Archiv der Kategorie: Geschichte

Das Bahnhofsgebäude Satteldorf

Bahnhofsgebäude Satteldort

Die Eisenbahn kam am 23. Oktober 1869 nach Satteldorf. Also 34 Jahre nach der Eröffnung der ersten Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth 1835. Satteldorf hatte zu diesem Zeitpunkt sehr wenig Einwohner.

Im Zuge der Wirtschaftlichkeit der Eisenbahn wurden auch Bahnhöfe für Personen und Warenlagerung errichtet.

So wurde das Bahnhofsgebäude Satteldort im Stil der Frührenaissance gabaut. Das Bahnhofsgebäude aus dem Jahre 1869 hat ein zweistöckiges Gebäudeteil mit Walmdach. Die Anbauten links und rechts sind einstöckig mit Flachdach gebaut.

Das Gebäude hat Rundbogenfenster und drei gekuppelte Türen, wobei zwischen den Stützen eiserne Maueranker eingelassen sind. Die halbrunden Fensterfirste aus rotem Backstein sind mit einem markanten Schlussstein aus Naturstein versehen.
Im Obergeschoss gibt es Segmentbogenfenster mit verzierten hölzernen Fensterläden, wobei die beiden mittleren Fenster über den drei Eingangstüren ebenfalls gekuppelt sind.

Ich finde es sehr schade, dass man solche schöne Gebäude sich selbst überlässt.

Die Gigatomanie Chinas

Im Wahn von einem gigantischen Bauboom besessen wurde vor 21 Jahren in der mongolischen Wüste eine Megastadt aus dem Boden gestampft. Der Fund von Fossilie Brennstoffen war der Antrieb für einen Traum, eine neue Stadt zu erschaffen.

Autoren Naike Juchem und Paolo de Santis


Mit der Entdeckung von großen Kohle- und Gasvorräten im Jahr 2000, welches nach einer Schätzung sich um 15 Prozent der gesamten Kohle und 30 Prozent der gesamten Erdgasreserven Chinas handelt, entstand 2001 südlich der mongolischen Stadt Dongsheng, auf folgenden Umstrukturierung und Namensänderung von Dongsheng in Ordos über. Mit der Neufestlegung der Stadtgrenzen von Dongsheng wurde circa 30 km entfernt  entfernt mit dem bau einer Planstadt  begonnen. Die Einparteien Regierung in Peking träumte von einer zweiten Boomtown à la Dubai: Öl, Geld, Luxus und internationaler Jetset. Dies sollte das neue und immer weiter aufstrebende China darstellen. Die Funktionäre aus Peking glaubten, dass die kaufkräftige Mittelschicht Chinas bald in die innere Mongolei nachziehen würde. 10 Jahre nach dem Baubeginn dieser Megastadt lebten nach Angaben gerade mal 5.000 Menschen in der Stadt.

Im September 2015 wurde berichtete, dass die Stadt trotz des geringen Zuzugs weiter auf 1 Mio. Menschen Aufnahmekapazität ausgebaut wurde. Die Stadtregierung habe vieles unternommen, die Bewohner aus den umliegenden Dörfern in die neue Planstadt zu locken. Zusammengenommen sollen nach chinesischen Angaben circa 100.000 Menschen in Kangbashi leben.
Im November 2015 lagen der BBC Schätzungen von Journalisten und Ökonomen eine fünffache niedrigere Zahl vor. Da es für das Jahr 2017 eine offizielle Stellungnahme aus Peking mit einer Einwohnerzahl von 153.000 Menschen gab, ist eine sachliche Objektivität kaum möglich.
Selbst wenn die Zahl aus Peking stimmen sollte, kann man davon ausgehen, dass viele Menschen diesen Schritt nicht freiwillig getan haben.

Die Geisterstadt Ordos

Die Geisterstadt Ordos

Was die meisten internationalen Medien in der Berichterstattung außer Acht lassen, sind die tatsächlichen Verhältnisse vor Ort und die ganz eigenen Gesetze der chinesischen Stadtentwicklung. Nach diesen ist das Projekt ein voller Erfolg.
Ordos – oder auch gerne als New Ordos proklamiert, ist die gepflegteste Geisterstadt der Welt.

Mit neuster Technologie in Form von
kleinen Windrädern werden die Straßenlaternen betrieben, die öffentlichen Plätze sind säuberlich gefegt und mit Blumen und Kunst geschmückt.

Das Ordos-Museum thront auf einem wellenförmig angelegten Sockel aus hellem Kalkstein, ein protziger, klecksförmiger Baukörper mit Aluminiumverkleidung, der von Chinas aktuellem Architektur-Wunderkind Ma Yansong entworfen wurde. Bei der Gestaltung dieses Bauwerks kann man unterschiedlicher Meinung sein, ob dies nun modern, futuristisch oder sonderbar ist.

Ordos rückte 2009 durch einen Bericht des Fernsehsenders Al-Jazeera ins Licht der Weltöffentlichkeit. Er begann mit der Einleitung: „Willkommen in der Stadt Ordos, der Stadt der Zukunft. Sie ist brandneu und wurde in nur fünf Jahren für geplante eine Million Einwohner errichtet. Aber niemand ist gekommen.“ Im Rahmen längerer Ausführungen zu Chinas gewaltigem Ausgabenprogramm in Reaktion auf die Krise kam der Bericht umwegig zu dem Schluss, Ordos sei ein paradigmatisches Arbeitsbeschaffungsprogramm: sinnlos verschwenderisch und gespenstisch leer. Obwohl die Schlussfolgerung richtig sein mag, sind die Prämissen schlicht falsch, denn Ordos ist nicht gleich Ordos.
Kurz nach dem Bericht von Al-Jazeera lieferte ein Börsenfachmann von Merrill Lynch eine heftige, auf Untersuchungen und Analysen gestützte Erwiderung ab. Er führte aus, dass es sich, obwohl nur wenige Menschen in der neuen Stadt wohnen, keineswegs um eine Blase handele, denn die Immobilien in dieser Stadt seien ausnahmslos mit Bargeld bezahlt worden.
Dieser Befund erscheint jedem Besucher von Ordos vollkommen absurd. Nur ein Wirtschaftswissenschaftler kann bei der Bewertung einer dermaßen menschenleeren Stadtlandschaft auf die Idee verfallen, darin einen Erfolg zu sehen. Selbst der oberflächlichste Beobachter nimmt wahr, dass in Ordos etwas Ungewöhnliches im Gange ist. Aber was genau?

Die Neuerfindung von Dongsheng

Die Geschichte von Ordos wird schon durch die Namensgebung verunklart. Wenn in der internationalen Presse von der „Geisterstadt“ Ordos oder auch „New Ordos“ gesprochen wird, ist nur ein Teil der Stadt gemeint, die eigentlich Kangbashi heißt. Was heute Ordos heißt, war wiederum früher die Stadt Dongsheng, eine arme landwirtschaftliche Bezirksstadt in der Steppe, wo der Gelbe Fluss in einem riesigen Bogen durch die Innere Mongolei fließt. Die Grenzen wurden neu gezogen, Dongsheng auf den Status eines Stadtteils von Ordos heruntergestuft und das Werk in Angriff genommen, die Stadt aus dem Stand neu zu erfinden.

Fast zehn Jahre nach Beginn des Ressourcenbooms wirkt das ehemalige Dongsheng trotz der weltweiten Wirtschaftskrise immer noch wie entfesselt.
Wo vor zehn Jahren noch Motor-Rikschas und klapprige Busse über staubige Straßen rumpelten, sind heute Verkehrsstaus ein Problem. Alle Menschen in der Stadt, nicht bloß die Touristen, stehen staunend vor den gewaltigen Veränderungen.
Überall sieht man die Zeichen des neuen privaten Reichtums. Über der Stadt thront auf einer Hügelspitze ein neues zentrales Geschäftsviertel mit 50 repräsentativen Firmenzentralen aus Glas und Stahl. Eine Phalanx von Fünf-Sterne-Hotels säumt die breiten, frisch gepflasterten Prachtstraßen der Stadt. Shopping Malls und Wohnanlagen mit Eigentumswohnungen für Reiche sind, wie Pilze nach dem Regen aus dem Boden geschossen. Geländelimousinen wie der Range Rover sind schwer angesagt. Angeblich macht die Firma Land Rover im heutigen Ordos die Hälfte ihres gesamten China-Geschäfts.


Auch die Stadtverwaltung hat nach Amächtig profitiert. Ihre Einkünfte sind in die Höhe geschnellt und sollen dieses Jahr, bei einer Einwohnerzahl von ungefähr einer Million, 6,5 Milliarden US-Dollar erreichen. Mit dem Geldregen hat sich die Stadt in einen großen Ausbau öffentlicher Einrichtungen gestürzt. Große neue Parks, die alle mit Sportgeräten ausgerüstet sind, durchziehen die Landschaft. An einer der Hauptverkehrsachsen wurden, für das hiesige Klima recht unpassend, Palmen gepflanzt. Öffentliche Kunstwerke schmücken die Plätze der Stadt. Ein neues Flughafenterminal wurde fertiggestellt, ein weiteres ist bereits im Bau.

Doch nirgendwo in Ordos wird der neue Reichtum bizarrer zur Schau gestellt als in Kangbashi, dem 2004 begonnenen Projekt einer neuen Siedlung. Diese soll ein Zwillingszentrum zu Dongsheng, der älteren Stadt, werden und 300.000 Einwohner aufnehmen. Sie liegt 25 Kilometer südlich von Dongsheng, verbunden über eine frisch asphaltierte, vierspurige, nachts beleuchtete Autobahn. Die einzelnen Lampen erhalten den Strom aus Mini-Windrädern. Diese ultramoderne Straßenbeleuchtung kündet von Ordos’ kühnem Ziel, Kangbashi zu einem Vorreiter alternativer Energietechnologien zu machen. Kangbashi soll außerdem zu einem regionalen Kultur- und Finanzzentrum und zu einer erstklassigen Adresse für die Klientel der sagenhaft Reichen in der Stadt werden. Konzeptionell sollen Dongsheng und Kangbashi die Nord- und Südpole einer einzigen Metropole bilden – der Zwischenraum soll bis 2020 mit Industrieparks und vorstädtischen Wohnsiedlungen ausgefüllt werden. Bislang ist alles nur teilweise verwirklicht, aber schließlich liegen die Anfänge noch nicht weit zurück.

Der neue Stadtteil Kangbashi, quasi „New Ordos“, wurde in einer sonderbaren Mischung aus klassisch-chinesischen Planungsprinzipien und City-Beautiful-, modernistischen und postmodernistischen Elementen entworfen. Den Mittelpunkt der Nord-Süd-Achse der rasterförmigen Stadtanlage bildet ein 1,5 km langer, zentraler Platz mit großen Blumenbeeten und öffentlicher Kunst, deren Thematik die mongolischen Horden Dschingis Khans sind, obschon nur weniger als zehn Prozent der Einwohner von Ordos ethnische Mongolen sind. In Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Feng Shui steht auf einer leichten Anhöhe am nördlichen Ende der „Plaza“ die nach Süden blickende, 120.000 m2 große Stadthalle, am südlichen Ende wurde ein großer See angelegt. Flankiert wird der Platz von den vier öffentlichen Gebäuden der Stadt: dem auffälligen Museum, dem Zentrum für darstellende Kunst, dem Kulturzentrum und der Bibliothek. Nach Aussage der Verantwortlichen sollen die öffentlichen Gebäude dem neuen Viertel ein Zentrum geben und die Einwohner aus Dongsheng zum Umzug in die unzähligen weitläufigen Wohnsiedlungen locken, die die umliegenden Grundstücke ausfüllen.

Doch außer der pompösen Zurschaustellung öffentlichen Reichtums auf der Plaza entdeckt man ansonsten in Kangbashi herzlich wenig an kultureller, kommerzieller oder sonstiger Aktivität. Zwar behaupten die Offiziellen, dass alle Wohneinheiten in der Stadt verkauft seien, aber tatsächlich leben nur sehr wenige Einwohner in dem neuen Stadtteil. Viel zahlreicher als permanente Einwohner sind Gärtner und Bauarbeiter, die durch die hochbezahlte Saisonarbeit aus ganz China angelockt werden. Den generellen Eindruck der Leere in Kangbashi verstärken noch die Flachheit des Geländes und der entschieden fußgängerfeindliche Maßstab. Das Ganze dehnt sich in die leere Steppe aus, deren monotones Erscheinungsbild nur hier und da durch eine vorstädtische Enklave oder einen Apartmentkomplex unterbrochen wird.

Ein Konstrukt aus Macht, Gier und unterwanderung der Verfassung

Die verbreitete Version der Geschichte ist, dass Kangbashi ein Fehlschlag sei, weil die Stadt so gut wie nicht bewohnt ist. Selbst so seriöse Zeitungen wie das Wall Street Journal oder die New York Times machen sich über das Projekt lustig und stützten die Version mit reißerischen Bildergalerien. Tatsächlich enthält diese Deutung aber ein fundamentales Missverständnis darüber, was in China wirklich hinter diesem gigantischen Bauboom steht.

Zunächst einmal gehört nach der Verfassung der Volksrepublik China alles städtische Land dem Staat. Wer in China in irgendeiner beliebigen Stadt den Staat repräsentiert, geben die Funktionäre der Partei vor und brachte in den letzten Jahren auch einige Unruhen und Demonstrationen hervor. Ordos bildet da keine Ausnahme. Auf alle Fälle jedoch verstehen es die Stadtverwaltungen, den Landbesitz geschickt auszunutzen, indem sie sich auf dem dynamischen Verpachtungsmarkt engagieren, um so alle möglichen Infrastruktur- und Wohlfahrtsprojekte zu finanzieren. Da es seit den 80er Jahren praktisch keine Zuwendungen seitens der Zentralregierung mehr gibt, erwirtschaften die Stadtverwaltungen heute bis zu 60 Prozent ihrer Haushalte mit den Einnahmen aus Landübertragungen und Pachten und finanzieren so die Dienstleistungen, die die Einwohner einer Stadt erwarten, wie zum Beispiel Schulen, Straßen oder Hospitäler. Auch einzelne Unterabteilungen der Stadtverwaltungen, die sich ebenfalls selbst tragen müssen, sind dazu übergegangen, Immobilienbesitz zu kommerzieller Nutzung abzugeben, um ihre Ausgaben zu finanzie­ren. Wie man sich denken kann, bieten diese legal abgesicherte Verwischung der Grenzen zwischen privat und öffentlich und die wahllose Beteiligung von Stadtverwaltungen an Immobiliengeschäften Amtsträgern zahlreiche höchst verführerische Chancen zur Selbstbereicherung. Dementsprechend konnte es eine mächtige Fraktion in Ordos, bestehend aus Offiziellen und ihren Verbündeten aus der Erschließungsbranche (oft sind das auch die selben Leute), kaum abwarten, neue Projekte zu finden.

Die höchste Hürde für großflächige Erschließungsprojekte ist in aller Regel die Finanzierung, aber diese wurde in Ordos durch das stetig aus den Minen sprudelnde Geld quasi weggespült. Da es wortwörtlich Milliarden auszugeben gab, wurde die Kapitalbindung zu ei­nem drängenden Anliegen der Stadtverwaltung. Man begann sofort mit der Neugestaltung von Dongsheng; die Sanierung innerstädtischer Gebiete ist jedoch ein lästiger und langsamer Vorgang, bei dem man zudem von der Unannehmlichkeit geplagt ist, Einwohner umzusiedeln. Neue Erschließungen auf unbebautem Land sind daher allemal vorzuziehen. Und hier kommt Kangbashi ins Spiel: Die Erschließung des 35 Quadratkilometer großen stadteigenen Geländes war, vereinfacht gesprochen, das zweckdienlichste Verfahren, um sicherzustellen, dass die Ströme des Kapitals weiter in der Region zirkulieren und nicht in andere Richtungen, etwa in die Immobilienmärkte von Beijing oder Shanghai, abfließen.

In dieser Hinsicht ist Kangbashi ein doppelter Erfolg: Die Milliarden Yuán, die für das Projekt aufgewendet wurden, verschwanden nicht in der Architektur und Landschaftsgestaltung. Sie verschwanden in der örtlichen Bauindustrie, machten die Mitglieder der Koalition aus Erschließern und Offiziellen so reich, dass sie nun zu den Immobilienmagnaten Chinas gehören. Der zweite Erfolg bestand darin, dass alle gebauten und geplanten Wohneinheiten verkauft wurden – was dank einer aggressiven Vermarktung, eines starken Interesses an Grundbesitz und des Fehlens einer Grundsteuer ebenfalls gut funktionierte. Wie der in China tätige amerikanische Finanzwissenschaftler Patrick Chovanec betont, haben die Menschen angesichts künstlich niedriger Sparzinsen, einer nicht existenten Grundsteuer und eines volatilen Aktienmarkts gute Gründe, ihr Geld in Immobilien zu investieren – solange die Preise steigen, selbst wenn es sich dabei um Eigentumswohnungen in einer Geisterstadt am Rande der Wüste Gobi handelt.

Hinsichtlich dessen was in China zählt, sind die Errichtung der Stadt und der erfolgreiche Verkauf der Wohnungen also ausreichende Gründe zum Feiern –  zumindest für die Besitzer des Kapitals, die auch die Nutzung des Landes kontrollieren.
Während man sich darüber lustig macht, dass sie eine Geisterstadt bauten, haben sie auf dem Weg zur Bank gut lachen. Das Lachen kann auch bis zur nächsten Beförderung anhalten, denn Chinas bürokratisches System schaut günstig auf konkrete Leistungen wie Kangbashi, insbesondere dann, wenn die Bürokratie voll in den Erfolg einbezogen ist.

Ein ökologisches Desaster

Selbstverständlich wird die neuste verbaute Technologie in Kangbashi als ein positiver Schritt in Hinblick auf Klima- und Umweltschutz propagiert und man auf die
forschungsintensive Nutzung alternativer Energie, einer vitalen, kreativen Wirtschaft und einem luxuriösen Leben stolz sei.
Beim genauen hinschauen stellt man aber sehr schnell fest, dass dieser propagierte Stolz eine ökologisches Desaster ist.

Kangbashis Größe und Maßstab sind für alle westlichen Stadtplaner_innen ein Albtraum und strafen alle ökologischen Behauptungen der Planung solcher Städte.
Schließlich ist nichts ökologisch daran, eine mehr als 35 Quadratkilometer große Prärie in eine Stadt zu verwandeln.
Der größte bislang neu angesiedelte Industriebetrieb ist das Zweigwerk eines Autoherstellers.
Die Bauarbeiter in Ordos berichteten zudem, dass hinter den schicken Fassaden der Eigentumswohnungen der Innengestaltung keine besondere Beachtung geschenkt wurde. Das Knausern bei den Baumaterialien dürfte dafür sorgen, dass vielen Neubauten unter den harten klimatischen Bedingungen in der Inneren Mongolei kein langes Leben beschieden sein wird. An gerade fertiggestellten Wohnhäusern sind bereits jetzt Rostflecken sichtbar. Selbst das neue Museum ist ein baulicher Alptraum, denn es keinen einzigen Raum mit glatter Wandfläche undfh rechten Winkel.

Eine bedenkliche Finanzierung

Was in Ordos auffällt, ist eine gigantische Anhäufung an Reichtum, der in diesem Fall von der Kohle- und Gasindustrie geschaffen wurde und über das nicht gerade legale Finanzwesen in die örtliche Grundstückserschließung geleitet wird. Kangbashi wurde nicht errichtet, weil die Grundstücks­erschließung das natürliche Ziel des örtlichen Kapitals waren, sondern weil die Stadtverwaltung wollte, dass es dorthin fließt. Die Gier nach mehr Einfluss in der Partei und auch um das eigene luxuriöse Leben zu sichern und finanzieren, ist die Stadtverwaltung eben auf jene Finanzierung dringend angewiesen. Dabei ist es selbstverständlich hilfreich, dass die Stadtregierung auch über die administrativen Machtmittel verfügt, um das Geld in eben jene gewünschte diese Richtung zu lenken. Zudem sorgt der spektakuläre Erfolg von Grundstücksinvestitionen in den größeren Städten Chinas für Nachahmer. Neue Städte werden in ganz China nach ziemlich den gleichen Prinzipien, wenn auch nicht mit so gewaltigen Geldmitteln, in Serie produziert. So zum Beispiel auch die Siedlung Hallstadt in der Stadt Luoyangzhen, welche eine perfekte Kopie der österreichischen Stadt Hallstadt ist. Auch diese Stadt mit ihrem
Disneyland-Charakter ist Menschenleer.

Trotz der Ausnahmestellung, die Kangbashi dank des anspruchsvollen Entwurfs und des Maßstabs innehat, ist es also ein ausgesprochen typisches Beispiel dafür, was geschieht, wenn eine chinesische Stadtverwaltung, die hauptsächlich darauf angewiesen ist, durch Landerschließungen kurzfristige Einkünfte zu erzielen. Für die Stadtverwaltung von Ordos war die Errichtung einer Stadt das Hauptziel; wenn Kangbashi gebaut und ver­kauft werden kann, ist das für sie ein Erfolg, vollkommen gleichgültig, ob am Ende jemand dort wohnt.

Gewiss besteht das Risiko, dass der Grundstücksmarkt einbricht und die Tausenden leerstehenden Wohneinhei­ten ihren Wert verlieren. Einige Investoren könnten gezwungen sein, ihre Immobilie zu verkaufen. Werden sie einen Käufer finden? Und wenn ja, zu welchem Preis? In einem Boom solche Fragen zu stellen, gilt als politisch unklug. Also werden sie nicht gestellt. Und angesichts der großen Rohstoffvorkommen ist einstweilen auch nicht mit einer Verschlechterung der Lage zu rechnen. Unterdessen steht Kangbashi leer, als treffendes Denkmal des Booms.

„Die Uhr tickt. Es ist lediglich eine Frage der Zeit, bis die Blase in China platzt und nicht ob.“

Die Gigantomanie in China sehen Experten sehr kritisch. So warnte der Ökonom Daniel Stelter, in der Financial Times: „Es ist höchste Zeit für uns zu erkennen, dass China es mit einer Immobilienblase historischen Ausmaßes zu tun hat, die jene von Irland und Spanien 2008 und sogar jene von Japan 1989 in den Schatten stellt.“
Auch der Finanzexperte Matthias Weik äußerte sich ähnlich im Wall Street Journal:
„Fakt ist: Die Uhr tickt. Es ist lediglich eine Frage der Zeit, bis die Blase in China platzt und nicht ob.“ Weik kritisiert auch die Gleichgültigkeit vieler westlicher Ökonomen, die das Platzen der chinesischen Immobilienblase als ein rein regionales Problem betrachten würden. Er warnt: „Es wird nicht nur die chinesische Wirtschaft leiden, sondern auch die unserer westlichen Welt. Insbesondere unsere exportorientierte deutsche Wirtschaft wird ausgesprochen betroffen sein.“
Auch asiatische Analysten warnen vor Chinas Immobilienblase. Yu Yong, Chief Risk Officer beim China Agriculture Reinsurance Fund, erklärte kürzlich in einem Podcast: „Immobilien sind die größte Blase, über die in China alle reden. Wenn also etwas passiert, stellt dies eindeutig ein Risiko für die gesamte chinesische Wirtschaft dar.“ Dies wiederum stelle ein Risiko für die Weltwirtschaft dar.

Tatsächlich stehen in China laut der Nachrichtenagentur Reuters mehr als 65 Millionen Wohnungen leer. Zur Einordung: Das entspricht der Gesamtzahl aller Haushalte in Frankreich und  Großbritannien zusammen. Der Grund für den massiven Wohnungsleerstand in China ist der massiver Bauboom und eine zügellose Spekulation die einer Wahnhaftigkeit an Gigantomanie trägt.

Lüttich im November

Ein Blick vom Denkmal des 14. Linieninfanterie-Regiments über Lüttich

8. und  9. November 25

Dieses Wochenende stehe ich in Lüttich.

Mit Nila bin ich in Richtung Altstadt gelaufen. Durch ein paar enge Gassen kam ich dann an die Montagne de Bueren (Bueren-Berg Treppe)
Man soll gar nicht glauben wie anstrengend 374 Stufen sein könnnen – bin ja auch nicht mehr die jüngste.
Keuchend und geschwitzt (durch die sehr warme Sonne) kam ich am Gipf vom Mount Everest an. Die Novembersonne auf 8000 Meter Gipfhöhe brannte erbarmungslos auf die Netzhaut.

Wenn ich näher am Mond als am Erdmittelpunkt war, konnte ich auch noch weiter zu einem kleinen Aussichtspunkt am Denkmal des 14. Linieninfanterie-Regiments gehen.

Von der Zitadelle Lüttich, deren Eingang ich nicht gefunden hatte, wollte ich zu einer anderen Aussichtsplattform oberhalb der Meridianengrenze gehen. Nach meinem Gefühl ging ich einen kleinen Pfad hoch.
An Wiesen und Bäumen vorbei, wusste gar nicht, dass in solcher Höhe noch eine bekannte Flora anzutreffen ist, kam ich irgendwann irgendwo in Lüttich wieder raus.

Bergauf zu laufen hielt ich für keine gute Idee, als ging es Begab – war mit High Heels auf Kopfsteinpflaster auch nicht sonderlich lustig. Zumal ich noch Nila an der Leine hatte. Vor meinem geistigen Auge sag ich schon dem Erdmittelpunkt hin fallend.

Auf einem Normalnull-Niveau angekommen, musste ich mich erst einmal orientieren. Da ich die Maas, nicht wie einst die mittelalterliche Händler aus Franken nach Antwerpen, überquert hatte, musste ich nach dem Gefühl nach links laufen.

An einer kleinen Bar habe ich dann erstmal einen Cappuccino getrunken und kam mit zwei älteren Damen am Nachbartisch ins Gespräch.

Da ich auf dem Weg zum Lkw durch die Altstadt gelaufen bin, suchte ich mir noch eines der vielen Restaurants auf.
In Belgien gibt es in den Bars, Cafés und Restaurants mitunter mehr Biersorten als Speisen. Ich entschied mich für ein Primus IPA. Lecker Bier! Leicht gehopft, sehr würzig und trotzdem mild in Nachtrunk. Die Belgier können nicht nur Waffeln und Pommes machen.
Als Mittagsessen hatte ich mich für einen Burger „Le Perron“ entschieden.

Auf den Rückweg sprachen mich zwei Mädchengruppen von Pfadfinderinnen an, ob sie Fotos von meinen Stiefel machen dürfen. „Avec plaisir.“

Nun sitze ich am Hafen von Lüttich umgeben von der Maas und schaue dem Sonnenuntergang entgegen.

Die Montagne de Bueren

Und ich dachte es gäbe nur viele Treppen in Montmartre.

Die Bueren-Treppe, fertiggestellt 1883 ist heute eine der meistbesuchten Sehenswürdigkeiten von Lüttich.

Diese Treppe mit 374 Stufen wurde errichtet, damit die in der Zitadelle kasernierten Soldaten direkt in das etwa 60 Meter tiefer gelegene Stadtzentrum gelangen konnten.

Ihr Name erinnert an einen vereitelten Handstreich von 600 Einwohnern aus dem Ort Franchimont. Unter der Führung von Vincent de Bueren und Gosuin de Streel versuchten sie in der Nacht vom 29. auf den 30. Oktober 1468, den Herzog von Burgund, Karl den Kühnen, gefangen zu nehmen.Die

Die Lügen von Vorurteile

Der Fremdenhass in Deutschland wird seit Jahrzehnten auf völlig falsche Behauptungen aufgebaut, weil man nach einem Feindbild sucht. Ob nun gegen den Staat, den Kapitalismus oder Migranten.

Autorin Naike Juchem

Es gab und gibt bereits seit den frühen 1960er Jahre Gruppierungen die sich dem Terror oder Nationalsozialismus verpflichtet fühlen. Diese Gruppierungen haben von einer handvoll bis mehrer tausende Mitglieder. Ihre Motive sind immer gleich: Schuld sind die anderen.

Mit dem Fall der Mauer im Jahr 1989 begann eine neue Ära des Rassismus in Deutschland, der bis heute anhält. Warum aber im Osten?

Als die DDR als Sozialistischer Staat zusammenbrach, standen viele Bürger vor offenen Fragen. Wem 40 Jahre und fast 12 Monate das Denken vorgegeben wurde, musste sich plötzlich mit der immer gewünschten Freiheit auseinandersetzen. Hinzu kamen auf einen Schlag die fast 300.000 Mitarbeiter und Spitzel der Stasi. Diesen Menschen wurde von einem auf den anderen Tag eine Ideologie genommen, für die sie gelebt hatten.
Ihr Feindbild war schnell gefunden: Die anderen.

Ich erinnere mich noch an die Meldungen aus Hoyerswerda im Jahr 1991. Im September kam es zu rassistisch motivierten Angriffen auf ein Flüchtlingswohnheim und Wohnheim für Vertragsarbeiter, dies waren Arbeitnehmer:innen aus anderen sozialistischen Ländern, wie zum Beispiel Vietnam, Mosambik, Kuba oder Angola.
Die Ausschreitungen dauerten mehrere Tage und wurden von hunderten Menschen unterstützt, die die Angriffe teilweise bejubelten. 

In Rostock-Lichtenhagen kam es im August 1992 zu massiven Angriffen auf die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber und ein Wohnheim für vietnamesische Vertragsarbeiter wurde mit Molotowcocktails in Brand gesteckt, während sich noch Menschen darin befanden! Auch hier jubelte der Mob und sabotierte sogar die Löscharbeiten der Feuerwehr.

Das aufkommen von Rassismus gerade in Ostdeutschland geht mit der Ergophobie einher. „Die Ausländer nehmen uns die Jobs weg“ wird oft als Grund genannt.
Es folgt die Xenophobie. Hierbei handelt es sich um eine übersteigerte Angst oder Abneigung gegenüber Menschen, die als fremd oder anders wahrgenommen werden. Die BILD und auch die Medien haben dies in den Köpfen der Menschen manifestiert. Schlagwörter wie: Die Islamisierung von Deutschland, oder auch bei der großen Flüchtlingeskrise 2015 wurden die Schlagwörter immer eine Stufe höher. Was anfangs eine Flüchtlingeswelle war, wurde schnell zu einer Welle, dann Flut und später Invasion. Man beachtet die Steigerungsform von einem Wort.
Die Xenophobie griff immer mehr.

Im August 2015 las ich auf Facebook eine Meldung von RTL. Es ging um Flüchtlinge die in der Stadt Hattersheim untergebracht werden sollten. Damals titelte RTL dies mit den Worten: Landrat von Hattersheim ruft wegen Flüchtlinge den Katastrophenalarm aus.
Binnen Minuten überschlugen sich User:innen mit sinnfreien und rassistischen Äußerungen gegen Flüchtlinge.
Niemand der User:innen machte mich Gedanken was der Katastrophenalarm überhaupt ist. Das Gesetz über den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe des Bundes (ZSKG) regelt die Aufgaben des Bundes im Bereich des Bevölkerungsschutzes, sowohl im Verteidigungsfall (Zivilschutz) als auch bei Katastrophen in Friedenszeiten. In einem Passus steht u.a. die bauliche Beschaffenheit von Gebäuden. Es ging einzig und alleine um die Anzahl von Toiletten und Brandschutzverorsnung – also die Anzahl der Türen oder Fluchtwege. Mehr nicht. Der Landrat hatte völlig richtig gehandelt, um Menschen schnellstmöglich eine Unterkunft zu geben. Aus einer banalen Meldung wurde ein Hysterie ausgelöst.

