposphäre. Man, Junge, nimm c oder frag den Telefonjoker.“
Im Hintergrund hörte man die Zeit zicken. Natürlich war die Zeit mit einer mystische Musik hinterlegt. Bei der dritt letzten Sekunde sagte der Kandidat: Stratosphäre. Ein Sirene machte: Böööööööph.

Die junge Bedienung schaute zu Hannes und dann zu Maona. Ihr Blicke wechselt von Maona nach links und wieder zu Maona. Hannes drehte sich nach links, um ihrem Blick zu folgen und sah an der Wand eines der Wahlplakate von Maona hängen. Könnte ein gutes Zeichen sein, dachte er bei sich.

Der Show-Master fragt nun, wie groß der Durchmesser der Erde sei.
Wieder gab es ein Single Choice Auswahlverfahren.
a) 12.742 Kilometer
b) 14.400 Kilometer
c) 14.848 Kilometer
d) 15.112 Kilometer
„Was möchtest du essen? Ich lade dich ein. Wenn du mir schon ein Auto kaufst, kann ich dir wenigstens das Essen spendieren.“ „Ist mir egal. Etwas mit Fisch und Gemüse. Der Durchmesser der Erde ist 12.742 Kilometer.“ „Was?“ „Nichts. Bestelle bitte Fisch.“
Die Sirene machte: Böööööööph.
Der Kandidat wurde immer nervöser, die Kamera schwenkte ins Publikum und wieder zurück zu dem Show-Kandidat.
Maona gab die Bestätigung auf und fragte, ob sie eine der Hütten auf dem Wasser benutzen dürften.

Der Show-Master zog mit Spannung sein nächstes Fragekärtchen heraus. Im Hintergrund leuchtet eine Wand mit bunten Lämpchen auf. Die eingespielte Synthesizer Musik untermalte erneut die Fragen von dem Show-Master. Dieser stellte die nächste Frage: Wo – verläuft – die – internationale – Datumsgrenze?
Hannes verdrehte die Augen und blies die Luft aus. Wie – gut – dass – der – Show – Master – nicht – noch – die – Wörter – Datumsgrenze – und – internationale – ge – tren – nt – hat – te.

a) Zwischen Fidschi und Tahiti
b) Zwischen Tonga und Samoa
„Zwi – schen To – n – ga und Sa – mo – a“ sagte Hannes und musste selbst über sich grinsen. Die Bedienung sah Hannes an und grinste breit. Sie ging vor ihnen durch eine breite Schiebetür auf eine große Terrasse. Auf der Terrasse standen ein paar Sonnenschirme bei denen die Sonne und Monsun einige Spuren hinterlassen hatte. Die Tische und Bänke waren aus dem gleichen Holz, wie das Interieur im Restaurant.

c) Zwischen Timor und Vanuatu
d) Zwischen Neukaledonien und Polynesien

Von der Terrasse aus konnte man sich ein Hausboot, Floß oder wie immer man dies nennen mochte, für ein paar Riel pro Stunde mieten. Auf einer Länge von guten 50 Meter lagen ein Dutzend Flöße. Es gab Flöße in unterschiedlichen Größen, Interieur und wohl auch zu unterscheiden Preisen zu mieten.
Auf mehreren längs liegende Blechfässer waren Teakholz Planken geschraubt. Die Hütten waren mit Strohdächer und Geländer aus Teakholz gebaut. Die Flöße waren an Stahlseilen befestigt und so konnte man diese auch nur in der horizontale Richtung auf das Wasser hinaus ziehen.
Böööööööph

Das Floß, welches sie sich aussuchten, war 5×6 Meter, hatte eine kleine Theke für Getränke oder Speisen. Sogar eine Kühlbox war vorhanden. Rechts davon war eine breite Strandliege aus Teakholz mit dicken Kissen auf dem Boden verschraubt.
Ein größerer Tisch in Form vom einem T stand mittig im hinteren Bereich. Am Tisch standen ein Dutzend Stühle aus Teakholz.
Vor der schönen Teakholz Theke war eine alte Fahrradfelge als Antrieb mit einem Stahlrohr verschweißt. Über dieses „Steuerrad“ drehte sich eine Welle unter dem Boden, wodurch sich ein zweites Seil unter dem Floß aufwickelte. So konnte man mit dieser Technik sich vom Ufer entfernen oder hinfahren.

Die Bedienung brachte einen großen Bottich Eiswürfel für die Kühlbox und die bestellten Getränkedosen. Sie sagte, dass sie rufen werde, wenn das Essen fertig sei.

Hannes drehte an der verbeulten Felge und mühsam entfernt sich das Floß vom Ufer. Da es zwischen Felge und Stahlseil kein Getriebe gab, kurbelte Hannes wie ein Ochse an dem „Steuerrad“.
„Bei Cees würde es einen solchen Pfusch nicht geben. Er hätte ein Getriebe und einen vernünftigen Antrieb gebaut.

Als Hannes das Floß gute 6 Meter vom Ufer bugsiert hatte, meinte er, dass der Abstand nun groß genug sei.
Der Prek Vai Kou war bei weitem nicht das, was er an Flüssen in Kambodscha gesehen hatte, trotzdem war es angenehm auf dem Wasser zu schaukeln und den Wellen nachzuschauen. Hin und wieder kam eine kleine Gischt über die Planken, welche gerade mal 40 Zentimeter über dem Wasser waren.
Beide legten sich auf die breite Holzliege.
„Es ist schon schön hier. Hat etwas von Abenteuerromantik. Gegen Abend ist es bestimmt noch schöner, wenn man die Lampen an der Decke und Pfosten anzünden kann. Schade, dass man überall die Spuren vom Zahn der Zeit sieht“ Hannes öffnete zwei Bierdosen und reichte eine Maona.
Maona prostete ihm zu „Auf uns. Es ist für mich alles kaum zu glauben, wie sich mein Leben durch dich geändert hat. Weißt du, man fragt sich oft, was hat man im Leben falsch gemacht und warum man gewisse Schicksalsschläge vor die Füße geworfen bekommt. Phammm! Und dein Leben ist nicht mehr das was es mal war. Man sucht nach Antworten auf all dies und ist verzweifelt. Man sucht Auswege und kommt nicht weiter. Das Leben rauscht auf einen Abgrund zu und man hat keine Chance zu bremsen. Als Fleischfachverkäuferin mit BWL Studium sitzt man in einer Markthalle und plötzlich schaut dich ein Ausländer von der Ecke an und du schämst dich für diesen Job, für diese Behinderung, für dieses Leben.“ „Maona, lass es! Es war gewesen und du musst dich für nichts auf dieser Welt schämen.“
Maona gab ihm einen Kuss „Du bist ein klasse Mensch. Warum hattest du damals dein Fleisch ausgerechnet bei mir gekauft?“
„Ich gehe nicht nach der Ware, sondern nach den Menschen hinter der Ware. Mir ist schon klar, dass ich diese Welt nicht retten kann – ich kann es nur für einige Leute besser machen. Ob ich jetzt mein Obst, Gemüse oder Fleisch in einem der großen und schönen Einkaufszentren kaufe, oder auf dem Markt bei einer ärmeren Person. In einem Kaufhaus verdienen viele an der Ware, auf dem Markt oft nur eine Familie. Ich ging ohne Stress durch die Markthalle und sah mir die Verkäufer an. Du fielst mir von deiner Art auf. Wie du auf dem Podest gesessen hattest, war sehr elegant. Diese Eleganz hat niemand in der Markthalle. Dann hattest du mit Somphea Schulaufgaben gemacht. Auch dies ist untypisch für eine Markthalle. War es Zufall, Bestimmung oder Schicksal, dass wir uns getroffen hatten? Mir hat die Begegnung mit dir sehr weh getan. Wo wäre ich heute ohne dich? Dies musst du auch mal sehen.“
Maona schüttelte den Kopf „Dann hättest du eine andere Person.“ „Mag sein. Aber eine Geschäftsführerin für meine Idee, eine Kämpferin für Politik und nebenbei noch Spitzenkandidatin für den Gouverneursposten, und noch eine gute Freundin in einer Person zu finden, wird schon sehr sehr schwierig.“ „Auf uns“ sagte Maona und prostete ihm mit ihrer Bierdose nochmals zu.

Die Bedienung rief, dass ihr Essen fertig sei.
Hannes kamen die 6 Meter bis zum Ufer vor, als ob er dieses Floß einmal um den Äquator kurbeln würde.
Die Bedienung brachte das Essen und stelle ein großes Tablett auf den Tisch.
„Ich geh noch schnell auf die Toilette und
bestelle noch ein paar Gedanke, denn ich habe nicht vor, ständig diese Ding hin und her zu kurbeln. Was möchtest du noch trinken?“ „Eistee bitte.“

Als Hannes von der Toilette kamen, sah er einen weißen Mitsubishi Lancer EVO1 auf den Parkplatz fahren. Er bestellte noch 6 Dosen Eistee, 4 Pepsi und 4 Angkor Beer. Er schaute auf den Parkplatz und sah eine schmale Frau mit langen Haaren und mit einem roten T-Shirt und Jeans gekleidet, auf der rechten Seite des Fonds aussteigen. Er schätzte die Frau auf Ende 20. Die Frau hatte eine Ledertasche über ihre Schulter hängen.
Auf der linken Seite des Fonds stieg eine schmale und etwas größere Frau aus. Sie war keine Asiatin, denn ihre Hautfarbe war hell und sie hatte blonde leicht gelockte lange Haare. Mit ihrem weißen Top und Jeans Hotpants sah sie wie eine Model oder Schauspielerin aus.
Vorne stiegen gleichzeitig zwei Männer aus. Der Beifahrer hatte eine normale Größe und Statur. Er konnte um die 40 Jahre sein, und hatte kurz geschnittenes schwarzes Haar. Er war leger in einer hellen Baumwollhose und weißem Hemd gekleidet. Der Fahrer konnte im Alter der blonden Frau sein. Sah sehr durchtrainiert aus und hatte kurz geschnittene Harare. Er trug ein weißes Sport-Shirt von Nike und Jeans. Hannes kam es vor, als ob er diesen Mann schon einmal gesehen hatte. Das Gesicht kam ihm bekannt vor.

Hannes blieb am Tresen stehen und wartete auf die vier Personen, die in diesem Moment die 5 Stufen ins Restaurant hoch kamen. Die Europäische Frau sah mit schnellem Blick zu ihm und schaute sich im Restaurant um.
Die vier Personen machten sonst keine Anstalten ihn zu beachten.
„Suchen Sie Frau Sokthat?“ Fragte Hannes.
Der Mann, der Hannes bekannt vor kam nickte ihm zu „Ja, Wir sind verabredet.“ „Ich weiß. Frau Sokthat ist auf einem Floß auf der anderen Seite des Restaurants.“

In der Quiz-Show saß nun eine Frau von mittleren Alters auf dem Kanzel ähnlichen Stuhl.
Der Show-Master las gerade seine Frage vor.
Hannes trug eine Plastik Coca-Cola Box mit den Getränke.
Welches Element stammt nicht aus der Antike?
a) Erz
b) Schwefel
c) Zink
d) Phosphor
„Es ist d, Phosphor“ sagte Hannes der Bedingung und machte ein Petzauge. Er drehte sich leicht nach links um und bat die Gäste ihm bitte zu folgen.

Die Kandidatin sagte Schwefel.
Böööööööph

Hannes sah die Bedienung an und zog die Schultern hoch „Die würden im Fernsehen besser Fragen, wer Mickey Mouse ist.“

Für eine Revolution muss man auch bereit sein Opfer zu bringen

„Der Fisch ist bald kalt“ rief Maona als er auf die Terrasse trat.
„Entschuldigung Süße, ich habe deinen Besuch dabei. Meine Damen und Herren, diese schöne und hungrige Frau ist Maona Sokthat.“
Maona erhob sich in ihrer schnellen athletischen Bewegung und stellte sich den Herrschaften vor. Die Asiatische Frau stelle sich als Savin Hou-Yeng vor.
„Borey Kimyeat“ sagte der ältere Mann und verbeugte sich mehrmals vor Maona.
„Ich bin Heng Serey Ratana. Meine Frau Aveline Levieux-Ratana.“
Maona verbeugte sich ihm und seiner Frau.
Heng Serey verbeugte sich nochmals vor Maona „Ich freue mich. Es ist mir eine Ehre Kambodschas Power Frau endlich persönlich zu treffen.“
Maona lächelte und verbeugte sich auch wieder vor ihm „Dankeschön. Gleiches kann ich auch sagen.“
Maona scheint diesen Mann wohl auch zu kennen, dachte Hannes und kurbelte das Floß auf das Wasser hinaus.

„Ich möchte euch aber schon gerne den Mann vorstellen, der dafür verantwortlich ist, dass es Kambodschas Power Frau überhaupt gibt: Borsa mneak del mean ko aus Deutschland.“
Ratana kam sofort auf Hannes zu und begrüßte ihn auf die bekannte asiatische Art „Es tut mir leid, dass ich Sie nicht erkannt habe. Ich kenne nur Ihren Namen. Heng Serey, Bonne journée“ und reichte Hannes die Hand. „Bonjour Heng Serey. Hannes. Dies ist mein richtiger Name. Jetzt wo du deinen Namen gesagt hast, weißt ich auch woher ich dich kenne.“
Heng Serey lächelte „Im Fernsehen sieht man anders aus.“

