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Der High Heel

Der High Heel – historisch eine Erfindung von Männern für Männer

High Heels sind Frauensache! Falsch gedacht! Eigentlich kommt der Schuh mit Absatz aus Zeiten, in denen Männer gerne auf Pferden in den Krieg geritten sind. Aber der historische Wandel könnte uns heute helfen, mit Genderstereotypen mutiger zu werden. 

„Queen of Drags“ heißt das neue Reality-TV-Format mit Heidi Klum. Letztes Jahr hat sie gemeinsam mit Bill Kaulitz und Conchita Wurst die beste Drag Queen Deutschlands gesucht. Angetreten sind zehn Kandidatinnen, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Mit dabei die dralle Samantha Gold aus Hamburg, die allerdings schon in der zweiten Sendung rausflog. Grund hierfür war unter anderem die Tatsache, dass besagte Lady flache Schuhe bevorzugte. Tatsächlich war sie nicht ein einziges Mal mit High Heels zu sehen. Eine Drag Queen ohne Absatzschuhe?! Das war für die Model-Ikone Heidi Klum und die anderen Jurymitglieder inakzeptabel.

Was sagt uns das? Der High Heel bzw. Schuh mit Absatz symbolisiert für uns Weiblichkeit. Ein Mann, der als Frau auftritt, ist nicht ernst zu nehmen, wenn er dieses Symbol nicht mit in seine Präsentation einbezieht. Irgendwie ironisch, wenn man die Tatsache betrachtet, dass Absatzschuhe einst nur Männersache waren.

Der Ursprung des modischen Highlights war ein ganz praktischer. Persische Reiter trugen Schuhe mit Absätzen, damit sie besseren Halt in den Steigbügeln ihres Sattels hatten. Ausgestattet mit Pfeil und Bogen standen die Krieger so in den Bügeln, um ihre Gegner aufrecht zu beschießen.

Der persische Herrscher, Shah Abbas I. hatte am Ende des 16. Jahrhunderts eine der größten Armeen. Er wollte politische Beziehungen zu den europäischen Königshäusern knüpfen, um sich gegen Angriffe aus dem Osmanischen Reich zu verteidigen. Um 1599 sandte er eine Delegation über Russland nach Deutschland und Spanien. Die persische Delegation ritt gewissermaßen in High Heels durch Europa und eroberte die Fantasien der europäischen Adligen. 

Der Schuh mit Absatz, den die Reiter trugen, wurde als Symbol von Männlichkeit interpretiert und vorwiegend Aristokraten übernahmen diesen Trend. Weit vorn mit dabei war Louis XIV und Charles II von England. Natürlich folgte irgendwann auch das aufstrebende Bürgertum der Modeerscheinung und je mehr der Trend kopiert wurde, desto exzentrischer wurden die Modelle: Immer höhere Absätze, spitzere Schuhe, riesige Schnallen und rote Sohlen. Die Gemälde der damaligen Zeit zeugen von der Handwerkskunst und Raffinesse, die in männliche High Heels investiert wurde. 

Der Schuh mit Absatz erreichte Europa also im Zeitalter der ausklingenden Renaissance und dem Beginn des Barocks. Auch Frauen aus den Königshäusern begannen nun, hohe Schuhe zu tragen. Doch mit den immer weiter werdenden Reifröcken veränderten sich ihre Modelle maßgeblich. Während Männer klobige, breite Absätze trugen, wurden die Heels immer höher und schmaler. Der Grund: Unter den ausladenden Kleidern sollten die Füße zart und damenhaft wirken.

Ende des 18. Jahrhunderts eroberte der Klassizismus Europa. Dieser zeichnete sich durch einfache Formen aus und baute auf Funktionalität von Objekten. Das spiegelte sich auch in der Mode wider. Vorbei war es mit den exzentrischen Roben des Barocks und der dekadenten Outfits. Vor allem bei den Männern. Damit verschwand der hohe Schuh aus der Herrenmode fast gänzlich. In wenigen Jahrhunderten war der Wandel des High Heels vom Symbol für Männlichkeit und Kriegertum zum Symbol für Weiblichkeit und Fragilität vollzogen.

Naike Juchem, 16, Dezember 2020