Um nun noch mal auf die Xenophobie zurück zu kommen, liest man ständig in den sozialen Netzwerken Aussagen wie: „Die kriegen alles – wir kriegen nichts.“
Es werden Schlagwörter wie: Bürgergeld, Wohnungen und Renten aufgeführt.

Ich war im September 2015 vor Ort in mehreren Aufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge gewesen. Diese Fotos sind aus einer Aufnahmeeinrichtung in Trier

Flüchtlinge und Asylbewerber bekommen kein Bürgergeld! Die Menschen bekommen nach dem Asylbewerbergesetz rund 460 Euro im Monat. Auch ist es völliger Unsinn, dass diese Menschen Wohngeld, eine freie Wohnortwahl oder gar Renten bekommen.
Die meisten Asylbewerber und Flüchtlinge leben in ehemaligen Kasernen oder Container die irgendwo in einem Industriegiebt stehen.
Das Thema Rente ist auch so eine Sache, bei der sehr viel falsches geäußert wird.
Nur mal zur Einordnung: Wenn man den Zusammenfall der DDR im Jahr 1990 nimmt, also vor 35 Jahren, haben viele der Ostdeutschen Arbeitnehmer:innen in das Rentensystem nichts einbezahlt – und bekommen trotzdem Rente. Gleiches gilt auch für Kindergeld, Elterngeld und Wohngeld.

Eine „Wohlfühltatmosphäre“ sieht anders aus

Westdeutschland hat seit der Wiedervereinigung etwa 1,6 Billionen Euro an öffentlichen Geldern in den Osten Deutschlands transferiert, um den Aufbau Ost zu unterstützen. Diese Mittel flossen in verschiedene Bereiche wie Infrastruktur, Wirtschaftsförderung, Sanierungen und soziale Projekte. Auch wurde von westdeutschen Arbeiternehmer:innen ein Solidaritätszuschlag vom Lohn abgezogen.
Das die Treuhand und viele Konzerte in Ostdeutschland verbrannte Erde hinterlassen hat, ist hinlänglich bekannt. Dafür kann aber die vorherige Regierung unter Merkel und nachfolgende Politik nichts. Es wurden viele gemacht, bei denen es nicht um das Wohl der Menschen ging. Sich dann aber ein Feindbild zu suchen, dass noch viel weniger dafür kann, ist äußerst primitiv und dumm.

Im Osten von Deutschland ist die mittlerweile rechtsextreme Partei Alternative für Deutschland sehr stark. In manchen Regionen sogar bei 30–40 Prozent. Gerade die AfD die ständig gegen unsere Demokratie und Sozialstaat sich ereifert, wird dort gefeiert weil sie ihre Propaganda auf Angst aufbaut.
Die Psychologie mit der Ergophobie und der Xenophobie greifen sehr gut. Einfache Wörter, die ständig wiederholt werden bleiben in den Köpfen hängen – auch wenn dies alles nur gelogen ist. Es wird Stimmung und Wahlpropaganda mit der Angst gemacht. Das gleiche Prinzip machen auch Versicherungen mit Hausratversicherungen, Feuer- Wasser oder Elementarversicherungen.

Die AfD macht mit Angst Stimmung bei ihren Wähler:innen



Es sind auch immer die Wähler:innen und Anhänger:innen der AfD die von Manipulation durch die „Staatsmedien“ schreien. Nur weil dort deren Meinung nicht vertreten wird, ist es noch lange keine Manipulation. Die AfD Fans werden von ihrer ach so geliebten Partei manipuliere und merken es gar nicht.
Auffallend ist auch, dass sich ausnahmslos nicht sehr kluge Menschen der AfD verbunden fühlen, weil sie die Komplexität von Politik und Wirtschaft nicht begreifen. Sie sehen nur Punkte die für sie sprechen. Meist sind es dann die Migranten, Flüchtlinge, Asylbewerber, Klimawandel oder EU.

Dokumente über die Bespitzelung von Menschen in der DDR


Fazit
Noch nie war Deutschland so sehr gespalten wie in den vergangenen Jahren.
Das Deutschland eine so hohe Staatsverschuldung hat, liegt auch daran, dass wir eine völlig marode und überschuldete DDR übernommen haben.
Ich war immer für ein vereintes Deutschland. Wenn ich aber den Hass und Hetze sehe, der aus dem Osten von Deutschland kommt und auch immer mehr auf das gesamte Land übergreift, bin ich mir nicht so sicher ob der Fall der Mauer zu verhindern gewesen wäre. Unter dem aktuellen Machthaber von Russland hättet ihr nichts zu lachen.

Naike Juchem, 27. Juli 2025

Grenzübergang Marienborn

Nach dem Zweiten Weltkrieg teilen die allierten Siegermächte Sowjetunion, Vereinigte Staaten von Amerika, Großbritannien und Frankreich – das besiegte Deutschland in Besatzungszonen. Auch Berlin wird in Sektoren geteilt.

Um den Verkehr zwischen den Zonen zu kontrollieren, richten die Allierten 1945 Kontrollpunkte ein. Der Kontrollpunkt Marienborn an der Autobahn Hannover-Berlin liegt unmittelbar an der Grenze zwischen britisch besetzter Zone im Westen und sowjetisch besetzter Zone im Osten.

Mit der Verschärfung der politischen Gegensätze zwischen den Westallierten und der Sowjetunion entwickelt sich der weltweite Ost-West-Konflikt. Der Kontrollpunkt Marienborn liegt an der Naht- stelle zweier feindlicher Machtblöcke – dem kommunistischen Herrschaftsbereich im Osten und den kapitalistischen Demokratien im Westen. Der Konflikt zwischen den Systemen führt zur Teilung Deutschlands in zwei Staaten: Bundesrepublik Deutschland und Deutsche Demokratische Republik.



Der Grenzübergang Marienborn in der DDR wird zum Ort der Grenzsicherung der kommunistischen Diktatur gegenüber dem Westen. Der einzige Zugang der westlichen Alliierten ins geteilte Berlin ent- wickelt sich rasch zur bedeutendsten Kontrollstelle an der innerdeutschen Grenze zur Bundesrepublik. Über sie wird der Reise- und Güterverkehr nach West-Berlin, in die DDR, nach Polen und in die damalige Tschechoslowakei abgewickelt. Für die Mehrheit der Menschen im Osten bleiben Reisen in den Westen ein Traum. Für sie ist die Grenze ein unüberwindbares Hindernis.

Schnell ist der Kontrollpunkt dem Verkehrsaufkommen nicht mehr gewachsen. 1972 bis 1974 entsteht etwa 1,5 Kilometer vom Grenzverlauf entfernt eine neue Grenzübergangsstelle. Auf der nun deutlich großeren Flãche ist eine effektivere Abfertigung des ständig zunehmenden Reiseverkehrs möglich.

Marienborn Passkontrolle, Bespitzelung und Fluchtvereitelung

Prãmien und Auszeichnungen sind nicht nur Leistungsansporn, sie dienen auch der Loyalitätssicherung. Geld- oder Sachprãmien werden für besondere Kontrollerfolge vergeben. Die Medaille für treue Dienste in der Zollverwaltung der DDR erhalten die Mitarbeiter entsprechend ihrer Dienstjahre in Bronze, Silber und Gold

Im Einreisebereich führt der Zollkontrolleur eine Kassierertasche bei sich, um den Mindestumtausch für einen Tagesaufenthalt in der DDR einzuziehen. Die Reisenden müssen mitgeführte Gegenstände und Zahlungsmittel in entsprechende Formulare eintragen, die nach der Abfertigung abgestempelt werden. Während einer Kontrolle nutzen die Zöllner Taschenlampen zum Ausleuchten der Pkw. Lebensmittel und Kosmetikartikel im Gepãck durchsuchen sie mit Sondiernadeln. Bei Transitreisenden beschaut der Zollkontrolleur das Fahrzeug nur von außen und fragt, ob Funkgeräte, Waffen oder Munition mitgeführt werden.



Fluchthelfer und Flüchtlinge nach der gescheiterten Flucht in der Kontrollgarage Ausreise. Nach § 213 Ungesetzlicher Grenzübertritt des DDR-Strafgesetzbuches sind die Vor- bereitung und der Versuch einer Flucht strafbar. Das gilt auch für die Fluchthilfe nach §10. Im Amtsdeutsch Staatsfeindlicher Menschenhandel.

Die Körperdurchsuchung

Das körperliche Durchsuchen von Personen gehört zu den im Zollgesetz der DDR festgelegten Befugnissen der Zollverwaltung. Die Entscheidung für eine solche Kontrolle trifft der Zollamtsleiter, wenn der Verdacht auf einen groben Zoll- und Devisenverstoß vorliegt oder nach einem aufgedeckten Fluchtversuch.
Der Körperdurchsuchungsraum ist ein separierter Bereich, in dem zwei männliche oder zwei weibliche Zollner Reisende abtasten und kontrollieren, die im Verdacht stehen, verbotene Waren oder Gegenstände bei sich zu tragen. Alle mitgetragenen Gegenstände müssen den Zollmitarbeitern ausgehändigt werden. Die Zöllner tasten die verdächtigte Person nach Geld, Waffen oder anderen versteckten Gegenständen ab. Danach muss sie sich ausziehen und sich nach der Kontrolle ihrer Kleidung einer Leibesvisitation unterziehen. Ausgehändigte oder entdeckte Gegenstände können als Beweismittel eingezogen werden.

In der Planwirtschaft der DDR werden die Preise für Grundnahrungsmittel und bestimmte Versorgungsgüter durch staatliche Subventionen niedrig gehalten. Andererseits besteht ein Mangel an hochwertigen Konsumgütern. Die Ausfuhr vieler Waren im Reiseverkehr ist deshalb entweder verboten oder wird mit hohen Zöllen belegt.
Da die eigene Währung nur auf dem Binnenmarkt als Zahlungsmittel dient, benötigt die DDR Devisen, um auf dem freien Weltmarkt einkaufen zu können. Auf die Einfuhr von westlichen Waren werden daher hohe Zolle erhoben.

Bei der Ausfuhr von bestimmten Waren aus der DDR müssen Reisende Genehmigungsgebühren zahlen. Diese werden in DM erhoben und betragen zwischen 50 und 100 % des DDR-Einzelhandelspreises. Dazu gehoren vor allem staatlich subventionierte Konsumartikel wie Spielwaren, Uhren oder Elektrokleingeräte für den Haushalt.
Ein generelles Ausfuhrverbot besteht u. a. für Mark der DDR, Fotoapparate und hitzebeständiges Haushaltsglas sowie für preislich gestützte Waren wie Bettwäsche, Hand- und Tischtücher, Schuhwaren aller Art oder auch für Kartenmaterial.

Besteht der Verdacht, dass bei der Ausreise aus der DDR genehmigungspflichtige Waren von den Reisenden nicht genannt bzw. vorgeführt worden sind, werden Gepäckstücke in einem separaten Raum mithilfe eines Röntgengerätes kontrolliert.



Überwachung durch das Ministerium für Staatssicherheit

Die Zollverwaltung zählt zu den bewaffneten Organen der DDR. Damit kommt ihr eine wichtige Rolle bei der Absicherung der SED-Herrschaft nach außen und innen zu. Wegen des ständigen Kontaktes zu westlichen Reisenden, stellen die Zollmitarbeiter für die SED-Führung auch ein Sicherheitsrisiko dar.
Daher wirbt das Ministerium für Staatssicherheit einzelne Zollner als Inoffizielle Mitarbeiter (M) an, um von ihnen Informationen über Gespräche und Verhaltensweisen her Kollegen zu erhalten. 1979 sind alle wichtigen Positionen im Führungsstab des Grenzzollamtes Marienborn mit lM besetzt.

Angehõrige der Zollverwaltung bespitzeln als InoffizileMitarbeiter ihre Kollegen bei der Arbeit und im Privatleben. Dadurch sollen sie, so der Auftrag der Staatssicherheit, „politische Aufweichung, labile Verhaltensweisen, Anzeichen der Korruption und verdächtige Kotakte“ aufdecken und verhinden helfen.

Der Minister für Staatssicherheit Erich Mielke überreicht das Ehrenbanner des Zentralkomitees der SED an das Grenzzollamt Marienborn. In seiner Rede betont Mielke die enge Zusammenarbeit der Passkontrolleinheit und des Zolls. Im Jahr 1975 sind an der Grenzübergangsstelle Marienborn 21 Menschen an der Flucht gehindert worden, in den ersten Monaten des Jahres 1976 sind es bereits 27.

Tausende DDR-Bürger versuchen trotz der Gefahr von Verhaftung und Tod, in den Westen zu fliehen. Sie wollen die DDR aus politischen, wirtschaftlichen und persönlichen Gründen verlassen. Wichtige Motive sind die fehlende Reise- und Meinungsfreiheit in der DDR sowie die Aussicht auf bessere Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik.
Mit Inkrafttreten des Transitabkommens 1972 dürfen Pkw auf der Durchreise von und nach West-Berlin nur noch bei begründetem Verdacht kontrolliert werden. Viele versuchen nun, in einem Auto versteckt, auf dem Transitweg in den Westen zu gelangen. Entdeckte Flüchtlinge müssen mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu acht Jahren rechnen, ihren Helfern drohen sogar von zwei bis zu 15 Jahre Haft.

Das widerwärtige Wahlprogramm der AfD

Ich habe mir mal die Mühe gemacht und das offizielle Wahlprogramm einer Partei durchgelesen, die sich selbst als „Alternative für Deutschland“ bezeichnet.

Von Menschenverachtung, über bürgerliche Kontrolle bis zum völligen Schwachsinn kann man auf 177 Seiten alles öffentlich nachlesen – sofern man mehr als den Schlagzeilen der BILD geistig folgen kann.

Auf Seite 21 und 26 des offiziellen Wahlprogramm kann man lesen, wie sich jene Partei um den kleinen Mann / Frau – oder das Volk kümmern wird. Ich sag mal so, die Verschuldung und Obdachlosigkeit wird sehr schnell zu nehmen.

Bei der Geschlechtsidentität auf Seite 31 steht, „…der Geschlechtsentwicklung sowie zur Änderung des Geschlechts sind häufig fremdgesteuert…“
Aha. Nun, dies kann ich wohl aus eigener Erfahrung sagen, dass da nicht „fremdgesteuert“ ist. Sehr gerne kann man meine eigene Erfahrung und Leidensweg auf meinem Blog unter „Du entscheidest eines Tages oder Tag eins“ nachlesen.

Auf Seite 33 des offiziellen Wahlprogramm steht sogar geschrieben, dass jene Partei den Berufsstand des Heilpraktikers verbieten wird.

Auf Seite 38 kommt der altbekannte Rassismus hervor. Dort steht, dass Einheimische beim Erwerb von Baugrundstücke und Eigenheim bevorzugt werden.

Auf Seite 40 muss natürlich der nicht vorhandene Klimawandel niedergeschrieben werden. Natürlich geht es hier mit voller Breitseite gegen erneuerbare Energien. Die bösen Windräder aber auch.

Auf den Seiten 45 ff stellt sie die Partei dem Güterverker. Sie wollen mehr Güter auf die Schiene bringen, gleichzeitig die LKW-Maut senken und das Schienennetz ausbauen. Ist nur blöd, dass die Erhöhung der Lkw-Maut genau für den Ausbau der Schiene benutzt wird. Hier widerspricht sich jene Partei schon mal selbst und zeigt, welche Ahnung sie hat – keine.
Auch sollen Kabotage- und Sozialvorschriften von ausländischen Spediteuren konsequent überwachen werden. Das Thema Datenschutz ist bei der AfD auch ein Fremdwort.
Jene Partei ist ja auch für mehr Flugverkehr und selbstverständlich auch gegen Tempolimits auf unserer Straßen.

Beim Kampf gegen Desinformation auf Seite 49 dachte ich, mir fällt der Kopf ab.
Gerade jene Partei die ausschließlich auf Lügen und Desinformationen das Dummvolk bei der Stange hält, möchte Desinformationen unter Strafe stellen. Merkt ihr es selbst, was ihr da so schreibt?
Zum Schluß bleibt eine Frage im Raum stehen. Wie war das noch gleich mit der Verfolgung von Homosexuellen?

Ich will ja nun nicht behaupten, dass die Chefin von jener Partei seit 2009 mit einer Frau aus Sri Lanka liiert ist, zwei Söhne haben und die dann auch noch von zwei verschiedene Männer sind.

Folgend habe ich einige Passagen aus diesem offiziellen Wahlprogramm, welches 177 Seiten umfasst, kopiert, damit man mir keine Desinformation vorwerfen kann.

Naike Juchem, 4. Juli 2025



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(Seite 21)
UNSER KONZEPT FÜR EINE FAIRE ARBEITSLOSENVERSICHERUNG
Einen Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung soll nur haben, wer die Arbeitslosigkeit nicht selbst herbeigeführt hat. Grundsätzlich soll der Anspruch auf Arbeitslosengeld für Personen, die ab 2026 erstmalig eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufnehmen, erst nach drei vollen Beitragsjahren eintreten und zunächst auf sechs Monate beschränkt werden.

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Unter der Überschrift „Für eine funktionierende Grundsicherung für Arbeitssuchende“ steht auf Seite 26 folgendes: Wir wollen erwerbsfähige Grundsicherungsbezieher schneller wieder in Arbeit bringen, damit sie wieder auf eigenen Beinen stehen können. Gleichzeitig senken wir so die Kosten für die Steuerzahler, die unsere Grundsicherungssysteme finanzieren. Dabei gehen wir vom Grundsatz aus, dass jeder, der arbeiten kann, auch arbeiten soll, anstatt der Gesellschaft zur Last zu fallen. Dazu wollen wir
– erwerbsfähige Bürgergeldempfänger, die nach 6 Monaten noch immer im Leistungsbezug sind, zu gemeinnütziger Arbeit heranziehen,

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Geschlechtsidentität (Seite 31)
Pharmakologische und operative Eingriffe bei Minderjährigen zur Verzögerung der Geschlechtsentwicklung sowie zur Änderung des Geschlechts sind häufig fremdgesteuert und ideologisch begründet und können lebenslang psychische und physische Schäden bewirken. Deshalb werden wir Pubertätsblocker und nicht medizinisch indizierte Eingriffe zur Änderung des Geschlechts verbieten.

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Einheimische fördern (Seite 38)
Bei der Vergabe von Wohnbaugrundstücken und Wohnraum sind Einheimische nach dem Einheimischen-Modell zu bevorzugen.

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Auf Seite 40 ist folgendes zu lesen:

Unabdingbar für den Verbleib der Menschen in ihrer Heimat ist, dass diese nicht durch den Zubau mit Windkraftgroßanlagen zu einem Industriepark verkommt.
Größe und Häufigkeit solcher Anlagen und deren maßlose Anhäufung zu Windparks zerstören das Landschaftsbild ganzer Regionen, während weiterhin selbst kleine Wohngebäude im Außenbereich keine Chance auf eine Baugenehmigung haben. Möglich wurde dies durch zahlreiche ideologiegetriebene Änderungen im Baurecht auf Bundes- und Landesebene.
Wir werden die großflächigen Naturzerstörungen durch Windkraft- und Photovoltaikanlagen in Wäldern, Feldern und auf Ackerflächen sofort beenden.

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Bundesautobahnen entlasten – Transitverkehr auf Schiene und Wasserwege verlagern  (Seite 45)
Die AfD lehnt ein generelles Tempolimit auf Bundesautobahnen strikt ab. Stattdessen wollen wir die wirklichen Probleme anpacken. Viele Autobahnen und Brücken in Deutschland müssen seit langem dringend saniert und instandgesetzt werden. Das geht nur mit effizienten Maßnahmen in der Planung und Ausführung von Baustellen sowie dem Wegfall der Umweltverträglichkeitsprüfung bei Ersatzbauten.
Zudem fordert die AfD mehr Lkw-Parkplätze sowie konsequente Anwendung bestehender Lkw-Überholverbote zur Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer. Die massive CO₂-bezogene Erhöhung der Lkw-Maut muss zurückgenommen werden, da sie vor allem die Waren verteuert.
Um die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Spediteure zu sichern, wollen wir die Einhaltung der Kabotage- und Sozialvorschriften bei ausländischen Spediteuren konsequent überwachen. Hierzu sollen sowohl die Mautdaten als auch die Daten aus dem intelligenten Fahrtenschreiber genutzt werden.

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Sicherer, sauberer und verlässlicher Schienenverkehr (Seite 45 und 46)

Die AfD unterstützt den Ausbau des zu lange vernachlässigten Schienennetzes – insbesondere die Beseitigung von Engpässen und die Erweiterung des Hochgeschwindigkeitsnetzes. Das Deutschlandticket muss zu einem ehrlichen Preis angeboten werden; die vorhandenen Mittel sollen für die Verbesserung des Angebots und des Schienennetzes ausgegeben werden und nicht für Subventionen.

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Flugverkehr als Wirtschaftsfaktor stärken (Seite 46)
Der globale Flugverkehr ist von elementarer Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland und darf nicht kurzsichtig einer unwissenschaftlichen Klima-Hysterie geopfert werden. Deutschlands Flughäfen sind als Wirtschaftsfaktor zu stärken.
Nach dem Ende der Corona Einschränkungen haben – abgesehen von Deutschland – alle Länder Europas das Vor-Corona-Niveau längst wieder erreicht. Die deutschen Flughäfen und Fluggesellschaften leiden dagegen unter überbordenden, rein ideologisch begründeten Nebenkosten, die sie nur begrenzt an ihre Kunden weitergeben können. Viele Flüge werden dadurch unrentabel, weshalb es bereits zu erheblichen Verkehrsverlagerungen ins Ausland kommt. Ideologisch motivierte Verbote von Inlands- und Kurzstreckenflügen lehnen wir ab.

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Kampf gegen Desinformation (Seite 49)
Kritische und vermeintlich störende Meinungen, solange sie nicht die Grenze zur Strafbarkeit überschreiten, gehören zum verfassungsrechtlich garantierten Recht eines jeden Bürgers unseres Landes. Die Äußerung der freien Meinung in Medien jeglicher Art stellt auch eine Kontrollmöglichkeit des Bürgers gegenüber dem Staat dar. Die freie Meinungsäußerung schließt auch das Recht auf Irrtum ein.

In letzter Zeit wird jedoch durch öffentlich-rechtliche sowie „nicht-staatliche“ Akteure versucht, die Meinungsfreiheit durch direkte Verbote oder Delegitimierung kritischer Meinungen einzuschränken. Immer mehr öffentlich-rechtliche sowie nicht-staatliche Akteure, sogenannte „NGOs“, wie zum Beispiel „Faktenchecker“ oder „Correctiv“, werden über staatliche Beauftragung und Finanzierung für Desinformationskampagnen eingespannt. Beispielhaft sei hier an die Kampagnen für die Corona-Impfung erinnert.

Quelle: https://www.afd.de/wp-content/uploads/2025/02/AfD_Bundestagswahlprogramm2025_web.pdf

Die Kapelle Saint Léon von Dabo

Da es die Dagsburg nicht mehr gibt, lasse ich nun ihre Wechselhafte Geschichte weg und belasse es nur bei einer kleinen Einordnung.

Nach dem westfälischen Frieden wurde das Elsass an Frankreich abgetreten aber
der Herzog von Leiningen, Besitzer der
Dagsburg wollte Ludwig den XIV nicht anerkennen und griff 1672 zu den Waffen gegen ihn. Die Dagsburg war ein Hindernis
für die Truppen Ludwig des XIV.
Nach langer Belagerung hat M.De Bois-David am 13 März 1677 die Kapitulation erreicht. Zwei Jahre danach wurde auf Befehl Ludwigs des XIV die Dagsburg
geschleift.
So sind heute nur noch ein paar Mauern von der einstigen Burg übrig geblieben.

Erst 150 Jahre später, im Jahr 1828, wurde auf Betreiben des damaligen Pfarrers Klein eine Kapelle zu Ehren des Heiligen Leo dem IX errichtet. Diese hielt den Wetterbedingungen in immerhin 664 Meter über dem Meeresspiegel nicht lange stand und wurde 1889 abgerissen.
Im selben Jahr beschloss man sie im romanischen Stil des 11. Jahrhunderts die Kapelle neu aufzubauen. Die Bauarbeiten dauerten zwei Jahre. So konnte die Kapelle am 12. Oktober 1892 eingeweiht werden.

Über dem Portal der Kapelle sieht man die Wappen der Grafen von Dagsburg und die des heiligen Leo.

Weit über dem Kirchenportal auf dem Turm, der eine Aussichtsplattform hat, thront der heilige Leo IX. und segnet die Pilger.

Im Chor, sieht man auf dem linken Kirchenfenster (leider nicht komplett) die heilige Gerberga. Sie war die Nichte des Heiligen Leo und Abtissin im Kloster von
Hesse.
Auf dem rechten Kirchenfenster sieht man eine Abbildung des Heiligen Leo IX, Schutzpatron von Dabo.

Maison des Rochers de Graufthal Die Felsenhäuser von Graufthal

Die Felsenhäuser, die sich an die Sandsteinfelswand schmiegen, wurden auf einem natürlichen Felsvorsprung erbaut, welcher im Mittelalter von der Benediktinerabtei Graufthal wahrscheinlich als Lager genutzt wurde.

Die heute dort zu sehenden Häuser mit ihren Sandsteinfassaden und Ziegeldächern wurden Anfang des 19. Jahrhunderts errichtet. Wird ein Haus direkt in den Fels gebaut, sind keine Fundamentarbeiten und weniger Maurer- und Zimmerarbeiten erforderlich. Die Anordnung der Räume fügt sich harmonisch in die natürliche Vertiefung des Felsens ein. Die Porosität des Steins hat eine ständige Feuchtigkeit zur Folge, die jedoch durch die Ausrichtung der Häuser nach Süden, die den Häusern fast den ganzen Tag Sonne beschert,
kompensiert wird.
Auch wenn die Lebensverhältnisse der Felsbewohner – wie die der meisten Dorfbewohner zu jener Zeit – mehr als einfach waren, bot die Höhenlage ihnen doch Schutz vor den häufigen Überschwemmungen unten im Tal.

Seit dem Tod der letzten Bewohnerin, Catherine Ottermann, im Jahr 1958 stehen die Häuser leer.


Catherine Ottermann, auch ,,Felsekät “ genannt, warin derganzen Region bekannt. Die alte Dame empfing Touristen wie Journalisten gleichermaßen warmherzig in ihrem Haus. Ihre Lebensgeschichte und die zahlreichen – wahren oder erfundenen – Anekdoten, die sie zu erzählen pflegte, sind in die Chronik über das Leben der
Bewohner der Felsenhäuser eingegangen.

Nach und nach werden sie von den Mitgliedern des Vereins „Association de Mise en Valeur du Site de Graufthal-Eschbourg“ (AMVSGE) restauriert und hergerichtet.
Der Verein gewährleistete zunächst die Pflege des Geländes, bevor er ab 1990 mit Unterstützung des regionalen Naturparks Nordvogesen den verschiedenen Eigentümern die Häuser abkaufte und
sie renoviert. Der AMVSGE ist für die Verwaltung und Pflege des Geländes sowie das Veranstaltungsprogramm verantwortlich.

Haus Ottermann: Die Familie wohnt in dem kleinsten der Häuser: je ein Zimmer zu beiden Seiten eines winzigen Raums, der gleichzeitig als Eingangsbereich und Küche dient. Zum Haus gehören außerdem ein Schuppen und ein Ziegenstall.
Ein von außen zugänglicher Dachboden dient den acht Kindern der Familie als Schlafraum.
Die Alteste, Madeleine (1858-1947), und Catherine (1876-1958), das jüngste der Mädchen, verbrachten ihr ganzes Leben in diesem Felsenhaus.
Es gab weder fließendes Wasser noch Strom: die beiden Frauen benutzten Petroleumlampen. Das Zimmer von Madeleine ist mit einer Holzdecke und einem Holzfußboden ausgestattet.

Haus Wagner: Die Familie Wagner verlässt das Haus gegen 1910. 1990 wird es restauriert. Heute befinden sich in den drei Wohnräumen des Hauses
Ausstellungsräume.


Haus Weber: Die Familie baut das Haus 1879 um. Das Haus umfasst einen Wohnraum und einen Stall mit Werkstatt, eine Holztreppe führt zur oberen Etage, wo die sechs Kinder der Familie schlafen. Frau Weber lässt 1920 elektrische Leitungen verlegen – die einzige Modernisierungsmaßnahme, die an dem Haus vorgenommen wird.
Das Einsickern von Wasser führt 1931 zum Einsturz der oberen Etage. Frau Weber, seit 1880 verwitwet, verlässt das Haus.

Leben und Arbeiten in Graufthal im 19. Jahrhundert

Die meisten Dorfbewohner Graufthals arbeiteten im ausgehenden 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Tagelöhner in den Sandsteinbrüchen als Steinhauer in der Umgebung, als Holzfäller in den Wäldern oder verarbeiteten Holz als Tischler oder Holzschuhmacher.
Nebenher betrieben sie Landwirtschaft, die ihnen ein kleines Zubrot erbrachte: Kartoffeln, Gemüse, Gras und Heu für das Kleinvieh, Ziegen oder Kühe.
Die Landwirte der Umgebung beschäftigten Saisonarbeiter für die Ernte.
Damals war es in den Familien üblich, zu Hause zu arbeiten und dadurch ein bescheidenes Einkommen zu erwirtschaften. Die Firmen lieferten die Rohstoffe und die Prototypen; je nach Branche und Nachfrage stellte man Strohhüte, Säuglingskleidung, Stickarbeiten oder Leintücher her.

In Graufthal strickten die Frauen und selbst die Kinder Babykleidung und Socken für die Firmen in Phalsbourg, Saverne oder Wasselonne. In der Gegend von Phalsbourg arbeiteten noch im Jahr 1960 beinahe 450 Strickerinnen zu Hause.

Zeitgenossen von Catherine Ottermann, der letzten Bewohnerin der Felsenhäuser, berichten, dass sie Säuglingskleidung gestrickt habe. Im Zuge des zunehmenden Einsatzes von Industriemaschinen verschwindet diese Art von Heimarbeit gegen Ende der 1960er Jahre.

Die Briefe der Hildegard von Bingen

Die berühmte, historisch verbürgte Person der hl. Hildegard verdankt ihre
außerordentliche Bekanntheit ihren Kenntnissen in ganz verschiedenen Bereichen wie der Medizin, der Botanik, der Theologie und der Musik. Sie war Ratgeberin der wichtigsten Persönlichkeiten ihrer Zeit. In ihren Schriften schrieb sie die Visionen
nieder, die ihr der Heilige Geist eingegeben hatte.
In der Abteil Graufthal war sie wahrscheinlich um 1160, um die dortige Mutter Oberin Hazecha zu beraten, der die nötige Autorität zur Leitung der Abtei fehlte.
Nach ihrer Abreise belegt ein Briefwechsel, dass Hazecha immer noch von
Selbstzweifeln geplagt ist, Hildegard sie aber immer stärker dazu ermahnt, ihre Abtei wieder in den Griff zu bekommen.