Maona bat die Gäste platz zu nehmen.
Während Hannes sich einen Wolf kurbelte, setzten sich die Fernsehleute Maona gegenüber.
Hannes setzte sich links neben Maona und entschuldigte sich, dass sie beide nun essen würden.
„Lasst euch durch uns nicht stören. Wir sind schon froh, dass wir Maona überhaupt so schnell treffen können“ sagte Heng Serey.
„Wobei sich uns beiden die Frage für dieses Treffen stellt“ sagte Hannes.
Heng Serey nickte ihnen beide zu „Warum wir uns an diesem Ort treffen, hat seine Gründe. Über die innenpolitische Lage von Kambodscha müssen wir euch nichts erzählen. Wir denken auch, dass ihr beide sehr gut informiert seid. Dies ist eigentlich auch der Grund, warum wir uns treffen. Uns ist bekannt, dass ihr einen erheblichen Anteil an der Gründung einer neuen Partei habt. Wir stehen zu euch und wollen euch unterstützen.“
Maona sah fragend in die Runde „Was soll dies für eine Unterstützung sein?“ „Maona, du müsstest ins Fernsehen. Eure Statuten von der Partie sind gut und auch wichtig für die Zukunft von Kambodscha. South hat die Provinz durch seine Korruption an die Wand gefahren“ sagte Heng Serey.
Maona und Hannes nickten zustimmend.
„Nun erklärte mir bitte, wie du eine Wahlwerbung ins Fernsehen bringen möchtest“ Maona sah Heng Serey fragend an. „Wer spricht von Wahlwerbung? Glaubt mir, mein Team, meine Frau und ich machen uns schon länger Gedanken, wie wir es schaffen, dich bekannt zu machen und gleichzeitig South keine Angriffsfläche gegen dich zu bieten. Was bleibt? Nachrichten. Wir berichten über eine neue Partei in der Provinz und schneiden ganz zufällig die Gouverneurswahlen an. Wir sind heute hier, um mit dir darüber zu sprechen.“
Maona sah zu Hannes und dann in die Runde der Gäste „Heng Serey, du bist Journalist und der Sprecher der Hauptnachrichten. Ich möchte keinesfalls, dass du durch mich Ärger bekommst. Politische Einflussnahme, die nicht im Sinne der Regierung ist, sieht man nicht sehr gerne im Fernsehen.“
Heng Serey nickte Maona zu „Da hast du recht. Gerade in Kambodscha ist es ein sehr großes Problem mit der Korruption. Ich möchte euch gerne etwas sagen, was nicht unbedingt jeder in diesem Land wissen muss. Ich gehe auch so weit, um zu sagen, dass ich euch vertrauen kann, denn sonst wäre meine Frau bei diesem Treffen nicht dabei.“
Maona reichte Heng Serey die Hand „Selbstverständlich bleibt alles was wir reden auch in diesem Kreis.“
Hannes nickte Heng Serey zu „Natürlich kannst du uns vertrauen. So wie es aussieht, stehen wir auf der gleichen Seite.“
„Dankeschön. Mit der Machtübernahme der Roten Khmer verlor Kambodscha seine Zukunft – dies wisst auch ihr. Ich hatte 1975 meine Abitur gemacht und meine Eltern sind wenige Tage später mit mir und meinen beiden jüngeren Schwestern nach Vietnam geflohen. Vietnam deshalb, weil wir in Svay Rieng gelebt hatten. Über das UNHCR kamen wir zwei Jahre später als Flüchtlinge nach Frankreich und wurden dem Département Seine-Maritime zugeteilt. Wir kamen in die Stadt Rouen. Da meine Eltern, wie auch meine beiden jüngeren Schwestern und ich französisch an der Schule gelernt hatten, war es für uns sehr schnell möglich aus dem Banleu heraus zu kommen. Ich studierte an Universität in Rouen Medien- und Politische Kommunikation.“
Maona und Hannes hörten Heng Serey aufmerksam zu.
„Im Jahr 1988 ging ich mit Aveline zurück nach Kambodscha. Wir beide konnten und wollten die katastrophale Lage in Kambodscha nicht mehr hinnehmen. Wir beide hatten damals für AFP gearbeitet und so war der Weg zurück nach Kambodscha nicht schwer. Da ihr mich durch die Nachrichten kennt, wisst ihr, dass ich beim TVK arbeite. Aveline ist Korrespondentin für AFP und Reuters.

Hannes musste das eben gehörte verarbeitet. Er stand auf und ging an die Brüstung von dem Floß und schaute auf die Wellen vom Prek Vai Kou. Er nahm mehrmals tief Luft und drehte sich zu der Gruppe am Tisch um. „Heng Serey, mir ist durchaus bewusst, dass TVK der Regierung gehört und Beiträge und Nachrichten, ich nenne es mal: Regierungskonform, gesteuert werden. Nun kommst du mit dieser Idee zu Maona, und willst indirekt über deine Beiträge in Wahl in dieser Provinz eingreifen. Du weißt, welch heißes Eisen dies ist?“
Heng Serey nickte ihm zu „Für eine Revolution muss man auch bereit sein Opfer zu bringen.“ „Bei allem Respekt für deinen Mut und auch den von deinem Team. Aber dies finde ich nicht sehr gut. Es könnte das Ende deiner und eurer Karriere in Kambodscha sein. Ist dir und euch diese Wahl so viel wert?“
„Ja“ sagten alle entschlossen.
„Respekt. Wir alle wissen, dass South und sein Netzwerk an Korruption das Problem in dieser Provinz ist, also muss man South destabilisieren. Eine Möglichkeit wäre die Verschuldung der Provinz seit South Gouverneur ist, öffentlich zu machen. Dies zu beweisen ist das kleinste Problem. Wo wir wieder bei Regierungskonformen Nachrichten wären. South könnte sich heraus winden, in dem er sich auf die schwierige innenpolitische Lage von Kambodscha beruft und ihr hättet nichts erreicht. Auch werden die Behinderungen seitens South gegen meine Arbeit bei ODHI kaum etwas ausrichten.“
Savin Hou-Yeng meldete sich zu Wort „Borsa mneak del mean ko, ich bin Redakteurin bei TVK und habe lange recherchiert, um zu wissen, dass es von South Kontobewegungen über eine chinesische Bank in Phnom Penh gibt. Die Geldzuwendungen von South an Wahlberechtigte Personen in dieser Provinz laufen über mehrere Mittelsmänner So können wir South keinen offiziellen Wahlbetrug nachweisen. Also bleibt nur der Weg über die Bekanntmachung der neuen Partei.“
Hannes sah zu Maona und dann in die Runde am Tisch „Also stimmt es doch. Von den Geldzuwendungen haben wir gehört. Weiß die UNTAC oder CIVPOL darüber Bescheid?“
Savin zog die Schultern hoch.
„Ich habe eine Freundin bei UNTAC. Ihr können wir vertrauen. Im übrigen war auch sie bei der Gründung für ein Agrarkollektiv in dieser Provinz eine tragende Kraft. Sie hatte South gezeigt wo der Hammer hängt und wer hier in Kambodscha zur Zeit das Sagen hat.“
Hannes sprach die Punkte an, die er vor Wochen Ilaria de Rosa bezüglich South unterbreitet hatte. Aveline notierte sich während Hannes sprach, den Namen: Ilaria de Rosa.
„Aveline, du musst dir diesen Namen nicht notierten. Ich werde Ilaria anrufen, wenn wir gemeinsam gegen South vorgehen wollen, sollten wir unsere Verbindungen auch gemeinsam nutzen.“

Hannes erzählte von der Begegnung zwischen Ilaria, Paolo und South im Rathaus von Svay Rieng und welche Position Ilaria bei UNTAC hat.
„Ilaria hatte vor nicht all zu langer Zeit meine Forderungen gegen South bezüglich den brachliegende Flächen und Felder durchgebracht. 200 Grundbücher sind an einem geheimen Ort gelagert und gesichert. Ilaria, Maona und ich kennen diesen Ort. Denn uns allen ist klar, dass South diese Grundbücher zurück haben möchte, um die Preise hoch zu treiben, denn diese Felder sind durch einen – na ja, nicht gerade handelsüblichen Preis von je 1.000 Riel pro Fläche in meinem privaten Besitz. Diese werden natürlich an das Agrarkollektiv übergeben, wenn alles steht. Das Geld für diese Felder wurde an die Krol Kor Salarien Bathamseksaea Grundschule überwiesen. So hatten wir South zweimal vor den Kopf gestoßen.“
„Kennst du South persönlich?“ Fragte Heng Serey.
Hannes nickte und erzählte von den damals schwierigen Verhandlungen über die Grundstücke in Kampang Rou und Khsaetr. „South ist und bleibt ein Wurm. Ich hätte ihm im Frühjahr 1990 die Zähne einschlagen sollen. Ja Leute, beide Grundstücke auf denen die ersten Schulen meiner Frau stehen gehören mir. Ob South dies nach 3 Jahren vergessen hat, oder er nun doch andere Sorgen hat, kann ich euch nicht sagen.“ „Die berühmte Lefévre School“ sagte Aveline respektvoll.

„South ist mehr als ein Wurm“ sagte Maona und blickte in die Runde. „Schaut mich an. Ich bin ein Krüppel geworden und mein Mann ist tot.“ Maona erzählte wie ihr Leben früher war und welche Visionen sie und ihr Mann für eine neue Politik hatten. Sie erzählte von dem tödlichen Verkehrsunfall und blieb bei ihrer Meinung, dass dies ein Terroranschlag von South war. Auch erzählte sie, wie sich ihr Leben nach der Kündigung durch South verändert und gar verschlechtert hatte. Ohne ihren Onkel hätte sie noch nicht einmal ein Obdach gehabt und seit einem Jahr unterrichte sie ihre Tochter selbst, weil sie noch nicht einmal das Schulgeld hat.

Aveline, Savin, Borey und Heng Serey brauchten eine Zeit, bis sie das Leben – oder die Umstände von Maona verarbeitet hatten.
„Maona, was du uns eben erzählt hast, bist du für mich noch viel mehr die Power Frau für Kambodscha. Ich werde dir helfen, diese Wahl zu gewinnen“ sagte Heng Serey.

Hannes setzte sich wieder an den Tisch.
„Wie weit seid ihr über die Gründung von einem Agrarkollektiv in dieser Provinz informiert?“ Dabei sah Hannes jeden der Gäste an. Die Blicke derer sagte ihm, dass sie nichts darüber wussten. So erklärte Hannes seine Gedanken, welche er nun bereits seit über 3 Jahre im Kopf hatte. Auch erwähnte er sein Trockenfeldanbau-Projekt. Denn dies alles gehörte zu seinem Plan: Den Menschen in Kambodscha zu helfen. „Zum einen ist die Partei von Samnang Duong im gleichen Atemzug mit dem Svay Rieng Agro-products Cooprrative und meinem Trockenfeldanbau-Projekt zu nennen. Die Geschäftsführerin ist Maona. In der Geschäftsleitung sind: Yupa Ngampho und Samnang Duong. Ein handvoll Europäer sind im Beirat – ich gehöre auch dazu. Zur Zeit liegt auf einem Konto bei der National Bank of Cambodia eine Summe von weit über 1,7 Million US-Dollar. Das ich diese Summe nicht einfach „spenden“ kann, ist selbstverständlich. Die Kambodschaner müssen auch etwas dafür tun. Dies geht nur, wenn sie einen Teil von ihrem Erlös an das Kollektiv abtreten. Nichts ist umsonst – auch humanitäre Hilfe nicht. So steht es auch in der Satzung vom diesem Kollektiv. Bis dato haben diese Satzung 211 Bauern unterschrieben. Wir möchten die Menschen in diesem Agrarkollektiv und natürlich auch in dieser Provinz gleichstellen. Es gibt Kriegsbedingt oder durch den Genozid sehr viele Menschen, denen einige Gliedmaßen fehlen. Diese Menschen haben in dem jetzigen System keinen Platz in der Gesellschaft. Dies möchten wir ändern. Eine Person mit einem fehlenden Bein oder Arm, kann in unserem Kollektiv Ware verkaufen. So bekommen diese Menschen Lohn für ihre Arbeit und können wieder am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Wir werden dafür noch Verkaufshütten bauen. Alle im gleichen Stil und Farbe. Jeder in der Provinz soll sehen, wer wir sind. Ihr seht, an der Partei von Samnang hängt viel mehr, als nur ein paar Reformen umzusetzen. Natürlich hätten wir mit Maona als Gouverneurin freie Fahrt und könnten viel schneller und wesentlich einfacher auch unsere Ziele erreichen. Ich sagte vorhin, dass wir eine Veränderung in der gesamten Provinz möchten, und nicht nur südlich von Svay Rieng. Also sind unsere Pläne doch erheblich größer. Savin, du hast recherchiert, dass es tatsächlich diese Geldzuwendungen gibt. South würde dies nie tun, wenn er keine nasse Füße bekommen würde – er hat Angst vor Maona und weiß nicht, wer im Hintergrund ist. Wir können mit der Partei nicht mit Geldzuwendungen punkten, denn dieses Geld wird dringend für mein Trockenfeldanbau-Projekt und für das Kollektiv gebracht. Unsere Veränderungen brachen Zeit zum wachsen. Das Geld von South haben die Menschen in ihren Taschen. Somit ist es jetzt schon eine unfaire Wahl. Nun bin ich wieder am Anfang vom Kreis angekommen. Wenn du, Heng Serey, Beiträge über meine Projekte machst, sollten diese mit Maona in Verbindung gebracht werden. Wer das Geld dafür gibt und wer im Hintergrund arbeit, ist den Leuten ziemlich egal. Die Menschen müssen sehen, dass diese Veränderungen von und durch Maona kommen. Somit hast du eine neutrale Berichterstattung und gleichzeitig wird Maona bekannt. Diese Möglichkeit kann und werde ich dir anbieten. Lasst uns darüber mal ein paar Gedanke machen. Ich bräuchte nun eine kleine Pause, denn ich müsste mein Bier weg tragen und zum andern würde ich gerne noch etwas Obst für uns bestellen.“

ព្រះពុទ្ធការពារប្អូនស្រី។
Buddha beschützt dich Schwester

Hannes kurbelte gemeinsam mit dem Kameramann Borey das Floß ans Ufer. Gemeinsam ging es doch erheblich leichter und schneller.
Auf dem Weg zur Toilette schaute Hannes auf das Wahlplakat von Maona und grinste breit. Borey sah ihn fragend an.
„Schau, was dort steht. Dieser Spruch stand bei unserer Ankunft noch nicht auf dem Plakat.“ „Buddha beschützt dich Schwester. Klasse Spruch.“

Am Tresen bestelle Hannes eine große Platte mit Ananas, Pitahaya und Wassermelone.
Er frage die Bedienung ob es möglich wäre eine weitere Liege auf ihr Floß zu stellen, denn diese wäre um ein vielfaches bequemer als die Holzstühle. Die junge Frau nickte „Sie können auch gerne die Nummer 10 nehmen, dort sind mehrere Liegen und auch Hängematte vorhanden.“ „Sehr gerne. Dann tauschen wir.“
Die Bedienung machte sich sofort an die Arbeit ihre Getränke und neue Eiswürfel auf Floß Nummer 10 zu tragen.

Bis die Bestellung und das umräumen
fertig war, ging Hannes an sein Auto und holte noch einige Wahlplakate aus dem Kofferraum.
Heng Serey kam an den Kofferraum „Du hast ne coole Karre.“ „Danke. Kann ich auch bei dir sagen. Der EVO1 ist schon ne Rakete. 250 PS und Allrad-Antrieb. Da geht was. Leider würde mir in dem Gebiet, wo ich im Einsatz bin, dieses Auto selbst mit Allrad nichts nützen. Da kommt selbst mein Auto hin und wieder an seine Grenzen.“

Hannes legte noch einige Plakate von Maona auf den Tresen. Sein Lieblingsplakat von Maona zeigte er Heng Serey und sagte ihm auch, warum er dieses Plakat mochte.
Heng Serey nickte „Sie ist ohne Zweifel eine taffe und sehr schöne Frau. Was sie uns vorhin von sich erzählte, muss man erst einmal verkraften. So viele Stunden neben ihrem toten Mann zu liegen, ist schon eine Hausnummer. Ich wüsste nicht, ob ich dies könnte.“

Der Koch von dem Restaurant trug eine riesige Platte mit Obst an Floß Nummer 10. Die Bedienung hatte noch ein Tablett mit Getränken dabei und stellte die Dosen in die Kühlbox.
Das „Steuerrad“ von Nummer 10 war zumindest eine vernünftige Fahrradfelge und drehte sich auch bedeutet leichter. Floß Nummer 10 war mit Abstand das größte und wohl auch bequemste. Es gab mehrere Liegen, wobei zwei sehr breit und somit für zwei Personen waren. Kleinere Holztische standen neben den Liegen und es gab eine große Fläche, wo man sich bequem setzen oder auch hin legen konnte.