Die in diesen Briefen gewählten Worte sind bemerkenswert: , Sei tugendhaft wie die
Taube, pflege die vom Herrn auserwählte Rebe mit Sorgfalt“, , Dein Kloster gleicht einer Burg ohne Wachter“, , Der Vorgänger, der den Feigenbaum in Graufthal gepflanzt hat, erwartet, dass dieser die Früchte der guten Taten trägt“
Man kann davon ausgehen, dass die Ermahnungen Hildegards zu dem Aufschwung beigetragen haben, den die Abtei am Ende des Jahrhunderts erlebt hat, da ein Teil der letzten Überreste stilistisch dieser Epoche zuzuordnen ist.

Die Geschichte der Abtei

Das Dorf Graufthal (früher Krauffthal) verdankt seine Entstehung dem Bau einer Benediktinerinnenabtei, die wahrscheinlich im 10. Jahrhundert vom Bischof oder dem Grafen von Metz gegründet wurde.
Sie wurde unter den Schutz des hl. Gangolf gestellt und am Westeingang des Tals der Zinsel, einer Durchgangsstraße zwischen Lothringen und dem Elsass, errichtet.
Gründer und Gönner statteten die Abtei mit zahlreichen Besitzungen im lothringischen Salzland, in der elsässischen Ebene und natürlich in der Umgebung von Graufthal aus.
Wie dem gesamten Elsass, ging es der Abtei im 12. Jahrhundert wirtschaftlich gut. Noch heute kann man die vielen, qualitativ hochwertig ausgeführten Bauteile aus dieser Zeit sehen.

Eine Wanderung durch La Vallèe des Eclusiers – Das Schleusenwärtertal

Port Sainte-Marie mit Blick auf das Schleusenwärterhaus Nummer 2 und 3

Das Schleusenwärtertal in den nördlichen lothringischen Vogesen zwischen Lutzelbourg und Arzviller ist schon etwas besonderes.

Die Strecke an dem etwa 4 Kilometer langen ehemaligen Canal de la Marne au Rhin – zu deusch: Rhein-Marne-Kanal ist Barrierefrei und sehr schön zu gehen oder mit dem Rad zu fahren.

Entweder man beginnt am alten Bahnhof von Arzviller die Tour und läuft bergab, oder man beginnt bei Hofmuhl an Schleuse Nummer 16 und geht bergauf – wobei man den Anstieg der 44 Höhenmeter überhaupt nicht merkt.

Ich bin bei Hofmuhl am frühen Vormittag gestartet. Auf der gegenüberliegenden Seite der Bushaltestelle gibt es einen kleinen Parkplatz.
In diesem Bereich von dem Kanal ist kein Wasser mehr, da dieser trockengelaufen ist. Was ja auch Sinn macht, denn der Kanal ist nicht mehr in Betrieb.
Man kann über einen Barrierefreien Weg von Schleusenhaus Nummer 16 über den Kanal zu Haus Nummer 15 gehen.

Ab Haus Nummer 15 hat meinen einen breiten asphaltierten Weg. An einer Brücke wird der Weg etwas über 1 Meter breit – dies aber auch nur im Bereich der Brücke.
Hinter der Brücke erschließt sich ein sehr schönes Tal. Eingebettet in einer grandiosen Natur geht man an dem ehemaligen Kanal vorbei.


Alle Schleusenwärterhäuser liegen auf der rechten Seite vom Kanal. Jedes Haus sieht anders aus. Manche sind klein und andere größer. Manche Häuser haben schöne Gärten und sogar Viehställe bei.
Leider sind nicht alle Häuser bewohnt. Die Häuser werden aber alle nach und nach auf den neusten Stand modernisiert und renoviert.

Gegenüber Schleusenhaus Nummer 12 ist eine große Schutzhütte – Schutzhaus trifft es eher. Dort sind Bänke und Tische vorhanden. Auch eine Toilette – wenn auch nur Plumsklo, ist dabei.
Auf der Strecke gibt es zwei solcher Toilette. Beide sind absolut sauber.

Ab Schleusenhaus Nummer 11 ist dann auch schon – oder noch Wasser in dem Kanal. Da von Schleuse Nummer 1 bereits das Wasser aus dem aktiven Kanal gestaut ist, kommt logischerweise am Ende von dem Kanal kein Wasser mehr an.

Am Schleusenhaus Nummer 9 ist man von den Sandsteinfelsen direkt hinter dem Haus fasziniert.

An Schleusenhaus Nummer 8 habe ich mit meiner Crew, der Katze Mimi und der Pyrenäen Schäferhünden Nila, eine Frühstückspause bei herrlichen Sonnenschein gemacht.

Zwischen Schleue Nummer 4 und 3 ist Port Sainte-Marie.
Dieses erweiterte Becken wurde eigens mit Schiffsbrücken zum be- und entladen von Péniche angelegt. Im Port Sainte-Marie wurde unter anderem der berühmte rosa Vogesensandstein verladen.
Man kann eine Runde um Port Sainte-Marie machen und hat einen wunderschönen Ausblick über dieses in die Natur eingefügte Becken.

Im Schleusenwärterhaus Nummer 2 ist das „Le Papar Hasard“. Diese sehr geschmackvoll eingerichtete Crêperie wird von Valerie betrieben. Der angeschlossen Biergarten ist ebenfalls sehr schön. Auch mit Hunden ist ein Besuch bei Valerie möglich. Sie selbst hat eine kleine Französische Bulldogge.

Das kleine Café ist von März bis Dezember an den Tagen von Mittwoch bis Sonntag von 8 Uhr bis 14 Uhr geöffnet.
Kulinarisch kommt man dort auf seine Kosten. Die Speise- und Getränkekarte ist sehr reichhaltig sortiert.

Wenn man schon in diesem wunderschönen Tal ist, sollte man auf jeden Fall eine Besichtigung am Plan incliné de Saint-Louis/Arzviller einplanen. Diese Schrägschiffshebewerk ist durch seine Kinematik – also Gegengewicht, einmalig auf der Welt.
Von der Plattform des Plan Incliné sieht man erst einmal wie „hoch“ man von Hofmuhl nach Arzviller gelaufen ist.



Fazit
Wer sich auf eine Reise durch das historische Schleusenwärtertal begibt, wird von der Natur, Ruhe und den Bauwerken begeistern sein. Man wird automatisch durch diese Ruhe entschleunigt.
Wer möchte, kann von dem Kanalweg noch weitere Wanderwege durch diesen Teil der nördlichen Vogesen gehen.
Zu empfehlen ist auch ein Abstecher nach Lutzelbourg. Dieses kleine Örtchen am Rhein-Marne-Kanal hat ein sehr schönes Flair. Jeden Samstag ist auf dem Dorfplatz von 8 Uhr bis 12 Uhr ein schöner kleiner Markt mit allerhand kulinarischen Köstlichkeiten aus der Region.

La Vallèe des Eclusiers – Das Schleusenwärtertal

Das Schleusenwärtertal zwischen Haus (Schleuse) Nummer 2 und 3

Alle Schleusen des Rhein-Marne-Kanals, eigentlich müsste er wie im französischen Canal de la Marne au Rhin heißen. Denn der Kanal wird mit dem Wasser der Marne gefüllt, zeichnen sich durch die gleichen Abmessungen aus: 41,50 Meter Länge bei 5,50 Meter breite. Hierbei handelt es sich um das sogenannte Freycintemaß. ( Über dieses Maß habe ich schon geschrieben.)

Die Talfahrt führt in Richtung Lutzelbourg, Saverne und Straßburg, während die Bergfahrt in Richtung Nancy, Toul, Bar-le-Duc und Vitry-le-François verläuft.
Der Kanal ist 314 Kilometer lang und besaß ursprünglich 181 Schleusen. Er wurde zwischen 1839 und 1853 gegraben.

Bevor die Péniche (Lastkähne) über einen Motorantrieb verfügten, wurden sie entlang der als Treidelpfade bezeichneten Wege von Menschen geschleppt, welche die Péniche mit Hilfe eines als Seilzeug bezeichneten Geschirrs zu zweit oder zu dritt zogen.
Da die Abmessungen und folglich die Tonnagen zunahmen, musste diese Arbeit dann von Pferde, Esel oder Maultiere verrichtet werden.
Mit der Erfindung und Modernisierung von Fahrzeugen ab dem 19. Jahrhundert, schleppten dann bereifte Zugmaschinen der Marke LATIL aus Marseille die Schiffe bis Ende der 1955er Jahre.
Nach und nach erfolgte der Treidelvorgang mit Hilfe Schienengebundener Elektrozumaschinen.
Die Motorisierung der ersten Péniche um das Jahr 1970 war nicht sonderlich Leistungsstark, da die ersten Lastkähne gerade mal 70 bis 90 PS aufwiesen, mussten sie immer noch bergauf gezogen werden.
Erst als die Motorleistung auf über 250 PS anstieg, brauchten die Lastkähne keine Fremdhilfe für Bergfahrten mehr.



Canal de la Marne au Rhin

Die ersten Bauvorhaben für den Kanal gehen bereits auf die 1780er Jahre zurück
Mit der Projekttierung des Kanals befasste sich jedoch ab 1826 der Ingenieur im Staatsdienst Barnabe Brisson. Die Leitung der Arbeiten übernahm der in der Ecole Polytechnique ausgebildete Ingenieur Charles-Etienne Collignon (1802-1885).

Der Kanal durchquert die Bergkette der Vogesen über dem Zorntal. Was man auch als Vogesenschwelle bezeichnet.
Nachdem die Schiffer die Scheitelhaltung auf der lothringischen Hochebene durchquert und durch das Schleusenwärtertal hindurch gefahren waren, erblickten sie die Rheinebene hinter Saverne – auch Zabern genannt.

Der Bau dieses Kanals war von vorrangiger Bedeutung für die schnelle Beförderung von Kohle, Eisenerz, Getreide, Kali, Holz, Erdöl oder Wein. Diese Güte wurde von ganz Frankreich aus nach Lothringen und Elsass transportiert. In Straßburg wurden die Güter dann auf Rheinschiffe verladen und weiter transportiert.
Die Beförderung von Güter aller Art über weite Strecken im Binnenland von Frankreich und den angrenzenden Ländern war für die damalige Zeit ein technologischer Fortschritt und Aufschwung der Bevölkerung und Wirtschaft nicht nur für Frankreich.

Seit dem der Rhein-Marne-Kanals im Jahr 1853 eröffnet wurde, stieg das Frachtaufkommen stetig an. 1853 waren es um die 300.000 Tonnen Ware, die auf dem Kanal transportiert wurden.
Um das Jahr 1900 waren es schon über 900.000 Tonnen. In der Hochzeit der 1960er Jahren lag das Transportvolumen bei 1.500.000 Millionen Tonnen. Im Jahr 1970 waren es noch etwa 1 Millionen Tonnen Güter.



Das Schleusenwärtertal

Mit den Jahren entwickelte sich im Schleusenwärtertal eine Parallelgesellschaft. Die Schleusenwärter kannten die Schiffer und so auch umgekehrt. Sie lebten einträchtig zusammen.
Jeder Schleusenwärter war für die Instandsetzung der Uferböschung und das Gegentreideln jeweils zur Hälfte mit seinem Nachbarn zuständig. Sie verfügten über ein als Dienstwohnug bereitgestelltes Haus mit einem mehr oder weniger großen Grundstück, welches sie voneinander unterschied. Der eine hatte ein paar Rinder, der andere Ziegen oder Schafe, Hühner oder Kaninchen. Sie hatten auch kleinere oder größere Gärten an ihren Häusern.
Die Schiffer erledigten für die Schleuser auf dem Weg durch das Tal einige Besorgungen oder tauschten ein paar Eimer Kohle, Getreide oder gar ein paar Liter Wein.
Täglich kam auch ein Bäcker und Lebensmittelhändler aus Arzviller zu den Schleusen und verkaufe Brot und Lebensmittel an die Schiffer, bzw. Schleusenwärter und deren Familien.
Auch wenn das Schleusenwärtertal weit von jeglicher Zivilisation entfernt scheint, fehlte es den Menschen in diesem Abschnitt vom Kanal an nichts.

Die Fahrt durch das Schleusenwärtertal war für die Schiffer kein Zuckerschlecken, denn die Lastkähne mussten ständig vertäut und dann wieder in Bewegung gebracht werden, während die Durchfahrt durch die nah beieinander gelegenen Schleusen zu meistern war. Der Schleusevorgang gestaltete sich bei einigen Schleusen aus Platzmangel äußerst heikel.
Die Fahrt durch eine Schleusenkammer dauerte zwischen 20 und 30 Minuten. Bis ein Péniche talwärts oder bergauf durch diesen Abschnitt von dem Canal de la Marne au Rhin fuhr, dauerte es mitunter einen ganzen Tag.
Um nicht in einem blanken Chaos aus kommenden Frachtkähne aus der Richtung Nancy oder der Gegenrichtung aus Straßburg zu versinken wurden auf dieser 4 Kilometer langen Kanalstrecke drei große Polder als Liege- und Ausweichflächen geschaffen. Wobei der Polder zwischen Schleue 2 und 3 auch als Verladehafen Port Sainte-Marie galt.

Man bedenke, dass es ab den 1960er Jahre täglich bis zu 50 schleusungen durch dieses Nadelöhr gab. So wurden auch schon weit vor dem Schleusenwärtertal Liegeplätze zwischen Lutzelbourg und Hofmuhl und auf der anderen Seite bei Arzviller geschaffen. An manchen Stellen war der Kanal auch zwischen den Schleusen für tal- und zu bergfahrende Péniche breit genug.
Die Péniche, die in den Polder lagen oder dort hin mussten, mussten entweder in die Polder gezogen werden oder aus ihnen heraus. Man kann sich dies wohl wie ein riesiges Bildschubbspuzzle vorstellen.

Das Becken Port Sainte-Marie zwischen Schleue Nummer 2 und 3

Port Sainte-Marie

In diesem erweiterten und mit Schiffsbrücken eigens ausgestatteten Becken wurden Péniche unter anderem mit dem berühmten rosa Vogesensandstein beladen. Auch Holz aus der Umgebung wurde dort verladen. So wurde zum Beispiel Schnittholz aus dem 20 Kilometer entfernten Holzwerk Abreschviller oder dem kleinen Weiler Grand Soldat dort verladen.

Auch mehrere Steinbrüche waren in diesem Tal der Vogesen in Betrieb. Der letzte Steinbruch stellte seine Tätigkeit Anfang der 1950er Jahre ein.

Der Sandstein aus diesem Teil der Vogesen war durch seine einheitliche Farbe äußerst begehrt. Zahlreiche Bauten, Kunstwerke, Gebäude und Denkmäler in Frankreich und dem Ausland sind heute noch mit diesem schönen Gestein zu besichtigen. So auch viele Gebäude der Neustadt von Straßburg.

Château de Lutzelbourg

Der Neoromanischer Neubau auf dem Gelände der Burg



Die Lützelburg – oder auch Lutzelburg genannt, thront hoch oben im Tal der Zorn in den nördlichen lothringischen Vogesen.

Blick von der Burg auf dem Rhein-Marne-Kanal

Die Burgruine sieht man aus drei Richtungen kommend auf einem über 330 Meter hohen Felsmassiv aus Sandstein. Das besondere an jener Burg ist, dass sie aus der stauferzeitlichen Ära stammt.

Die Burg wurde Ende des 11. Jahrhunderts erbaut und befand sich in Besitz des Grafen von Lützelburg, bis sie nach dem Tode von Reinard von Lützelburg († 1150) an die Bischöfe von Metz gelangte.
1163 ließen diese die Burg auf Veranlassung Friedrich Barbarossas neu befestigen. Die Lützelburg ist damit eine der wenigen urkundlich genau datierbaren stauferzeitlichen Burgenbauten.

Durch Verpfändungen und Verkäufe entwickelte sich mit der Zeit eine Ganerbschaft, zu der seit 1504 auch Franz von Sickingen zählte. Nach dessen Tod 1523 ließ Kurfürst Ludwig V. von der Pfalz die Burg schleifen und die Herrschaft Lützelburg mit ihren Dörfern Haselburg, Hültenhausen, Wilsberg und Mittelbronn wurde mit der pfälzischen Grafschaft Lützelstein (La Petite-Pierre) vereinigt. Die militärische Funktion ging auf die 1570 gegründete Festung Pfalzburg über.

1840 verhinderte Adolf Germain, Notar aus Phalsbourg, den Abbruch der Burgruine, deren Steine zum Bau der Bahnlinie Straßburg-Metz bestimmt waren.
Um 1900 erwarb der Straßburger Medizinprofessor Eugène Koeberlé die Ruine und errichtete sich einen neoromanischen Wohnbau.

Die stauferzeitliche Anlage wurde in späterer Zeit nur wenig verändert und ergänzt. Die Spornburg liegt auf einem Bergsporn von unregelmäßigem Umriss, gegen den sie durch einen Halsgraben geschützt ist, und hatte mit etwa 80 mal 130 Metern beträchtliche Ausmaße.

Sie hat zwei in Buckelquadern ausgeführte Bergfriede: einen größeren quadratischen direkt am Halsgraben und einen fünfeckigen ungefähr in der Mitte der Anlage. Die Existenz zweier Bergfriede könnte ein Indiz für eine bei der Erneuerung bereits bestehende Ganerbschaft der Burg sein. Die nur in geringen Resten erhaltenen Wohnbauten waren an die Ringmauer angelehnt, wodurch die Anlage dem Typus der Randhausburg zuzuordnen ist. Gegen den Halsgraben ausgerichtet, steht eine Schildmauer aus glatt behauenen Quadern mit Zangenlöchern und einem rundbogigen Portal. Nur hier ist die Wand in ausreichender Höhe erhalten, so dass sie über dem Torbogen einen leichten Rücksprung zu erkennen gibt, wie er häufig an staufischen Türmen und Mauern zu bemerken ist. Westlich neben dem Tor finden sich die Fundamente eines weiteren quadratischen Turmes, wahrscheinlich einziger Rest des Vorgängerbaus aus dem 11. Jahrhundert.
Jenseits des Halsgrabens wurde im 15. Jahrhundert dem Hauptzugang eine kleine Barbakane mit Bastionsturm vorgelagert. Darüber hinaus finden sich keine Reste von nachstaufischen Erweiterungen der Burg.

Quelle: Wikipedia
Dieter Barz: Bemerkungen zum Torturm und zum nördlichen Palas der Lützelburg/Zorn. In: Etudes médiévales. Bd. 5, 1992, ISSN 0758-3362, S. 121–144.

Thomas Biller, Bernhard Metz: Die Burgen des Elsass – Architektur und Geschichte. Band 1: Die Anfänge des Burgenbaues im Elsass (bis 1200). Herausgegeben vom Alemannischen Institut Freiburg i. Br., Deutscher Kunstverlag, München/Berlin 2018, ISBN 978-3-422-07439-2, S. 398–416.

Heinrich Kuhn, Jean Paul Koltz: Burgen und Schlösser in Lothringen und Luxemburg. Weidlich, Frankfurt am Main 1964.

Nicolas Mengus, Jean-Michel Rudrauf: Châteaux forts et fortifications médiévales d′Alsace. Dictionnaire d′histoire et d′architecture. La Nuée Bleue, Straßburg 2013, ISBN 978-2-7165-0828-5, S. 203–205.

Wenn man wenig Ahnung hat, feiert man sich selbst

Das Netz wird seit Tagen mit Postings überflutet, wo sich die Anhänger der AfD selbst feiern.
Bei der letzten Bundestagswahl im Februar 2025 gab es 60.510.631 Wahlberechtigte. Davon wählten 10.328.780 Menschen die AfD.
Nun mal die erste Frage an jene geistig umnachtete Trolle: Wie kommt ihr auf die Zahl 12 Millionen?

Also zeigt es hier schon, dass sie über keinerlei Bildung und Intelligenz verfügen.

Nun klatschen tausende User im Netz zu einem Lied der Australierin Iggy Azalea, dass ihre Partei und sie nicht mehr als gesichert rechtsextremistisch genannt werden dürfen. Wenn ihr doch alle so patriotisch seid, dann nehmt doch ein Lied von Heino.
Denn er sag doch schon vor Jahrzehnten: „Schwarzbraun ist die Haselnuss
Schwarzbraun bin auch ich, bin auch ich
Schwarzbraun muss mein Mädel sein, gerade so wie ich“

Das ihr zur Zeit nicht als gesichert rechtsextremistisch eingestuft seid, liegt einzig und alleine an einem juristischen Verfahren welches man Stillhaltezusage nennt.
Mit eben jener Zusage ist NICHTS beschlossen! Also braucht ihr mal nicht für euren Hass und mangelnde Bildung zu klatschen. Auch muss man auf rassistische, fremdenfeindliche und andere menschenverachtende Gedanken nicht stolz sein.
Wer einer rechtsextremistischen Partei folgt, ist und bleibt rechtsextremistisch. Da gibt es nichts zu diskutieren.

Die Jünger der AfD brüllen immer am lautesten, dass sie von den Medien manipuliert werden. Raffen aber selbst nicht, wie sie von der eigenen Partei manipuliert werden.
Man muss keine Nachrichten lesen, hören oder schauen, um zu begreifen welchen Hass, Hetze und Menschenverachtung die AfD predigt. Ihr tut es mit euren Postings in den Sozialen Netzwerken selbst.


Die AfD missachtet den ersten Artikel des Grundgesetzes. Die AfD ist der Meinung: Nicht alle Menschen sind gleich viel wert.

Die AfD will Menschen, die keine Deutschen sind, aus Deutschland fortbringen. Und AfD-Politiker gehen noch weiter: Sie fordern, dass man auch Menschen mit deutschem Pass aus Deutschland fortbringt. Sie begründen das damit, dass diese Menschen nicht der „deutschen Kultur“ angehören. Sie sprechen auch schlecht von Menschen, die eine andere Hautfarbe haben. Und sie sagen: Menschen, die Muslime sind, sind gefährlich. Das alles zeigt: Die AfD ist eine rechtsextreme Partei.

Die AfD will die Demokratie abschaffen. Um dieses Ziel zu erreichen, arbeitet sie nach einem Plan: Sie sucht sich bestimmte Menschen aus. Sie behauptet, diese Menschen sind schlecht für Deutschland. Über diese Menschen redet die AfD ständig sehr schlecht. Sie schimpft über Menschen, die nach ihren Vorstellungen nicht zur Gesellschaft gehören. Dies gilt zum Beispiel für Menschen, die nach den Vorstellungen der AfD nicht deutsch sind. Sie schimpft aber auch über Politiker*innen oder über Menschen, die für den Staat arbeiten. Die AfD schimpft und redet ständig schlecht über diese Menschen und den Staat. Das macht die AfD auf ihren Veranstaltungen oder in den sozialen Medien, zum Beispiel bei TikTok. Die AfD macht das immer wieder, damit möglichst viele Menschen das glauben. Gleichzeitig behauptet die AfD, dass nur sie die Meinung der Menschen kennt. Die AfD behauptet auch, dass nur sie sich für die Menschen und ihre Interessen einsetzt.

In Wirklichkeit täuscht die AfD ihre Wähler. Sie tut so, als wäre sie harmlos. Manchmal werden AfD-Politiker*innen im Fernsehen interviewt oder zu Shows eingeladen. Dort sagen sie oft nicht, was sie wirklich vorhaben. Sie behaupten dort zum Beispiel, dass sie Demokraten sind. Aber das sind sie nicht. Oder sie sagen, dass sie sich an das Grundgesetz halten. Aber das tun sie nicht. AfD-Politiker*innen treten oft sehr freundlich und höflich auf, damit die Menschen sie mögen und sie wählen.

Viele Menschen sehen die AfD kritisch und sagen das auch. Die AfD versucht, solche Menschen einzuschüchtern. Das passiert besonders oft im Bereich Bildung. Die AfD sagt immer wieder: In Schulen und anderen Bildungsorten darf nicht kritisch über die AfD geredet werden. Aber das ist falsch. Lehrkräfte sollen erklären, warum die AfD gefährlich ist. Das ist eine wichtige Aufgabe. Die AfD versucht trotzdem, ihre Kritiker*innen einzuschüchtern und sie zum Schweigen zu bringen.
Die AfD ist zwar durch demokratische Wahlen in die Parlamente gekommen. Doch die AfD selbst ist deswegen nicht demokratisch. Im Gegenteil: Die AfD möchte unsere Demokratie abschaffen. Die AfD ist inzwischen eine große Gefahr für unsere Demokratie.

Wenn die AfD einmal an der Macht ist, wird sich das alles ändern. Die AfD würde die Demokratie immer weiter schwächen, bis kaum noch etwas davon übrig ist. Wenn einzelne Bereiche der Demokratie abgeschafft sind, bekommt man sie nur schwer wieder zurück. Sind wichtige Teile der Demokratie abgeschafft, dann gibt es keinen Schutz mehr für die Menschen. Die AfD könnte tun, was sie will. Niemand wäre mehr sicher. Das gilt besonders für jene Menschen, die für die AfD nicht deutsch genug sind. Auch Menschen, die anders denken als die AfD, wären in Gefahr.
Die AfD kann auch für die Menschen gefährlich sein, die sie wählen. Denn die AfD könnte auch ihnen nach der Wahl ihre Rechte wegnehmen. Die AfD ist eine große Gefahr für die Freiheit, den Rechtsstaat und ein friedliches Zusammenleben in Deutschland.

Freycinetmaß

Europäische Norm fur die Abmessungen der Schleusen bestimmter Kanäle. Diese vom 5. August 1879 stammende Norm legte die Lange der Schleusen auf 39 Meter bei einer Breite von 5,20 Meter fest, damit sie von Lastkähnen mit einem Gewicht von 300 oder 350 Tonnen und einem Tiefgang von 1,80 Meter bis 2,20 Meter befahren werden können. Im Anschluss an diese Norm wurden Ende des 19.Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts zahlreiche Arbeiten zur Modernisierung der Kanäle und zur Harmonisierung der Binnenschifffahrt in Angriff genommen.

Schiffe mit dem Freycinetmaß dürfen 38,5 Meter auf 5,05 Meter nicht überschreiten. Dies entspricht heutzutage der europäischen Binnenschiffsklasse I.
Zu Beginn der 2000er Jahre stimmten in Frankreich 5 800 Kilometer Binnenschifffahrtswege mit ihr überein, welche von 23% des Binnenschifffahrtsverkehrs befahren wurden.

Plan incliné de Saint-Louis/Arzviller an der Vogesenschwelle

Das Schiffshebewerk Saint-Louis/Arzviller  ist Teil des fast 300 Kilometer langen Rhein-Marne-Kanals.
In Arzviller wurde vor 60 Jahren ein noch nie dagewesen Projekt Kinematik gebaut.
Dazu später mehr.

Die Idee oder Version von einem Kanal zwischen Marne und Mosel geht tatsächlich bis ins Ende des 16. Jahrhundert zurück.
Jene Idee, die man dem französischen
Festungsbaumeister und Genral Marquis de Vauban zu ordnet, wurde noch einmal unter Leopold I. von Lothringen im 17. Jahrhundert aufgenommen, aber nicht realisiert.
Erst als 1827 der Ingenieur Barnabé Brisson einen Plan zur Verbindung von Marne und Rhein erstellte, wurde wenig später dieser auch bewilligt und gebaut.

Das größte an diesem Vorhaben war zweifellos die Vogesenschwelle mit ihren 17 Schleusen auf knapp 4 Kilometer Länge. Als in 1900er Jahren noch Pferdefuhrwerke den Straßentransport dominierte, war die Binnenschifffahrt klar im Vorteil. Mit dem Ausbau von Straßen und der Zunahme an Lkw nach dem 2. Weltkrieg, verlor der Kanal immer mehr an Bedeutung.
Selbst der spektakuläre Bau von dem Schrägaufzug mit 41% bei Arzviller, dessen Bau 1965 begann und seit 1969 in Betrieb ist, bei dem eine Höhenunterschied von 44,55 Meter und vormals 17 Schleusen zwischen Saint-Louis und Arzviller ersetzt, brachte dem Kanal kaum noch eine Rentabilität.
Erst mit Freizeitboote rückte der Kanal und natürlich das Schrägschiffshebewerk wieder in den Fokus der Region. Wo früher tausende Penische, schmale und nicht sehr lange Frachtschiffe, durch diese grandiose Landschaft der Vogesen fuhren, sind es seit Jahrzehnten Freizeitboote. In einer Saison werden über das Schiffshebewerk 9.000 Freizeitboote und ungefähr 5 Penische geschleust.

Das Schrägschiffshebewerk ist eine
Meisterleistung aus Physik und Mathematik, denn der 41,50 Meter lange und 5,50 Meter breite Trog, hat bei einer Wassertiefe 3,20 Meter ein ungefähres Gewicht von sage und schreibe 900 Tonnen. Diese Systeme funktioniert nur und ausschließlich auf Gegengewichte.

Die elektrisch angetriebene Winden laufen nur beim Start kurz an. Den Rest schafft die Kinematik.
Außer diesem Schiffshebewerk sind weltweit nur zwei ähnliche Konstruktionen mit Schrägaufzug in Betrieb. So eines im belgischen Ronquières am Kanal Charleroi-Brüssel funktioniert nach dem gleichen Prinzip, nur sind die Tröge in Längsbauweise angelegt, während das Hebewerk von Saint-Louis / Arzviller den Trog quer zur Schiffsfahrtrichtung hochzieht. Das andere ist das Schiffshebewerk am Krasnojarsker Stausee im russischen Krasnojarsk am Jenissei.

Die Dampflok Nummer 476 der Maschinenbau-Gesellschaft Heilbronn

Die Lok von der Maschinenbau- Gesellschaft Heilbronn wurde 1906 als erste Dampflok der Waldbahn bestellt.
Es ist auch die einzige bei der MGH gebaute B’B-Lokomotive der Bauart Mallet. Mallet steht für eine spezielle Bauart von Dampflokomotiven mit zweigeteiltem Triebwerk für kurvenreiche Bergstrecken.
1907 wurde diese Einzigartige Mallet-Lokomotive mit der Nr. 476 an die Kaiserliche Oberförsterei in Metz  ausgeliefert.

Die MGH hatte sich Mitte des 18. Jahrhunderts auf den Bau von Schmalspur Tenderloks spezialisiert. Die Loks wurden für Spurweiten von 420 Millimeter bis 1100 Millimeter für Großbaustellen, Häfen, Sandgruben, Steinbrüchen, Ziegeleien, Zuckerfabriken oder auch bei Torf- und Moorbahnen eingesetzt.
Der Betriebsalltag für solche Lokomotiven war mitunter sehr rau. Hinzu kam der Faktoren Staub, mangelnde Wartung oder Entgleisungen. Dies alles meisterten die stabil konstruierten Loks von MGH mit Bravour. So wurden die Tenderloks in die ganze Welt verkauft. Sogar bis in den südlichen Pazifik nach Neukaledonien.

Chemin de fer touristique d’Abreschviller

An Bord dieser Waldbahn, die von alten Lokomotiven, wahlweise Diesel oder Dampf, gezogen wird, bietet sich eine einzigartige und angenehme Reise für eineinhalb Stunden durch das Tal der Roten Saar.