Sie lagen auf den bequemen Liegen auf dem Floß und durch den leichten Wellengang vom Prek Vai Kou kam der Moment wie Urlaubsstimmung vor. Trotz der Mittagshitze war es auf dem Wasser sehr angenehm.

„Hannes? Ich hätte mal eine Frage“ sagte Aveline. „Okay. Welche?“ „Es tut mir leid, ich bekomme keine Verbindung zwischen deinem kambodschanischen Namen und einer Kuh.“ Hannes grinste Aveline an und erzählte ihr, wie er zu diesem Namen kam.
„Unglaublich. Und diese Kuh ist immer bei dir?“ „Ja. Hätte ich heute ein anderes Auto, wäre Sangkhum auch hier. Dieses Rind ist schon sehr eigenartig.“

Maona erzählte von ihrer ersten Begegnung in der Svay Rieng Provincial Hall und wie Hannes der Länge nach auf dem Betonboden aufschlug. „Wenn man Menschen nicht kennt, macht man sich sein eigenes Bild. Ich kannte Hannes nur unter seinem Namen, Borsa mneak del mean ko. Irgendwann stand er vor mir und ich verkaufte ihm Fleisch. Nun bin ich durch ihn Geschäftsführerin für ein Agrarkollektiv und stelle mich zur Wahl für die zukünftige Gouverneurin. Das Leben geht schon merkwürdige Wege.

Hannes stand auf und ging zur Kühlbox um sich ein Bier zu holen. Er reichte Aveline eine Dose Pepsi Cola. Savin wollte Eistee. Borey und Heng Serey sagten bei einem Bier nicht nein.

„Borsa mneak del mean ko, erzähle uns von dir. Wir waren eigentlich der Meinung, Beiträge über Maona und die neue Partei zu filmen, nun muss ich sagen, dass vieles was Maona sagte, wir nicht wussten.

Hannes legte sich in die äußerst bequeme Liege neben Maona und fing im Januar 1990 an zu erzählen. Seine Zuhörer nickten hin und wieder oder schüttelten den Kopf. „Und nun sitzen wir hier auf dem Prek Vai Kou und der kleine Hannes von früher gibt es schon lange nicht mehr. Ich suchte damals Hilfe um weiterzukommen. South war keine Option, dies merkte ich sehr schnell. So kam ich mit dem Militär in Kontakt. Nach einiger Zeit merkte ich, dass ein Major in der Kaserne in Svay Rieng weit mehr als ein Militäroffizier war. Ich war mir aber nicht sicher, wer im Hintergrund in dieser Provinz die Fäden zog. Nach und nach merkte ich, dass viele „seiner“ Gedanken nicht seine waren. Er gab diese lediglich weiter – was in keinster Weise negativ war. Erst durch Maona wusste ich es ganz genau. Nun ist das Resultat eine Partei, bei der Samnang Duong vorsteht und Maona die Spitzenkandidatin ist. Da wir alle wissen, wie South an seiner Macht klebt und wir von Wahlmanipulation ausgehen können, haben ich durch meine Kontakte zur UN und somit zu UNTAC, 4.800 Blauhelmsoldaten und 700 Beamte angefordert. Sie werden als Wahlbeobachter eingesetzt. Auch werden die Stimmzettel an einem geheimen Ort – den ich kenne, ausgezählt und auch dort beobachtet. South weiß noch nichts von diesen Wahlbeobachter und dies soll auch so bleiben. Die Macht vom South ist in dieser Provinz stark und sehr verflochten. Natürlich möchte er sein Schattenimperium behalten. Ihr wisst von Ortschaften wo die Leute etwas Geld von South’s Wasserträger bekommen haben, damit diese ihr Kreuz an der „richtigen“ Stelle machen sollen. In der Region um Kampang Rou hat er keine Chance, denn dort sind wir sehr aktiv und die Blöße seiner Wahlmanipulation wird er sich nicht geben. Was ich euch vorhin über mein Trockenfeldanbau-Projekt gesagt habe, wird eine große Sache, leider sehen es die Menschen in der Provinz Svay Rieng noch nicht. Die Leute in und um Kampang Rou sehen diese Veränderungen seit 3 Jahren. Diese etwas über 1.000 Wahlberechtigte Menschen sind für eine absolut Mehrheit bei der Wahl für Maona viel zu wenig. Über 200 Felder südlich und westlich von Svay Rieng in Richtung Kampang Rou werden optimiert, abgeerntet oder eingesät. Zur Zeit arbeiten dort an den Felder weit über 200 Personen, die zum Teil aus anderen Ortschaften kommen und somit ist Maona diesen Menschen bekannt. Wir werden etwas gegen die Lebensmittelknappheit in diesem Land tun. 100 Tonnen Saatgut sind bereits auf einem Schiff und werden in Kürze im Hafen von Sihanoukville ankommen. Auch sind 5 Container mit Landschaftlichen Maschinen aus Deutschland auf dem Weg nach Kambodscha. Dies alles, was ich eben aufgezählt habe ist bis zu diesem Zeitpunkt mein Eigentum. Unsere Veränderungen werden spürbare Verbesserungen bringen. Wir in diesem Kreis wissen, wie es mit der geringen Bildung auf dem Land aussieht. Also können wir nur die wenigen Menschen erreichen, die für das Agrarkollektiv und ODHI arbeiten, oder wie bereits erwähnt, die Veränderungen in Kampang Rou, Khum Nhour, Khsaetr oder Sama sehen. Selbst die Bergdörfer Samlei, Thmei und Tnaot profitieren von den Veränderungen in der Region. In Thmei steht ein Militärzelt, in dem eine Lehrerin aus dem Team von Patricia die Kinder unterrichtet. Ich habe einen Arbeitsvertrag von UNICEF und sollte eigentlich die Infrastruktur für Schulen errichten. Würde ich gerne tun, wenn über die UN oder UNTAC endlich vernünftiges Geld kommen würde. Bei der letzten Debatte vorige Woche in Phnom Penh wurden 32 Millionen US-Dollar für die Bildung bereitgestellt. Selbst wenn ich für UNICEF Schulen baue, habe ich keine Lehrer. Junge Lehrerinnen und Lehrer wollen in die Städte und nicht in die trostlosen Ortschaften. Die Lehrerinnen und Lehrer, welche hier sind, haben doch kaum eine Perspektive, weil ständig Geld fehlt. Meine Frau und ihr Kollege, Levi Flacks, werden im nächsten Jahr unter anderem für das Bildungsministerium arbeiten. Bei der letzten Debatte im Ministerium wurde die Bildungsreform von Patricia und Levi sehr gut angenommen. Ihr seht, wir machen uns sehr viele Gedanken, wie wir diesem Land noch besser und vor allem schneller helfen können. Und nun bin ich wieder am Anfang vom Kreis. Wie können wir es hinbekommen, dass diese Wahl im Sinne der Demokratie und trotzdem zu unserem Vorteil verläuft? Mal etwas anderes. Es wird immer später und wir sollten uns das Abendessen bestellen. Denn ich denke, wir werden noch ein paar Stunden brauchen, bis wir ein vernünftiges Konzept haben.“

Borey und Heng Serey kurbelten das Floß zurück an Land. Maona bestelle für alle das Abendessen. Suppe, gebratene Fleischspieße vom Huhn, Schwein und Rind, Papayasalat mit Klebereis und Fisch mit Gemüse.
Maona sah nun auch das Wahlplakate mit dem für sie geschriebenen Spruch. Sie fragte die Bedienung nach einem Filzstift und signierte das Plakat. Die anderen Plakate hingen unübersehbar im Restaurant. Sogar eines am großen Coca-Cola Kühlschrank.

Hannes rief Patricia an und sagte ihr, dass er mit Maona in Rokar sei und sie sich keine Sogen machen sollte.
„In Rokar? Was machst du am anderen Ende der Provinz?“ „Gespräche mit einem Fernsehteam. Sie waren in Chong Kal und wir haben uns in der Mitte getroffen.“ „In der Mitte?“ „Dann ist die Mitte eben weiter südlich. Herr Gott nochmal. Tschüss bis heute Abend. Ich liebe dich.“

Unbeschwertes Feiern gegen politische Veränderungen

Das Restaurant füllte sich langsam mit jungen Leuten, einigen Studenten aus Svay Rieng und Arbeiter, die den Tag mit Essen, Getränke und Feiern ausklingen lassen wollten. Maona kam mit Aveline und Savin von der Toilette und wurde von einigen Gästen erkannt. Diese verbeugten sich vor Maona und sagten ihr, dass sie zu ihr stehen würden. Maona ergriff sofort die Gelegenheit und stelle den Gästen ihre Reformen der neuen Politik vor.
Aveline stand neben Hannes und hörte Maona zu. Sie sah ihn an und nickte „Diese Frau hat Temperament“ „Maona ist ein Vulkan und die einzig wahre Option für diese Provinz. Hoffen wir auf das Beste. Der Countdown läuft.“

Um nicht nochmal das Floß zu tauschen, um essen zu können, brachte ein Keller zwei flache Tische auf ihr Floß. Mit den dicken Kissen, konnte man sich auch auf dem Boden bequem machen – was in Südostasien eigentlich auf völlig normal war.
Beim Abendessen wurde in der Gruppe über dieses und jenes gesprochen. Heng Serey hatte politische und gesellschaftliche Ansichten, mit denen er sich in Kambodscha nicht unbedingt Freunde machen würde, wenn diese öffentlich bekannt würden. Gerade er, der für einen Nachrichtensender arbeitet, welcher von der Regierung kontrolliert wurde. Diesen Mut musste man erst einmal haben. Nun wurde Hannes auch klar, warum man sich an diesem abgelegenen Ort traf. Die Entfernung zu den anderen Flößen machte es unmöglich, ihre Diskussionen zu verfolgen oder gar zu hören.
Hannes sah immer mal wieder zu den anderen Flößen und beobachtete die Leute. Sie feierten, lachten oder sangen Karaoke. Auf ihrem Floß wurde über deren Zukunft diskutiert, ohne dass diese jungen Menschen oder Bauern es wussten. Natürlich hatte sich herumgesprochen, wer die Frau auf Floß Nummer 10 war und so schauten hin und wieder einige der Gäste zu ihnen herüber.

Hannes entschuldigte sich und stand auf. Er ging ans Heck, wenn man dies bei einem Floß sagen kann, und rief Ilaria an.
Er fragte sie, ob UNTAC etwas über die indirekten Geldzuwendungen von South wüsste.
„Buona sera Hannes, es gibt Gerüchte darüber. Aber mehr weiß ich auch nicht. Ich bekam Fotos von CIVPOL auf dem ich seinen Anwalt erkannte, der beim Treffen im Rathaus dabei war. Es liegt der Verdacht der Geldwäsche vor. Noch ist alles sehr vage und eben auch nur Vermutungen. Hast du mehr Informationen als ich?“ „Ja. Habe ich. Eine Journalistin von TVK hat recherchiert, dass das Geld über eine chinesische Bank in Phnom Penh transferiert wird und es mehrere Mittelsmänner gäbe. Einen hätten wir ja dann schon.“
Stille in der Leitung. Hannes sah, dass Heng Serey zu ihm schaute.
„Hannes…?“ „Ja?“ „Wenn dies an die Öffentlichkeit kommt, brennt in der Provinz der Baum.“ „Wäre schön, wenn dies möchtest schnell passieren würde.“ „Wie sicher ist deine Quelle?“ „So sicher, dass Heng Serey Ratana seinen Job verlieren würde.“ „Wer ist er?“ „Der Hauptnachrichtensprecher von TVK.“ „Scusi, was hat er damit zu tun?“ „Er sitzt einige Meter von mir entfernt auf einem Floß auf dem Prek Vai Kou. Seine Redakteurin, Frau und Kameramann sind auch hier.“ „Okay. Ich setze mich mit CIVPOL in Verbindung. Ich sage dir Bescheid, wann und wo wir uns treffen.“ „Grazie, Ilaria.“

Hannes setzt sich wieder zu den anderen und nickte.
„Was?“ Fragte Heng Serey. „Ich weiß nun wer einer der Mittelsmänner ist. Es ist South’s Anwalt.“
Savin ließ ihre Gabel fallen und die anderen sahen Hannes an, als ob sie einen Geist sehen würden.
Hannes erzählte von dem Gespräch mit Ilaria und dass sie sich in diesem Augenblick mit CIVPOL in Verbindung setzen würde.
„Lasst mich noch kurz telefonieren. Ich möchte noch einen Freund anrufen, damit auch er im Bild ist. Mal schauen, ob er uns helfen kann.“
Auf die fragende Blicke der anderen sagte Hannes, dass er den Leiter der Weltbank in Kambodscha anrufen werde. „Macht euch keine Gedanken, Coady ist ein Freund von mir. Auch er gehört zu jenen Personen, denen ich – und Maona vertrauen. Coady ist auch auf unserer Seite.“

Diesmal blieb Hannes in der Gruppe sitzen und sagte Coady das gleiche, wie zuvor Ilaria.
„Coady, ich stelle auf Lautsprecher, dann können die anderen dich hören.“ „Guten Abend Maona und Heng Serey. Hallo an die anderen. Was ihr vor habt, ist brandgefährlich – aber wohl die einzige Möglichkeit die bleibt. Öffentlich über die Medien könnt ihr dies nicht tun, denn sonst sind einige von euch sehr schnell den Job los. Es geht nur über CIVPOL und dann über INTERPOL. Ich habe ein paar Kontakte zu INTERPOL und werde die mal in Kenntnis setzen. Hannes? Sag mir bitte Bescheid, wann Ilaria nach Svay Rieng kommt, dann komme ich auch.“ „Danke Coady. Ich melde mich sobald ich etwas weiß. Liebe Grüße an Melanie.“

Heng Serey schüttelte nach dem Telefonat den Kopf und sah Hannes an.
„Was?“ „Es ist unglaublich wen du alles kennst.“ „Tja, der Bagger fahrende Hannes hat auch ein großes Netzwerk. Es gibt keine Organisation in Kambodscha, in der ich keine Freunde oder Unterstützer habe. Leute, die Zeit läuft. Wir sollten uns Gedanken machen, wie wir Maona so schnell wie möglich ins Fernsehen bringen können. Da ihr die Fachleute seid, lasst mal eure Gedanken hören.“ „Welche konkrete Projekte können wir den Zuschauer zeigen?“ Fragte Savin. „Die Wasserräder in Kampang Rou und Khsaetr. Dadurch hat sich die Lebensqualität der Menschen bereits verbessert. Die Schulen meiner Frau. An dem Trockenfeldanbau-Projekt sind wir dran. Genau so an dem Agrarkollektiv. Da bräuchte ich auch noch ein geeignetes Grundstück. In Kampang Rou gibt es einen Laden, wo es keine Plastiktüten gibt. Frauen aus Tanot flechten Körbe. Diese Körbe werden wir in allen unseren Verkaufshütten haben. Zur Zeit gibt es einige Geschäfte in Svay Rieng, die diese Körbe auch benutzen. In Kor An Doeuk, Thkov, Shheu Teal und Kâmpóng Trâbêk werden diese Flechtkörbe bereits seit Jahren eingesetzt. Auch in Chong Kal gibt es mehrere Markt- und Standbetreiber, die diese Körbe für ihre Kunden nutzen. Somit hätten wir auch Umweltschutz im Angebot. Die Lieferung von 100 Tonnen Saatgut und den Landwirtschaftlichen Maschinen können nur angesprochen werden, denn diese werden morgen oder in den nächsten Tagen noch nicht in Kambodscha sein.“
Savin notierte dies alles und schaute auf ihre Notizen „Dies ist doch schon eine ganze Menge. Daraus lässt sich einiges machen. Wir könnten sogar eine richtige Reportage darüber filmen. Oder was meinst du, Heng?“
Heng Serey nickte anerkennend in die Runde „Dann sollten wir ein Drehbuch schreiben.“ „Gut, machen wir uns an die Arbeit. Ich werde mit Savin und Borey schreiben, und Hannes mit Aveline und Heng Serey“ sagte Maona und setzte sich auch gleich zu den beiden auf den Boden.
Aveline, Heng Serey und Hannes machte es sich mit Dosenbier in den Liegen bequem. Hannes stellte ihnen seine Ideen vor, wie und wo er Maona filmen würde. Seine Ideen gefielen den beiden sehr gut. Als Hannes etwas von einer Caterpillar D8N sagte, wussten beide nicht, was er meinte. Also erklärte er, was damals bereits Stacey filmte.
„Bilder von der Basis. Das ist gut“ sagte Heng Serey und klopfte Hannes auf die Schulter.
„Ich hätte noch die Gemüsefelder an Patricia’s Schule im Angebot. Am besten schaut ihr euch dies alles vor Ort an, dann werdet ihr sehen, was ihr alles filmen könnt.“

Das Telefon von Hannes klingelte. Es war Ilaria. „Buona sera Hannes, morgen Nachmittag gegen 16 Uhr bin ich in Svay Rieng. Wo treffen wir uns?“ „In der Schule von Patricia. Dort sind wir sicher. Grazie, für deine Hilfe. Bis morgen.“
Nach dem Telefonat mit Ilaria rief Hannes Coady an und sagte ihm die ungefähre Uhrzeit und Ort.