In den Vogesen, rund 50 km von Straßburg, und 20 von Sarrebourg entfernt, befindet sich das Massiv des Donon. In diesem Waldgebiet wurde schon im 18. Jahrhundert Holz geschlagen. Zu dieser Zeit existierten in dieser Region noch keine Verkehrswege, so entstanden im Jahr 1850 die ersten Ideen, Schneisen und Wege im Waldgebiet anzulegen. 1884 wurden die ersten 5 Kilometer der Waldbahn angelegt, als Spurweite wurde im damaligen deutschen Reichsland Elsass-Lothringen die preußische Feldbahn-Spurweite von 700 mm gewählt.

Bereits um 1900 existierten in diesem Gebiet eine Schienestrecke von 35 Kilometer. Nach Ende des ersten Weltkrieg waren es über 50 Kilometer Schienestrecke.
Nach dem Krieg wurde diese Region (wieder) französisches Staatsgebiet.
In den 1950ern wurde die größte Streckenausdehnung mit 73 Kilometer erreicht. Durch die einsetzende Motorisierung und den Straßenausbau verkleinerte sich das Streckennetz in den folgenden Jahren zunehmend. Im Jahr 1960 existierten nur noch 61 Kilometer Strecke. Im 1964 wies das Netz nur noch 40 Kilometer auf. Somit wurde die Waldbahn dann auch stillgelegt.

Kurz nach der Stilllegung der Waldbahn wurden die ersten Ideen für die Förderung
des Tourismus in dieser sehr abgelegenen Region aufgenommen. Ein Jahr später wurde die Association du Chemin de Fer Forestier d’Abreschviller (A.C.F.A.) gegründet und übernahm ein Teilstück der Strecke nach Grand Soldat.
Es wurde auch überlegt, ein Teilstück bis zum Col du Brechpunkt zu erhalten. Zum einen wurden diese Gedanken verworfen, weil es dort doch erhebliche Höhenunterschied von 242 gibt, und zum anderen betrieblichen Probleme durch die Spitzkehren geben würde.
Seit 1969 ist die Waldbahn mit ihrer Strecke von Abreschviller bis Grand Soldat als Touristenbahn offiziell eröffnet

Burgruine Neublankenheim

Die im Ahbachtal gelegene Höhenburg Neublankenheim reicht bis ins 12. Jahrhundert zurück, wo sie erstmalig erwähnt wird.

Neublankenheim wurde als Grenzburg am Schnittpunkt der „Großterritorien“ Köln, Jülich, Luxemburg und Trier errichtet. Eine erste Erwähnung der Burg durch ihren Bauherrn Gerhard V. von Blankenheim gibt eine Urkunde der Belehnung durch den Markgrafen von Jülich 1341.
Doch die dendrochronologische Datierung eines Balkens aus dem 1.Obergeschoß der Westwand erwies Baumaßnahmen schon für 1335/39.

Nach dem Aussterben der Blankenheimer 1406 und häufigem Besitzwechsel (u:a. Schleiden,
Manderscheid, Mirbach) verfiel die Burg allmählich wegen ihrer abseitigen Lage. 1569 wird sie in Urkunden als baufallig bezeichnet und Ende des 16.Jh. ist sie nicht mehr bewohnbar.
Seit 1987 ist der Landkreis Daun Eigentümer der Burg.

Die Burganlage

Die Burg liegt an einem alten Verkehrsweg durch das Ahbachtal auf einem schmalen Grat, den ein Halsgraben durchtrennt. Auf dem dreieckigen Burgplateau von 20 m Breite und 40 m Länge stand die kompakte Burganlage zeittypisch ein „Festes Haus“ mit repräsetativer 5- geschossiger, fensterreicher Schaufassade zum Tal, aber turmflankierter Schildmauer über dem Halsgraben.
Vom ehemaligen Baubestand der Burg ist nur der breite, südliche Teil mit drei Außenmauern und dem Rest einer Zwischenwand erhalten geblieben, gut die Häfte ist abgestürzt.
Beachtlich sind die 3 m starke, bis zu 14 m hohe Schildmauer mit Originalverputz, die Breche des Burgtores mit einem oberen und unteren Wehrgang und die zwei Flankentürme die nur aus den anschließenden Gebäuden zugänglich waren. Um den über 20 m hohen, 3-geschossigen Westturm führte eine gedeckte Außengalerie, über dem Burgtor eine Schlitzscharte und Erker. Der Südostturm beginnt erst im Obergeschoß und ruht auf Konsolen und einem Kehlgesims aus Rotsandstein.

Die Unterteilung des Innenhofes ist unbekannt, vermutlich ein großer, zwei- oder dreischiffiger Saal, denn zu beiden Seiten des Burgtores schlossen die Räumlichkeiten an, deren Balkendecken und Fenster man heute sieht. Erhalten blieb auch ein Rest der Nordwand, mit Verputz und steingerahmter Tür im Obergeschoß sowie die Anschlussecke zur Westmauer. Sicher nachweisbar sind ein verschüttetes Kellergeschoß unter der Ostseite und insgesamt vier darüber aufgehende Stockwerke. Nur die Fenster zum Tal waren mit Sitznischen ausgestattet, nahe der Schildmauer als schmale Schlitzfenster, danach werden sie größer und mit roten Sandsteingewänden gerahmt. Die Westfassade besaß im 1. Obergeschoß einen Balkon und eine Tür auf die Turmgalerie.

Der Hunsrück

Ich habe über meine Wahlheimat – der Hunsrück, eine schöne Erklärung bei der Landeszentrale für politische Bildung gefunden.
Ich möchte euch nun diese Region zwischen Rhein und Saar, Mosel und Nahe im Auszug mal etwas vorstellen.
Aus einem Fundus von über 10.000 Fotos vom Rhein bis an die Saar, und von der Mosel bis an die Nahe, ist es schwer sich auf ein paar Fotos zu reduzieren. Ich habe nun mal einige Dutzende ausgewählt, welche einen Querschnitt vom Hunsrück zeigen. Ob nun Landschaft, Burgen, Kappelen, Ruinen, ehemalige Militäranlagen, oder gar bis zu den Kelten zurück gehen.

„Diese Landschaft so zwischen dem Rhein/ der Mosel und der Na ligt/ wirt gemeinlich der Hunsrueck genennt/ aber warumb/ weiß man nicht. [,..].“
Beginn der Beschreibung des Hunsrücks durch Herzog Johann II. von Pfalz-Simmern in der Cosmographie Sebastian Münsters, 3. Buch, Cap cc.
Die in der Cosmographie von Sebastian Münster durch Herzog Johann II. (1509-1557) aus der Wittelsbacher Nebenlinie Pfalz-Simmern im 16. Jahrhundert aufgeworfene Frage hat schon viele Gelehrte beschäftigt. In einer Urkunde des Klosters Ravengiersburg ist der Name Hunsrück 1076 erstmals urkundlich erwähnt. Da viele Landschaftsformen nach Tieren benannt werden, könnte der „Hundsbuckel“ – (Cynonotus, Hunderücken, 15. Jahrhundert), Hundsrücken (1250), Dorsum canis (lat. Hunderücken, 1320), Hondesruck (1380) – eine wahrscheinliche Erklärung für die Namensgebung sein, die in Deutschland zahlreich vorkommt.


Naturgeschichte
Die Landschaft ist geprägt von den waldbedeckten Höhenzügen des Binger- und Soonwalds, des Lützelsoons, des Idarwalds und dem sich nach Westen anschließenden Hochwald mit dem 816 m hohen Erbeskopf, durch die Bach- und Flusstäler zur Nahe im Süden, der Mosel im Nord-Westen und dem Rhein im Osten und die nach wie vor überwiegend von der Landwirtschaft genutzte Hochfläche.
Der geologische Aufbau der Region führt in verschiedenste Epochen der erdgeschichtlichen Entwicklung. Quarzit und Schiefer entstanden vor rund 400 Millionen Jahren im devonischen Meer.
Bei Stromberg ist ein ehemaliges Korallenriff als Kalknest erhalten. Im Naheraum finden sich Sandsteine, zum Rhein hin tertiäre Kiese, Ton und Sande und moselwärts Emsschichten.
Gebirgsauffaltungen, tektonische Gewalten, Verwitterungen und klimatische Veränderungen schufen immer neue naturräumliche Voraussetzungen und
Formen, die der Landschaft ihr vielfältiges Gepräge gaben. Fossile Tiere und Pflanzen geben einen Einblick in das devonische Meer. Im Naturpark Saar-Hunsrück und im Naturpark Soonwald-Nahe lassen sich die angedeuteten naturhistorischen Besonderheiten auf Premiumwanderwegen und Traumschleifen erleben.

Besiedlung, Städte und Dörfer


Bodenfunde auf den Höhenzügen und auf den Gemarkungen der Orte verweisen auf eine lange Siedlungstradition, die bis in die Jungsteinzeit zurückreicht (6000-3000 v.Chr.). Mit der Bronzezeit seit der Mitte des 3. Jahrtausends v. Christus verdichten sich die Siedlungsfunde. Eine besondere Rolle spielt die Hunsrück-Eifelkultur zwischen 750 und 450 v. Chr. bis zur römischen Eroberung unter Cäsar (50 v.Chr.). Die römische Besiedlung endete im 4. Jahrhundert.
Frühe urkundliche Erwähnungen von Orten finden sich dann seit dem 8. Jahrhundert, im 10. Jahrhundert begann der Bau von Burgen (z.B. Kyrburg, Schmidtburg). Im Verlauf des 17. Jahrhunderts wurde das Gros der Anlagen, auch Städte und Dörfer, zerstört. In den Holzschnitten und Kupferstichen von Sebastian Münster, Daniel Meißner und Matthias Merian aus dem 16. und 17. Jahrhundert sind diese Ansichten erhalten.

Herrschaft und Verwaltung


Im Hunsrück war eine Vielzahl von Adelsfamilien begütert. Seit mittelalterlicher Zeit begann sich die territoriale Struktur zu verfestigen. Kurtrier, die Pfalzgrafen bei Rhein, die Grafen von Sponheim, die Wild- und Rheingrafen bildeten Landesherrschaften aus – es entstand ein bunter Flickenteppich von Territorien. Mit der französischen Besetzung des linken Rheinufers zwischen 1794 und 1814 verschwanden diese Strukturen. Nach dem Rheinübergang Blüchers bei Kaub am Rhein (1813/14) und dem Wiener Kongress kam das Gebiet 1816 an Preußen. Die damals geschaffenen Verwaltungsstrukturen blieben mit kleinen Änderungen bis zum Beginn der 1970-er Jahre erhalten.

Auswanderung

Tausende von Hunsrückern verließen im Verlauf des 18. und 19. Jahrhunderts den Hunsrück, um in Siebenbürgen, in der Batschka, in Nordamerika und Brasilien ihr Glück zu finden. Waren es im 18. Jahrhundert zum Teil noch religiöse Gründe, fand die Massenauswanderung des 19. Jahrhunderts vorwiegend aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen statt.
Einige Auswanderer erreichten ihr Ziel erst gar nicht, sie blieben am Niederrhein und in Ostfriesland hängen. Bis zur Gegenwart bestehen Verbindungen zwischen den Auswanderern in Nordamerika und Brasilien zu ihrer alten Heimat im Hunsrück.

Militär


Militär hat eine lange Tradition im Hunsrück – keltische Ringwälle, römische Kastelle, Wachtürme, Burgen, Festungsanlagen, Bunker, Kasernen und Flugplätze sind zu finden. Schon seit den 1930-er Jahren wurde der Hunsrück von Militär-Strategen als Aufmarschgebiet gegen Frankreich und England erschlossen. Davon zeugen zum Beispiel die Hunsrückhöhenstraße (B 327) oder der Truppenübungsplatz Baumholder bei Birkenfeld.
Nach dem letzten Krieg kamen dazu, der frühere Nato-Flugplatz Pferdsfeld im Soonwald und der frühere amerikanische Fliegerhorst Hahn auf der Hochfläche unmittelbar neben dem Dorf Lautzenhausen.

Neue Wohnungen für Militärangehörige wurden gebaut. Die Siedlungen brachten den Dörfern Wachstum und eine Steigerung der Kaufkraft. Deshalb gab es zunächst auch keinen nennenswerten Widerstand gegen diese Einrichtungen. Das änderte sich ab 1983/84, nach dem Nato-Doppelbeschluss. Im November 1983 hatte der Bundestag grünes Licht für die Aufstellung neuer amerikanischer Pershing-II-Raketen auf dem Boden der Bundesrepublik gegeben.
Zwischen 1985 und 1990 wurden so genannte Cruise-Missiles auf der Militärstation Wüschheim/Hasselbach bei Kastellaun stationiert. Nur an diesem Standort, der unter der Bezeichnung „Pydna“ bundes- und weltpolitische Bedeutung erlangte, waren – soweit bekannt – diese Marschflugkörper auch atomar bestückt.
Nach dem Abzug der Amerikaner wurde der Flugplatz Hahn zu einem beispielhaften Konversionsprojekt und stieg als Flugplatz Frankfurt/Hahn zu einem bedeutenden Fracht- und Passagierflughafen auf.
Auf der „Pydna“ bei Hasselbach gibt es nach wie vor militärische Nutzungen und in einem Teil des Geländes treffen sich seit 1995 am ersten Augustwochenende Tausende von Menschen, um hier das größte Raverfestival „Nature-one“ in Deutschland zu feiern.

Quelle
Text: https://www.google.com/url?sa=t&source=web&rct=j&opi=89978449&url=https://www.lpb.rlp.de/fileadmin/download_neu/Schupp-Kuehl/Schupp-Kuehl_Publikationen/17BzL_Hunsrueck_2.pdf&ved=2ahUKEwjRj4ux35-MAxU23QIHHdywCiYQFnoECE4QAQ&usg=AOvVaw16Ro5giVUSS1BXAaEdrVYL

Fotos: Naike Juchem

Kapelle St. Wendelin in Berg bei Ettringen

Die römisch-katholische Kapelle St. Wendelin befindet sich in Berg, einem Ortsteil der Gemeinde Türkheim im 
Landkreis Unterallgäu in Bayern. Die im Jahr 1746 von Johann Adam Stiller, einem Sohn Michael Stillers, erbaute Kapelle steht
unter Denkmalschutz. An das rechteckige Langhaus mit Flachdecke schließt eine halbrund geschlossene Apsis an.
Oberhalb auf der Giebelseite im Westen befindet sich ein Dachreiter.

Die Errichtung eines Kirchengebäudes wurde bereits 1709 genehmigt kam jedoch nie zur Ausführung. Als im 18. Jahrhundert eine Viehseuche im nahegelegenen
Ettringen grassierte, gelobten die Bauern dem heiligen Wendelin eine Kapelle zu errichten. Dies wurde am 14. März 1746 vom Pfarrer aus Türkheim Johann Ignatius Wiekhart an den Generalvikar in Augsburg Johann Adam Nieberlein berichtet. Bereits am 21. März 1746 wurde die Genehmigung zur Errichtung der Kapelle erteilt und noch im gleichen Jahr durchgeführt. Die Kosten für die Errichtung, der Ausmalung und des Altares beliefen sich auf 750 Gulden. Neben der Kapelle bestand noch bis ins Jahr 1807 eine Einsiedelei. In den Jahren 1769, 1778 und 1789 wurden Reparaturen an der Kapelle durch den Maurermeister Johann Georg Ege aus Türkheim ausgeführt. Renovierungen fanden danach 1827, 1831, 1832, 1844 und 1845, sowie 1864 und 1939 bis 1942 statt. Die baufällige Sakristei wurde 1871 neu erbaut und bei der letzten Renovierung 1971 abgebrochen.

Das kleine geostete Kirchengebäude besitzt einen rechteckigen Grundriss mit einer halbkreisförmigen Apsis. Ein etwas einspringender  Chorbogen mit Kämpfergesims teilt die Apsis vom Langhaus. Während der Renovierung wurde 1941 am Chorbogen die Signatur Hans Adam Stiller in Ettringen 1746 des Baumeisters freigelegt. Sowohl im Langhaus wie in der Apsis befindet sich eine Spiegeldecke über Profilgesimsen. Eine dreiteilige Fenstergruppe ist beiderseits des Langhauses angebracht. In der Apsis sind Rundbogenfenster eingesetzt. An der Westseite ist im Inneren eine gefelderte Empore mit vorspringendem Mittelteil vorhanden. Der Zugang erfolgt über eine rechteckige Türe in der Westwand der Kapelle. Auf dem Westgiebel befindet sich ein kleiner oktogonaler Dachreiter auf quadratischem Sockel.

Der neuromanische Altar stammt aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der aus Holz gefertigte und gefasste Altar besitzt die Form einer rundbogigen Ädikula. Die Figur des heiligen Wendelin in einer Nische wurde 1863 von Otto Sieber aus Türkheim geschaffen. Das Fresko im Chor von 1746 zeigt die Göttlichen Tugenden. Johann Michael Schmitt schuf 1942 die Decke im Langhaus. Die Emporenfresken Wendelin in der Einsiedelei betend, als Patron der Landsleute, und Tod Wendelins malte 1942 der Münchner Kunstmaler Josef Wittmann, nachdem Johann Michael Schmitt bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen war. Das Kruzifix und die Mater dolorosa, beide aus Holz gefertigt und gefasst, wurden um 1760 geschaffen und stammen vermutlich von Ignaz Hillenbrand. Ursprünglich befanden sich beide Objekte in der Pfarrkirche in Türkheim. Die gefassten Holzfiguren beiderseits des Chorbogens stellen die heiligen Franziskus und Antonius dar und stammen aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammen die ovalen Kreuzwegstationen. Sie wurden vermutlich von Ludwig Caspar Weiß gefertigt und befanden sich vorher in der Pfarrkirche von Häder. Das Gestühl mit geschweiften Brettwangen stammt aus dem 18. Jahrhundert.

Quellen: Georg Dehio: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler – Bayern III – Schwaben. Deutscher Kunstverlag, München, Berlin 2008, ISBN 978-3-422-03116-6, S. 189.

Heinrich Habel: Landkreis Mindelheim – Bayerische Kunstdenkmale. Hrsg.: Torsten Gebhard, Anton Res. Deutscher Kunstverlag, München 1971, S. 86, 87

KZ Kemna

Das Konzentrationslager im Wuppertaler Stadtteil Kemna war eines der ersten Konzentrationslager im NS-Reich. Es war ein SA-KZ und ein sogenanntes „wildes KZ“ ohne eigentliche staatliche Legitimation. In Kemna waren von Juli 1933 bis Januar 1934 schlimmste Mißhandlungen und sadistische Quälereien an der Tagesordnung.

Das KZ war für bis zu 300 Häftlinge ausgelegt und war doch mit 1000 Häftlingen heillos überfüllt. Als es am 19. Januar 1934 geschlossen wurde, waren dort über 3500* Häftlinge inhaftiert.

Die Häftlinge wurden in einer ehemaligen Putzwollfabrik (Beyenburger Straße 164) unter verheerenden hygienischen Zuständen untergebracht. Zunächst unter der Leitung von SA-Sturmführer Hugo Neuhoff, dann von Alfred Hilgers. Zu den Inhafteirten gehörten vor allem sogenannte politische Gefangene aus der Umgebung, die zur KPD oder SPD gehörten. Die Gefangenen kamen aus Krefeld, Essen, Duisburg oder Düsseldorf.

* Anm.: Die Zahlen der Inhaftierten Menschen gehen von 2500 bis 4500 Menschen.

Noch ein paar Informationen zu Karl Ibach

Karl Ibach (* 3. April 1915 in Elberfeld; † 3. Mai 1990) war deutscher 
Widerstandskämpfer im Dritten Reich, Schriftsteller und Kommunalpolitiker.
Karl Ibach schloss sich als Sechzehnjähriger dem Kommunistischen Jugendverband und der KPD an. Er wollte Buchhändler werden, wurde aber nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Frühjahr 1933 als jüngster Insasse in das Wuppertaler Konzentrationslager Kemna verschleppt, von wo er Ende 1933 entlassen wurde. Ibach setzte seinen Kampf gegen das NS-Regime fort und flüchtete in die Niederlande, wurde aber kurz nach seiner Rückkehr verhaftet und wenig später wegen angeblicher Vorbereitung zum Hochverrat in Hamm im Rahmen der Wuppertaler Gewerkschaftsprozesse zu einer achtjährigen Zuchthausstrafe verurteilt. Bis 1943 wurde er in Konzentrationslagern und Zuchthäusern – darunter das KZ Esterwegen, das KZ Börgermoor und das Zuchthaus Waldheim – festgehalten.
Im Jahr 1943 musste er sich der Bewährungseinheit 999 anschließen; in dem Lager Heuberg wurde er gedrillt, um später das von ihm verhasste Regime an der Front zu verteidigen. Ibach geriet im Jahr 1944 in sowjetische
 Kriegsgefangenschaft und wurde 1947 daraus entlassen. Im Jahr 1948 veröffentlichte er seine Erlebnisberichte aus dem KZ Kemna. Über drei Jahrzehnte sollten es zusammen mit Willi Weilers schriftlichen Berichten die einzigen publizierten Informationsquellen zur Geschichte des regionalen KZ-Systems bleiben.

Quelle: Wikipedia

Freiheit für freie Bürger – aber bitte nicht für alle

Nach den Zweiten Weltkrieg war Europa mit Grenzen durchzogen. Manche nannte man auch den Eisernen Vorhang.

Schon Anfang der 50 Jahre, genauer gesagt sieben Jahre nach Ende des Krieges wurde in Paris ein Abkommen der Montan Union unterzeichnet. Dieses Abkommen sah eine erhebliche Erleichterung der Stahlindustrie in Lothringen, Saarland (damals noch Französisch) und dem Ruhrgebiet vor. Er waren die ersten Gedanken für ein vereintes Europa.
Aber nicht nur der Transport von Stahl und Kohle sollte vereinfacht werden, auch der Reiseverkehr der Menschen für ihren Urlaub innerhalb von Europa ändert sich dadurch zum positiven.

Alcide De Gasper, Altiero Spinelli, Anna Lindh, Helmut Kohl, François Mitterrand, Jean Monnet, Robert Schuhman, Johan Willem Beyen und viele weitere Namen standen für ein gemeinsames Europa. Sie alle setzten sich für eine Überwindung der Weltkriegsschrecken sowie für Frieden und Solidarität ein. Sie kämpften für die Grundwerte, Menschenrechte und Gleichberechtigung in einem vereinten Europa.

Mit der Europapolitik in den frühen 80er Jahre von Helmut Kohl und französischen Präsidenten François Mitterrand bekam Europa ein neues Gesicht. Grenzkontrollen wurde weniger und man brauchte ab Mitte der 80er oft noch nicht einmal seinen Pass vorzuzeigen. Es reichte Schrittgeschwindigkeit beim Grenzübertritt nach Frankreich oder den Benelux Länder.

„Freie Fahrt für freie Bürger“ ist eigentlich ein Slogan des ADAC aus den frühen 70er Jahre und entstand nach dem Höhepunkt der Ölkrise. Mobilität um jeden Preis war und ist das Motto.
Die „Freie Fahrt für freie Bürger“ wurde Mitte der 80er Jahre für offene Grenzen gefordert. Man wollte endlich aus dem tristen Alltag raus und mit seinem Auto zügig an die Costa Brava fahren.
Die Welt stand sehr vielen Bürger offen und man lebte das Gefühl der Freiheit. Frühstücken in Paris, mal eben über das Wochenende an die Küste nach Belgien oder Niederlande fahren. Einkaufen in Grenznahen Regionen war am Samstag schon fest eingeplant.

Europa veränderte sich in den 80er Jahren immer mehr und schneller. In Süd- und Westeuropa bildeten sich föderalistischen Ideen eines Abbaus der Grenzkontrollen immer mehr. Den Blick nach Osten hatte viele Menschen nicht, denn dort war ja der Russe. Punkt.
Plötzlich rückten Staaten wie die DDR, Polen, Tschechoslowakei, Ungarn oder Jugoslawien ins Weltbild. Urlaube am Balaton oder die Kroatische Adria fand man auf einmal in den Reisekatalogen.

Mit Michael Gorbatschow kam ein gemäßigter Politiker in den Kreml und Europa sah eine Chance für den Abbau von Grenzen im Osten. Alle Zeichen standen auf Frieden für Europa. Den Untergang der DDR und der UdSSR haben viele von uns miterlebt. Dies alles ist ohne Waffen und Gewalt passiert!

Europa feierte den Sieg der politischen Arbeit und Visionen vieler Staaten. Europa wurde zu einer Union an Staaten und Menschen. Gesetze wurden im Sinne von Europa entwickelt und entworfen. Europa bekam ein eigenes Parlament und Rat.
Durch den immer steigenden Warenverkehr und den Billiglohnländer wurde die Europäische Union immer mehr erweitert. Folglich kamen mit der Osterweiterung immer mehr Probleme hinzu.

Seit nun 10 Jahren werden immer mehr Stimmen laut, man müsse die Grenzen von Europa oder gar den eigenen Länder schließen. Der Mensch als Flüchtling sei das Problem für den Wohlstand in Europa.
Nur mal zur Einordnung. Was soll es denn bitteschön jetzt sein? Auf der einen Seite der grenzenlose Warenverkehr aus Billiglohnländer und die Freiheit in jedes Land von Europa für zwei Wochen Urlaub zu machen. Auf der anderen Seite waren es dann genau jene Menschen die am lautesten gebrüllt hatten, als man in der Corona-Diktatur die Grenzen geschlossen hatte. Die eigene Freiheit wurde plötzlich eingeschränkt. Dabei war man noch nie an der Costa Brava gewesen.

Nun kommt eine weitere deutsche Partei mit den gleichen Phrasen wie die AfD daher, dass man die Grenzen schließen muss und alle jubeln. Zur Erinnerung: Die CDU war es, die für ein offenes Europa stand.

Wenn wir keine Flüchtlinge haben wollen, sollten wir die Fluchtursachen bekämpfen und nicht die Menschen, die wegen Terror, Krieg, Umweltzerstörung und Ausbeutung fliehen.
Man möchte auf keine Bequemlichkeit und einen gewohnten Luxus im Alltag verzichten, wundert sich dann aber, wenn Menschen an die Tür von Europa anklopfen, weil man deren Lebensgrundlage zerstört.

All der Gedanke an föderalistischen Ideen werden seit Jahren mit immer mehr rechtsorientierten Regierungen zugrunde gerichtet, weil man einzig und alleine die Flüchtlinge als das zu bekämpfende Problem sieht.
Es ist schade, wenn immer mehr Menschen nur noch in täglich neuen Schlagzeilen denken können, ohne das ganze zu sehen.

Winkelturm

Heute möchte ich etwas zeigen, was vielleicht viele noch nicht gesehen haben, oder gesehen haben und sich fragen was dies für ein Bauwerk ist.

Einer der beiden Winkeltürme in Kaiserslautern

Ein Bauwerk ohne Fenster, um die 25 Meter hoch und etwa 13 Meter im Durchmesser und in einer raketenförmigen Bauweise. Solche Luftschutztürme nennt man Winkeltürme. Nach dem Namen des Konstrukteurs Leo Winkel aus Duisburg.
Von jenen Luftschutztürme soll etwas mehr als 200 Stück im ehemaligen Reichsgebiet gegeben haben.


Errichtet wurden diese Bunker ab 1936 bis zum Ende der Baumaßnahmen der so genannten „1.Welle“ des NSDAP „Sofortprogramm“ für bombensichere Luftschutzanlagen. Noch bis ins Jahr 1941 wurden solche Bunker gebaut und dann auch vornehmlich an Standorten von
Reichsbahnausbesserungswerke. Da es auch ein solches Werk Heute noch in Kaiserslautern gibt, stehen auf dem ehemaligen Betriebsgelände zwei solcher Winkeltürme.

In wieweit auch die Zivilbevölkerung Schutz in diesen Bunker gefunden hat, ist sehr schwer zu sagen, denn es gibt kaum bis gar keine verlässliche Angaben darüber.

Die Buddha-Statuen im Bamiyan-Tal

Die tragische Geschichte von den einzigartigen buddhistischen Statuen im Bamiyan-Tal

Die Buddha-Statuen von Bamiyan waren einst die größten stehenden Buddha-Statuen der Welt. Sie befanden sich bis zur Zerstörung durch die Taliban im März 2001 im 2500 Meter hoch gelegenen Tal von Bamiyan, das sich im Zentrum von
Afghanistan befindet und von der UNESCO als Weltkulturerbe
gelistet ist.
Der Tag an dem die Seele starb, war am 12. März 2001, da sprengten die Taliban auf Anordnung von Mullah Omar, Anführer der Taliban und damaliger de facto Staatschef Afghanistans, die Buddha-Statuen von Bamiyan in die Luft. Zuvor hatten die Taliban über nahezu einen Monat erfolglos versucht, die Buddhas durch Beschuss mit Panzern, Geschützen und Raketen zu zerstören.
Die beiden größten und bekanntesten dieser Statuen waren 53 bzw. 35 m hoch. Daneben waren eine ganze Reihe von weiteren, kleineren Buddha-Statuen in die dortigen Felsklippen eingearbeitet. Sie waren historische Zeugnisse einer dort etwa vom 3. bis zum 10. Jahrhundert praktizierten, und in ihrer Art einzigartigen buddhistischen Kunst.
Es gibt Bestrebungen, die Statuen wieder aufzubauen. Hierzu wurden auch Hilfsgelder zugesichert, ohne dass jedoch ein konkreter Beschluss gefasst wurde. Da die Taliban seit Jahren wieder auf dem Vormarsch sind, ist mit einem Wiederaufbau in naher Zukunft nicht mehr zurechnen.



Wie kamen die Buddhas ins Bamiyan-Tal?

Durch die Geostrategischelage von Bamiyan an einer der Haupthandelsrouten vom Nahen Osten nach China und Indien hatte das Tal bereits in der Antike eine große Bedeutung. Die Handelskarawanen trugen sowohl zum kulturellen als auch zum materiellen Wohlstand der Region bei, der den Bau der riesigen Statuen erst ermöglichte.
Entlang dieser Handelsstraßen waren in Zentralasien eine Reihe unterschiedlich großer Siedlungen entstanden. Unter der Herrschaft der Kuschana-Dynastie festigte sich der Buddhismus langsam in der Region. Zwischen dem 2. und 4. Jahrhundert n. Chr. entstanden dort eine Reihe von buddhistischen Stupas, Tempel und Klosterstätten. Im Bamiyan-Tal war eines der größeren Kloster- und Tempelanlagen und beherbergte im 6. Jahrhundert mehrere tausend buddhistische Mönche.
Der Zeitpunkt, an dem in Bamiyan der Buddhismus einzog, wird zwischen dem 2. und 4. Jahrhundert n. Chr. angenommen. Im 8. Jahrhundert geriet Bamiyan unter islamische Herrschaft. Dennoch konnte sich der Buddhismus noch etwa zwei Jahrhunderte in dieser Region halten.
In der Felswand, aus der die großen Statuen herausgearbeitet worden waren, befanden sich auch aus dem Fels gegrabene Höhlen, in denen die Mönche wohnten, und Gebetshallen mit reichhaltigen Wandmalereien. Rund um die Figuren wurden Gänge und Galerien geschaffen. Ein japanisches Archäologen-Team schätzte die Zahl der Wohnhöhlen auf rund 900.