Es bereits 21 Uhr als beide Teams ein kleines Drehbuch geschrieben hatten, wie und wo sie sich eine Konversation mit Maona vorstellten. Aveline las die Manuskripte vor und es wurde noch besprochen, wie Maona oder Hannes sich dieses oder jenes genau vorstellten. Savin und Borey machten sich Notizen. „Eine Frage: wie willst du Maona in einer Höhe von 20 Meter filmen?“ Fragte Borey. „Wir haben einen Kranbagger auf der Baustelle. Wirst du morgen sehen.“
„Respekt Leute. Nun lasst uns aufbrechen, es war ein sehr langer Tag“ sagte Heng Serey.
Hannes rief noch ins Hotel an und machte drei Zimmer klar.

Kapitel 40 Billard am 10. Breitengrad

Billard am 10. Breitengrad

Nach einem langen Tag in Staub und Hitze, war Hannes froh im Hotel zu sein, um diesen furchtbaren Sand von der Haut zu bekommen.
Unter der Dusche fiel ihm ein, dass er nach nur einem Tag von Claude schon sehr viel verlangte. Hannes konnte sich nach all den Jahren in Südostasien nicht an diesen Sandstaub gewöhnen und er war mit Claude über 7 Stunden in dieser Hitze und Staub.
Patricia stürmte ins Zimmer und rief nach ihm. „Ich bin im Bad.“ „Très bon. J’arrive.“ Und im gleichen Augenblick stand sie im Bad.
Das duschen mit seiner schönen Frau war definitiv das Highlight an diesem Tag. Patricia küsste ihm lange und hielt Hannes fest „Chérie, was bist du wieder so nachdenklich?“ Hannes erzählte ihr von den neusten Problemen mit der Bestimmung der Bodenklassen, der Suche nach einem vernünftigen Areal und die Frage, ob auf den Landwirtschaftlichen Maschinen ein Embargo sei. „Prinzessin, ich werde heute Abend dies mit dem Vorstand von dem Agrarkollektiv auch mal ansprechen. Ich kann und will nicht immer alles alleine machen und denken. Und bei euch so? Was habt ihr heute gemacht?“ „Wir haben eine kleine Bootstour auf dem Tonle Bassac gemacht und wir waren in Bavet an der Grenze auf einem Markt gewesen. Hier in der Provinz gibt es ja nicht all zu viel zu sehen. Lass uns mal schauen, ob wir nicht mal für ein Wochenende nach Kâmpóng Trâbêk kommen. In Phnom Penh oder Siem Reap gibt es ja doch bedeutend mehr zu sehen.“ „Ja, mein Engel. Mal schauen, ob wir dies fürs nächste Wochenende schaffen. Dann könnte ich vielleicht am Montag im Verteidigungsministerium oder bei UNTAC mal fragen, wie ich an die Liegenschaft komme. Und wenn du mit deiner Familie wieder für ein paar Tage nach Koh Rong Sanloem fährst?“ „Könnte ich machen, aber warum willst du nicht mit?“ Hannes gab ihr keine Antwort auf die Frage und küsste sie lange. Patricia streichelte ihn zart und knabberte an seinem Ohr. Das Wasser lief ihnen über ihre Körper und sie lieben sich unter dem lauwarmen Wasser.
„Prinzessin, lass uns fertig werden, sonst kommen wir als letztes ins Restaurant.“ „Chérie, dies ist mir jetzt auch egal. Ich liebe dich und ich brauche dich“ mit diesem Worten zog sie Hannes aus der Dusche in dem kleinem Badezimmer auf das Doppelbett.


Patricia gab ihm einen Kuss „So, nun können wir duschen gehen. Danke für deine Liebe und den schönen Sex.“
Wieder lief das lauwarme Wasser über sie und Hannes wollte sich gar nicht mehr von seiner Frau lösen. „Komm, mon chérie, lass uns fertig werden, sonst kommen wir als letztes ins Restaurant.“ Hannes sah fragend zu Patricia. „Nun habe ich das bekommen, was ich brauchte. Jetzt können wir fahren. Je t’aime, mon chérie.“

Um 18.30 Uhr klopfte Hannes an der Zimmertür von Claude „Salut Claude, wir fahren gleich. Ich möchte mich aber zuerst bei dir entschuldigen. Es tut mir leid, dass ich dich heute über Stunden mit in den Staub und Hitze geschleppt habe.“ „Meine Deutsche Kartoffel. Es ist okay. Das wir nicht in Höhlen sein werde wusste ich. Aber du hattest mich auf den Staub, Sand und Hitze vorbereitet. Ich muss und werde mich an dieses Klima gewöhnen. Andere mussten dies ja auch.“

Als Hannes mit Claude in die Lobby kam, saßen seine Freude bereits in den billigen Sessel und warteten auf sie.
„Hey Chef, wer fährt mit welchem Auto?“ Fragte Asger. Hannes schüttelte den Kopf „Niemand. Ich habe für uns einen Mini-Bus bestellt. Immerhin sind wir 9 Personen und so können wir auch etwas trinken.“ Patricia sah Hannes böse an und boxte ihm fest gegen den Oberarm. „Prinzessin, ich habe wir und nicht ich gesagt.“ Patricia verzog den Mund. Ihr Blick sprach Bände.

Das „Sach ang phoumi yeung“ heißt übersetzt „unser Dorfgrill“. Es ist kein Restaurant der gehobenen Klasse, aber trotzdem sehr schön. Man hat von der großen Terrasse einen wunderschönen Blick auf den Toni Waikou. Dieser See wird von dem Waikou Fluss, welcher schon grandios ist, aber gegen den Mekong nur ein Büchlein darstellt. Der Waikou geht nach dem großen Staudamm in den Bassac über, dort wo am Nachmittag Patricia mit ihrer Familie war.
Im „Sach ang phoumi yeung“ gab es drei Billardtische, die auch in einem vernünftigen Zustand waren. Der große Gastraum waren typisch asiatisch eingerichtet – also mit Teakholz Stühle und Tische, wie auch die Terrasse.

Zu Hannes seinem Erstaunen sah er auf dem Parkplatz vom „Sach ang phoumi yeung“ das Auto von Bourey stehen. Als Major musste er durchaus die Uhr kenne.
Hannes bedankte sich bei Soknea, der Inhaberin von dem Restaurant, dass sie seinem Wunsch nachkommen war. „Borsa mneak del mean ko, für dich immer wieder gerne. Es hat bestimmt seinen Grund, warum du das Restaurant für euch alleine haben möchtet.“ Hannes nickte, lächelte und verbeugte sich vor ihr „Danke Soknea, schreib heute alles auf eine Rechnung.“

Hannes begrüßte Maona, Yupa, Samnang und Bourey herzlich und stellte ihnen Claude vor. Maona verbeugte sich leicht vor Claude „Bonjour Claude, vous êtes le géologue que nous attendons tous avec impatience“ sagte Maona zu Claude. „Merci beaucoup. Es ist schön, dass ich von so vielen Leuten erwarte werde, aber ich bin nur Geologe und kein Zauberer“ sagte er zu Maona und sah fragend zu Hannes. „Maona kann französisch und englisch. Ja Claude, mich hatte sie auch schon überrascht. Maona, die Wahlplakate gefallen mir sehr gut. Ich finde das Plakat, wo man dich vollständig sieht echt klasse. Du gehst mit deiner Behinderung offen um und zeigst deine Kraft und Willen.“ „Findest du? Es gab für dieses Foto so einige Diskussionen.“ Hannes schüttelte den Kopf „Gerade weil du so – leider, bist, ist dieses Foto eine Botschaft an alle Menschen, die eine körperliche Behinderung haben. Du willst für alle Menschen in dieser Provinz die Gouverneurin sein und zeigst denen, dass es egal ist wie man aussieht.“ Bourey nickte Hannes wild zu „Dies habe ich Maona auch gesagt. Wenn wir von Anfang an etwas verstecken, werden wir unglaubwürdig. Nicht jeder in der Provinz kennt Maona und die Umstände ihrer Behinderung.“ Hannes klopfte dem Major auf die Schulter „So sieht es aus.“ „Mit oder ohne Behinderung muss ich diese Wahl erst mal gewinnen.“ Hannes nickte Maona zu „Lass dich an den Felder blicken, wo die Bauern am arbeiten sind. Rede mit ihnen. Zeig ihnen, dass es voran geht und du für diese Reformen stehst. Geh an die Universität und werbe für Lehrer, Kaufleute und Ingenieure. Stelle das Trockenfeld Projekt vor und sag den Studenten um was es geht. Lade sie auf die Baustellen ein oder zu Patricia in die Schule. Wir können Menschen nur erreichen, wenn sie alle diese Veränderungen sehen. Maona, es geht hier mehr als nur um Wahlkampf. Wir von ODHI brauchen fähig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir können mehr verändern, je mehr Menschen dies wissen und anpacken. Wenn Studenten, die Lehrerin und Lehrer werden wollen, sollen sie wissen, dass wir bereit sind Schulen zu bauen. Mir nützt es wenig, wenn ich für die UN die Infrastruktur aufbauen soll, wenn ich keine Lehrer oder Ingenieure habe. Die jungen Leute wandern nach Phnom Penh ab, und hier stirbt die Provinz aus. Ich weiß von dir, dass es hier in der Provinz mehr als genügend verwaiste Schulen gibt. Warum ist dies so? Weil Suoth die Provinz an die Wand gefahren hat.“ „Ich gebe dir in allem recht. Aber ich kann nicht über Nacht die Fehler und Korruption von South umdrehen. Und warum gehst du nicht mit mir an die Universität?“ Hannes nickte Maona zu „Das du die Fehler von South nicht von heute auf morgen ausbügeln kannst, weiß jeder hier im Raum. Warum ich nicht mit dir gehe? Dies ist ganz einfach, weil ich mal wieder – oder immer noch, einen Berg Probleme habe und mir schlichtweg die Zeit davon läuft. Ich hatte es auch schon zu Samnang gesagt, ihr habt den Vorteil, dass wir Europäer mit unserem Wissen und Equipment hier sind. Wir bleiben im Hintergrund – sind aber da wenn wir gebraucht werden.“