Terror macht selbst vor Kunst und Kultur nicht Halt

Mit der Verdrängung des Buddhismus durch den Islam verloren die Statuen an Bedeutung und wurden zum Ziel von Zerstörungen, da die Darstellung menschlicher Figuren nicht erwünscht waren. So verloren die Statuen zuerst ihren Schmuck, dann die Gesichter und Hände. Die Statuen wurden in den letzten Jahrhunderte mehrfach beschädigt.
Insbesondere die Geschlechtsteile der Skulpturen sollen Ende des 19. Jahrhunderts auf Befehl von Abdur Rahman Khan mit Artillerie beschossen worden sein, als seine Truppen im Rahmen der Feldzüge in Hazarajat einmarschierten.
1824 wurde Bamiyan von den ersten Europäern besucht. Der deutsche Oberleutnant Oskar von Niedermayer, fertigte 1916 die ersten beiden Lichtbilder der Statuen an.
Für seine Verdienste bei seiner Nahost Expedition wurde von Niedermayer am 5. September 1916 mit der Verleihung des Ritterkreuzes in den Militär-Max-Joseph-Orden aufgenommen. Damit verbunden war die Erhebung in den persönlichen Adel und er durfte sich ab diesem Zeitpunkt Ritter von Niedermayer nennen.
1930 begannen französische Archäologen mit Forschungs- und Freilegungsarbeiten sowie Notsicherungen, um dem Verfall der Statuen entgegen zu wirken. Mitte Juni 1938 besuchte der deutsche Schriftsteller Hans-Hasso von Veltheim das Bamiyan-Tal und veröffentlichte 1951 in seinen „Tagebüchern aus Asien“ einen ausführlichen Bericht über jene Anlage. Von Veltheim fand die Gesichter der beiden Buddhas bis zur Oberlippe abgehauen vor und vermutete aufgrund der sorgfältigen Bearbeitung, dass buddhistische Gläubige selbst beim Ansturm der Horden von Dschingis Khan, im Jahre 1222, die Gesichter entfernt haben könnten, um die verehrten Statuen nur verstümmelt in die Hände der Mongolen fallen zu lassen.
Die Zeit der Kriege und Terror
Vor dem Einmarsch der Roten Armee in Afghanistan, im Jahre 1979, war Bamiyan ein Touristenziel aus aller Welt. Während der folgenden Kriege war das Plateau oberhalb der bis zu 100 Meter hohen Felswand mit den Statuen ein immer wieder umkämpfter strategisch wichtiger Ort, von dem aus das südlich gelegene Tal kontrolliert werden konnte. So befanden sich dort nacheinander Stellungen der sowjetischen Truppen, der Mudschahedin und schließlich der Taliban. Die Höhlen wurden als Munitionsdepots verwendet.
Im September 1998 zerstörten die Taliban den bis dahin noch vorhandenen Teil des Kopfes des kleineren Buddha. Dabei wurden die darüber befindlichen Reste an Wandmalereien ebenfalls weitgehend zerstört.

Am 12. März 2001 sprengten Taliban-Milizen auf Anordnung von Mullah Mohammed Omar die Statuen. Zusätzlich zu den beiden großen Statuen wurden auch eine der kleineren, sitzenden Buddha-Statuen und die etwa 10 Meter hohe Statue im benachbarten Kakrak-Tal gesprengt. Für die Zerstörung der Statuen brauchten die Taliban vier Tage. Dieser Akt wurde als ein performativer Ikonoklasmus gedeutet, der sich letztlich auch gegen das als westlich wahrgenommene Konzept des Kulturerbes gerichtet habe.

Die Zerstörung konnte trotz vielfältiger Interventionen der UNO, westlichen- und islamischen Regierungen nicht verhindert werden. Neben den Statuen von Bamiyan wurden auch fast alle buddhistischen Ausstellungsstücke des Museums in Kabul zerstört, die einen unwiederbringlichen Schatz an buddhistischer Kunst darstellten.
Tausendjährige Spurensuche nach Taliban
Mit den ISAF Einsatz der US geführten Militär Allianz, konnte ein Team von Archäologen unter der Leitung von Professor Zemaryalai Tarzi, von der Universität Kabul, der in den 1970er-Jahren die Statuen inklusive deren Fresken umfangreich restauriert hatte, im Jahr 2002 mit Ausgrabungen im Bamiyan-Tal wieder begonnen werden. Den vermuteten dritten großen Buddha zu finden, war ebenfalls ein Ziel dieses Projekts. Die Archäologen stützten sich bei ihrer Suche auf die Überlieferung Xuanzangs, nach der sich dieser Buddha innerhalb der Mauern eines östlich der Stadt Bamiyan gelegenen buddhistischen Mönchsklosters befinden sollte.

Im Jahr 2006 war sich Tarzi nach an mehreren Orten durchgeführten Ausgrabungen sicher, das richtige Kloster in einer Entfernung von etwa 1,5 Kilometern gefunden zu haben. Aufgrund der Größe dieses Tempelkomplexes mahnte er allerdings zu Geduld. Die Ausgrabungen würden weiter fortgesetzt werden.

Mitte 2008 wurde der Fund einer weiteren Statue, nämlich einer 19 Meter großen Darstellung eines schlafenden Buddhas, bekanntgegeben. Die meisten Teile dieser Statue waren jedoch praktisch nicht mehr vorhanden, während deren Hals, Schultern, Teile des rechten Armes und deren Kopfkissen gefunden werden konnte. Während die Suche nach dem 300 Meter großen Buddha im Jahr 2009 weiter im Gange war, hatten die Archäologen bereits mehrere Klosterstätten freigelegt und außerdem auch Ausgrabungsarbeiten bei der großen Stupa Bamiyans durchgeführt. Neben Tarzis Team führen auch japanische Archäologen Ausgrabungen im Bamiyan-Tal durch.
Die Angst vor einem Kollateralschaden
Mit dem Abzug der US und Nato Truppen ab 2021 wächst die Angst vor einem archäologischen Kollateralschaden durch die blinde Wut der Taliban. Was die Gotteskrieger 2001 schon einmal schafften zu zerstören, wird diese wohl kaum davon abhalten 20 Jahre archäologische Arbeit und Forschung binnen Tage zu zerstören.

Dummheit macht vor tausend Jahren alter Kultur nicht halt

Am 17. Juli 2020 wurde in Takht Bahi, Bezirk Mardan (Khyber Pakhtunkhwa), eine alte Buddha-Statue mutwillig zerstört, weil diese als unislamisch galt.

Seit Dezember 2023 bin ich die Chef-Administratorin einer internationalen Menschenrechtsgruppe auf Facebook.
In dieser Gruppe sind mitunter hochkarätige Beiträge zu lesen. Beim „aufräumen“ bin ich die Tage über einen sehr interessanten Artikel aus Pakistan gestolpert. Leider hat vor zwei Jahren der Ersteller die Gruppe verlassen und ich habe keine Möglichkeit ihn zu kontaktieren. Daher poste ich nun seinen Artikel.

Am 17. Juli 2020 wurde in Takht Bahi, Bezirk Mardan (Khyber Pakhtunkhwa), eine alte Buddha-Statue mutwillig zerstört, weil diese als unislamisch galt. Die Zerstörung soll auch gefilmt worden sein.
Nach Angaben von Abdus Samad Khan, Leiter der archäologischen Abteilung von Khyber-Pakhtunkhwa, war die zerstörte Buddha-Statue 1.700 Jahre alt. Die zerbrochenen Teile wurden geborgen, um sie auf ihren archäologischen Wert hin zu untersuchen. So die Meldung von Pime asianews.

Die Statue wurde als unislamisch von den Arbeitern zerstört, die sie bei Grabungsarbeiten für ein Hausfundament gefunden haben sollten.
Das antike Artefakt gehörte zur historischen Gandhara-Zivilisation, die das Gebiet des heutigen Nordwestpakistans, mehr oder weniger das Peshawar-Tal und die unteren Täler der Flüsse Kabul und Swat umfasst.

Im März 2001 sprengten die Taliban im Bamiyan-Tal die zum UNESCO Weltkulturerbe gehörenden Buddha-Statuen. Sie waren historische Zeugnisse einer dort etwa vom 3. bis zum 10. Jahrhundert praktizierten, und in ihrer Art einzigartigen buddhistischen Kunst.
Schon in der Antike war Gandhara ein Handels- und Kulturknotenpunkt, der Indien, Zentralasien und den Nahen Osten miteinander verband, so wie auch viele Städte in Afghanistan, Iran, Usbekistan und Tadschikistan.

Gandhara ist der alte Name für die pakistanische Provinz Khyber Pakhtunkhwa. Sie wird von Buddhisten hoch verehrt und gilt als wichtige regionale Stätte der buddhistischen Zivilisation.

Die mir vorliegenden Fotos zeigen einen Mann, wie er mit einem großen Hammer die Statue zerschlägt. Die Tat soll auch gefilmt worden sein.

Nach Angaben von Pime asianews und Pakistanischen Medien, sollen vier an dem Vorfall beteiligte Personen verhaftet wurden sein. Später soll die Polizei einen örtlichen Bauunternehmer und fünf weitere Personen verhaftet haben, die verdächtigt wurden, gegen die Vorschriften zum Schutz von Altertümern verstoßen zu haben.

Im Jahr 2017 wurden in Bhamala, einer archäologischen Stätte im Bezirk Hariput, zwei seltene und uralte Buddha-Statuen gefunden. Die größte jemals an diesem Ort gefundene Statue stellt den Tod Buddhas dar, während die zweite Statue einen Buddha mit doppeltem Heiligenschein zeigt.

Nach dem Vorfall soll auf verschiedenen Nachrichtensendern und in den sozialen Medien über den Schutz des Glaubens anderer in dem Land diskutiert worden sein.

Obwohl die pakistanische Verfassung alle Religionen respektiert und alle Glaubensrichtungen für ihre Anhänger heilig sind, haben sich viele Aktivisten und Führer gegen die Zerstörung der Buddha-Statue ausgesprochen. Für Samad Khan war dies ein Verbrechen und zeigte die absolute Respektlosigkeit gegenüber der Religion.

Die Zerstörung dieser antiken Buddha-Statue zeugt von Unkenntnis der Geschichte und mangelnder Bildung und einem fanatisch- fundamentalistischen Glauben.

Naike Juchem, 2. Januar 2025

Der keltische Wall und die Wildenburg im Naturpark Saar-Hunsrück

Bereits im 5. und 4. Jahrhundert vor Christus war dieses Gebiet im südlichen Hunsrück von den Kelten besiedelt. Im Bereich der Wildenburg hatten die Kelten aus Taunusquarzit-Steinen eine Wehr- und Verteidigungsanlage errichtet, die um die 4,5 Meter hoch gewesen sein musste. Jener Wall gehörte zu einer Reihe von keltischen Wallanlagen im südlichen Hunsrück. Sehr bekannt ist hier der Ringwall bei Otzenhausen im Saarland*. Jener Wall zog sich von westlichen Otzenhausen, weiter ostsüdöstlich an Allenbach und südlich von Sensweiler über den sogenannten Ringkopf weiter nach Kempfeld. Dort war nach heutigen Erkenntnisse ein befestigtes Lager.

Der Wall ging weiter nach Osten ins Hahnenbachtal. Dort ist die Burganlage Altburg. Sie liegt auf einem etwa einen Hektar großen Plateau hoch über dem
Hahnenbachtal. Diese Kleinburg wurde von Bewohnern des keltischen Volks der Treverer im 2. und 1. Jahrhundert v. Chr. genutzt.
Der Wall führte auch von dort noch weiter bis an das östliche Ende vom Hunsrück in den Soonwald.
Alleine die Luftlinie von Otzenhausen bis in den Soonwald ist über 60 Kilometer lang. Geografisch kann man es sich so vorstellen, dass linksseitig im Hinterland der Nahe auf der kompletten Länge jener Wall gebaut wurde.

Die Wildenburg

Um das Jahr 350 n. Chr. wurde auf der Wildenburg für kurze Zeit eine spätrömische Befestigung eingerichtet.
Im Spätmittelalter wurde von
Wildgraf Friedrich von Kyrburg auf dem Felsen an der Westspitze des Ringwalls die Wildenburg auf dem 675 m hohen Quarzitfelsen erbaut. Leider ist von der Original Burg kaum noch etwas zu sehen, denn im Jahe 1651 wurde die Wildenburg von
marodierenden lothringischen
Truppen gebrandschatzt und zerstört. 9 Jahre später wurde mit einem teilweisem Wiederaufbau der Burg begonnen. Die sogenannten Unterburg diente als Amts- und Verwaltungssitz bis zur Aufhebung der Grafschaft Kyrburg im Jahre 1792.

1859 erwarb der preußische Staat das Anwesen und richtete eine herrschaftliche Revierförsterei‘ ein, die über einen Zeitraum von 100 Jahren Bestand‘ haben sollte.
Von 1963 – 1999 gehörte die Wildenburg dem Hunsrückverein e. V. Heute ist die Wildenburg mit ihrer touristischen Infrastruktur ein beliebtes Ziel im Nationalpark Saar-Hunsrück.

*Über den keltischen Ringwall bei Otzenhausen habe ich schon berichtet.

Ehemaliger Grenzturm an der innerdeutschen Grenze

Einer der letzten Grenztürme von der ehemaligen innerdeutschen Grenze an der Bundesstraße 84

Die B 84 ist in diesem Bereich Teil einer uralten Handelsstraße. Aus dieser entwickelte sich später die Fernverbindung, die heute noch Frankfurt-Leipziger Straße genannt wird. Sie gilt als die bedeutendste Verkehrsader der Region. Besondere Bedeutung erhielt sie in der Zeit der napoleonischen Kriege und der französischen Fremdherrschaft zwischen 1806-1813.

Mit dem Aufbau der Grenzsperranlagen zwischen der BRD und DDR durfte die Straße hier für den öffentlichen Verkehr nicht mehr genutzt werden.
Zunächst gab es im Umfeld der Straße auf DDR-Seite mehrere Erdbeobachtungsbunker und Beobachtungstürme aus Holz. Ab 1965 baute man auch Bunker aus Beton-Fertigteilen. Im Jahre 1969 begannen die NVA-Grenztruppen bzw. die NVA-Pioniere entlang der gesamten Grenze mit der Errichtung runder Beton- Beobachtungstürme in variierbarer Höhe. In der Region setzte sich zumeist die Form BT-11r (auf Betonfundament 11 Turmschaftsegmente 1 Meter Höhe + Beobachtungskanzel) durch. Wegen besserer Standfestigkeit von viereckigen Türme, ging man ab 1976 zur quadratischen Bauform über. Die Grundfläche betrug ca. 2 x 2 bzw. 4 x 4 Meter.

Der Schutzstreifen an der Frankfurt-Leipziger Straße hatte keinen Rundturm außer der Sonderform BT-7r am Standorfsberg. Dieser wurde aber als Standort für einen der ersten viereckigen Türme an der innerdeutschen Grenze ausgewählt. Die Errichtung erfolgte im März 1976. Der Turm hat eine Grundfläche von 2 x 2 Meter und einem Anbau für die Stromversorgung. Dieser Anbau wurde als Experimentalbau bezeichnet. Er entspricht der Form BT-9 (auf Betonfundament 9 Turmsegmente 1 Meter Höhe + Beobachtungskanzel) und ist bis heute erhalten geblieben.
Auch bei Point Alpha steht ein solcher Turm der Form BT-9. Dieser wurde aber erst im August/September 1989 errichtet, als Nachfolger eines Rundturms BT-11r mit Achteckkanzel, der seinerzeit (etwa 1969) den alten Holzturm abgelöst hatte. Die einfachen Beobachtungstürme waren im Gegensatz zu den Führungsstellen zumeist nicht ständig besetzt. Sie enthielten aber alle Standardausrüstungen, wie Stromversorgung, Grenzmeldenetz, Erste-Hilfe-Satz, Reinigungsgerät, Heizkörper, Sitzhocker, Feuerlöscher und für alle Havariefälle auch eine Strickleiter. Funkgerät, Fototechnik und Beobachtungshilfen wurden dagegen in der Regel von den Grenzsoldaten mitgeführt.

Auf westlicher Seite der Frankfurt-Leipziger Straße stand an der Grenze eine Holzbarriere. Der östliche Teil der Straße war durch verschiedene Grenzsperr- einrichtungen unpassierbar gemacht worden. Das Durchlasstor im Grenzzaun I befand sich weiter südlich im Feld.
Unweit der Grenze in Richtung Buttlar wurde 1956 im Dienst der Gefreite der DDR-Grenzpolizei Waldemar Estel von einem ausländischen Grenzgänger erschossen. Diese Tat hatte nach heutigen Erkenntnissen kein politisches Motiv und konnte nie ganz aufgeklärt werden. Am Tatort, knapp 500 Meter nordöstlich vom Grenzturm, befindet sich rechts neben der Straße ein Gedenkstein.

Der Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 war der Beginn einer Serie von Grenzöffinungen, die auch im ehemaligen Geisaer Amt ihre Fortsetzung erlebte. Entsprechend der besonderen Gewichtung hatte der Übergang zwischen Buttlar und Rasdorf/Grüsselbach auf der Frankfurt-Leipziger Straße erste Priorität. Gegen 6.00 Uhr am Morgen des 18. November 1989 wurde die Grenze geöffnet. Es entstand eine Grenzübergangsstelle (GÜSt) für Fahrzeugverkehr. Doch diese Einrichtung hatte im Zuge der weiteren Ereignisse nur kurze Lebensdauer.

Hildegard von Bingen

Die Ewigkeit gleicht einem Rad, das weder Anfang noch Ende hat
(Hildegard von Bingen)

Hildegard von Bingen

Wer war diese Frau?
Nach der Historie ist belegt, dass Hildegard als erste Vertreterin der deutschen Mystik des Mittelalters war.
Ihre Werke beschäftigen sich unter anderem mit Religion, Medizin, Musik, 
Ethik und Kosmologie.

Die vielen Schriften von Hildegard waren für den Klerus schon eine harte Kost, denn so schrieb sie zum Thema Begierde und Sexualität, dass diese ein göttlicher Willens sei. Denn ungeachtet der traditionellen Verurteilung der Sexualität an anderen Stellen ihrer Schriften wird die sexuelle Lust als göttliche Kraft interpretiert. Denn ausdrücklich erkennt sie im „Streben der Begierde und der Zeugungskraft des Mannes“ ein Zeichen der „Liebeskraft Gottes“.
Mit solchen und anderen Texten zählt Hildegard definitiv zu den ersten emanzipierten Frauen jener Zeit. Auch war sie Beraterin für viele Adligen und Bischöfe.
Ein umfangreicher Briefwechsel und auch Ermahnungen zwischen Hildegard und jenen hochgestellten Persönlichkeiten haben die Jahrhunderte überdauert. Hildegard hat sich sprichwörtlich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen.

Eine Frau, die 833 Jahre nach ihrem Tod offiziell heilig gesprochen wurde, gibt in ihrer Biographie immer so sehr viele Rätsel auf.
Wenn man den Historiker glaubt, wurde Hildegard als Tochter der Edelfreien Hildebert und Mechtild geboren. Weder der genaue Geburtstag noch der Geburtsort werden von Hildegard oder zeitgenössischen Biografen genannt. Ihr wahrscheinliches Geburtsdatum lässt sich anhand ihrer Schrift „Scivias“ recht nah eingrenzen. So musste Hildegard als 10. Kinder einer Adelsfamilie zwischen dem 1. Mai 1098 und dem 17. September 1098 geboren sein.
Nach neueren wissenschaftlichen Forschungsergebnissen aus dem Ende des letzten Jahrtausends stammt Hildegard von dem in einer Urkunde von 1112 genannten Hildebert (Hildebrecht) von Hosenbach (dem heutigen Niederhosenbach in der Verbandsgemeinde Herrstein) ab. Hildebert wird im Jahr des Eintritts vom  Hildegard als Inkluse am Kloster Disibodenberg in einer Urkunde benannt.
Hildegards Mutter war Mechthild von Merxheim. Es ist demnach davon auszugehen, dass Hildegard am Stammsitz ihrer Familie die ersten acht Jahre ihres Lebens verbracht hat.

Nun noch ein paar Informationen zu dem Kloster Disibodenberg bei Odernheim am Glan.

Das Kloster Disibodenberg war eine große Baustelle, als zu Allerheiligen 1112 drei junge Frauen als Inklusinnen aufgenommen wurden: die 20-jährige Jutta von Sponheim, die 14-jährige Hildegard sowie eine weitere 14-jährige Jutta.

Fast 40 Jahre gab es nun auf dem Disibodenberg ein benediktinisches Doppelkloster. Die Frauen lebten zurückgezogen in einer Klause, am Rand der großen Klosteranlage. Zunächst war Jutta die Magistra der Frauenklause. Ihre Gemeinschaft wuchs in 24 Jahren auf zehn Schwestern an.

Nach Juttas Tod 1136 wählten die Schwestern Hildegard zur Leiterin der Frauenklause. Hildegard reformierte einige strenge Vorgaben Juttas und kürzte unter anderem die langen Gebetszeiten. Im Jahr 1141 empfing Hildegard große Visionen, von denen sie in ihrem Buch „Scivias“ berichtete. Ein zeitgenössisches Bild zeigt sie bei der Niederschrift ihrer Visionen auf Wachstafeln. Sie thront selbstbewusst unter einem romanischen Bogen, fünf Feuerzungen des Heiligen Geistes kommen auf sie herab. Ihr zur Seite – durch eine Mauer getrennt – sitzt der gelehrte Mönch Volmar auf einem Bänkchen, hält weißes Pergament in seinen Händen und steckt seinen Kopf durch ein Fenster. Ein Hinweis, dass er bei der Übertragung ihrer Texte in einen Kodex half, aber auch ein Hinweis auf die räumliche Trennung der Nonnen und Monche.

Das Signal zum Umzug auf den Rupertsberg war 1148 die Anerkennung Hildegards als Seherin durch Papst Eugen Ill. Hildegard war nun berühmt, wollte die Abgeschiedenheit auf dem Disibodenberg hinter sich lassen und im Zentrum des damaligen Reiches ihr eigenes Kloster gründen. Doch bis mit Hilfe reicher Unterstützer auf dem Rupertsberg bei Bingen erste Behausungen gebaut und die verfallene Rupertskapelle wieder hergestellt waren, sind ein paar Jahre vergangen. Spätestens zur Weihe der renovierten Kapelle am 1. Mai 1152 wird sie mit ihren 20 Schwestern am Rhein eingetroffen sein.

Leider wurden alle Wirkungsstätten von Hildegard in den Turbulenzen des Dreißigjährigen schwedischen Truppen zerstört.

Die Burg Landeck bei Klingenmünster

Die Burg Landeck im geschichtlichen Überblick

Die erste Erwähnung der Burg Landeck liegt nach urkundlicher Erwähnung im Jahr 1237. Die Burg hat damals aber schon bestanden, denn es handelt sich um einen Teilungsvertrag der Leininger Güter zwischen den Grafen Friedrich lll. und Emich IV. von Leiningen und nicht um eine Gründungsurkunde. Emich erhielt Landeck mit allen ihren Gütern. Die Burg war ein Reichslehen. Lehnsherren waren die Grafen von Zweibrücken und die Grafen von Leiningen. 1290 verlieh König Rudolf von Habsburg nach dem Tod Emichs V. von Leiningen-Landeck die zurückgefallene Hälfte der Reichsburg an seinen Neffen, den elsässischen Landvogt Otto IV. von Ochsenstein. Seit Beginn des 14. Jahrhunderts versuchte die Abtei Klingenmünster, Landeck und die umliegenden Güter als ihr Eigentum auszuweisen. Das betraf vor allem die Anteile der Ochsensteiner. Auch die Pfalzgrafen bei Rhein strebten danach, sich der Burg zu bemächtigen. So geschah es, dass 1405 Friedrich von Ochsenstein ein Viertel seines Anteils an den Bischof Raban von Speyer verkaufte und es sodann drei Besitzerparteien auf der Burg gab, die Grafen von Zweibrücken-Bitsch, die Herren von Ochsenstein und das Bistum Speyer. 1525 gelang es den Bauern des elsässischen Kolbenhaufens die Burg zu erobern und niederzubrennen.Es scheint aber, dass die Schäden bald wieder behoben waren. Nach dem Aussterben der Herren von Ochsenstein 1485 und der Grafen von Zweibrücken-Bitsch-Lichtenberg 1570 erhöhten die pfälzischen Kurfürsten ihren Besitzanteil an der Burg zunächst auf drei Viertel und vervollständigten ihn schließlich 1709 durch Tausch mit dem Bistum Speyer. Mittlerweile war die Burg jedoch durch französische Truppen zerstört worden. Doch Kurpfalz blieb alleiniger Besitzer bis zur Französischen Revolution. Die eindrucksvolle Burgruine gehört heute zu den von ,Burgen, Schlösser, Altertümer Rheinland-Pfalz“ verwalteten denkmalgeschützten Objekten.


Der Bergfried

Der Bergfried

Das architektonische Schmuckstück der Burg ist der noch bis zu einer Höhe von 23 Metern aufragende, mit 9 x 8,50 m fast quadratische Bergfried. Er gehört zu den schönsten und besterhaltenen Wehrtürmen der Pfalz, gilt gleichsam als Musterbeispiel eines Bergfrieds überhaupt. Seine Wände sind durchgehend mit vorzüglich gearbeiteten Buckelquadern verkleidet. Mit Ausnahme der Zugangstür und einigen Lüftungsschlitzen verfügt der Turm über keine weiteren ursprünglichen Öffnungen. Die regelmäßig über die Turmwände verteilten quadratischen Löcher sind sogenannte Rüst- oder Gerüstlöcher. In ihnen steckten einst die Streben des freitragenden Baugerüsts. Typisch für einen mittelalterlichen Bergfried ist der hochgelegene Eingang in den Turm mit dem davor angebrachten Podest, an das ein hölzerner Treppenaufgang gelehnt war. Bei Gefahr konnte sich die Burgbe satzung darüber für eine gewisse Zeit gefahrlos in den Turm zurückziehen und die Treppe zumindest teilweise einreißen In späterer Zeit ist in Höhe des Wehrgangs ein Zugang auf die Mantelmauer gebrochen worden. Zu ihm gelangt man heute über eine Außentreppe. Der ursprüngliche Turmeingang kann nicht mehr genutzt werden. Das Burgmuseum im Turminnern ist erweitert und neu eingerichtet worden.

Die Zisterne

Die Zisterne

Zisternen waren auf den Burgen die üblichen Vorrichtungen, mit denen Regenwasser zur Verwendung als Brauchwasser aufgefangen wurde. Auch Burg Landeck verfügte über eine Zisterne. die sich im Burghof befindet.Es handelt sich um eine restaurierte Filterzisterne. Im Gegensatz zu einer Tank- zisterne, die lediglich Regenwasser auffing, wird bei einer Filterzisterne das eingelaufene Wasser von Schmutz und Beimengungen gereinigt. Eine Filterzisterne verfügt über eine Sickergrube und einen Entnahmeschacht. Das Zisternenbecken ist mehrere Meter tief in den Felsboden eingegraben worden. Meistens wurden die Wände zusätzlich mit Tonschichten abgedichtet. Auf Landeck misst das Becken acht Meter im Quadrat. In der Mitte steht der wie eine Brunnenröhre aussehende Entnahmeschacht. Seine untere Steinreihe ist mit Öffnungen versehen. Um den Schacht herum ist das gesamte Zisternenbecken mit Geröll, Sand und zerschlagenem Felsgestein verpackt und verdichtet. Die meisten Zisternen waren mit einem Steinpflaster belegt, so auch auf Landeck. Es entstand somit ein zur Nutzung verfügbar gemachter Fußboden. Das von den Dächern gewonnene Regenwasser floss in Rinnen geleitet über den Burghof hin zur Zisterne und drang durch eine oder mehrere Einlaufoffnungen im Fußboden in die Gesteinsschichten ein, wo es zum Zisternenboden hin einsickerte. Verunreinigungen blieben an den Steinen hängen. Man vermutet, dass das Wasser auch mit Mineralien versetzt worden ist, sodass es in gewissen Grenzen trinkbar war. Durch die Öffnungen im Entnahmeschacht sickerte das Wasser in die Schachtröhre ein und konnte mit einem Eimer über eine Haspel nach oben transportiert werden.


Quelle: Landeckverein e.V.
Text: Peter Pohlit, Annweiler

Die Marksburg

Immer wieder bemüht sich die Burgenforschung um eine klare typologische Erfassung der Burgen durch Zuweisung in bestimmte Kategorien. Dabei orientiert man sich an der topografischen Lage, der Funktion und der Bauform. Doch alle bisherigen Versuche, Burgen in eine logische und verständliche Typologie zu zwängen, blieben unbefriedigend, da Burgen eben keine schematischen sondern individuell geprägte Bauwerke sind.

Nimmt man z.B. die Topografie als Kriterium, so unterscheidet man generell zwischen der Höhenburg und der Niederungsburg, die im flachen Gelände steht und zumeist als Wasserburg ausgeprägt ist. Nun gibt es aber Wasserburgen mit Wassergräben und Burgen, die auf Inseln in Seen, Teichen oder Flüssen (Pfalzgrafenstein), sogar auf Meeresinseln ruhen. Ausnahmsweise können auch Höhenburgen Wassergräben aufweisen (Stahleck über Bacharach).

Bei den Hohenburgen lassen sich solche in Gipfel lage (Marksburg) und solche in Spornlage unter- scheiden. Spornburgen, die bewusst den natürlichen Schutz von nach drei Seiten abfallenden Bergspornen und Vorgebirgen suchten, sind seit dem 12. Jahrhundert ein besonders häufiger, auch im Mittelrheintal bevorzugter Lagetyp (Sterrenberg, Stahleck, Gutenfels), dabei manchmal auch in Hanglage (Ehrenfels). Um dem mit der Spornlage verbundenen Nachteil einer Überhöhung durch die angrenzenden Berghänge zu begegnen, stellte man der Bergseite gerne den Bergfried (Gutenfels) oder eine verdickte Mauer, eine Schildmauer, entgegen (Sterrenberg, Stahleck, Ehrenfels, Schönburg)
Unterscheidet man Burgen gemäß ihrer Funktionen, so scheitert man sofort, da die meisten Burgen im Mittelalter mehrere wichtige Aufgaben zugleich erfüllten: Schutzbauten, Wohnsitze, Zentren des höfischen Lebens, der Gerichtsbarkeit, der Verwaltung der Wirtschaft sowie Symbole der Herrschaft, Macht und der Landesbefriedung (Landesburg). Am Rhein kommt noch die Erhebung von Zöllen hinzu. Begriffe wie ,,Zollburg“, ,,Stadtburg“ oder ,,Hafenburg“ vermengen freilich Funktion und Topografie.