„Na, mein Freund, schon wieder am Arbeiten?“ Hannes drehe sich um und grinste Levi an „Hallo Levi, hallo Clodette, schön, dass ihr da seid. Wie war es in Phnom Penh?“
Am Tisch erklärt Levi den Zuhörer die vergangene Tage im Ministerium. Patricia, Clodette, Hannes, Franziska, Maona, Adelina, Leatitia und Samnang hörten ihm gespannt zu. Am Nebentisch saßen Claude, Maurice und Annabell.
„Über die UN, beziehungsweise UNICEF wurde ich zu der Debatte für die Bildungsreform eingeladen. Es waren circa 250 Delegierten im Ministerium – also keine große Sache. Am Mittwoch wurde von Seiten der UN, UNTAC, UNICEF, UNHCR, sowie Vertreter des Nationalrat und der Interimsverwaltung eine Agenda vorgestellt, welche 74 Punkte umfasst und die in den nächsten 2 Jahren greifen soll. Die komplette Ausfertigung habe ich zu Hause liegen. Und muss sagen, drei Viertel der Kapitel sind das Papier nicht wert, auf welches sie gedruckt wurden. Da ich bei der Delegation der UNICEF saß, lernte ich auch einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennen, die für UNICEF in Kambodscha sind. Am Abend war ich mit gut zwei Dutzend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von UNICEF essen gewesen. Eine Vanessa Lemaire und ein Milan Vandenberghe aus Belgien, sowie eine Romina Ponte aus Italien saßen mit mir an einem Tisch. Hattie auch. Ich soll euch beide herzlich von ihr grüßen. Patricia, kennst du diese Personen?“ Patricia schüttelte den Kopf. „Komisch. Jene Personen wussten sehr genau über dich Bescheid. Ich sprach am Anfang kaum über deine Schulen, trotzdem scheint jeder deinen Name zu kennen. Ich sprach später konkret deine Schule in Kampang Rou, Khsaetr und Chong Kal an. Die Personen waren bestens im Bild. Da du diese Personen nicht kennst, frage ich mich, woher sie so gut informiert waren und sind.“ „Vermutlich von Hattie oder Laureen. Ich weiß es nicht.“ Levi nickte „Ist auch egal. Jedenfalls stellte ich ihnen unsere Ideen und Gedanken für eine neue Bildungsreform vor. Es war unglaublich, wie positiv sie dem zustimmten. Am Donnerstag wurden konkrete Punkte seitens der UNICEF durch die Leiterin in Kambodscha, Frau Laureen Thompson, angesprochen und ausführlich dargestellt. Hannes und Patricia werden diese Projekte bestens bekannt sein. Am Nachmittag wurde die Agenda für die Finanzierung von einem Herrn Anthony Robinson vorgestellt. Die UN würde 32 Millionen US-Dollar dafür ausgeben. Es folgte eine Diskussion von Vertreter der ASEAN Staaten und der UN, woher dieses Geld kommen sollte.“ Hannes nickte „Kommt mir irgendwie bekannt vor. 32 Millionen US-Dollar! Der UNTAC Einsatz ist auf 500 Millionen US-Dollar geplant. So viel zum Thema Bildung.“ Und zu Patricia sagte er „So viel zu meinem Jobangebot bei der UN.“
Levi sprach weiter „Nach dieser schier endlosen Debatte wurden die bis jetzt umgesetzten Bildungs-Projekte angesprochen und dargestellt. Ich bekam Redezeit und habe die Bildungsreform von Patricia und mir vorgestellt. Auch habe ich die neuen Schulprojekte mit dem Anbau von Gemüse, eure Idee mit den kleinen Tafeln für die ärmeren Provinzen den Delegierten vorgestellt. Ein Stab von UNTAC aus Belgier, Italiener, Deutsche und Norweger begrüßten jeden meiner Punkte und stimmte auch sofort dafür. Am Abend war ich mit den Belgier Alice Pierand, Juliette Ulens, Vince Kesteloot und Hugo De Jonghe essen gewesen. Auch sie kannten die Schulen von Patricia in den Provinzen Prey Veng und Oddar Meanchey. Patricia, diese Leute sehen dich als Koryphäe für die Bildung in Kambodscha. Sie alle sind nicht für UNICEF im Einsatz, sondern für UNTAC.“
Franziska‘ s Augen strahlen und sie gab ihrer Tochter einen Kuss auf die Wange.
„Am Freitagmorgen hatte ich Gespräche mit einer Delegation aus Italien, welche für UNTAC in der Provinz Takeo im Einsatz sind. Auch sie waren für unsere Ideen sehr offen, gleiches vom dem Kontingent aus Belgien in den Provinzen Banteay und Battambang. Thailand in der Provinz Meancheay. Und andere Staaten, die in den Provinzen Mondulkiri, Kampong Speu, Sihanoukville und Siem Reap im Einsatz sind. Am Freitag hatte die Interimsverwaltung für Kambodscha unserer Bildungsreform Einstimmig zugestimmt! Zu den abstimmenden Staaten gehörten unter anderem: Pakistan, Polen, Senegal, Thailand, Tunesien und Uruguay. Patricia, ist dir bewusst, wie viele Menschen hinter dir stehen? An den beiden Abende und am Freitagmorgen lud ich die Delegierten nach Kampang Rou ein. Sie sollen und können gerne sehen, was wir leisten.“ Hannes nickte Maona zu „Was ich dir vorhin gesagt habe.“
Patricia saßen für den Augenblick regungslos am Tisch. Diese Nachricht von Levi musste erst mal sacken. Franziska drückte schon eine Weile ihre Tochter fest an sich und streichel ihr über den Kopf und Rücken.
„Natürlich fragten die Delegierten nach dir. Ich sagte, dass du zur Zeit in Thailand seist, weil deine Eltern auf Urlaub hier seien. Im Oktober sind die nächsten Debatten geplant und ich sagte, dass du dann dabei sein wirst.“ „Danke Levi, wir kamen am Freitagnachmittag erst in Kampang Rou an. Da scheinen die Gespräche mit Jean-Luc Dehaene in Paris doch etwas gebracht zu haben. Belgien war im Juni schon sehr gut über meine Arbeit informiert.“ Levi nickte ihr zu „Mit Belgien hast du definitiv einen starken Verbündeten an deiner Seite. Mit Italien, Deutschland und Norwegen auch.“ Patricia schüttelte den Kopf „Levi, du auch. Wir sind Freunde und Kollegen. Du und ihr“ dabei sah Patricia ihre Kolleginnen an „steht für die neue Bildungsreform genau so wie ich.“

Nach dem vorzüglichen Abendessen wurde es im „Sach ang phoumi yeung“ entspannter und jeder kam mit jedem ins Gespräch. Selbst die sonst sehr zurückhaltende Annabell sprach mit Adelina und Leatitia.
Hannes spielte mit Claude Billard. Auch Asger und Cees machten mehrere Spiele. Patricia spielte zusammen mit Leatitia gegen ihre Mutter und Clodette.
Man trank Bier, Cola, Cola-Whisky oder Cocktails. Bei den Spielen kamen immer mal wieder Gespräch über das Agrarkollektiv, das Trockenfeld Projekt oder sonstige politische Themen.
Selbst Maona spielte Billard. Sie stellte sich auf ihre linke Seite einen Stuhl, um sich mit ihrem Oberschenkel darauf zu stürzen, so konnte sie sogar Billard spielen. Hannes sah, dass Rithisak eine Kamera in der Hand hatte. Sehr gut, dachte er. Sehr gut. Und lächelte Rithisak an. Asger und Cees waren so galant, und rückten den Stuhl von Maona mal etwas weiter nach links, rechts oder auf die andere Seite vom Billardtisch.

Annabell stand mit ihrem Freund am Geländer der Terrasse und schauten auf den Toni Waikou See. Hannes hatte 3 Bierflaschen dabei und wollte an diesem Abend auch mal mit ihnen reden.
„Na ihr? Welchen Eindruck habt ihr nach der ersten Wochen von Südostasien?“ „Es ist alles anders, als das was ich kenne. Ich habe mit meinen Eltern nur Urlaub in Europa gemacht. Mal in England und Irland, dann man in Deutschland oder Italien. Was ihr uns in Thailand gezeigt habe, war schon beeindruckend. Kambodscha ist eine völlig andere Welt – aber auch aufregend. Heute waren wir mit Patricia an der Grenze zu Vietnam auf einem Straßenmarkt.“ „Ich weiß. Und eine Bootstour hattet ihr auch gemacht. Wir wollen schon schauen, dass es euch nicht langweilig wird. Wir haben keinen Urlaub.“ Annabell schüttelte den Kopf „Maurice und mir ist durchaus bewusst, dass ihr arbeiten müsst. Auch dies finde ich interessant. Ich hatte gestern in der Schule von Patricia geweint. Hannes, ich konnte mir niemals vorstellen, dass sich Kinder so auf die Schule und vor allem auf ihre Lehrerin freuen. Ich würde sehr gerne einen Tag mit Patricia an ihrer Schule erleben. Auch würde ich mal deine Arbeit sehen wollen.“ Maurice nickte seiner Freundin zu „Ich auch. Ich kenne all dies nur durch Erzählungen von Papa oder auch von dir. Ich würde sehr gerne dein Projekt sehen. Was du uns in Frankreich erzählst hattest, fand ich mega.“ Hannes lächelte beide an „Dankeschön. Euer Wunsch zu erfüllen, ist das wohl kleinste Problem.“ „Hannes?“ Dabei sah Annabell ihn fragend an „Darf ich dir mal eine Frage stellen?“ „Natürlich.“ „Die Frau mit dem einen Bein, ist sie Politikerin? Ich sah heute Plakate von ihr.“ „Ja. Das ist Maona Sokthat. Sie wird die neue Gouverneurin für diese Provinz – was ich und viele andere hoffen. In 3 Wochen wird hier in der Provinz der Gouverneur – oder zum ersten Mal in der Geschichte, eine Gouverneurin gewählt. Die ältere Frau, die bei Franziska sitzt ist die Frau von dem Major in dieser Provinz. Ich gründete für Samnang vor gar nicht all zu langer Zeit eine Partei. Der Major hätte mich gerne in der Politik gesehen. Ich bleibe lieber mit ihm im Hintergrund. Seine politischen Züge in dieser Provinz könnte ihn in Lebensgefahr bringen, wenn es der noch amtierende Gouverneur oder seine korrupten Helfershelfer erfahren. Meine Freundschaft zum Major ist auch für mich eine Gratwanderung. Daher bleiben wir beide im Hintergrund und setzen unsere Schachfiguren ein. Ja, Annabell, wir haben unser Schachspiel aufgebaut und die Uhr tickt. Der Gouverneur von dieser Provinz hat seine Geschütze gegen mich aufgefahren. Und ich habe meine Figuren aufgestellt. Maona ist in diesem Spiel mein König und Samnang der Turm. Sie werden Gouverneur Suoth Schachmatt setzen – was ich hoffe. Major Bourey Duong ist der große Unbekannte in diesem Spiel. South weiß dies nicht und so bin ich seine Zielscheibe. Meine Lebensversicherung ist der Rückhalt vom Militär. Auch wenn wir heute in diesem Restaurant eine geschlossen Gesellschaft sind, werden wir beobachtet – zu unserem Schutz.“ „Wahnsinn! Ich kann dies nicht glauben. Es wird geredet, gelacht und gespielt. Was ist daran zu schützen?“ „Hmmm. In diesem Gebäude sind die führenden Köpfe dieser Provinz und für die Zukunft Kambodschas. Patricia und Levi sind für die Bildungsreform in diesem Land. Genau so wie ihre Kolleginnen. Du hast vor dem Essen gehört was Levi gesagt hat. Maona und Samnang sind eine neue und starke Opposition gegen die Politik und Korruption von Phirun Suoth. Meine Mitarbeiter und ich stehen für einen Aufbau in diesem Land. Yupa, Rithisak, Sylvie und Claude stehen für Veränderungen in diesem Land.. Besser und einfacher kann man uns alle nicht auf dem Silbertablett präsentieren.“ Annabell sah Hannes geschockt an „Und du sagst, du verlegst Wasserrohre.“ „Dies mache ich ja auch und trotzdem wird diese Arbeit nicht gerne gesehen. Die Korruption ist in ihrer Macht und Gier gefährlich.“
Hannes erzählte Annabell und Maurice die komplizierten Zusammenhänge zwischen Korruption, Politik und humanitäre Hilfe.

„Chef! Was ist? Komm, wir spielen noch eine Runde Billard“ rief Asger durch das Halbe Restaurant. „Ihr habt es gehört. Ich weder gebraucht. Und macht euch bitte keine Sorgen. Alles ist gut.“

Hannes ging von der Terrasse ins Restaurant und suchte sich einen optimalen Queue aus und ging an den mittleren Tisch zu Asger.
„Asger, bei deiner Körpergröße musst du aber eineinhalb Meter vom Tisch zurück gehen. Du kommt ja von der Kopfseite vom Tisch an die Taschen auf der gegenüber liegenden Seite, ohne den Queue zu benutzen.“ Alle die um den Tisch oder in der Nähe waren lachten bei den Worten von Hannes. „Cees hatte sich auch nicht beschwert.“ „Der Käseroller kann ja auch kein Billard spielen.“ Cees gab Hannes einen Klaps gegen den Hinterkopf.
Soknea brachte ein typisches asiatisches Holzstäbchen, welches man zum essen benutzt. „Hier, für die Chancengleichheit.“ Yupa kam sofort mit einem zweiten Stäbchen und gab es Hannes „Nun zeigt mal was ihr könnt.“ Das Gelächter war groß und alle riefen: hopp, hopp, hopp.

Asger machte den Anstoß. Der Anstoß der weißen Kugel auf die 15 Objektkugeln war doch etwas dürftig. Die Kugel machte ein leichtes klock. Sonst nichts. „Bravo. Asger, wie soll ich nun mit dem Stäbchen da ran kommen?“ „Wer hat sich über die Körpergröße beschwert? Dann sieh mal zu.“
Cees und Rithisak hoben Hannes in die horizontale und alle Freunde brüllten vor lachen. Mit einem beherzten Stoß mit seinem Stäbchen kullerten ein paar Kugeln immerhin mehrere Zentimeter auseinander. „Super, Chef. Und nun?“ Asger sah zu Cees und Rithisak und alle brüllten vor lachen. Es dauerte sehr lange, bis einer der beiden eine Kugel in einer Tasche hatte. Alle Freunde hatten Tränen in den Augen bei diesem Spiel. Cees und Rithisak hoben bei jedem Stoß von Hannes ihn in die horizontale – selbst wenn die Anstoßkugel an der Bande lag. Hannes hatte endlich die 4 in der linken Tasche eingelocht und Asger meinte, dass Hannes somit das Spiel gewonnen hätte und er nun etwas zu trinken bräuchte.
„Lokalrunde für alle!“ Rief der über 2 Meter große Seebär.

Sonntag, 1. August

Das Display im Wecker zeigte 8:07 und der Kopf von Hannes drehte sich immer noch. Patricia lag nicht im Bett und er hörte sie auch nicht im Bad. Der Anschiss von ihr würde er wohl noch bekommen.
Hannes ging leicht torkelnd ins Bad und brauchte erst mal Wasser. Duschen war eine gute Idee und langsam hörte auch der Kopf auf sich zu drehen.

Im Speisesaal waren zu seinem Erstaunen nur Patricia mit ihrer Familie und Sylvie. „Na, ist Monsieur wieder unter den lebenden?“ Kam es sehr bissig und gereizt von Patricia. Franziska grinste und sagte zu ihrer Tochter „Jetzt lass doch gut sein.“ „Danke Franziska, du verstehst mich. Aspirin hast du nicht zufällig dabei?“ Die Frage nach dem Verbleib von Claude und seinen Kollegen ersparte sich Hannes.

Aneang, eine der Köchinnen vom Hotel, kam an den Tisch und fragte Hannes, was er frühstücken möchte. Hannes wollte seinen geliebten Reisbrei, Spiegeleier mit Toast und Kaffee.
„Was hat Monsieur heute geplant? Oder musst du im Bett bleiben?“ „Meine Güte! Ich habe halt mal etwas getrunken und für dich ist dies der Weltuntergang. Ich werde heute mit Sangkhum spazieren gehen und mir Gedanken machen.“ Patricia legte ihren Kopf zu Seite „Gedanken?“ Hannes nahm tief Luft und musste sich zurück halten „Ja, Gedanken. Gedanken über einen Standort für das Agrarkollektiv, Gedanken über Staudämme, Bodenklassen, Motorräder, Pickup’s, Transport für den Mähdrescher von Sihanoukville nach Svay Rieng und wie ich mein Trockenfeld Projekt auch realisieren kann, um die Kosten so gering wie möglich zu halten. Aber sehr gerne kann sich auch Frau Lefèvre darüber ihren sehr klugen Kopf zerbrechen.“
Jeder am Tisch merkte, dass Hannes sauer war – auch Patricia. Sylvie sagte sofort, dass er die Bodenklassen nicht so überbewertet solle, denn vorher sei ja schließlich auch Getreide auf dem Boden gewachsen. „Hannes, wir ziehen dein Projekt durch. Was bis jetzt schon erreicht wurde, ist eine ganze Menge. Wir haben auf vier Felder bereits Papaya Samen eingesät. Das die Stauden nicht morgen aus dem Boden sprießen, sollte dir bewusst sein.“ Hannes sah wortlos zu Sylvie. „Dein Blick sagt mir, wann man die Papaya ernten kann. Auch auf die Gefahr hin, dass du einen Kollaps bekommst, musst zu zwischen 10 und 14 Monate rechnen, bis die Stauden ausgewachsen sind. Dann braucht es nochmals 5 Monate, bis man die Früchte ernten kann. Es – geht – nicht – schneller!“ Vorrangig ist der Anbau von Gemüse. Da habe ich dir gesagt, dass wir Pak Choi Kohl, Luffa und Goabohnen anpflanzen – was wir auch schon getan haben. Ich weiß, dass du am liebsten nächste Woche ernten möchtest. Ist nur blöd, dass die Saat noch auf einem Schiff ist.“ Hannes schloss seine Augen und nickte Sylvie zu. Sie hatte mit allem recht. Er wollte mal wieder zu viel und dies am besten gleich.
„Chérie, du hast Levi gestern Abend gehört. Wenn die Ernährungskunde in anderen Schulen aufgenommen wird, haben wir hunderte weitere Felder für den Gemüseanbau. Ich weder mich für dieses Schulfach stark machen. Ich rufe Hattie an, dass sie mit den anderen Mitarbeitern von UNICEF sich diese Projekte ansehen und genau so auch umsetzen sollen.“ Patricia streichelte ihm den Arm „Es tut mir leid, dass ich vorhin so grantig zu dir war. Ich vergesse zu oft, welche Probleme du mit all der Arbeit hast.“

Besuch bei Ahtchu in Sama

Um kurz nach 10 Uhr fuhren Patricia und Hannes mit ihren Autos nach Kampang Rou. Da bei ODHI am Sonntag nicht gearbeitet wurde, hatte er Zeit sich um Sangkhum zu kümmern. Patricia fuhr bei Clodette vorbei und nahm sie mit nach Kampang Rou. Sie wollte auch mit Sraleanh spazieren gehen.
Hannes war mit Claude bereits am Stall und entfernten den Mist vom den Rinder. „Wenn ich alles bis jetzt gedacht habe, aber das ich mal Mist schaufeln würde, kam mir nie in den Sinn.“ Hannes lachte „Mir auch nicht.“ „Weißt du, dieser Stall sieht besser aus als viele Häuser die ich hier in dem Ort gesehen habe.“ Hannes nickte Claude zu und erzählte ihm, wie es im Januar 1990 in dem Ort aussah. Mittlerweile waren weit über die Hälfte der Hütten in einem recht vernünftig Zustand.