Leider fällt auch die Untergliederung von Burgen nach ihren Architekturelementen schwer. Eine ,,Schildmauerburg“ z.B. ist ebenso ein architekto nischer Bautyp wie ein topografischer, da Schildmauerburgen sich nur auf Vorgebirgen finden. Auch gab es Burganlagen, sogenannte Mantelmauerburgen, die zur Betonung ihrer Gipfellage die Ringmauer extrem hoch ausführten, so dass sie aus der Ferne wie gewaltige Türme wirkten. Ähnlich problematisch ist der Terminus ,,Felsenburg“. Diesen in den Fels hinein gearbeiteten Burgen fehlen zwar zumeist solche Bauten wie Bergfried, Palas, Zwinger etc., doch lassen sie sich baulich aber auch nicht eindeutig definieren. Topografisch gehören sie zur Kategorie der Höhenburgen (z. B. Fleckenstein/Elsass)

Alle Typologien werden freilich durch den Umstand eliminiert, dass bei vielen Burgen Funktion und Architektur einem steten, mitunter sogar gravierenden Wandel unterlagen. Aus Wohnsitzen von Adeligen konnten Landesburgen werden, auf denen fortan Verwalter saßen. Dabei konnten sie von schlichten Schildmauerburgen zu mächtigen Festungen mutieren.

Die Marksburg ist in topografischer Hinsicht leicht zu klassifizieren. Sie gehört generell zur Gattung der ,,Höhenburgen“ und innerhalb dieser zur Gattung der ,,Gipfelburgen“. Funktionell wird die Kategorisierung schon schwerer, denn die Marksburg durchlief mehrere unterschiedliche Funktionen, wuchs vom Sitz Eppsteinischer Vasallen (Gefolgsleute) zum landesherrschaftlichen Burgschloss diente im 18. Jahrhundert sogar als kleiner Garnisonsstandort mit Festungscharakter, aber auch als Staatsgefängnis und Invalidenheim. In gewissem Sinne war die Marksburg zeitweilig auch eine echte Schutzburg, denn die mächtigen Grafen von Katzenelnbogen benötigten sie im 14. Jahrhundert zur Sicherung ihres in unmittelbarer Burgnähe betriebenen Silberbergbaus.

KZ Dachau

Heute Abend stehe ich unweit von dem KZ Dachau.
Leider kam ich etwas zu spät, um nochmal vernünftige Fotos zu machen. Irgendwie hatte ich doch noch einen Zugang gefunden und konnte zumindest noch einige Fotos machen.


Ich war schon mehrmals in dieser Gedenkstätte, und jedesmal habe ich einen Klos im Hals, wenn ich mir bewusst werde, dass auf diesem Gelände – und zahlreichen Außenlagern ab 1933 über 200.000 Menschen aus ganz Europa interniert waren.
Über 43.000 Menschen verloren in diesem Konzentrationslager ihr Leben, bis am 29. April 1945 US-Amerikanische Truppen dieses Lager eingenommen hatten.

Das Konzentrationslager wurde bereits im März 1933 für politische Gefangene errichtet. Es diente als Modell für alle späteren Konzentrationslager und stand unter der Herrschaft der SS. Politische Gefangene waren alles Menchen, die sich nicht einem nationalistischen Denken hingaben, die ihre Meinung frei äußerten – oder den Nazis ein Dorn im Auge waren. Man kann es auch politische Willkür von einem Wahn beschreiben.

Bald ist die Befreiung dieses KZ’s 79 Jahre her, und es gibt seit Jahren immer mehr Menschen, die den Holocaust leugnen oder diesen gerne wieder aufleben lassen möchten.
NIE wieder darf ein solches Verbrechen an Menschen auf europäischen Boden passieren!NIE wieder!

Wenn eine rechtspopulistische Partei wie die AfD den rechten Arm strecken, Gedenkstätten als „Denkmal der Schande“ bezeichnen, haben all diese Menschen nichts von der Geschichte gelernt. Sie sind eine Schande für Deutschland, für unsere Demokratie und Gesellschaft.
„Demokratie muss Rechtspopulismus aushalten.“ NEIN! Denn der Rechtspopulismus zerstört unsere Werte der Gesellschaft und Zivilisation. Diesen Punkt gibt es auch nicht zu verhandeln.

Naike Juchem, 13. März 2024

Anbei noch Fotos von meinen früheren Besuchen in der Gedenkstätte Dachau

Der Rechtspopulismus in Europa

Seit Jahren nimmt der Rechtspopulismus in Europa zu und man fragt sich: Warum

Autorin Naike Juchem

Niederlande, Italien, Deutschland,  Ungarn, Österreich, Finnland und Polen sind nur einige der Länder in Europa, wo man einen immer weiter steigenden Rechtspopulismus sehen kann.

Über 10.000 Menschen demonstrierten im Februar in Trier gegen Rechtspopulismus

Warum ist dies so? Bei vielen Rechten Parteien stehen Frauen an der Spitze.  Dieser Trend kommt von Marine Le Pen. Sie vermittelte mit ihren rechtspopulistischen Aussagen eine Art  mütterlichen Schutz. Mit Le Pen hat sich auch die Sprache der Schlagwörter geändert. So hieß es unter ihrem Vater, Jean-Marie Le Pen, noch Rasse. Nun sagt man Kultur. Oft werden Wörter wie: Souveränität und Identität benutzt.
In Deutschland benutzt die AfD gerne das Wort: Leitkultur.

Frauen wie Alice Weidel, Giorgia Meloni oder auch Marine Le Pen haben dem nationalistischen Denken eine weichere Form gegeben, als man es von ihren männlichen Kollegen mit ihrem Macho-Gehabe kennt. So ist es nicht verwunderlich, dass das „schwache Geschlecht“ Schlagwörter benutzt wie zum Beispiel : Sicherheit, Sexuelle Belästigung  oder Vergewaltigung. Als ob ausnahmslos Migranten oder Asylsuchende diese Verbrechen begehen.
Die männliche Wählerschaft schlagen natürlich in die gleiche Kerbe, denn sie sehen die Frauen in Gefahr und stellen sich dann wie die großen Beschützer hin.

Die Wählerschaft wird bewusst manipuliert, und sie merkt es nicht. Einzelfälle von Straftaten welche Migranten begangen haben, werden von einigen Fernsehsender und Boulevardzeitungen aufgeputscht, wodurch eine Verzerrungen der Realität entsteht. Wer nicht oder objektiv über solche Fälle berichtet, wird als Lügenpresse und Staatsmedien betitelt.
Man glaubt nur noch was die anderen sagen. 
All jene Menschen brüllen ständig von Fake-News und Manipulation. Wie sehr sie manipuliert werden, sehen sie alle nicht, denn ihr Feindbild steht fest: Migranten und Asylsuchende.

Das Jahr 2024 ist und wird ein wichtiges Wahljahr in und für Europa. Denn am 9. Juni stehen die Wahlen zum EU-Parlament an. Im Herbst stehen Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen an.
Gerade in diesen drei Bundesländer gewinnt die AfD an Zulauf, was für eine vernünftige Regierungsbildung äußerst schwierig werden könnte.

Wenn eine Partei wie die AfD von Remigration sprich, sollte man sich in Deutschland schon seine Gedanken machen, denn eine Völkervertreibung gab es schon einmal. Wohin dies geführt hat, kann jeder in den Geschichtsbücher nachlesen.

Naike Juchem, 13. März 2024

Cathédrale de Strasbourg

Das Hauptpotal von einem der höchsten Gebäude der Welt

Die Cathédrale de Strasbourg, oder auch Strasbourger Münster genannt, beschrieb Viktor Hugo einst als das „Wunder, unermesslich und zierlich zugleich“.
Wie recht er hatte.

Die Kathedrale wurde 1176 bis 1439 aus rosa Vogesensandstein gebaut und von 1647 bis 1874 war diese Kathedralen mit seinem 142 Meter hohen Nordturm das 
höchste Bauwerk der Menschheit, und das höchste im Mittelalter vollendete Gebäude. Bis heute hat dieses meisterhafte Bauwerk mit seinen fast drei Jahrhunderte dauernden Bauzeit nur einen Turm.

Architektonisch, wie auch künstlerisch zählt die Cathédrale de Strasbourg zu einem der imposantesten Gebäude der Welt. Es nun filigran gearbeitete Skulpturen, oder die prächtige Rosette mit seinen 14 Meter Durchmesser über dem Hauptpotal. Ins Auge fallen die grandiosen, größtenteils noch originale, Kirchenfenster aus dem 13. und 14. Jahrhundert. Sie zählen zu den wenigen bis heute erhaltenen Ensembles romanischer Glaskunst.

Die Cathédrale de Strasbourg ist auch baulich eine Mischung aus gotischer und romanischer Baukunst.

Bemerkenswert ist auch die astronomische Uhr aus dem Jahr 1547. Dieses Meisterwerk des Uhrenbaus und der Mathematik aus der Renaissance überrascht heute noch mit seinen technischen Feinheiten.
Besonders eindrucksvoll ist der ewige Kalender, der die Bewegung der Planeten auf einem Astrolabium abbildet.
Wer die Möglichkeit hat, sollte sich definitiv das Glockenspiel anschauen. Täglich um 12.30 Uhr kann man die Bewegungen der Apostel sehen, wie sie grüßend an Jesus vorbei ziehen.

Campus Galli

Frühmittelalter in der Neuzeit

Wer sich für das aktive Früh- oder auch Spätmittelalter interessiert, kennt und oder Mittelaltermärke oder Burgfeste liebt, wird von Campus Galli begeistert sein.

Wer schon mal in Frankreich in Guédelon, nahe Paris, war, kennt oder weiß, wie Menschen in jener Zeit gelebt und gearbeitet haben.
Über viele Jahre wurde in Guédelon an einer Burg aus dem 13. Jahrhundert gebaut.
Das gleiche gibt es in Meßkirch zu sehen, erleben und bestaunen.
Auf dem Campus Galli soll eine Abteikirche entstehen, welche es noch nie gab.
Es gibt tatsächlich nur einen Grundriss von dieser Abteikirche. Dieser wurde auch nur zufällig gefunden, weil zu jener Zeit Pergament sehr teuer und kostbar war.
Da der Bau für die Abteikirche verworfen wurde, wurde irgendwann das Pergament benutzt, auf dem der Grundriss gezeichnet wurde, und auf der Rückseite eben mit biblischen Texten beschrieben.

Um eine Abteikirche, Burg, Festung oder was auch immer zu bauen, brauchte es erstmal Land und Leute. Also Handwerker, Bauern, Schneider usw. So entstanden um die uns heute bekannten Burgen, Festungen oder Kathedralen klein Siedlungen – so auch in Meßkirch auf dem Campus Galli.

Der Lageplan von Campus Galli

Eine Scheune, Holzkirche und kleiner Häuser sind schon fertig gebau. Ein Hühnerstall und Abthaus sind im Bau.
Wann und ob es jemals jene Abteikirche geben wird, kann niemand sagen, denn es braucht für ein solches Projekt sehr viel Menschen und Material. Zur Zeit arbeiten auf dieser Baustelle etwas 50 Männer und Frauen. Um das Projekt zu verwirklichen, bräuchte es Hundert Mal mehr Menschen.

Ich war am 3. Oktober über sieben Stunden auf der Baustelle und kam aus dem staunen nicht mehr heraus. Auch hatte ich eine eineinhalb stündige Führung mitgemacht und im Anschluss mit vielen Handwerker auf der Baustelle geredet.
Wer jene Zeit erleben möchte, sollte sich Campus Galli auf jeden Fall anschauen – es lohnt sich.

Nun noch eine Erklärung, warum es dieses Projekt überhaupt gibt.

In den ersten Jahrzehnten des 9. Jahrhunderts erlebte die Abtei St. Gallen Zeiten des Aufbruchs und tiefgreifender Veränderungen. Diese betrafen sowohl das Äussere, die materielle Grundlage, die Gebäulichkeiten, allen voran die Klosterkirche, als auch die rechtliche Verfassung, das literarische und geistige Leben und das künstlerische Schaffen. St. Gallen war im Begriff, vom bescheidenen Kloster im Steinacher Forst, das unter dem Gründerabt Otmar (719-759) bei der Zelle des Eremiten Gallus (gest. um 640) errichtet worden war, zu einem karolingischen Grosskloster aufzusteigen.

Unter Abt Gozbert (816-837) konnte die Abtei sich durch das Schutz- und Immunitätsprivileg Kaiser Ludwigs des Frommen (814-840) von 818 weitgehend aus der Abhängigkeit des Bistums Konstanz lösen und wurde zum Reichskloster. Gozbert ordnete die Verwaltung des stark angewachsenen klösterlichen Grundbesitzes neu, reorganisierte das Urkundenwesen und führte eine Archivregistratur ein. Zur selben Zeit, im ersten Drittel des 9. Jahrhunderts, entwickelte das Skriptorium unter dem Schreibmeister Wolfcoz eine neue kalligraphische Schrift und erlebte mit dem Wolfcoz-Psalter eine erste Blüte der Buchkunst.

Da die Bewohner und Arbeiter von den Bauten – ob nun Burg, Festung oder Kathedrale, in die Gottesdienste wollten, wurden erst kleiner Kirchen in einfacher Bauweise gebaut.

Die Handwerker brauchten Kleidung und Werkzeuge. So wurden auch diese in unmittelbarer Nähe oder in den umliegenden Siedlungen hergestellt.

Nutztiere gehörten auch zu den Siedlungen

Unter Gozbert wurde auch das hagiographische Korpus des Gründerheiligen, das bisher einzig auf der merowingerzeitlichen «Vita sancti Galli vetustissima>> gründete, erneuert. Im Auftrag Gozberts schuf zwi-schen 816 und 824 der Reichenauer Mönch Wetti eine neue Gallusvita, die dem gestärkten Selbstverständnis St.Gallens entsprach und seine Anfänge ins rechte Licht rücken sollte. Ein Jahrzehnt nach Wetti, um 833/34, erhielt mit dem Dichter Walahfrid Strabo ein weiterer Reichenauer Mönch den Auftrag, eine neue Vita des Gründerheiligen zu verfassen. Damit wurde ein karolingisches Gallusmünster «in litteris» geschaffen, analog zu dem in Stein gehauenen Münster. Wie das neue, monumentale Gotteshaus sollte auch Walahfrids Vita als gültige lateinische Form des Galluslebens die Jahrhunderte überdauern
Zur selben Zeit erreichte die Mönchs- und Klosterreform der Aachener Synoden von 816 und 817 und des Reichstags von 818/19 unter Ludwig dem Frommen und Benedikt von Aniane (um 750-821), die das abendländische Mönchtum auf der Grundlage der Regel des heiligen Benedikt (um 480-547) erneuerte, auch St. Gallen. Davon liefert die St.Galler Abschrift vom Aachener Norm-Exemplar der Benediktsregel ein berühmtes Zeugnis. Sie ist als einziges Exemplar dieser textgeschichtlich wichtigsten Fassung der Regel erhalten. Der Text kam von Aachen als Abschrift über das benachbarte Kloster Reichenau nach St.Gallen; mit Reichenau war das Kloster an der Steinach seit dem Jahr 800 durch einen Verbrüderungsvertrag verbunden. Der Reichenauer Abt Heito (806-823) und der Bibliothekar Reginbert (gest. 846) hatten die Mönche Grimald und Tatto in das vom Reformabt Benedikt von Aniane 814/15 gegründete Kloster Inden/Kornelimünster bei Aachen geschickt, um sich in jenem Reformkloster über das Ordensleben zu informieren. Von hier sandten die beiden Mönche eine Abschrift der Benediktsregel samt Begleitbrief nach Reichenau, wovon wiederum die eben nach St. Gallen gelangte.

Abt Gozbert von St. Gallen begann im Jahr 830 mit dem Bau eines neuen Gotteshauses, das an die Stelle der alten, noch unter dem heiligen Otmar errichteten Klosterkirche zu stehen kommen sollte. Wenige Jahre später, im Jahr 835 oder 837, konnte das heute nach ihm benannte Gozbert-Münster im Beisein der Bischöfe von Konstanz und Basel und des Abtes von Reichenau ge-weiht werden. Nach dem Zeugnis Ermenrichs von Ellwangen (um 814-874) wurde mit der Kirche auch der Kreuzgang neu gebaut; Ermenrich nennt in seiner um 850/55 entstandenen «Epistola ad Grimoldum abbatem>>  vier St.Galler Mönche, Winihart, Isenrich, Amal-und Ratger, die an den Bauarbeiten massgeblich be-ger teiligt gewesen seien.
Als Vorbereitung und Anregung für seine grossen Bauvorhaben erhielt Gozbert vom Kloster Reichenau eine Planzeichnung, den Klosterplan. Dieser müsste eigentlich «Reichenauer Klosterplan» heissen, da er dort entstanden ist. Doch für St. Gallen bestimmt, hierher ge-bracht und in all den Jahrhunderten hier aufbewahrt, bis zur Aufhebung der Fürstabtei im Jahr 1805 und darüber hinaus bis heute, verdient er den Namen «St.Galler Klosterplan»> ebenfalls zu Recht. Er trägt die Signatur <<Cod. Sang. 1092» und bildet als älteste überlieferte Architekturzeichnung des Abendlandes einen der kostbarsten Schätze der Stiftsbibliothek. Die Einzigartigkeit des Dokuments kann dadurch ermessen werden, dass der nächstjüngere aus dem Mittelalter überlieferte Bauplan, jener des Kathedralbezirks von Canterbury mit eingezeichnetem Wasserleitungssystem, erst aus der Zeit um 1165 stammt.

Schwer beeindruckt war ich von den Steinmetze. Jeder Tür-, Fenster- oder Formstein muss von Hand beschlagen werden.

Jeder Balken und Brett muss von Hand gesägt und bearbeitet werden.

Phimai

Ich habe noch eine spannende Geschichte über eine Stadt, die den Archäologen immer noch Rätsel aufgibt. Es handelt sich um eine Stadt, die Mitte des 10. Jahrhunderts errichtet wurde: Phimai oder P’u-mai. Die Historiker sind sich über die Schreibweise noch nicht einig.

Die Stadt selbst ist unter dem Namen Vimai oder Vimayapura, eine Gründung der Khmer bekannt. Sie wurde im 11. Jahrhundert befestigt und zu einem geistigen Zentrum des Khmer-Reiches ausgebaut.
In einer Inschrift aus dem Jahr 1082 im Prasat Hin Phanom Wan nicht weit entfernt südlich von Phimai, die in Sanskrit und in Khmer verfasst ist, wird die Stadt zusammen mit dem König Jayavarman VI. genannt. Etwa ein Jahrhundert später wird Phimai in der Inschrift von Preah Khan als Endpunkt einer 225 Kilometer langen Straße beschrieben, die Phimai mit der Hauptstadt (also dem Zentrum von Angkor) verband.

Ich habe den Text aus einem meiner Kapitel entnommen. So ist die Geschichte aus der Sicht eines Fremdenführers (meine Person) geschrieben.

Der Phimai Historical Park

Die kleine Gruppe erreichte den Haupteingang von dem riesigen Gelände von Phimai und Claude stand vor staunen bereits der Mund offen.
„Warte bis wir auf dem Gelände sind“ sagte Hannes.

Wie sehr oft in Asien bezahlen Farangs – also Ausländer im allgemeinen, bei touristischen Attraktionen mehr Eintritt. Da Hannes in thai mit der Verkäuferin sprach und somit auch die Eintrittskarten kaufte, bekam er diese zu landestypischen Preisen.

Im Zentrum des großen Parks stand die Ruine des Sandstein Tempel von Phimai, welcher in der typischen Khmer-Bauweise errichtet war.
„Was ihr hier in diesem Park seht, sind Gebäude aus dem 11. und 12. Jahrhundert. Es wird vermutet, dass dieser Ort von dem Khmer-König Jayavarman I. erbaut wurde. Selbst hunderte Jahre nach Angkor gibt diese Megastadt den Historiker und Archäologen immer noch viele Rätsel auf. Die Touristen die nach Kambodscha kommen, sind im Glauben, wenn sie Angkor Wat sehen, würden sie die Stadt Angkor besuchen. Dies ist überhaupt nicht möglich, denn Angkor hatte eine Fläche von über 400 Quadratkilometer. Selbst im heutigen Ayutthaya, welches circa 200 Kilometer von uns aus entfernt liegt, sieht man Bauwerke von Angkor. Hier oben an der Eingangstür von diesem Gebäude steht das Wort: Phimai. Auch kommt auf diesem Gelände bei einigen Gebäuden dieses Wort vor. Bis heute weiß niemand was dieses Wort bedeutet. In Angkor wurden bis jetzt sieben Schriften entdeckt. Zwei dieser Schriften sind heute noch nicht zugeordnet, so auch Phimai. Es wird vermutet, dass es sich bei Phimai auf eine religiöse Figur oder Stätte bezieht.“ „Ich hatte mal gehört, das Angkor im Dschungel untergegangen sei“ sagte Thomas.
„Dies ist ein Märchen. Es werden oft die Reiseberichte von dem Franzosen Henri Mouhot angeführt. Mouhot hatte 1860 einen Tempel von Angkor entdeckt, welcher tatsächlich in Teilen zugewuchert war. Bei einer Größe von über 40.000 Hektar ist es schier unmöglich, dass Angkor im Dschungel untergegangen sein sollte.“
Thomas nickte „Logisch. Und schon habe ich wieder etwas von dir gelernt.“

Franziska, Thomas und Claude waren von der Architektur vom den Gebäuden in dem Park überwältigt. Bernhard und Coady sahen bereits in den vergangenen Jahren einige Bauwerke von Angkor in Kambodscha.
Hannes erklärte den anderen dass in Angkor alles symmetrisch erbaut wurde.
„Du meinst die Gebäude“ sagte Thomas. Hannes schüttelte den Kopf „Nein, Thomas. Alles. Schau dich hier an dem Gebäude um, und du siehst jeden Stein in einer Symmetrie. So war es auch mit jeder Straße, Mauer und sogar den Fischteiche in Angkor. An diesem Park wurde an der Symmetrie nichts verändert. Nun kommt eine Kuriosität, welche mal wieder die Historiker vor offene Fragen stellt. Alle Tempel und Paläste von Angkor waren und sind nach Osten ausgerichtet. Die Pagode von Phimai ist nach Süden ausgerichtet.“

Auf der südlichen Hälfte von Phimai kamen sie an die Nakaracht Brücke. Dieser Brücke wurde an beiden Seiten eine Silhouette eines Schlangenkönigs nachempfunden.
„Nun stehen wir vor dem nächsten Rätsel der Geschichte. Ihr seht auf beiden Seiten der Brücke die gleichen Figuren. Auch hier vermutet man, dass es sich um die Symbolik zwischen Mensch und Himmel in der hinduistischen und buddhistischen Mythologie handelt. Nun möchte ich euch noch die Kopura zeigen.“

Mit seinem Gefolge ging Hannes auf die Westseite von der Ruinenanlage.
„Ihr seht vom hier aus bereits, dass an dieser Mauer links und rechts eine Art Balkon zu sehen ist. Auch hier wird vermutet, dass wir uns jetzt auf der heiligen Seite von Phimai aufhalten, denn die Inschriften an der Kopura zeigen, so ähnlich wie in Ägypten an den Pyramiden, das Leben der Menschen in der damaligen Zeit.“
Hannes führte die Gruppe an Tafeln mit Inschriften vorbei und erklärte deren Bedeutung.
„Auf diesen Tafeln stehen Namen bei denen man vermutet, es könnten die Baumeister oder Handwerker sein.“ „Könnten es auch die Namen der Toten sein, die bei dem Bau von Phimai ums Leben gekommen sind?“ Fragte Claude.          „Unwahrscheinlich. Denn es gibt wohl kaum Tempel, Burgen, Paläste oder Kathedralen auf der Welt, wo die Opfer genannt werden. Es soll aber nicht heißen, dass es in Phimai auch so ist, denn immerhin stehen wir auf der heiligen Seite der Kopura. Wenn ihr euch umschaut, seht ihr, dass es ein Gebäude gibt, welches mit weißen Sandstein gebaut wurde. Diese Pagode wurde nach der Archäologie im 14. Jahrhundert von König Jayavaman VII. gebaut.“

Hannes blieb an einem der zahlreichen Gebäude stehen und zeigte auf die Inschriften und Zeichnungen an den Wänden.
„Was hier wie eine Darstellung von Kämpfen der Khmer-Könige aussieht, wird aber auf die Schlacht zu Kurukshetra zurückgeführt.“ Hannes sah in fragende Gesichter.            Coady sagte „Du meinst das indische Epos von Mahabharata?“
Hannes nickte „Ja, Coady. Um es euch kurz zu erklären. Die Epen von Mahabharata gehören zusammen mit den Puranas und dem tibetischen Epos des Königs Gesar zu den umfangreichsten literarischen Werken der Weltgeschichte und wurden wahrscheinlich zwischen 400 vor und 400 nach Christus geschrieben. Was hier dargestellt ist, ist tatsächlich die Schlacht von dem Oberbefehlshaber Arjuna Bhisma gegen die Pandavas. Nach dem Epos hat Arjuna die Kampfregeln für beide Kriegsparteien bestimmt. So sollte mit gleichen Waffen gegeneinander gekämpft werden, und wer auf dem Schlachtfeld verwundert wird oder seine Waffen verliert, darf nicht getötet werden.“ Hannes sah immer noch in fragende Gesichter und zog die Schultern hoch. „Fragt mich nicht warum ausgerichtet dieses Epos hier dargestellt ist. Ob sich König Jayavaman VII. ein Beispiel daran nahm, oder ob diese Kampfregeln für die zukünftige Kämpfe gelten sollten, kann ich – und wahrscheinlich niemand genau sagen. Ich vermute es könnte ein Verhaltenskodex für Kämpfer ähnlich der Kreuzzüge nach Jerusalem sein. Es gibt aber keinerlei Überlieferungen, wo die Khmer in einen Glaubenskrieg zwischen Buddhismus und Hinduismus gezogen waren. Immerhin ist die Khmerschrift von indischen Schriften abgeleitet. In welchem Zusammenhang die Geschichte zu heute steht, werden wir wohl nie erfahren.“

Ayutthaya – Hauptstadt des siamesischen Königreichs

Auf den Spuren des alten Königreichs in Thailand

Früher eine eher unbedeutende Khmer-Siedlung an den Ufern des Chao Phrayas, sollte Ayutthaya Mitte des 13. Jahrhunderts einen Boom erleben. Als Fürst U-Thong seinen bisherigen Regierungssitz verlegen musste, ernannte er 1351 Ayutthaya zur neuen Hauptstadt des siamesischen Königreichs und damit zum Nachfolger von Sukhothai. Ayutthaya war 417 Jahre lang die Hauptstadt der Siamesen.
Aufgrund der exzellenten Lage in Zentralthailand und mit dem Chao Phraya als „Verteiler“ mauserte sich Ayutthaya schon bald zu einer der wichtigsten Handelsumschlagsplätze Südostasiens.

Die Stadt wuchs rapide und war sogar Anfang des 18. Jahrhunderts mit über einer Millionen Einwohner die größte Stadt der Welt. Kaufleute aus Frankreich oder Holland konnten die Stadt gar nicht genug preisen und bereicherten mit eigenen Häusern die diverse Architektur Ayutthayas. Der Handel mit Indien, China und Europa florierte, doch wie so oft hieß es auch hier: wer hoch steigt, kann tief fallen.

Nachdem die Burmesen mehrmals erfolglos versucht hatte, Ayutthaya zu stürmen, gelang es ihnen, 1767 die Stadt zu überrennen. Ayutthaya wurde geplündert, zerstört und fast dem Erdboden gleich gemacht – und damit kam die goldene Ära für Siam zu einem traurigen Ende.

Ayutthaya war die Hauptstadt von Siam. Dann wurde etwas weiter südlich Krung Thep (Bangkok) 1782, also 15 Jahre später, die Hauptstadt von Siam.
Thailänder sagen niemals Bangkok. Für viele ist Ayutthaya immer noch die Hauptstadt. Krung Thep heißt übersetzt Stadt der Engel.
Der Vollständige Namen der Hauptstadt lautet: Krung Thep Maha Nakhon Amon Rattanakosin Mahinthara Yutthaya Mahadilok Phop Noppharat Ratchathani Burirom Udom Ratchaniwet Maha Sathan Amon Phiman Awatan Sathit Sakkathattiya Witsanukam Prasit. Es ist die alte Thai-Bezeichnung der Hauptstadt und mit 169 lateinischen Buchstaben der längste Ortsname einer Hauptstadt weltweit.

Heute ist das, was von der ehemaligen Prachtstadt übrig geblieben ist, nicht nur ein eigener Historical Park, sondern auch auf der Liste des UNESCO Weltkulturerbes zu finden.
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Nukleare Kriegsführung

Foto: Sarmad Anand

„Ich bin nicht sicher, mit welchen Waffen der dritte Weltkrieg ausgetragen wird, aber im vierten werden die Menschen mit Stöcken und Steinen kämpfen.“
Dies sagte einst Albert Einstein – und er wird recht behalten.

Autorin Naike Juchem

Wir alle haben Angst vor der Radioaktivität von Kernkraftwerke. Die Ausmaße von einem Gau oder Super-Gau haben wir von Tschernobyl und Fukushima noch alle im Kopf. Wie sieht es in Kriegen aus? An den Vietnamkrieg und dem Einsatz von Agent-Orange können sich noch einige erinnern. Wie sieht es mit den US geführten Kriegen in Jugoslawien, Libyen, Irak oder Afghanistan aus?

Am 4. April 2017 war die Welt über einen Giftgas Angriff auf die syrische Stadt Chan Schaichun empört. Russland wurde für diesen Angriff verantwortlich gemacht. Dann die syrische Armee. Die USA verlegten einen ihrer Flugzeugträger ins Mittelmeer. Russland zog nach und verlegte die Fregatte Admiral Grigorowitsch ins Mittelmeer. Mal wieder stand die Welt kurz vor einer militärischen Eskalation.

Die USA, die sich gerne als Weltpolzei darstellt, haben mehr als genügend Kriege angezettelt, und dabei nicht nur mit konventionellen Waffen gekämpft.
Die US-Streitkräfte hatten im ersten und zweiten Irakkrieg hochgiftige Waffenkomponenten mit abgereicherten Uran auf die irakische Zivilbevölkerung abgeworfen und abgefeuert. Mit Hunderten Tonnen von angereicherter Uranmunition haben sie buchstäblich die irakische Bevölkerung mit einer Strahlungen überzogen, wodurch die Sterblichkeits- und Geburtenrat durch den Einsatz von angerichteten Uran die Krebsraten in die Höhe schnellen lies. Nach Schätzungen der OPCW (Organisation für das Verbot chemischer Waffen) gehen davon aus, dass die atomare Toxizität im Irak bei etwa 400.000 Atombombenabwürfen von Hiroshima lag.

Die katastrophalen nukleare Schäden an der Menschheit ist überhaupt nicht absehbar. In Vietnam wird es noch vier Dutzend Generationen – nicht Jahre, brauchen, bis es keine radioaktiven Erbteile mehr gibt.
Von der kontaminierten Umwelt im Irak, Afghanistan, Libyen, Jugoslawien, Japan, oder Vietnam brauche ich nicht zu schreiben. Es hat seine Gründe, warum es um den Reaktor von Tschernobyl eine Sperrfläche von 2.800 Quadratkilometern gibt. Dies entspricht in etwa der dreifachen Fläche von Berlin. Zehn Kilometer um das Kraftwerk herum wird die Gegend noch für Zehntausende von Jahren unbewohnbar bleiben.