Die kleine Gruppe kaufte bei Kannitha noch Obst und Trinkwasser für den Spaziergang. Kannitha gab ihnen mehrere ihrer Flechtkörbe mit. So konnte man das Gewicht von dem Wasser, Papaya, Bananen und Mangos aufteilen. Patricia erzählte ihrer Mutter, Bruder, Annabell und Claude wie es zu diesen Flechtkörbe kam und bis wohin diese mittlerweile verkauft wurden.
„Asger scheint ein guter Mensch zu sein“ sagte Annabell. Patricia und Hannes nickten gleichzeitig. „Asger hat auch seine Macken und wir – vor allem ich, hatten vor Jahren keinen guten Start. Dies ist nun schon alles so lange her und auch vergessen. Asger war aber auch damals für uns beide der Halt, den wir junge Vögel brauchten. Er hatte von seinem Geld vieles für die Schule von Patricia gekauft und alle meine Ideen angepackt.“
Hannes erzählte ihnen den Lebenslauf von Asger.
„Er war Seemann?“ Fragte Annabell sehr erstaunt. „Jep. Kaum zu glauben. Ist aber so. Frag mal Sylvie wie es war, als wir mit Eimer das erste Feld mit Gerste eingesät hatten.“
Nach dem Sylvie den anderen diese Aktion sehr bildlich und lustig erzählt hatte, erzählte Hannes noch den Lebenslauf von Cees de Groot.
Maurice nickte nach dem Hannes dies erzählt hatte „Ich habe gestern Abend gesehen, dass er sehr lustig ist.“ „Ja. Der Käseroller hat mich auch schon so einige schlaflose Nächte gekostet. Er ist ein unglaublich guter Handwerker und hat geologisch einiges drauf. Daher ist er auch hier im Team. Cees leitet ein Bauprojekt 500 Kilometer westlich von hier. Ich zeige euch später sein Wasserrad. Das zweite, welches er und Luan gebaut haben, steht an der Schule in Khsaetr. Da kommen wir heute nicht hin, weil ich mit euch nach Sama gehen möchte.“

Auf dem Weg nach Sama gingen nach einiger Zeit Patricia und ihr Bruder etwas hinter der Gruppe und Hannes, wie auch Franziska, sahen, dass beide offensichtlich ernste Gespräche führten.
Ein paar Motorräder und Pickup’s kamen ihnen entgegen oder fuhren an der kleinen Gruppe vorbei. Jeder winkte ihnen zu oder grüßen laut. „Was bedeutet: Borsa mneak?“ Fragte Annabell. „Borsa mneak del mean ko, heißt: der Mann mit der Kuh. Unter diesem Namen bin ich hier in der Region bekannt.“ „Oh! Ich dachte dies heißt: Guten Tag – oder so etwas.“ Hannes grinste Annabell an und schüttelte den Kopf.

„Leute, wir gehen in dem nächsten Ort eine Frau besuchen, der durch eine Mine beide Beine abgerissen wurden. Wenn ihr nicht mit wollte, kann ich dies verstehen“ dabei sah Hannes zu Annabell. „Ist schon in Ordnung.“
Hannes erzählte den anderen wie er im März 1990 Ahtchu getroffen hatte und gab Sangkhum einen Kuss. „Gell, meine Maus, du hast Ahtchu das Leben gerettet“ und gab ihr nochmals einen Kuss. Franziska streichelte Sangkhum „Gutes Mädchen.“

In Sama war es das gleiche Bild wie in Kampang Rou. Die Leute, die an ihren Hütten saßen grüßen die Europäer freundlich oder riefen sie zu sich. Hannes musste immer wieder sagen oder rufen, dass sie Obst und Wasser dabei hatten.

Hannes sah Ahtchu vor ihrer Hütte im Schatten in einem Rollstuhl sitzen. Sie hatte mehrere farbige Stoffballen neben sich auf der Holzbank liegen.
„Suostei tae anak sokh sabbay te, Ahtchu?“ Sagte Hannes und verbeugte sich nach asiatischer Art vor ihr. „Guten Tag Borsa mneak del mean ko, danke, mir geht es gut. Es ist schön, dich wieder zu sehen.“ Hannes verbeugte sich nochmals vor ihr. „Setzt euch doch bitte.“ Ahtchu rief ihre Tochter, dass sie bitte noch die Stühle aus dem Haus bringen sollte. Da Ahtchu nicht über so viele Stühle verfügt – was eigentlich kaum jemand in der armen Region von Kambodscha hat, ging Hannes an zwei andere Hütten und brachte noch 4 Plastikstühle. Pheary kam ihm entgegen gelaufen und trug 2 Stühle. Sie war mittlerweile 13 Jahre und ein recht hübsches Mädchen. An der Hütte verteilten sie die Stühle, so hatten alle 8 Personen Platz, um im Schatten zu sitzen.

Pheary begrüßte Clodette und Patricia. Patricia drücke Pheary an sich. „Thngai la cheatisrleanh robsakhnhom – guten Tag mein Schatz“ sagte Patricia. „Das Mädchen ist bei mir in der Schule‘ sagte Patricia zu den anderen.
„Borsa mneak del mean ko, ich möchte mich für alles bedanken, was du und deine Kollegen für mich getan habt. Das Leben ist um vieles leichter geworden.“ „Ahtchu, dies haben wir alle sehr gerne gemacht. Dürfte ich dein Haus mal sehen?“ Pheary sprang sofort auf und bat Hannes in die Hütte. Diese Hütte hat nicht mehr mit dem Bild zu vergleichen, welches er vor 3 Jahren sah. Das Bett von Ahtchu war gute 50 Zentimeter vom Boden erhöht. So konnte sie besser vom Rollstuhl ins Bett oder auch umgekehrt.
Draußen hörte er, wie Ahtchu mit Patricia sprach und was Asger, Cees und Hannes für sie getan hatten. Clodette übersetzt dies ins französische. Dies war Hannes nicht recht gewesen. Nun wussten sie es eben.
Die typische Hocktoulette gab es in der Hütte auch nicht mehr. Es war eine vernünftige Toilette, wie man diese aus Deutschland kennt. Auch gab es an der Toilette und Dusche verchromte Stangen – wobei Dusche eher ein gemauertes Rechteck mit Fliesen war. In diesem Becken stand das Wasser, welches man sich mit einer Schüssel über den Körper schüttete.
Das bisschen an Möbel in der Hütte war Behindertengerecht gebaut oder stand etwas erhöht. Respekt an Cees und Asger dachte er bei sich und lächelte, als er Pheary ansah.

Als Hannes aus der Hütte kam, hatten Sangkhum und Sraleanh je einen Seidenschal in blau, rot, blau mit weißen Bummeln um den Hals. „Wow! Sangkhum und Sraleanh sehen ja richtig chic aus.“ „Ja. Finde ich auch. Ich schenke euch die Schals.“ Sofort schüttelten Clodette und Hannes die Köpfe. „Ahtchu, die ist sehr lieb gemeint, aber ich werde dir Geld dafür geben“ sagte Clodette. Ahtchu wollte anfangen zu protestieren, da legte Patricia bereits 25.000 Riel auf die Bank. Clodette tat es ihr sofort gleich „Und nun keine Diskussion über das Geld.“
25.000 Riel waren ungefähr 10 Mark. Von diesem Geld konnte Ahtchu und Pheary locker 2 Wochen leben. Ahtchu sah hilfesuchend zu Hannes. „Ahtchu, es ist in Ordnung. Nimm dieses Geld. Ihr braucht es mehr als wir.“ Ahtchu faltete ihre Hände und bedanke sich bei allen.
Da sie bei Kannitha mehr als genügend Obst gekauft hatten, ließ Patricia noch einen Korb bei ihnen, als sie sich von Ahtchu und Pheary verabschiedeten.
„Ich bin so stolz auf meine Kinder“ sagte Franziska als sie aufbrachen und umarmte Patricia und Hannes.

Auf dem „Europa Platz“ zeigte Hannes ihnen das Wasserrad von Cees und Luan und sagte ihnen auch, bis wohin das Wasserrad jenes Wasser in den Leitungen pumpte. Claude sah ihn mit großen Augen an. „Ja, Claude, so ist es. Die Leute in Sama beziehen ihr Wasser von diesem Wasserrad. Kommt, wir kaufen noch etwas bei Kannitha und setzen uns an einer der Hütten in den Schatten. Wollte ihr Schokolade, Chips oder Obst haben?“ Claude, Annabell und Maurice sahen fragend zu Hannes. „Dann kommt mal mit in den Laden von Kannitha und sucht euch etwas aus.“

„Wow!“ Kam es unisono von Annabell und Claude, als sie in dem kleinen Laden von Kannitha standen. „Die Ladeneinrichtung haben meine Jungs gebaut. Das Haus ihr Freund. Er ist zur Zeit in Oddar Meanchey, fast 600 Kilometer entfernt, und baut für Patricia eine weitere Schule. Die Schule in Chong Kal wurde im Frühjahr dieses Jahres fertig. Dhani hatte früher in der Schweiz eine Baufirma. Durch die Insolvenz von einer großen Baufirma, hatte er alles verloren und war Obdachlos. Ich traf in zufällig in Dietikon. Nun ist er hier und leitet mehrere Hochbau Projekte für mich und ODHI. Für Patricia’s Schule wurde auch er vom Französischen Präsidenten ausgezeichnet. Kannitha fragte mich 1990, als der „Europa Platz“ entstand, ob sie ein kleines Geschäft eröffnen dürfte. Patricia kaufte ihr täglich Obst und Gemüse in Svay Rieng. So musste Kannitha nicht erst nach Svay Rieng fahren. Nun hat Kannitha mit Dhani das schönste Haus in Kampang Rou und in der Gegend sowieso. Wenn ihr in den Ortschaften durch die Straßen geht, seht ihr die Häuser oder Hütten der Mitarbeitern von ODHI. Sie alle bekommen ein sehr gutes Gehalt und so hat sich die Infrastruktur in den umliegenden Ortschaften verändert. All dies ist humanitäre Hilfe. Annabell, Maurice, was ich euch gestern Abend über die Sicherheit gesagt habe, trifft hier auf dem Land nicht zu! Alle Menschen sehen und profitieren von der Veränderung. Ihr habe es beim Spaziergang erlebt, wie die Menschen und grüßen oder einladen.“

Die Geburtshelfer

Mit Pepsi, Eiskaffe und Krabbenchips lagen sie am „Europa Platz“ auf dem Boden der Holzhütten. Patricia erzählte ihrer Familie von den Anfängen in Kampang Rou und woher der „Europa Platz“ seinen Namen hat. Annabell, Maurice und Claude hörten ihr aufmerksam und gebannt zu
Hannes hatte seine Augen geschlossen und dachte an die wahrlich turbulente Zeit. Sylvie grinste hin und wieder, denn sie kannte vieles schon von Patricia oder Hannes. Sylvie lag in der Holzhütte, wo Clodette, Hannes und Franziska auf Strohmatten lagen. Sylvie setzte sich wie von einer Tarantel gestochen auf und schlug Hannes gegen den Oberarm „Hast du dies eben auch gehört?“ Hannes nickte „Ja, eine Kuh hat gemuht.“ Sylvie schüttelte den Kopf „Nein! Sie hat geschrien.“ Hannes setzte sich auf und lauschte. Er hörte nichts. „Jetzt. Hörst du?“ Frage Sylvie nach einiger Zeit und sah ihn an. „Ja. Komm, wir gehen schauen was los ist.“ Im nächste Moment war es kein muhen mehr, sondern ein brüllen. Sylvie rannte zum Ausgang vom „Europa Platz“, um an die Weide zu kommen. Hannes rannte ihr hinterher. Als er bei Kannitha um die Ecke lief, sah er, dass die anderen ihnen folgten. An der Kreuzung zur Weide hatte Hannes Sylvie eingeholt und beide rannten die 200 Meter die Piste hoch zur Weide. Eine Kuh schrie fürchterlich und Hannes dachte an einen Unfall.

Er riss das Gatter zur Weide auf und sah oberhalb vom Stall an dem zweiten Baum eine Kuh stehen, die fürchterliche Schmerzen haben musste.
„Die Kuh hält ihren Schwanz waagrecht, Hannes, sie kalbt. Dies ist ein sicheres Zeichen für den Beginn der Geburt. Irgendetwas stimmt nicht, sonst würde die Kuh nicht so schreien.“
Sylvie lief auf die Kuh zu und wenige Meter vor der Kuh ging sie langsam und redete ruhig. Sie gab mit ihrer rechten Hand Zeichen, dass Hannes sich ruhig bewegen sollte. „Schnelle Bewegungen sind in dieser Phase Stress für die Kühe. Geh langsam und rede ruhig mit ihr. Hannes sagte der Kuh auf khmer, dass alles gut sei, sie ruhig bleiben sollte und sie Hilfe bekommen würde. „Stell dich vor sie. Sie kennt dich. Sie soll dich sehen. Rede weiter.“ Hannes tat was Sylvie ihm auftrug.
Sylvie ging langsam um die Kuh herum. Sie streichelte die Kuh und fühlte mit ihren Händen an ihrem Bauch „Hannes, das Kalb liegt falsch im Mutterbauch.“ „Was?!“

Mittlerweile waren die anderen auch auf der Weide und Sylvie sagte auch ihnen, dass sie sich langsam bewegen sollten, oder auf Abstand bleiben.
„Bei einer Geburt ist die Stellung der Wirbelsäule bei der Mutter ein guter Bezugspunkt. Eine obere Stellung bedeutet, dass der Rücken des Kalbes zum Rücken der Mutter liegt. Hier sehe ich dies nicht. Dieses Kalb liegt mit den Beinen nach oben. Hannes, dass Kalb kann so nicht geboren werden. Wir müssen das Kalb drehen.“ „Was immer du sagst.“
Sylvie schaute sich die Scheide, den Rücken und Bauch der Mutterkuh an „Verdammt. Dies wird heikel. Wir brauchen Wasser – lauwarm am besten. Tücher und Seile.“ „Im Stall sind Eimer, für das Futter. Seile habe ich keine.“ „Okay. Bringt die Eimer aus dem Stall – schnell. Patricia, ich brauche Tücher, Seile, Margarine oder irgendetwas was ich als Gleitmittel benutzen kann. Seife reichte auch und davon mehr als eine.“ Patricia nickte und rannte zu Kannitha.

Claude und Maurice brachten die 4 Eimer, die im Stall an einer Wand hingen. „Sind das alle?“ Hannes nickte. „Wir brauchen mehr. Die Kuh sollte Fressen und Wasser bekommen. Hannes, wie lange waren wir spazieren gewesen?“ „Keine Ahnung. Wir sind hier gegen 11 Uhr weg. Nun haben wir nach 16 Uhr.“ „Okay. Dann muss der Geburtsvorgang in der Zeit begonnen haben, wo wir weg waren. Mir ist vorhin nicht aufgefallen, dass die Kuh kurz vorm kalben steht.“ Clodette sagte, dass sie wüsste, dass dies eine Mutterkuh sei, aber mehr auch nicht. „Weißt du wie alt die Kuh ist?“ „Nein. Leider nicht.“
Patricia kam mit dem Motorroller von Kannitha auf die Weide gefahren. Sie hatte bis auf Seile alles dabei, was Sylvie sagte.
„Danke, Tricia. Bringt das Wasser. Ich muss die Scheide eincremen.“

Hannes sprach ein Stoßgebet gen Himmel. Zum Glück hatte er vor Jahren die Furche mit den Wasserbremsen gebaut, so hatten Claude und Maurice kurze Wege. Das Wasser aus der Quelle war frisch – und eben auch kühl. Woher sollten sie nun lauwarmes Wasser bekommen?

Mittlerweile kamen einige Bewohner aus Kampang Rou auf die Weide und wollten schauen, was los war. Hannes schickte sie weg, denn zu viel Leute wäre Stress und Aufregung für die Kuh. Er sah Sophearith, der Besitzer der Herde. „Sophearith, wie alt ist die Kuh?“ Fragte Hannes. „Äh, ich schätze 1 Jahr.“ Hannes sagte Sylvie diese Zahl. „Was?! Du liebe Güte! Das ist viel zu früh! Nun siehst du, welche Probleme die Kuh hat“ brüllte Sylvie. Hannes übersetzte ihre Worte und Sophearith stand bewegungslos neben der Kuh und wusste nicht, was er tun sollte.
Die Kuh schrie vor Schmerzen und Hannes streichelte sie sofort und sprach mit ihr.
„Sylvie, ich fahre einen Gaskocher und Topf besorgen, damit wir das Wasser warm bekommen“ sagte Patricia und lief zum Motorroller.
Sylvie sah Sophearith an und erklärte ihm „Wenn Jungrinder zu früh gedeckten werden, hat man sehr oft das Problem, dass das Kalb nicht durch das Becken der Mutter passt. Hörst du nicht, wie deine Kuh schreit? Das Tier hat unglaubliche Schmerzen! Was ich sehe ist schon schlimm genug. Kannst du das Kalb aus dem Geburtskanal hohlen?“ „Nein, ich habe so etwas noch nie gemacht.“ „Na bravo! Nun liegt das Kalb noch falsch im Mutterbauch. Die Beine von dem Kalb müssen unten sein und der Kopf muss in Richtung dem Geburtskanal liegen. Ich hoffe, dass dies zumindest so ist. Hannes, ich muss einen Kontrollgriff in den Geburtskanal vornehmen. Dazu bräuchte ich lauwarmes Wasser. Ich muss mit meinem Hand oder den Finger zwischen den Kopf und Kreuzdarmbein und zwischen Ellenbogen und Schambein des Beckens kommen. Falls nicht, haben wir ein Problem. Ich kann hier keinen Kaiserschnitt machen.“ „Sylvie, was immer du sagst. Ich tue was ich kann“ sagte Hannes und übersetzte die Worte von Sylvie. Sophearith zog die Schultern hoch. Sylvie nickte und was sie sagte war nicht gerade freundlich „Für Kühe zu halten, braucht es etwas mehr als nur eine Weide und Futter zu geben. Man! Wenn man keine Ahnung hat, sollte man sich keine Tiere anschaffen! Nun muss ich schauen, wie ich beide Tiere retten kann.“ Hannes übersetzte nur einen Teil von Sylvie’s Worte. Sophearith hatte schon genügend Prügel bekommen.
Annabell heulte und alle anderen standen da und wussten nicht, was sie helfen konnten.
„Lasst Sangkhum, Sraleanh oder welche Kühe und Kälber auch immer zu der Kuh, sie soll sehen, dass sie nicht alleine ist.“
Clodette hatte Tränen in den Augen und führte Sraleanh nah an die Kuh heran.

Patricia kam mit einem Gaskocher zwischen ihren Beinen und einem Topf in ihrer linken Hand auf die Weide gefahren. Claude lief sofort zu ihr und schleppte den Gaskocher. „Sylvie, wohin mit dem Ding?“ „10 Meter hinter die Kuh. Wir brauchen Platz.“
Patricia stelle den Topf auf den Gaskocher und Maurice schüttete sofort den Eimer Wasser in den Topf. „Reicht ein Gaskocher?“ Fragte Patricia. „Noch einen wäre super. Das Wasser braucht ewig, bis es warm ist.“ „Sophearith, hast du einen Gaskocher und Topf zu Hause?“ Sophearith nickte Patricia zu. „Los! Beeil dich!“

Jeder auf der Weide schaute auf den Topf und hoffte, dass das Wasser endlich warm werden würde. Sylvie griff immer wieder mit der Hand in den Topf „Wir bräuchten noch Eimer.“ Patricia nickte ihr zu und rannte wieder zum Motorroller.
Sylvie fühlte immer wieder den Bauch der Kuh ab. Sie schaute auf die Scharm von der Kuh und biss sich auf die Lippen.
„Sylvie, was ist los?“ „Hannes, es wird echt knifflig und kompliziert. Traust du dir zu mir zu helfen? Sei ehrlich.“ „Ja. Ich bin da und werde das tun, was du von mir verlangst.“ „Okay. So wie es aussieht, ist das Kalb verkehrt im Mutterbauch. Die Kuh ist zu jung für die Geburt. Wir müssen ihr Becken weiten. Dafür brauche ich dich. Hast du dies verstanden?“ „Ja, ja. Habe ich verstanden und kann mir denken, was ich tun muss.“ „Gut.“
Sylvie fühlte wieder mit ihrer Hand in den Topf „Muss reichen. Schüttet das Wasser in einen Eimer und stellt den nächsten Topf auf.“ Claude schüttete das Wasser in einen Eimer und Sylvie warf ein Stück Seife hinein „Haben wir ein Messer?“ Hannes nickte „Im Stall.“ Und lief sofort das Messer holen.
Mit dem Messer schnitt er kleiner Stücke von der Seife ab und rührte mit seiner Hand das Wasser, bis er merkte, dass sich die Seife auflöste.
Patricia kam mit dem Motorroller und hatte den Gaskocher von Sophearith zwischen ihren Beinen. An ihrem linken Arm hatte sie mehrere Eimer hängen.
Sophearith kam mit seinem Motorrad und hatte den Topf dabei. Maurice füllte sofort den Topf mit Wasser und ging auch gleich nochmal den Eimer füllen. Sylvie tränkte ein Tuch in das Seifenwasser und wisch mit dem Tuch der Kuh an der Scheide vorbei. Dies machte sie mehrmals.
„Sobald das Wasser warm ist, bitte wieder auffüllen. Hannes, ich denke, es könnte reichen. Ich werde jetzt meine Hand in den Geburtskanal stecken und schauen, wie das Kalb liegt. Ich hoffe die Kuh tritt nicht aus. Claude, hilf Hannes die Kuh am Kopf festzuhalten.“

Da Hannes wusste welche Kraft eine Kuh hatte, sagte er Claude, dass er einen festen Stand bräuche. „Okay, fertig?“ Claude und Hannes nickten. Hannes sprach weiter auf die Kuh ein. Die Kuh schrie vor Schmerzen. Sylvie wartete einen Moment „Es können auch ihre Wehen gewesen sein. Okay Jungs, es geht los. Gott im Himmel steh mir bei.“ Was Sylvie in diesem Moment tat war für sie lebensgefährlich. Wenn die Kuh austreten sollte, könnte sie Sylvie töten.
„Ruhig, ruhig, ganz ruhig. Ich schaue nur nach deinem Kind. Ruhig.“

Alle die um die Kuh im sicheren Abstand standen, schauten auf die Kuh. Sylvie’s Sinne waren bis aufs äußere angespannt. „Ich bin im Geburtskanal. Fühle die Füße. Ich kann nicht sagen, ob es sie Vorderfüße oder Hinterfüße sind. Ruhig, ganz ruhig. Ich schaue nach deinem Kind.“ Die Kuh bewegte ihr Hinterteil und Sylvie ging sofort zur Seite. Die Kuh trat nicht aus. „Großer Gott im Himmel, ich brauche noch etwas Zeit.“ Die Kuh schrie erneut. „Ja, es sind deine Wehen. Alles gut. Ruhig, ganz ruhig. Verdammt, ich fühle die Hinterbeine.“

Sylvie zog ihren rechten Arm aus dem Geburtskanal und ging ein paar Schritte von der Kuh weg. „Hast du gut gemacht. Danke, dass du mich nicht getreten hast“ Sylvie streichelte die Kuh und gab ihr einen Kuss. „Hannes, es wird bald dunkel. Ich brauche Licht.“ „Ja, ist gut. Mein Auto hat genügend Licht.“ „Die Geburt kann Stunden dauern.“ „Okay.“ Hannes wählte die Nummer von Asger. „Asger…? Ich brauche dich und Cees in Kampang Rou auf der Weide. Fahrt an den Baucontainer und bringt das Stromaggregat. 200 Meter Kabel, alles an Licht was ihr findet und bringt Seile mit. Auf der Weide ist eine Kuh, die kalbt. Das Kalb liegt verkehrt herum im Mutterbauch. Sylvie tut was sie kann. Beeilt euch.“

Alle saßen in der Nähe der Kuh und hörten Sylvie zu, was sie sagte „Bei einer normalen Geburt kommt das Kalb in der Vorderendlage, also mit den Vorderbeinen zuerst und in gestreckter Haltung zur Welt. Diese Kalb liegt mit den Beinen nach oben und noch gedreht im Mutterbauch. Also wird es mit den Hinterbliebenen zuerst kommen. Da die Mutterkuh das Kalb aber nicht raus pressen kann, weil es dem Kalb dann wahrscheinlich das Genick brechen würde, müssen wir das Kalb raus ziehen. Was ich bis jetzt bei der Mutterkuh von außen gesehen und an ihren Bauch gefühlt habe, ist das Kalb immerhin gestreckt – also muss ich es nur etwas drehen. Es kann auch sein, dass sich während der weiteren Geburt das Kalb dreht und ich müsste es wieder zurück drücken, um es in die richtige Lage zu bringen. Selbst dies ist nicht so einfach, denn ich könnte mit den Klauen von dem Kalb die Gebärmutter verletzen.“

Sylvie stand auf und wischte wieder mit lauwarmen Wasser um die Scheide, Becken und Rücken der Kuh. „Dies mache ich, weil die Scheide und Becken zu eng sind. Kühe sind zwar zwischen 7 und 10 Monaten geschlechtsreif, aber man sollte mindestens eineinhalb Jahre oder gar noch länger warten, bis man eine Kuh decken lässt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Kuh künstlich besamt wurde.“ „Bist du Tierärztin?“ Fragte Annabell. „Nein. Ich bin Agraringenieurin und arbeite für eine Hilfsorganisation in Paris. Ich bin in Kambodscha, weil ich das Dossier von Hannes las und ich ihm bei seinem Trockenfeldanbau Projekt helfen möchte. Darüber schreibe ich auch meine Dissertation.“ „Wow! Und woher weißt du, warum die Kuh diese Probleme hat?“ „Ich bin auf einen Bauernhof aufgewachsen. Meine Brüder führen den Hof weiter. Wir haben über 200 Rinder verschiedener Rassen. Ich war schon als Kind bei Geburten dabei. Als Jugendliche musste ich oder einer meiner Brüder unserem Vater helfen, wenn es Komplikationen bei der Kalbung gab.“ Annabell sah zu der Kuh. Sie wollte etwas sagen, traute sich aber nicht. Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
„Annabell, mach dir keine Sorgen, ich bin da und Hannes wird mir helfen. Wir bekommen dieses kleine Lebewesen gesund und munter auf die Welt.“
Annabell wischte sich erneut die Tränen weg „Darf ich etwas helfen?“ Sylvie nickte „Ja. Darfst du. Wir müssen ständig das Fleisch um ihre Scheide, ihr Becken und Rücken mit warmen Wasser einreiben. Dies merkt die Kuh und es tut ihr gut. Die Kuh wird zum einen ruhiger, weil sie weniger Schmerzen hat und zum andern werden mit dem Wasser die Muskeln und Haut weicher. Wenn wir sie streicheln und mit ihr reden, beruhigt dies auch.

Asger kam mit einem Affentempo an die Weide gefahren. Cees und er kamen sofort auf sie zugelaufen.
„Danke Jungs. Wir brauchen Licht für die Geburt. Lasst das Stromaggregat auf dem Auto stehen. Ich komme später mit deinem Auto nach Svay Rieng. Wir legen nun das Kabel und verteilen das Licht.“
Claude, Maurice, Franziska und Patricia packten mit an. Sie verteilten im Umkreis von 5 Meter die Lampen und Leuchtstoffröhren. Hannes lief auf den „Europa Platz“ sein Auto holen. Zum einen hatte er auch noch genügend Licht vor dem Auto und auf dem Dach. Zum anderen brauchte sie etwas, um die Kuh mit Seilen festzubinden. Es wäre für die weitere Geburt für Sylvie und Hannes lebensgefährlich, wenn sie hinter der Kuh standen und diese austreten würde.

Am Gatter und Stall standen viele Bewohner aus Kampang Rou und schauten die Weide hoch, was dort vor sich ging. Sophearith ging zu den Männern und Frauen und sagte, dass die Europäer ein Kalb retten würden, welches verkehrt herum im Bauch der Kuh liege und er sehr dankbar für deren Hilfe sei. „Immerhin“ sagte Sylvie, als Hannes ihr dies übersetzt hatte.

Mittlerweile war es 18.30 Uhr und auf der Weide schrie immer wieder die Kuh.
Annabell machte ihre Arbeit sehr zaghaft – aber gewissenhaft. Maurice brachte ihr immer wieder neue Eimer mit lauwarmen Wasser.