Bei all diesem Ausmaß sollte man auch bedenken, dass Terrorgruppen wie zum Beispiel: ISIS, Taliban, Al-Qaida oder andere Gruppierungen an eben jene hochgiftige Waffenkomponenten der US-Streitkräfte nach dem Rückzug aus dem zweiten Irakkrieg problemlos heran gekommen sind.
Zu all diesem Irrsinn kommt noch hinzu, dass Milizen, Rebellen oder gar das Militär heute noch auf Schießständen und Testschießanlagen diese Munition benutzen. Somit wird das Krebsrisiko für die dort lebenden Menschen immer höher.

Naike Juchem, 12. Februar 2024

Foto: Sarmad Anand

Foto: privat

Kein Mensch flieht ohne Grund

Ein paar Hintergründe, die zum Nachdenken bringen sollen.

Autorin Naike Juchem

Melilla ist eine spanische Enklave in Westafrika und hat seine Grenze zu Marokko.
In einem Werbeprospekt wird über die schöne und mittelalterliche Festungsanlage und über prachtvolle Jugendstilgebäuden in den schönsten Worten geschrieben.
Wörtlich heißt es dort: „Es gibt keinen besseren Weg, ihre Geschichte kennenzulernen, als eine Besichtigung von La Ciudadela, auch bekannt als Melilla la Vieja oder „das Dorf“ (El Pueblo) zu besuchen. Diese Festungsanlage wurde im 15. Jahrhundert auf Felsen erbaut und verschiedene Kulturen haben hier im Laufe der Zeit ihre Spuren hinterlassen.“
So weit über die einstige Geschichte.

Über die aktuelle Geschichte hört man kaum etwas. Im Sommer 2022 versuchten fast 2.000 Migranten, die meterhohen Zäune von Melilla – also der EU Außengrenze zu überwinden. Es gab hunderte Tode und genau so viele Verletzten. Hilfe für die Menschen gab es keine!
Dies ist die Realität vor den Türen von Europa!
Ob in Libyen, Griechenland, Türkei, Italien (Lampedusa) oder an den Grenze zwischen Polen und Weißrussland. Überall werden Menschen mit Waffengewalt an der Einreise nach Europa gehindert.

Foto: Simona Forlini

„Sollen sie doch bleiben wo sie hergekommen sind.“


Dies sind oft die Aussagen von Menschen, die für sichere Grenzen und konsequenter Abschiebung sind.
Natürlich können diese Menschen in ihrer Heimat bleiben – nur hat die EU durch irrsinnige Subventionen und Staatsverträge fast alle Länder in Afrika in den Ruin getrieben. Tomaten aus Italien werden in Ghana billiger verkauft, als die Landwirte in Ghana diese verkaufen können.
Hähnchenfleisch, welches in Europa keinen Absatz hat, wird über Subventionen per Container nach Nigeria geschafft. Dort hat man mit unserem Lebensmittelmüll mal eben die Landwirtschaft ruiniert.

Elektronikmüll wird an die Elfenbeinküste oder Ghana verschifft. Dort liegen Hunderttausende Tonnen Elektronikmüll auf weiten Felder – auf denen einst mal Saat ausgebracht wurde. Mit einfachsten Mittel wird noch das letzte Stück Kupfer aus den Geräten geholt. Die Umweltverschmutzung ist gigantisch. Durch die Schwermetalle im Boden und Wasser, ist Leben für Tiere und Fische nicht mehr möglich.

Natürlich gibt es auch „positive“ Beispiele, wenn in Kenia Tulpen und andere Blumen gezüchtet werden, und diese dann in den Discounter in Europa für wenig Geld an den Kassen stehen. Von diesem ökologischen Irrsinn mag ich gar nicht schreiben.

Diese wenigen Beispiele zeigen schon, wie global vieles zusammen hängt. Es ist natürlich leicht zu sagen: „Sollen sie doch bleiben wo sie hergekommen sind.“ Würden diese Menschen eigentlich auch, wenn das zivilisierte Europa nicht deren Heimat, Lebensraum und Wirtschaft zerstören würde. Kein Mensch flieht ohne Grund!

Foto: Saleh Syrian

Die Menschen, die fliehen, brauchen Geld für ihre Flucht. Dieses Geld kratzen sie von Verwandten zusammen. Die Familien verschulden sich bei den Schlepper und können das Darlehen niemals zurück bezahlen. Oft werden nach ein oder zwei Jahren diesen Familien das wenige Eigentum weggenommen. Also hat man nochmals viele Menschen in die Armut, Flucht und Verzweiflung getrieben.

Um dies alles zu begreifen, bedarf es mehr, als die Schlagzeilen der BILD oder den schwachsinnigen Postings in den Sozialen Netzwerken zu lesen.

Foto: Eva Wołkanowska-Kołodziej

Wenn wir diese Welt verbessern möchten, müssen wir als Industriestaaten auch jene anderen Ländern leben lassen und auf Augenhöhe mit einander umgehen. Staatsverträge drückt die sowieso schon schachen Ländern noch mehr an die Wand.
Hurra, wie haben Unimogs von Mercedes, Waffen von Heckler und Kock.  Auch Frankreich ist im Bereich Staatsverträge vorne mit dabei. So werden zum Beispiel militärische Fahrzeuge von ACMAT S.A, ALCEN (u.a. Hubschrauber) oder Produkte der Dassault-Gruppe geliefert.

Diese Liste geht natürlich nicht nur über militärische Waffen und Fahrzeuge einher. Es geht mit allen Branchen weiter: Lebensmittel, Telekommunikation, Medikamente, Erdöl, Chemie….

Foto:Nino Fezza

Um eine immer weiter steigende Profitrate der Konzerne zu haben, braucht man neue Märkte. Ob Lateinamerika, Afrika, Asien, Südostasien oder China. In all diesem Karussell aus Macht, Gier und Profitrate bleiben Menschen aus der Strecke. Dies zeigt uns die Geschichte des Kolonialismus. Auch hier waren es: Afrika, Asien, Lateinamerika, Polynesien, Indien, Indochina (so nannte man früher Südostasien.)

Die westliche Industrie und Wohlstand ist auf die Armut der Schwellenländer dieser Welt aufgebaut. Kriege führen zu Armut und Flucht. Umweltzerstörung führt zu Armut und Flucht. Irrsinnige Subventionen und Staatsverträge führt zu Armut und Flucht.

Foto: Simona Forlini

Nun sitz der Europäer zu Haus auf seinem Sofa und motzt über Migranten, ohne all diese Hintergründe zu wissen. Es ist leichter, die schwächsten in dieser Kette zu bekämpfen, als sich über die Ursachen Gedanken zu machen.

Naike Juchem, 6. Februar 2024

Teil II Kapitel 18 München, Deutschland

Zu Besuch bei Nescha Hefti
Mai 93

Hannes musste nach Deutschland fliegen, denn die Lieferung der letzten Pumpen für das Wasserbauprojekt von Cău Strung Melch nach Bavet Leu standen an. Da Hannes Nescha besuchen wollte, flog er von Bangkok nach München. Er wollte nicht gleich zu Ludgar in die Pfalz oder in die Firma nach Reims. In den wenigen Tagen, die er in Europa war, wollte er wenigstens ein paar Tage Urlaub machen. Er brauchte auch mal eine Auszeit für sich.
Da Nescha ihm angeboten hatte, für ein paar Tage zu ihr nach München zu kommen, kam er der Einladung liebend gerne nach. Nescha, Patricia und er waren seit Januar 90 befreundet. Im Herbst 91 bekam Nescha einen freien Platz an einer Universität in München um dort Medizin zu studieren.

Am Freitag den 21. Mai um 9.10 Uhr landete der Airbus A330 mit der Flugnummer TG7932 auf dem Franz-Josef-Strauß Flughafen in München.
Hannes brauchte für die wenigen Tage in Europa kaum Gepäck, so hatte er nur einen Koffer und einen kleinen Rucksack als
Handgepäck dabei.
Ein übereifriger Zollbeamte wollte ihn trotzdem kontrollieren.
„Guadn Dog da Herr, hob Sie wos zua vazoin?“ Fragte der Beamte.
Hannes öffnete den kleinen Rucksack, damit der Zollbeamte sehen konnte, dass nur eine Packung Kekse, sein Mobiltelefon und Portemonnaie drinnen war. „Nein, habe ich nicht. Werfen Sie bitte einen Blick in den Rucksack.“ „Jo, dann soidn mia moi in ihrn Koffa schaun.“ „Tut mir leid, den habe ich noch nicht bei mir.“ „Jo, dann wardn mia ebn. Moi seng, wos in am Koffa drinna is.“ „Gerne, nur was vermuten Sie außer ein paar Kleider, Zahnbürste und ein paar Schuhe sonst noch in einem Reisekoffer?“ „Jo, dass wern mia dann oamoi seng. Sogt jeda, dass ea grod Kleida im Koffa hod.“ „Stimmt. Ich habe ja gesagt, dass auch noch eine Zahnbürste und Schuhe in dem Koffer sind.“ „Jo, woin Sie ‚etz no fresch wern? Solche Leid wia Sie miassn kontroliad wern.“
Hannes sah den Zollbeamten irritiert an „Solche Leute wie ich? Herzlich willkommen in der Heimat!“ „Wos soi des ‚etz? Hom Sie Drogn gnomma?“ „Komisch, gleiches wollte ich Sie auch fragen.“ „Jo, ‚etz is aba moi schluss mid lustig. Jetz keman Sie mid in de Deanststäi.“ „Lieber Herr Zollbeamter, könnten wir dies alles etwas abkürzen in dem ich Ihnen einfach meinen Pass und Dokumente zeige?“ „Denn Pass wern mia vo Ihna scho no seng. Jetz keman Sie mid auf de Deanststäi. Oda mua i des Sicherheitspersonoi ruafn?“
Hannes schüttelte genervt den Kopf „Bringen wir dieses Schauspiel hinter uns. Bitte. Ich folge Ihnen.“ „Jo, wos soi des? Sie foigen mia.“ „Habe ich zwar gerade gesagt, aber es geht auch den Weg.“

Hannes folgte in Begleitung von zwei Zollbeamten der Blödheit in Uniform einige Treppen herunter, durch Flure nach links und recht und wieder zwei Treppen hoch um nochmals einen anderen Flur von einer geschätzten Länge, wie einmal um den Äquator.
„Wird mein Koffer noch da sein, wenn ich zurück komme oder ist dann schon das Sprengstoffkommando vom LKA am Terminal?“ „Sie hoidn des wohl ‚etz ois fia Gaudi?“ „Nein. Nur weiß ich nicht, wie auf einen herrenlosen Koffer am Terminal reagiert wird.“
Endlich kam die Dienststelle in Sicht, Hannes wollte schon fragen, ob sie nun in Freising sind oder noch auf dem Flughafengelände. Der Zollhauptwachmeister öffnete eine Milchglastür und ließ Hannes eintreten.
In dem Büro waren ein Dutzend Zollbeamte, die verschiedene Koffer auf den Tischen aufgeklappt hatten und offensichtlich deren Besitzer auf einer Bank gegenüber den Tischen saßen. Einige Zollbeamte saßen an Schreibtischen und bei zwei Beamtinnen saßen Personen vor dem Schreibtisch.
Der Koffer von Hannes stand auf dem ersten Tisch gleich am Eingang.
Hannes grüßte die Beamten und zu seinen Begleiter sagte er „Ach sieh an, mein Koffer ist sogar schon vor mir da.“
Dem Oberzollbereichsleiter schwillte langsam der Kragen.
„So, bitte setzdn Sie si. Dann nehma mia jetz Ihra personalian auf. Wern aa no oan Drogentest duachführn und dann Ihrn Koffa untersuchn.“ „Gerne doch. Fangen wir am besten mal mit meinen Ausweisen an.“
Der Blutdruck vom Stabskompaniegeneralmajor war mittlerweile an seiner Belastungsgrenze angekommen.
„So, dann schaun mia moi. Aha, Hmmm, soso. Des san ihre Ausweise?“ „Ja. Offensichtlich.“ „Sie keman aus Kambodscha? Wohna in Thailand. Hom oan Deitschn, Thailändischn und Diplomadischn Pass! Jo, wos nu? Arbadn fia a Französiche Firma und die UN.“ „Ich weiß, ist kompliziert, ist aber so. Um Ihnen nun noch den Rest Ihrer Drogenillusion zu nehmen, mein Koffer fällt unter den Status von Diplomatengepäck – ist eigentlich deutlich in mehreren Sprachen gekennzeichnet. Ich kann aber gerne bei der UN eine Resolution einbringen, dass auch bayerisch als internationale Sprache aufgenommen wird. Sie dürfen den Koffer noch nicht einmal öffnen!“ „Diplomadengepäck? Soso. Schuul Projegd Männedscha in Kambodscha. Deepartmend off Konstrukschion un Infrastrugdur. Soso. Mid 23 Joarn san Sie scho a Männedscha?“
Hannes blies die Luft auf und wollte sich mir der linken Hand an den Kopf fassen. Stoppte leicht in der Bewegung und kratzte sich am Kinn. Die Blödheit in Uniform drehte das Schreiben der UN  von links nach rechts.
„Was wollen Sie jetzt darauf für eine Antwort? Soll ich Ihnen den englischen Text auf bayerisch Übersetzten? In den USA wird sogar ein Hausmeister als Manager betitlet – also nichts besonderes.“ „Warum hom Sie des ned vo Ofang an gsogt?“
Hannes verdrehte die Augen und nahm tief Luft „Ich kann mich erinnern, dass ich Ihnen sagte, wir könnten dies abkürzen, indem ich Ihnen meinen Pass und Dokumente zeige. Wenn Sie mich nun entschuldigen, ich habe noch etwas mehr zu tun, als mich mir dem deutschen Amtsschimmel herum zu ärgern. Im übrigen, falle ich durch meinen Ausweis von der UN unter den Diplomatenstatus. Schon mal etwas von diplomatischer Immunität gehört? Wenn Sie nun noch ein Disziplinarverfahren haben möchten – sagen Sie es gleich, ansonsten wünsche ich Ihnen einen schönen Tag.“
Hannes erhob sich von seinem Stuhl, nickte dem Zollgeneralmajor zu und nahm sein Koffer vom Tisch. Er ging aus der Dienststelle ohne die Tür zu schließen.

Der Weg von der Dienststelle zum Ausgang vom Gate kam Hannes wie eine Marathonstrecke vor.
Nescha saß ganz alleine am Ausgang vor dem Zollbereich und winkte, als sie Hannes sah.
„Hallo Nescha, Entschuldigung, ich hatte gerade eine Begegnung mit der dritten Art. Salut meine Liebe, ich bin endlich da. Lass uns fahren, bevor ich dem Zollbeamten noch ein Disziplinarverfahren anhänge.“

Hannes erzählte Nescha, diesen Alptraum an Blödheit in Uniform und Nescha lachte.
„Ja, Süße du lachst. Nach über 13 Stunden Flug kann ich darüber nicht mehr lachen.“ „Äxgüsi. Wie du das verzellsch, chönt ich brülle vor lache.“ „Morgen lache ich auch darüber.“
Nescha streichelte ihm mit ihrer rechte Hand über seinen linken Oberschenkel.
„Möchtsch na ga schlafe?“ „Nescha, ich bin so lange wach, wenn ich mich bei dir hinlege, werde ich wohl erst am Sonntag wieder wach werden. Fahr zu dir nach Hause und wir sehen dann was wir machen. Ich hätte Hunger auf richtig gute Semmelknödel.“

München, bei Augustiner am Frauenplatz

Nachdem Hannes doch zwei Stunden bei Nescha auf der Couch geschlafen hatte, fuhren sie mit der S-Bahn ins Zentrum von München.
Am Dom aßen sie Schweinshaxen mit Knödel und tranken schönes helles Augustiner Bier vom Fass.
„Wie gahts Patricia?“ „Nächstes Jahr arbeitet sie mehr für das Bildungsministerium in Kambodscha und für UNICEF, dann ist nicht mehr so viel mit ihrem Traumberuf. Eine Oberärztin aus dem Krankenhaus in Khorat wohnt bei uns im Village und Patricia lässt sich von ihr regelmäßig Bluttests machen. Reto schaut auch immer noch nach ihr. Nescha, ich habe Angst, wenn die Befunde da sind und die Werte sich verschlechtert haben. Du kannst dir diese Achterbahnfahrt, die ich im Hirn habe, gar nicht vorstellen.“ „Ungefähr scho. Ich studier Medizin. Natürlich isch es bi eu öpis anders, als ade Uni devo zghöre oder zläse. Mir kenned eus ja jetzt au scho es langi Ziit. Sit fast vier Johre machsch dir täglich die Gedanke du tuesch mir so unendlich leid. Die Medizin isch sit Johre am forsche. Es git immer besseri Behandlige – au bi de Früehnerkennig“ Nescha sah in leere Augen von Hannes.
„Tu’der das doch nid ständig aa, d Leukämie mues doch nid widr zru cho. Reto het dir das doch vor drü Jahr aues erklärt gha. Hannes, bitte.“ „Ich kann mein Hirn nicht deleten. Wenn ich es könnte, würde ich diese verdammte Krankheit zum Teufel jagen.“
Nescha streichelte ihm den Arm und hielt seine linke Hand fest „I ha nech beidi i subtropische Wälder kenneglernt. I ha mitbecho, waser beidi inere ungloublech churze Zyt hei gschtumme u euch im Hotel gseit, dass nech mau es Dänkmau bout wird. I ha rächt gha. Lefevre School! Das es so gross würd isch mer aber nid bewusst gsi“ „Danke Nescha. Uns auch nicht.“ „Denket bi dere Gschwindigkeit aber o a euch“ „Dies tun wir. Wenn wir eine Auszeit brauchen, fahren wir für zwei oder drei Wochen nach Kampang Rou, arbeit ist dort immer noch genug für uns.“ „Usziit? Arbeit isch dert immer no gnue? Hannes, i ha gmeint eher a Urlaub.“ Nescha sah Hannes irritiert an.
„Ja. Es hört sich voll blöd an, ist aber so. In Kampang Rou fing für uns alles an – dort sind unsere Wurzeln. Auch wenn es heute Städte und Ortschaften wie Battambang, Kompong Chhnang, Udong, Poipet oder Sisophon sind. Der “Europa Platz“ ist und bleibt einmalig. Für uns ist es ein Gefühl nach Hause zu kommen und es ist keine Arbeit Kinder zu unterrichten, Vermessungen zu machen oder Bauprotokolle auf der Weide zu schreiben. Es ist für uns wirklich Erholung.“ „Euri Definition vom Erholig isch scho sehr merkwürdig.“
Hannes zog die Schultern hoch „Wie soll ich es dir erklären? Wir gehen nach Feierabend durch Kampang Rou und erinnern uns an die Anfänge und sehen die vielen Veränderungen im Ort. Wir werden oft von den Dorfbewohner eingeladen und sie erzählen uns von ihrem Leben, den Veränderungen und auch Träume. Nescha, diese Momente sind für uns Urlaub.“ „Okay. Wi geits Sangkhum?“ „Sangkhum ist groß geworden, aber immer noch völlig verrückt auf mich. Patricia leitet jetzt eine Schule in Chong Kal, unweit von Samraong. Sangkhum ist in dem Ort in einer Herde von Rinder und fühlt sich wohl. Ich sprach mit dem Bauer, ob ich Sangkhum zu ihm stellen könnte. Ich möchte sie schon in meiner Nähe haben. Auch Sangkhum ist eine Auszeit uns. Wir gehen am Abend oder Morgen gemeinsam mit Sangkhum spazieren und genießen diese Momente. Sag mal, soll ich für Sangkhum eine original bayerische Kuhglocke kaufen?“
Nescha schüttelte sofort den Kopf „Um Gottes Wille, nei! I finde es schöns, kunschtvoui Zaumzüüg viu schöner aus e Gloe.“ „Du meinst so etwas, was die Kühe beim Almabtrieb tragen?“ „Ja, i die richtig. Es mues nid sones unsinnigs gedöhns si. So es cools kunstvolls Halsband wär doch toll.“ „Wo bekomme ich so etwas zu kaufen?“ „Mir fahred morn mal go luege, okay?“

Ausflug ins Allgäu

Mit Nescha fuhr er mit ihrem VW Golf am Samstagmorgen aus München raus ins Allgäu. Sie fuhr an Starnberg und Schongau vorbei, ohne zu wissen wo hin. Am Ende waren sie in Füssen.
In der wunderschönen Altstadt saßen sie bei Haxe, Brezel und Bier.
„Danke Nescha für diesen Ausflug. Dies ist alles so anders, als das was ich täglich sehe. Als Kind war ich mit meinen Eltern hier in der Gegend in Urlaub gewesen. Viele Erinnerungen sind immer noch da. Ich brauche kein Meer und Strand für Urlaub zu machen. Hier diese Natur, die Schönheit der Gebäude und natürlich der Blick auf Schloss Neuschwanstein ist schon toll.“ „Vermissisch dini Heimat?“ „Hmmm. Welche Heimat? Nescha, dies ist eine sehr schwierige Frage. Vor vier Jahren habe ich für Patricia meine Heimat im Hunsrück verlassen und ging nach Lothringen. Nun leben wir schon seit drei Jahren in Thailand. Ja, ich vermisse meine Heimat und Nein, ich möchte nicht zurück. Auch wenn in Kambodscha und Thailand alles sehr chaotisch ist, es ist eine völlig andere Welt. Weniger Stress und mehr Zufriedenheit. Die Menschen sind nicht mit den Fehlern anderer beschäftigt und achten mehr auf das miteinander.“
Nescha nickte „Ja, das hani ou gmerkt. Also isch Thailand oder Kambodscha dini Heimat?“ „Nescha, ich kann nicht sagen, was meine Heimat ist. Ich liebe Kambodscha genauso wie Thailand. Durch die damalige politische Lage haben wir uns für ein Haus in Thailand entschieden. Du kennst unser Haus. Unsere Freunde bauten für uns dieses Haus und somit eine Heimat in einem Fremden Land.“
Nescha nickte ihm zu „Du hesch scho immer chönne Mönsche füehre.“
Hannes schüttelte energisch den Kopf. „Nei Hannes. Du füehrsch uf e Art wienis bis jetzt nume bi Reto gseh ha. Dir beidi si dr glich schlag Mönsch. Hesch dir jemals Gedanke gmacht warum du so früeh d Leitig für dieses Projekt übercho hesch?“ „Welche Gedanken? Es wurde auf der ersten Party in Kampong Rou von allen anderen einfach beschlossen. Ich wurde förmlich übergangen.“
Nescha schüttelte den Kopf und Hannes sah sie fragend an.
„Du weisches würklech nid?“ „Nescha, was sollte ich wissen?“
Sie sah ihn lange an und er wartete auf ihre Antwort, die er offenbar nicht kannte. „I bi früecher sehr viu mit dr Patricia zäme gsi. Sie het mir o sehr viu vo dir verzeut. Viu han i o säuber vo dir in Kampang Rou oder Svay Rieng gseh. Asger het o sehr viu mit Reto über di gredt. Ja, är isch dr Leiter vom Bauabschnitt 3 gsi. Är het aber o gseh das du viu meh Chraft, Engagement u Idee hesch gha als är. Verstah ds itze nid fausch. Asger isch nie eifersüchtig gsi uf di. Är het bi dir meh potential gseh aus i sich säuber. Natürlech isch di Alter e Punkt gsy, wo me het chönne kritisiere – u o da het. I nenne iz ke Name, wüu di Kritiker hei vorbehaltlos dim gstumme, i nennes mal: Aufstieg, bi ODHI zue.“ „Nescha…?!“ „Moment lah mi bitte witer verzeue. Reto und ou angeri hei grad us dim Alter es grosses Potential gseh. I säg mau so, du bisch heimlich vo dine Mitarbeiter beobachtet worde. Und dene ihrne Idrück und Meinige über di, hei si mit Patricia i ihrer Schuel besproche.“
Hannes sah Nescha ungläubig an und schüttelte immer wieder den Kopf.
„Damals war das Team von Asger doch gar nicht so groß. Also kann es ja nur einen Kritiker gegeben haben.“ „Falsch. Du bisch au bi Arthur a sim Bauabschnitt gsi. Nun mach dier bitte kei Gedanke über die Kritiker. Sie han dich nie abglehnt. Es isch nur die Zwiifel a dim Alter gsi – nie a dinere Menschlichkeit. Ich han scho gseit du und de Reto sind de glich Schlag Mensch. Was ich vor mim Studium dure und mit Reto glernt han, bringt mir hüt a de Uni sehr vill Vorteil. Z Aafang vo dem Studium han ich mini Arbet und Erfahrig vo de andere Kommilitär vorgstellt und es isch en Mischig us Hochachtig und belächle gsi. De Reto isch als Urwald-Dokter betitlet worde. Nach em erschte Semester händ d’Kommilitone nüme glachet. Reto isch en unglaublich guete Mediziner und er chan mit de eifachste Mittel und Möglichkeite helfe. Hannes, ich han i de Ziit in Kambodscha meh glernt als mängs i ihrem Läbe nie werdet lerne. Au han ich mit eu und vor allem durch dich e Teamarbet gseh wos wahrschinli au keis zweits Mal git. Dini Sicht uf Dinge oder Idee vo anderne Lüüt hesch meh als gnueg bewise. Was de Reto i de Medizin isch, bisch du i de Menschefüerig. Drum isch vo all dine Mitarbeiter entschiede worde, dass du d Leitig söttsch becho.“
Hannes sah Nescha bei diesen Worten wie versteinert an. Von all dem wusste er selbst nach drei Jahren nichts. „Ich glaub dies alles nicht!“ „Verständlich. Isch aber so. Du hesch sälber gseit, dass Fründe eues Huus und somit e Heimat baut händ.“
„Phuu, was soll ich dazu sagen?“ „Nüt. Nimms eifach so aa. Im übrige möcht i in de Semesterferie wider uf Kambodscha cho. Zum eine lerne und will i eu alli sehr vermissed.“ „Cool. Dann sehen wir uns bald wieder. Komm, nun lass uns noch nach einem Halsband für Sangkhum schauen.“

In einem Raiffeisen Markt in Schwangau fanden sie, was beide wollten.
Dem Verkäufer klar zu machen, was ein Banteng Rind ist, erwies sich für Hannes doch etwas schwieriger als gedacht. Zum Glück war ein Landwirt in dem Laden, der es dem Verkäufer genauer erklären konnte. Als Hannes und Nescha die Erlebnisse mit Sangkhum erzählten, war ein sehr großes staunen den beiden Herren in dem Raiffeisen Markt anzusehen.
Mit dem gewünschten Zaumzeug verließen beide das Geschäft. Auf dem Weg zu Autos sagte Hannes zu Nescha „Zu Glück warst du mit in dem Laden, ich glaube, die hätten mich sonst in die Geschlossene Anstalt eingewiesen.“ Nescha lachte „Ohni frag! Das alles glaubt dir in Europa kein Mensch was du mit Sangkhum erlebsch.“

Am Sonntag waren beide in der Innenstadt von München unterwegs. Seit Hannes in Deutschland war, war es eine schöne Maiwoche und so waren beide an der Isar, im Englischen Garten, Stachus und andere schöne Plätze in München gewesen.

Es gibt Momente die prägen ein ganzes Leben.

Am Dienstagnachmittag waren sie auf dem Viktualienmarkt und kamen spontan auf die Idee ins Kino zu gehen. Am Isartor fanden sie ein Kino welches zu dieser Uhrzeit geöffnet hatte. Im Aushang sahen sie sich die Plakate für die Filmvorführung an. Das Plakat von Schindlers Liste fiel ihnen ins Auge. „Möchtest du in diesen Film?“ Fragte Hannes.
Nescha zog die Schultern hoch „Ich weiss nöd. die andere Filme interessieret mich nöd bsunders.“

Mit Nescha schaute er über drei Stunden die Abgründe der Deutschen Geschichte filmisch grandios und schockierend dargestellt.
Der Saal im Kino war etwa zur Hälfte besetzt. Diesen Film in einer vollkommenen Ruhe zu sehen, wirkte auf beide. Es gab während der Vorführung kein rascheln von einer Chipstüte, kein räuspern – nichts. Nur Stille.

Nach dem Film mussten Nescha und Hannes sich erst einmal sammeln.
Sie standen im Foyer des Kinos und waren sprachlos – die Bilder wirkten nach!
An einem Stehtisch neben ihnen erging es einem älteren Ehepaar genau so. Sie kamen mit dem Ehepaar ins Gespräch.

Nach einiger Zeit verließen sie gemeinsam das Kino und gingen in die Stadt einen Cappuccino trinken. Bei den Gesprächen  in einem kleinen Cafe kam Nescha und Hannes auf ihre Einsätze in Kambodscha zu sprechen. Die älteren Herrschaften hörten sehr aufmerksam zu und stellten viele Fragen. Rosemarie und Paul Herrmann waren sehr angenehme Menschen und so wurde es immer später und die Gespräche nahmen kein Ende, also ging die kleine Gruppe in ein Restaurant in der Nähe der Heiliggeistkirche.

Beim warten auf das bestellte Essen merkte Hannes dass Rosemarie seit länger Zeit etwas bedrückte und sie offensichtlich nicht wusste wie sie es sagen sollte. Immer wieder sah sie zu Paul und dann sagte sie ganz unverhohlen in die kleine Runde, dass sie Jüdin sei und ein KZ überlebt habe. Diese Worte traf Nescha und Hannes wie ein Faustschlag ins Gesicht. Da waren sie nun fünf Stunden mit diesen beiden Herrschaften unterwegs und dann kam so ein Schlag.
Rosemarie erzählte von ihrer Kindheit, von der Willkür der NSDAP, den Demütigungen und auch die Deportation. Hannes hatte das Gefühl als ob sein Hirn einfror. Ein Film zu schauen war etwas völlig anderes, als wenn ein Mensch gegenüber sitzt und das Leben – sein Leben erzählt.
Es wurde ein sehr langer Abend und man verabredete sich für den nächsten Tag. Rosemarie wollte mit ihnen ins KZ Dachau fahren.