„Wenn wir später das Kalb herausziehen, wäre eine Kette besser als ein Seil. Auch wenn sich dies nun brutal anhört, aber eine Kette zieht sich nicht zu. Mit dem Seil könnte ich dem Kalb die Beine abschnüren. Bei der Lage von dem Kalb, wäre es gut, wenn die Kuh liegen würde. Ich müsste aber vorher in den Geburtskanal, um dem Kalb die Seile um die Beine zu legen.“ „Sylvie, welchen Knoten brauchst du?“ Frage Asger. „Einen der hält und sich aber beim ziehen nicht zuzieht.“
Asger nahm ein Seil und legte das Ende über das Seil, legte eine Schlaufe und zog das Seil durch die Öffnung. „So?“ Und reichte Sylvie das Seil. „Ich war Seemann. Ich werde wohl noch ein paar Knoten hinbekommen. Sylvie lächelte und gab Asger einen Kuss „Danke du Seebär.“ „Gerne, Frau Agraringenieurin. Okay, wie willst du die Kuh zum liegen bringen, wenn sie es nicht selbst tut?“ „Mit Seilen lässt sich da schon etwas machen. Es gibt bestimmte Schnürtechniken für die Beine, womit sich die Kuh zum Hinlegen bewegen lässt.“ „Okay. Wir sind da.“ „Danke. Aber ihr alle müsst nicht hier bleiben. Eine Erstgeburt kann mehrere Stunden dauern.“ „Wir bleiben und helfen. Stell dir mal vor, nachher fehlte nur eine helfende Hand“ sagte Claude. „Okay. Danke. Wenn später die Geburt beginnt, und wir das Kalb herausziehen, ziehe nur ich. Ich muss die Wehen abwarten. Wenn die Kuh ihre Wehenpause hat, höre auch ich auf zu ziehen. Einfach mal ziehen und flutsch, das Kalb ist draußen, gibt es nur im Fernsehen. Hannes ist als Geburtshelfer bereit und wird den Geburtsweg mit beiden Händen weiten, während ich versuche das Kalb zu drehe. Ich hätte niemals gedacht, dass ich im dunklen in Kambodscha ein Kalb auf die Welt bringen werde.“ Cees klopfte Sylvie auf die Schulter „Das Leben ist ein Abenteuer.“

Kannitha kam zu ihnen auf die Weide und hatte ein Dutzend Wasserflaschen dabei und erkundigte sich über den Stand bei der Geburt. Patricia sagte ihr, was zuvor Sylvie gesagt hatte. „Soll ich euch Essen vorbeibringen? Ihr könnt nicht über Stunden hier auf der Weide sitzen.“ Bevor jemand antworten konnte, sagte Kannitha, dass sie Klebereis und Papayasalat machen würde.

„Mal eine Frage: packst du das Kalb aus der Kuh zu ziehen?“ Dabei sah Asger die schmale Sylvie an. Sylvie zog die Schultern hoch „Wir werden das Seil um den einen Baum legen und du könntest dann mit mir ziehen. Zum einen ziehen wir dann nicht mit voller Kraft, denn wir könnten das Kalb und die Gebärmutter verletzen. Und zum anderen hätte ich die Gewissheit, dass noch jemand da ist, wenn ich keine Kraft mehr habe.“

Patricia und Hannes standen am Kopf von der Kuh und gaben ihr einen Eimer mit frischem Wasser. Die Kuh hatte Durst und trank auch aus dem gereichten Eimer.

Sylvie legte Seile um die Hinterbeine der Kuh und sagte Asger, er solle diese richtig gut festbinden. Ein Seil legte er um einen Baum, der links von der Kuh stand und das andere Seil befestigte er an der Seilwinde am Auto von Hannes. „Sylvie, würde es auch mit der Seilwinde gehen?“ „Nein, Asger. So schnell kann man die Seilwinde nicht anhalten und wir haben kein Gefühl, wann wir stoppen müssen.“

Es war schon weit nach 22 Uhr, und immer mehr Wehen setzten bei der Kuh ein.
„Okay Jungs und Mädels, versuchen wir es. Ich werde nochmal in den Geburtskanal greifen und schauen, wo das Kalb jetzt ist.“
Sylvie schmierte sich die rechte Hand und Arm mit Naturseife ein und ging auf die Kuh zu. Mit der linken Hand fühlte sie den Bauch der Kuh ab „Bist ein tapferes Mädchen. Ich schaue nochmal nach deinem Kind. Du hast es bald geschafft.“ Sylvie klopfte der Kuh auf ihr Hinterteil und wartet auf die nächste Wehe. „Ruhig, ganz ruhig. Alles ist gut“ dabei klopfte sie immer wieder leicht auf das Hinterteil. „Okay, die Wehe kommt. Es geht los.“
Mit welcher ruhe und Selbstsicherheit Sylvie dies tat, war beachtlich. Sie war wahrlich Profi genug, um zu wissen was sie tat. Sie hatte dies in den vergangenen Stunden mehr als bewiesen.
Levi war auch schon seit über eineinhalb Stunden bei ihnen, denn er machte sich bereits um 19 Uhr Gedanken über den Verbleib seiner Frau.

„Hannes, ich muss das Kalb drehen. Du musst mir jetzt helfen, denn ich brauche beide Arme dafür. Du musst das Becken auseinander drücken. Stellt dich dicht hinter mich. Annabell, wenn du willst, rede mit der Kuh, streichel sie.“
Als alle dies taten, was Sylvie sagte, fragte sie, ob Hannes bereit sei. „Bin ich. Fangen wir an.“ Hannes drückte mit aller Kraft das Becken von der Kuh auseinander und Sylvie glitt mit ihren beiden Arme in die Scheide der Kuh. Hannes musste den Kopf zur Seite halten, denn der Geruch war nicht besonders angenehm.
„Okay. Ich bin am Kalb. Ich habe einem Huf. Wo verdammt ist der andere? Hab ihn.“ Sylvie drehte sich unter Hannes nach rechts weg. Hannes fingen bereits die Arme an zu zittern. „Ich muss nochmal nach greifen“ Sylvie stellte sich wieder, packte das Kalb und drehte sich noch einmal unter Hannes nach rechts weg. Sie zog ihre Arme aus der Kuh und klopfte ihr auf das Hinterteil „Braves Mädchen. Wir haben es bald geschafft. Danke Hannes. So, nun legen wir die Kuh auf ihre linke Seite. Ich habe das Kalb gedreht. Es müsste passen. Asger, gibt mir bitte die zwei Seile.“
Sylvie cremte sich wieder ihren rechten Arm ein und führte nun die Seile in den Geburtskanal. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis Sylvie ihren Arm aus dem Geburtskanal zog.
Dann nahm sie mehrere Seile und band diese an die Vorderfüße der Kuh.
„Nun wird es haarig. Wir müssen die Kuh quasi auf die Knie zwingen und darauf achten, dass sie sich nicht nach rechts Ablegt. Claude, du nimmt dir das Seil an ihrem linken Vorderbein. Cees, du das rechte. Ihr zieht langsam nach hinten, wenn ich es sage. Patricia, Clodette, redet mit der Kuh und drückt sie an ihrer Blesse nach unten. Wenn ihr es nicht schafft, muss Hannes es machen. Alle anderen kommen auf die rechte Seite. Wenn die Kuh in die Knie geht, müsst ihr sie nach links drücken. Bitte nicht am Bauch. Drückt oben unterhalb der Wirbelsäule, am Becken und Hals. Asger, du bis der größte. Du drückst in der Mitte der Wirbelsäule – hier. Okay? Jeder alles verstanden?“ Alle nickten. „Los!‘
Unter muhen, brüllen und mit dem Kopf schlagend, ging die Kuh langsam auf die Knie. „Weiter ziehen, weiter ziehen. Hannes, drück ihr den Kopf nach unten. Weiter ziehen. Drücken und nun alle an der Seite. Weiter, weiter, weiter.“ Langsam ging die Kuh auf die Knie und legt sich ab.
„Halleluja! Danke, Leute. Die Kuh liegt. Lasst sie nun mal etwas ausruhen.“

Annabell machte wieder ihre Arbeit mit dem lauwarmen Wasser weiter. Die anderen saßen auf dem Boden. 20 Meter von ihnen entfernt stand ein Pulk an Menschen und beobachten alles sehr genau. Die Menschen sprachen leise miteinander.

Nach 23 Uhr setzten immer mehr Wehen ein und etwas an Flüssigkeit lief aus der Scheide der Kuh.
„Okay, es geht los. Ich habe je ein Seil an den Beinen von dem Kalb befestigt. Ich muss abwechselnd ziehen, sonst wird das nichts.“ Asger nickte und packte sich die Seile. Sylvie setzte sich auf den Boden und drückte ihre Füßen gegen die Oberschenkel von der Kuh. Ihr Oberkörper war nach vorne gebeugt. Sie legte sich das Seil einmal um die rechte Hand und hielt das Seil mit beiden Händen fest – aber noch nicht auf zug. Die Kuh bekam eine weite Wehe und Sylvie zog mit aller Kraft. Ihr Oberkörper ging immer weiter zurück. „Stopp.“ Asger lies sofort das Seil locker – aber auf zug. „Sehr gut Asger. Wenn die nächste Wehe kommt, machen wir weiter.
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis die nächste Wehe kam. Sylvie war hochkonzentriert. „Los.“ Und wieder machte Sylvie die gleichen Bewegungen wie zuvor. Die nächste Wehe kam. „Los. Annabell, schütte immer wieder lauwarmes Wasser über die Scheide. Du braucht kein Tuch mehr.“
Maurice und Franziska füllten die Eimer voll für Annabell. Claude brachte ständig neues Wasser an die Gaskocher.
Die nächste Wehe kam. „Los.“ Hannes sah den ersten Huf von dem Kalb. Ihm lief der Schweiß nur so über das Gesicht. Er musste ja irgendwie das Becken der Kuh zu sich hoch ziehen.

„Okay, Asger. Nun das andere Seil.“ Sylvie legte sich auch dieses Seil einmal um die Hand und wartete auf die nächste Wehe. „Los.“ Zweimal zog sie und man sah den zweiten Huf. „Asger, wir ziehen noch einmal mit diesen Seil.“ „Okay Chefin.“ „Los.“ Bei diesem zug kam das eine Hinterbein gute 20 Zentimeter zum Vorschein.
Die nächste Wehe kam und auch hier kam das Bein immer weiter raus. „Nochmals dieses Seil.“ Die Wehe kam. „Los.“ Bei diesem zug sah man das Knie von dem Kalb. „Anderes Seil.“ Die Wehen kamen in immer kürzeren Abständen. Auch hier kam das Knie von dem Kalb zum Vorschein.

Nach über einer drei Viertel Stunde war endlich das Becken von dem Kalb zu sehen.
„Hannes, kannst du noch?“ „Eigentlich nicht mehr. Ich habe kaum noch Kraft in den Armen. Aber wir bekommen dieses Kalb auf die Welt.“
„Okay. Wir haben es bald geschafft. Asger, wir müssen jetzt das Kalb in Richtung Euter ziehen.“ Sylvie suchte sich einen anderen Platz auf dem Boden. In dieser Stellung konnte sie aber nicht gegen die Hinterbeine der Kuh drücken, denn dies würde ihr Schmerzen zufügen. Patricia und Franziska setzen sich hinter einander links neben die Kuh, Clodette und Levi taten dies rechts. So konnte Sylvie ihre Füße gegen ihr drücken und hatte etwas mehr halt. Asger hatte nun keinen Baum mehr, den er benutzen konnte. „Versuchen wir es. Zieh nicht zu fest.“ „Alles klar, Chefin.“

Die nächste Wehe kam. „Los. Ziehen, ziehen.“ Das Becken von dem Kalb war frei.
„Braves Mädchen. Wir haben es bald geschafft. Anderes Seil.“ Nach 10 Minuten kam eine weitere Wehe. „Los.“ Bei diesem zug kam der Rücken von dem Kalb zum Vorschein. Sylvie wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Okay. Machen wir eine kurze Pause, die Kuh ist auch erschöpft.“

Hannes verteilte erneut Wasserflaschen. Sylvie lief der Schweiß, als ob sie einen Marathon gelaufen wäre. „Danke, Hannes“ und trank den Halben Liter Wasser fast mit einem zug leer.

„Okay, es geht weiter. Die Wehe wird gleich kommen.“ Jeder sah der Kuh an, dass die nächste Wege bevor stand. „Okay.Los.“ Die Kuh schnaufte, muhte und brüllte. „Los. Weiter, weiter, weiter. Sehr gut. Das andere Seil. Wir haben es gleich geschafft. Los. Ziehen, ziehen, ziehen.“ Man sah den Nacken von dem Kalb.

„Okay. Leute, wir haben es gleich geschafft. Die Kuh erholt sich jetzt. Es geht gleich weiter. Die Zeit schien still zu stehen. Annabell schüttet langsam immer wieder Wasser über das Hinterteil.

Die nächste Wehe kündigte sich an. „Asger, nun ziehen wir mit beiden Seilen. Warte, warte. … Es geht los. … Moment… Los. Ziehen, ziehen, weiter, weiter. Stopp.“ Sylvie ging nochmals mit ihrem Oberkörper nach vorne „Okay, wenn gleich die Wehe kommt, ziehen wir das Kalb heraus.“

Sylvie wischte sich mit ihrem T-Shirt erneut den Schweiß aus dem Gesicht. Sie hielt das Seil auf zug, damit das Kalb nicht vielleicht nochmal ein Stück in den Geburtskanal zurück rutschen konnte.

Die Uhr war schon weit nach Mitternacht.
„Okay, es geht wieder los.“ Die Kuh fing an zu schreien. „Los. Ziehen, ziehen, ziehen.“ Das Kalb rutschte aus dem Geburtskanal auf den Boden. Sofort ließ Sylvie die Seile fallen und rutschte auf ihren Knien zu dem Kalb, um zu schaute, ob es atmete. „Großer Gott im Himmel. Es lebt. Es lebt.“ Sylvie kamen die Tränen. Alle, die auf der Weide standen fingen an zu jubeln oder zu weinen.
Asger nahm Sylvie in die Arme und streichel ihr über den Rücken „Du bist ein gutes Mädchen.“
Jeder umarmte Sylvie und drückte sie fest an sich.
„Kommt, legen wir das Kalb an den Euter“ sagte Sylvie. Asger und Hannes trugen das circa 40 Kilo schwerer Kalb an den Euter der Mutter und sofort fing das Kalb an zu saugen.
„Gutes Mädchen. Du hast ein Kind auf die Welt gebracht“ sagte Sylvie und streichelte der Kuh den Kopf.
Annabell streichelte das Kalb und wischte sie ihre Tränen weg. Mit den Tüchern wischte sie das Fell von dem Kalb sauber.

Hannes entfernte die Seile an den Beinen der Kuh und brachte einen großen Packen Heu aus dem Stall. Patricia hielt den Eimer mit Wasser schräg, damit die Kuh trinken konnte.

Sophearith traute sich näher und stand wie ein geprügelter Hund neben der Kuh.
„Du hättest heute zwei Lebewesen getötet! Denk mal über deine Fehler nach. Ich hoffe, die anderen Kühe sind nicht trächtig“ sagte Sylvie zurecht sehr böse zu Sophearith.