Hannes lag auf dem Sofa von Nescha und konnte nicht einschlafen. Nescha kam zu ihm ins Wohnzimmer „Bisch na wach?“ „Ja. Nescha, wir stehen vor der Ohnmacht der Geschichte und wissen nicht wie wir damit umgehen sollen. Du und ich kennen die Orte der Killing Fields in Kambodscha. Vor drei Jahre sagte ich zu Patricia, ich weiß nicht wie ich reagieren werde, wenn ich beim graben mit dem Bagger ein Massengrab finde. Dieser Alptraum ließ mich lange nicht los. Zum Glück fahre ich heute kein Bagger mehr, aber was ist, wenn andere aus meinem Team auf ein solches Grab stoßen? Wie soll ich damit umgehen?“
Nescha setzte sich zu ihm und umarmte ihn. Sie suchte nach Worten und schüttelte immer wieder stumm den Kopf.
„Hannes, mir fehled grad die Worte. Mir beidi hend in Kambodscha wahrlich gnueg a Armuet und Tod gseh. Ischs e gueti Idee mit de beide hüt uf Dachau z fahre?“ Hannes zog die Schultern hoch, er wusste es auch nicht. „Zuviel was wir nicht begreifen können. Zuviel an Demut, Schuld und Scham. Zuviel an Fragen. Nescha, was können wir beide für diese dunkelste Epoche von Deutschland? Wir sitzen hier mit unserer Jugend und reden über etwas, an dem wir gar nicht Schuld sind und trotzdem haben wir Schuldgefühle. Können wir den Genozid in Kambodscha begreifen? Diese Gräueltaten waren um ein vielfaches schlimmer, als das was wir von den Nazis kennen. Die Auswirkungen haben wir beide mehr als genügend gesehen. Ich bin viel in dem Land unterwegs und sehe 15 Jahre später noch immer diese grausamste Epoche der Roten Khmer.“
Nescha nickte „Dörf ich bi dir schlafe?“ „Natürlich. Es wird zwar etwas eng auf deinem Sofa – wird aber schon gehen.“
Nescha lag ihm gegenüber an den Füßen, so war etwas Platz für beide.
Bis früh in den Morgen sprachen sie über die Ohnmacht der Geschichte, für die sie beide nichts konnten.

Um 10 Uhr fuhr Hannes mit dem VW Golf von Nescha am Hotel vor. Das Hotel lag im Randgebiet von München. Rosemarie und Paul standen bereits am Eingang und winkten ihnen zu, als beide aus dem Auto stiegen.
Gemeinsam tranken sie noch einen Kaffee auf der Terrasse und Nescha sprach offen die Gedanken der vergangenen Nacht an „Rosemarie, wotsch würkli nach Dachau fahre? Mir müend det nöd ane. Mir hend die Nacht na sehr lang über de Film und d’Ohnmacht vor de Gschicht gredet. Hannes gseht’s au wie ich – mir müsed nöd nach Dachau.“
Mit fester Stimme sagte Rosemarie „Ich will und möchte endlich abschließen. Seit Jahren quäle ich mich und nie hatte ich den Mut der Vergangenheit zu begegnen. Der Film von gestern war ein kleiner Schritt – auch wenn er sehr weh getan hatte. Dann haben wir euch getroffen. Ihr seid auf der Welt unterwegs im Einsatz für Menschen und seht auch genügend Leid und den Tod. Ihr beide versteht es besser als jeder andere Mensch auf dieser Welt. Mit euch schaffe ich diesen letzten Schritt zu gehen.“
Nescha nickte Hannes, Paul und Rosemarie zu „Okay, mir gönd mit dir de letscht Schritt.“

Schweigend fuhr Hannes aus München die 20 Kilometer nach Dachau. Je näher er diesem Ort kam, umso größer wurde die Angst in ihm. Was ist, wenn Rosemarie dies nicht schafft? Er dachte an einen Nervenzusammenbruch oder gar an einen Herzinfarkt. Als Medizinstudentin könnte Nescha sofort Erste Hilfe leisten, wenn die Sorgen von Hannes bei Rosemarie eintreten sollten.
Im Rückspiegel sah er Rosemarie und Paul Hand in Hand sitzen. Es war eine surrealistische Situation für ihn. Wie ein junges Liebespaar, welches sich nicht traut zu küssen und trotzdem vom Leben gezeichnet und dennoch fest entschlossen war, einen unglaublich schwierigen Weg zu gehen.

Die Wegweiser zum KZ kamen immer häufiger, der Puls von Hannes war an seiner Belastungsgrenze und er hörte sein Herz schlagen.
Auf dem Parkplatz angekommen, sah Nescha zu Rosemarie und Paul „Mir müend det nöd ane!“ „Doch! Für euch. Für mich und für die Zukunft.“
Nescha nahm die Hand von Hannes. Auch für sie war es eine Belastung. Jeden Schritt näher zu diesem Ort war ein Schritt in die Ohnmacht der Geschichte.
Auch wenn Dachau kein Vernichtungslager war, die Grausamkeiten, die Entgleisung der Menschlichkeit war spürbar und zu sehen: Die Gebäude, Skulpturen, Erinnerungstafeln und die Krematorien waren Zeugnisse genug.

Mit einer Gruppe von ungefähr 30 Personen wurden sie durch die Anlage geführt. Sie vier, eine Schulklasse der Oberstufe eines Gymnasium aus Unterfranken und noch drei Ehepaare.
Der Mann der die Führung machte, erklärte sachlich und ruhig. Er beantwortete Fragen aus der Gruppe und tat dies mit dem allergrößten Respekt an die Opfer des Nationalsozialismus.

Mit der Zeit merkte die Gruppe das Rosemarie mit dem Mann länger sprach und auch sie das ein oder andere beitragen konnte. Irgendwann merkte die Gruppe, dass Rosemarie keine gewöhnliche Touristin war und so bildete sich eine kleine Traube von Menschen um Rosemarie.
Rosemarie kamen bei den Erzählungen aus ihrer Kindheit immer wieder die Tränen und Nescha fragte, wie es ihr geht. Von der Gruppe nicht beachtet, hielt Nescha die Hand von Rosemarie und fühlte unauffällig – aber gekonnt ihren Puls. Hannes sah in den Augen von Nescha und diese sagte ihm, dass alles in Ordnung sei.

Nach dieser doch sehr speziellen Führung, zeigten die anderen Besucher aus der Gruppe ihren größten Respekt an Rosemarie und stellten weitere Fragen.
Auf einer der Bänke auf dem Gelände saß Rosemarie, Nescha und Paul. Nescha fühlte immer wieder unauffällig ihrem Puls.
Rosemarie beantwortete ruhig die Fragen der anderen Besucher aus ihrer Gruppe. Hannes stand hinter der Bank und beobachtet die Regungen der Jugendlichen und auch Erwachsenen auf die Schilderungen von Rosemarie. Es tat ihr gut, unter dieser Anteilnahme von Ehrfurcht und Respekt ihre Vergangenheit endlich abzuschließen.
Trotz der angenehmen Temperatur an diesem Tag, war es Hannes kalt. Was Menschen in ihrem Leben erlebt hatten, war für ihn nicht zu begreifen. Er dachte an die Bilder von Kampang Rou im Januar 1990. Er sprach mit Patricia von einem realen Alptraum. Ein Kinderkarussell war dies gegen das Erlebte von Rosemarie.

Auf dem Rückweg zum Hotel bedankte sich Rosemarie und Paul immer wieder bei ihnen und ließ es sich nicht nehmen, beide zum gemeinsam Essen einzuladen.

Politische Klarstellung an der Grillhütte

Am Donnerstag, den 27. Mai, fuhr Hannes mit dem Zug von München nach Mainz, er wollte zu seinen Eltern ins Nahetal.
Der kleine Bahnhof im Nachbarort war ihm bestens vertraut und trotzdem fremd. Er ging vom Bahnhof die eineinhalb Kilometer mit seinem „Diplomadengepäck“ an Häuser und Menschen vorbei, die er von Kindheit her kannte. Erinnerungen an so vieles schöne kamen hoch. An was werden die Kinder in Kambodscha mal denken? Viel schönes gibt es in deren Leben nicht. Armut, Hunger, leben im Dreck und Krankheit waren der Alltag dieser Kinder. Keine Schlittenfahrten im dunkeln, Fahrradrennen durch die Straßen im Ort oder Hütten bauen im Wäldchen am Ende ihrer Straße. Unbeschwert war seine Kindheit im Nahetal gewesen.

Auf den letzten Metern durch die kleine Sackgasse brauchte er länger, als auf den eineinhalb Kilometer vom Bahnhof bis zu seinem Elternhaus. Die Nachbarn fragten vieles über Kambodscha. Hannes erzählte nichts über, hungernde Menschen, bitterste Armut, Angst vor Landminen und Machtlosigkeit bei Kindersterben. Der Nachbarsjunge bei der UN! Er hatte ja einen so tollen Job! Wenn sie wüssten,qas er alles schon erlebt hatte!

Seine Eltern freuten sich sehr, dass der Sohn nach zweieinhalb Jahren wieder zuhause war und spontan wurde der Grill vorbereitet.
Am Abend lag die Heimat in Form von Schwenkbraten auf dem Grill. Freunde von seinen Eltern kamen vorbei und waren stolz auf ihn. Hannes war es leid, dass die Nachbarn und Freunde der Eltern ein völlig falsches Bild von Kambodscha und seiner Arbeit hatten. Es war an der Zeit ihnen die Wahrheit zu sagen.
„Als ich mit Patricia vor drei Jahren Nachts nach Hause gekommen bin und wir euch von den ersten Vierteljahr aus Kambodscha berichteten, gab es zwischen Kambodscha und Vietnam noch kein Waffenstillstandsabkommen. Wir bauten im den vergangenen Jahren zwei Schulen auf und waren in Lebensgefahr. Auch hatte Bernhard euch vor Weihnachten 89 nicht die Wahrheit über Kambodscha gesagt. Wir, ich, wollen nicht, dass ihr euch Sorgen macht. Seit einem Jahr ist die United Nations Transitional Authority in Cambodia: kurz UNTAC – eine UN-Friedensmission mit ungefähr 21.000 Menschen aus 100 Länder in Kambodscha im Einsatz. Die Hauptaufgabe der UNTAC ist die Wiederherstellung einer zivilen und demokratischen Ordnung und die Vorbereitung für freie und demokratische Wahlen. Es geht langsam bergauf in dem Land. Kambodscha war seit Ende der 60er fast durchgehend ein Kriegsgebiet mit oft äußerst brutal geführten Auseinandersetzungen zwischen Thailand und Vietnam. Der Vietnamkrieg von den USA brachte in Kambodscha jahrelange innenpolitische Unruhen und einen gewaltsame Regierungswechsel mit sich. Wodurch ab 1975 die Roten Khmer an die Macht kam. Diese zerstörten einen Großteil der Infrastruktur, der öffentlichen Verwaltung und Bildungseinrichtungen. Innerhalb von drei Jahren, acht Monaten und 20 Tagen starben zwischen 1,7 und 2,5 Millionen Kambodschaner – rund ein viertel der damaligen Bevölkerung des Landes! Bis heute kann niemand eine genaue Zahl nennen, manche Menschenrechtsorganisationen schätzen die Zahl sogar auf drei Millionen ermordete Menschen. An 300 Orten – den sogenannten Killing Fields, wurden Menschen bestialisch gefoltert und umgebracht. Die Nazis waren mit ihrem Rassenwahn schon schrecklich genug. Die Rote Khmer setzte noch einen obendrauf – und dies am eigenen Volk! Die Auswirkungen von diesem Genozid spüren wir heute noch. Der Analphabetismus und die Armut ist in einer astronomischen Höhe. Menschen sterben an Hepatitis und Malaria. Durch Mangelernährung sehen wir viele Menschen mit geistiger Behinderung – besonders Kinder. Auch körperliche Behinderung – oder besser: Verstümmelungen durch Landminen oder durch die Folterungen der Roten Khmer sehen wir täglich.“
Hannes machte eine Pause und ließ seine Worte wirken.
„Mein Gott!“ Sagte Elfriede, eine Freundin seiner Eltern und hielt sich die Hand vor den Mund. Hannes nickte ihr zu.
„Ende 1979 marschierten vietnamesische Truppen in Kambodscha ein. Diese besiegten die Roten Khmer und übernahmen die Kontrolle über den Großteil des Landes. Die Zivilbevölkerung leidet seit nun 14 Jahren am meisten an Hunger und Krankheiten – natürlich auch an Bildung. Was Patricia und ich im Januar vor drei Jahren gesehen haben, war ein Alptraum! Ein Kollege aus dem Team hat es treffend als Zombie Land beschrieben. Wir standen mit einer handvoll Menschen vor der Ohnmacht dieser Welt. Wie können helfen? Wer kann helfen? Und die schlimmste Frage war: Wo fangen wir an zu helfen?“
Die Eltern, wie auch deren Freunde saßen geschockt und sprachlos am Tisch der Grillhütte.
„Vor drei Jahren hatte ich mit einem Major aus Svay Rieng eine geheime Abmachung getroffen.“
Seine Mutter riss die Augen auf.
„Nichts Schlimmes! Mama, ist alles gut! Ich brauchte Männer für unsere Arbeit und Vorhaben. Nur wo sollte ich diese Leute herbekommen? Die paar Zivilisten, die wir als Arbeiter hatten, waren viel zu wenig. Ich brauchte eine Armee um überhaupt irgendwo anzufangen. Ich bekam schließlich 50 Soldaten – immerhin besser als nichts. Der Major setzte mich zwei Monate später unter Druck und stellte mir Forderungen. Ich sagte ihm was ich davon hielt und wir paar Europäer keine Forderungen erfüllen werden. Wir sind zum Helfen und Aufbauen da. Meine Antwort passte dem Major nicht. Er hätte mich von seinem Rang und der innenpolitischen Lage aus Kambodscha ausweisen können. Auch da sagte ich ihm klar und deutlich meine Meinung.“
Seine Mutter stand kurz vor einem Kollaps. „Seit jenem Abend sind wir per du. Mama, ich sagte doch, es ist nichts schlimmes.“ „Du kannst doch mit einem Major nicht so umspringen!“ „Doch! Dies lernte ich von einem Arzt aus der Schweiz. Reto hat mir in Kampang Rou viel beigebracht und ich bin froh über diese Freundschaft. Da eben die innenpolitische Lage damals noch sehr instabil war – und heute auch noch ist, habe ich in dem Major einen Verbündeten gefunden. Dies ist aber alles geheim. Ein Offizier aus der Kasernen war und ist der Mittelsmann. Ja, ihr Leute, Politik ist nicht einfach. In der Provinz Svay Rieng ist ein Herr Phirun Suoth der Gouverneur. Er ist ein Wurm der kein Rückgrat hat und auch sehr korrupt ist. Zweimal hatte ich eine nicht gerade konstruktive Unterhaltung mit ihm, beim zweiten Mal hatte ich gewonnen. Von dieser Unterhaltung hatte ich dem Major erzählt. Ab da an wusste ich wer im Hintergrund die Fäden in der Provinz Svay Rieng zog und zieht. Ganz nebenbei macht der kleine Hannes aus der Nachbarschaft noch Politik.“
Sein Vater war wie vor den Kopf geschlagen „Ich dachte du fährt Bagger und betreust ein Wasserbauprojekt.“ „Mache ich auch. Bagger fahre ich kaum noch – zum Glück! Mein Alptraum war und ist, dass ich ein Massengrab von der Roten Khmer ausbuddele – oder auf den Felder über Minen fahre. Diese Angst habe ich heute noch, wenn meine Mitarbeiter am graben für die Wasserleitungen oder Fundamente für die Pumpenhäuser am machen sind. Ich betreue und leite nun noch andere Projekte von unsere Firma und der UN in Kambodscha. Humanitäre Hilfe ist nicht einfach mal einen Brunnen bohren oder Dutzende Säcke mit Reis verteilen. Humanitäre Hilfe ist auch Politik, Macht und Gier. Macht hatte der Major, Gier der Gouverneur. Also blieb für mich nur das Militär – wenn es auch verdammt gefährlich war. Es hätte dem Major sein Leben kosten können – meines übrigens auch!“
Wieder war großes Entsetzen am Tisch und niemand konnte in dem Moment etwas sagen.
„Ab Juni 1990 baute ich mit meinen Teams endlich vernünftige Schulen auf. Das Geld dafür kam vom Außen- und Bildungsministerium aus Frankreich – viel Geld! UNICEF war zu langsam, obwohl mir die Leiterin von UNICEF in Kambodscha vieles versprochen hatte. Auch da musste ich mal etwas lauter meine Meinung äußern.“
Kopfschütteln von den Eltern und den vier Freunde am Tisch.
„Mein Schimpfen und klare Haltung hatte mir im Mai 1990 einen Arbeitsvertrag von UNICEF eingebracht – den ich nicht unterschrieben habe! Ich schickte den Arbeitsvertrag am gleichen Tag nach Reims zu ODHI. Der Gebietsleiter für Südostasien hat den Vertrag zu meinen Gunsten überarbeitet. Schweren Herzens stimmte die Leistung von UNICEF in Kambodscha dem neuen Arbeitsvertrag zu.
Als im Sommer 92 endlich die United Nations Transitional Authority in Cambodia kam, bekam ich endlich Geld für noch mehr Schulen zu bauen. So haben wir in doch recht kurzer Zeit die Infrastruktur in den Provinzen Svay Rieng, Prey Veng und Oddar Meanchey für viele Menschen verbessert. Trotzdem ist es zu wenig. Seit drei Jahren bin ich am denken, wie wir es schaffen können, für die Menschen nachhaltig Lebensmittel und eine Existenz zu sichern. Nun habt ihr mal eine Vorstellung wie humanitäre Hilfe aussieht. Es ist eine schwere Arbeit für eben mal tausende Menschen zu denken und immer wieder kommen die Probleme für Geldgeber zu finden und diese auch zu überzeugen.“

Meeting in der Pfalz
1. Juni

Am Dienstag nach Pfingsten fuhr Hannes mit dem ersten Zug vom Naheland in die Pfalz zu Ludgar, um mit ihm über die nächsten Lieferungen der Wasserpumpen zu reden. Beide kannten sich nun schon seit drei Jahre und Hannes mochte die pfälzische Gelassenheit von Ludgar.
Im Büro von Ludgar waren noch zwei weitere Ingenieure und wollten von Hannes wissen, wie die beiden hochmodernen Hochleistungspumpen mit den speziellen Getrieben für seine beiden Wasserräder funktionierten. Beim erzählen sah Hannes den Stolz in den Augen von Ludgar.
„Ich kann ohne Übertreibung sagen, Ludgar hat zwei Pumpen gebaut, die zuverlässig arbeiten und selbst ohne Getriebe äußerst respektable Leistungen bringen. Ich konnte damals die Antriebskraft von dem einen Wasserrad nur schätzen und trotzdem baute Ludgar mir diese Pumpe.“ „Ich muss auch sagen, es war viel Glück und Erfahrung dabei.“
Hannes nickte Ludgar zu „Sei nicht so bescheiden. Durch deine Erfahrung haben sechs Dörfer schneller Wasser, als wir die Hauptleitung legen können. Ludgar, sehr vieles hat sich durch deine Pumpen für diese Menschen verbessert!“

Beim Mittagessen in der Firmenkantine erzählte Hannes in einer kleinen Runde von Ingenieure und Mitarbeiter von den vielen Projekten in und um Kampang Rou und wie er immer noch nach einer Lösung für die Lebensmittelknappheit in der Provinz Svay Rieng suche.

Ludgar fuhr Hannes nach Mannheim zum Hauptbahnhof. Hannes wollte dies nicht, aber Ludgar ließ keine Widerrede zu. Die halbstündige Fahrt mit privaten Gesprächen war für beide sehr angenehm. „Wann fliegst du nach Kambodscha zurück?“ „Ich denke am Wochenende. Wir haben alles soweit besprochen. Morgen fahre ich mit Bernhard nach Reims in die Firma und dann eventuell am Freitag oder Samstag von Frankfurt nach Bangkok.“

Einsam und verloren in Erinnerungen

Von Mannheim aus fuhr Hannes mit dem Zug nach Metz. Auf der knapp zweieinhalbstündige Fahrt konnte er über viele nachdenken und sah durch das Fenster seine Heimat an ihm vorbeiziehen. War Deutschland noch seine Heimat? Bleibt ein Geburtsland immer die Heimat? Nescha hatte ihm eine schwierige Frage gestellt, welche er nicht so leicht beantworten konnte. Er würde seine kluge Freundin nach einer Antwort fragen.
Franziska holte Hannes in Metz am Bahnhof ab und war sehr froh den Schwiegersohn in spe umarmen zu können.

Nach einem langen Abend mit Gesprächen und Wein, war Hannes froh im Bett von Patricia zu liegen. Mit Erinnerungen an viele schönen Momente in diesem halbrunden Bett, fühle er sich in diesem Moment sehr einsam. Er schaute auf das Display am Radiowecker und sah dort 0:23 Uhr stehen. In Kambodscha war es jetzt 5:23 Uhr. Hannes griff nach seinem Mobiltelefon und wollte mit Patricia reden. Die Vernunft sagte ihm, dass es noch zu früh sei und er Patricia nicht unnötig wecken wollte. So schlief er mit Cleo an seiner linken Seite ein.

Es war noch vor 6 Uhr als Cleo ihn mit seinen riesigen Labrador Pfoten unsanft weckte.
„Cleo, du nervst. Kannst du nicht alleine in den Garten gehen?“
Cleo stellte sich mit seinen Vorderpfoten auf seine Brust und Hannes dachte ihm wird der Brustkorb eingedrückt.
„Meine Güte! Geh runter von mir! Ich möchte gerne auch mal etwas länger schlafen. Mach du doch mal meinen Job. Da ist nix mit pennen im Garten.“
Hannes wuschelte den großen Kopf von Cleo und ging mit ihm spazieren.

Sieben Menschen bewegen mehr als eine Armee

Nach dem Frühstück mit Bernhard, Franziska, Maurice und Annabell, war es an der Zeit nach Reims in die Firma zu fahren. Es musste über einige Projekte gesprochen werden. Mittlerweile gab es drei weitere Wasserbauprojekte und auch drei Bauabschnitte für Stromtrassen. Stephane wollte unbedingt diese Projekte der Stromversorgung haben und hatte sich auch mächtig ins Zeug gelegt um Mitarbeiter und Baumaschinen zu bekommen. So waren seit Herbst 1992 drei neue Mitarbeiter für die Stromtrassen bei ODHI angestellt. Der Däne Morten Bjarnesen, Matteo Vermeulen aus Belgien und der Franzose Piere Gauthier. Zwei Wasserbauprojekte kamen in gleichem Jahr noch hinzu. Das größte Projekt war 350 Kilometer lang und führte von Phnom Penh über Udong, Kompong Chhnang an Battambang vorbei bis nach Poipet an die Grenze zu Thailand. Gust und Arjen Wouters hatte die Bauleitung für dieses Projekt. Arjen kam wie Gust aus Belgien, auch sie kamen im Herbst 92 ins Team, genau so wie die beiden niederländische Brüder Fiete und Rouven Verhoeven. Beide sind erfahrene Hochbauingenieure. Fiete war die Verstärkung im Hauptbüro und Rouven war Teamleiter von zwei Bauabschnitten.
Das dritte Wasserbauprojekt war mit seinen 100 Kilometer Hauptwasserleitung wesentlich keiner und führte von Samraong nach Siem Reap. Die Bauleitung hatte Hannes und die Teamleiter waren Nolan, Cees, Martin Bödner aus Deutschland und Thore Lindqvist aus Schweden. Ferdinand, Luan und Rasmus Nyström, auch ein Schwede, waren für den Hochbau zuständig. Bödner, Lindqvist und Nyström kamen über die UNTAC im Dezember 92 zu ODHI.

Das Hauptbüro von ODHI Kambodscha blieb weiterhin in Kâmpóng Trâbêk. Aus einem kleinen Team von Bernhard, Eliane, Roman und ein paar Kambodschaner wuchs die Bürobelegschaft auf zwei Dutzend neue Mitarbeiter an. Auch wuchs der Maschinenpark auf 34 Caterpillar Bagger, 12 Caterpillar Radlader, 12 Mehrzweckbagger und acht Planierraupen.
Acht Poclain 90 CK Kranbagger, zehn Scania 113 Dreiachs- Kipper und vier Scania 143 Sattelzüge mit Tieflader gehörten ebenfalls zu dem Maschinenpark von ODHI.
Mit den eigenen Lkw konnte wesentlich mehr Material transportiert werden und die Transporte der schweren Bagger war durch die vier Tieflader erheblich schneller und auch endlich planbar.
Die Mitarbeiterzahl von Organisation de développement et de secours pour l’humanité et les infrastructures wuchs in Kambodscha mit oder durch UNTAC auf 50 Europäer und fast 600 kambodschanische Mitarbeiter an.

Der erste Bauabschnitt von dem damaligen Projekt war fertig. Arthur und Asger hatten mit ihren zwei Abschnitte noch bis Anfang 95 ihre Arbeit. Niemand traute Hannes im Frühjahr 1990 diese Zeitvorgabe zu. Asger blieb in der Provinz Svay Rieng und hatte dort zwei neue Teamleiter dabei. Da Hannes dieses Projekt seit drei Jahren leitete, war er auch öfter in Svay Rieng bei Asger.

Da Patricia und Hannes ihr Haus in Nakhon Ratschasima hatten, wollte Hannes das dritte Wasserbauprojekt im Nordosten leiten. So war gegeben, dass sie am Wochenende die 200 Kilometer nach Hause fahren konnten.
Patricia leitete seit diesem Jahr eine Schule in Chong Kal – noch in einem Zelt, aber Dhani war schon am Bau einer Schule beschäftigt.

Das Team von Patricia wuchs in Kampang Rou auf drei weitere Lehrer an. Levi und Patricia arbeiteten zeitweise schon für das Bildungsministerium und würde im nächsten Jahr zur Hälfte für das Ministerium in Phnom Penh und UNICEF arbeiten.
Mit den Erfahrungen von Kampang Rou und Khsaetr, wurden nach gleichem Schema neue Schulen in anderen Provinzen aufgebaut. Das ursprüngliche Lehrerteam von Patricia war maßgeblich an einer komplett neuen Schulreform in Kambodscha beteiligt. Mit diesen fünf Menschen, war ein Grundstock geschaffen worden, welcher für die Nachfolgenden Lehrer nur von Vorteil waren.
Da Hannes, Patricia und Levi quasi die Basis an der Front waren, hatten sie gute Argumente in der Hand, wodurch auch UNICEF profitierte. Die Schulgebäude konnte durch die Gleichheit von Dhani´s Bauweise korrekt geplant und finanziert werden. Hattie erwies sich als starke und treibende Kraft im Team, wodurch seit Anfang des Jahres noch fünf europäische Lehrer hinzu kamen. So konnten in den Provinzen Svay Rieng, Prey Veng und Oddar Meanchey wenigstens noch ein paar Schulen aufgebaut werden. Diesen Provinzen standen Gouverneure vor, die im denken und handeln gleich waren wie Major Bourey Duong, über ihn kamen auch die Kontakte. Der Gouverneur von Oddar Meanchey war Rangsey Choem, ein weltoffener, kluger und sehr sympathischer Mann. Sakngea Khin, der Gouverneur in der Provinz Prey Veng, kannte Hannes schon seit 1992. Auch er zählte zu den Menschen, denen Hannes und Bourey vertrauten.

Hannes als School Project Manager und Hattie als Managerin of Education and Health bei UNICEF, Patricia und Levi im kambodschanischen Bildungsministerium, Rangsey und Sakngea als gewählte Gouverneure und Bourey im Hintergrund der Politik, war eine bauliche, politische und schulische Basis aufgebaut von dem Kambodscha profitierte. Sieben Leute bewegten mehr als 21.000 Mitarbeiter bei UNTAC.

Bei ODHI in Reims

Am frühen Mittwochnachmittag waren Bernhard und Hannes in Reims eingetroffen. Stephane war froh, Hannes wieder zu sehen. Das letzte Mal war Stephane im Oktober und Dezember 92 mit den neuen Mitarbeiter in Kambodscha gewesen.
Nachdem im Büro alles relevante zügig besprochen wurde, schob Stephane ein Schreiben über den Tisch zu Hannes.
„Ministère de l’Affaires étrangères. Was soll dies nun?“ Fragte Hannes und legte den Kopf zur Seite.
„Du, ich, wir, sollen in die Quai d’Orsay kommen. Monsieur Alain Juppé möchte dich sehen.“ „Schick ihm ein Foto.“ Stephane sah Hannes in die Augen „Hannes! Das Außenministerium gab dir viel Geld für deine Schulen, dann solltest du dich auch dort blicken lassen.“ „Eben war es noch Wir – nun ich. Du weißt, dass ich diese Publicity nicht mag. Du warst es, der die Gelder besorgt hatte. Ich habe nur gebaut. Fahr du nach Paris und genieße die Canapés und den Champagner. Lass mich aus dem Spiel.“ „Bernhard, sag du auch etwas.“ „Ah, wenn der Feigling-Chef nicht mehr weiter weiß, holt er sich Unterstützung. Willst du auch noch Jean um Unterstützung bitten? Komm, ist gut. Bevor du noch auf die Knie gehst, fahre ich mit euch nach Paris. Wann ist dieses Treffen?“
Ein breites grinsen war im Gesicht von Stephane zu sehen „Am 9. Juni ist das erste Treffen im Außenministerium, zwei Tage später im Élysée-Palast.“ „Élysée-Palast? Stephane, auch wenn ich kein Franzose bin, ist mir die Adresse vom Außenministerium und jene vom Regierungssitz bekannt. Darf ich fragen, seit wann du diesen Termin weißt?“ „Seit dem 24. Mai.“ „Aha! Und das sagst du mir erst heute?“ „Ja, hätte ich es dir früher gesagt, wärst du nicht nach Reims gekommen. Richtig?“ „Oui! Du kennst mich schon recht gut. Brauch ich für deinen Élysée-Palast noch eine besondere Garderobe?“
Stephane sah zu Bernhard und verzog das Gesicht „Nina geht mit dir einen Smoking kaufen.“
Hannes riss die Augen auf „Ist jetzt nicht dein ernst?!“

Nina, die Personalchefin von ODHI, fuhr mit ihrem Wagen in die 16 Rue Cadran St Pierre in Reims zu einem Herrenausstatter.
Die Tür von dem Geschäft war noch nicht richtig geschlossen, da kamen auch schon zwei Verkäufer auf sie beide zu gestürmt. Sie wurden offensichtlich erwartet und in einem eifer aus Überschwänglichkeit wurden beide begrüßt wie ein Königspaar. „Gott, was hab ich nur verbrochen! Dieser Feigling-Chef“ sagte Hannes und sah zu Nina, sie zog die Schultern hoch. „Nina, für die Preise was eine Jacke kostet, bekomme ich einen Kleinwagen!“ „Smoking. Hannes, Smoking. Keine Jacke.“ „Bitte sag du mir endlich die Wahrheit, was mich in zwei Wochen in Paris erwartet.“ „Ihr bekommt den Ordre national du Mérite verliehen.“ „DEN WAS…?!“ „Den Nationalen Verdienstorden von Frankreich.“
Hannes hatte das Gefühl als ob ihm jemand den Boden unter den Füßen weggezogen hatte.
„Excusez moi s’il vous plait, würden die Herren uns bitte für einen Augenblick entschuldigen.“
Hannes mochte es gar nicht, wenn diese zwei Pinguine ihn befummelten. Er ging mit Nina in Richtung der Schaufenster um eine größere Distanz zu den beiden Verkäufer zu bekommen.
„Nina, was soll das? Zum einen hat Patricia bei weitem mehr getan als ich. Sie ist es, die den Kinder lesen und schreiben lernt. Sie ist die Hauptfigur in diesem Spiel! Ich habe nur Gebäude gebaut und am wenigsten damit zu tun – bitte akzeptiert dies! Es ist falsch mir eine Auszeichnung zu geben und ihr nicht.“ „Ich sagte ihr! Ihr bekommt den französischen Verdienstorden verliehen!“ „Patricia ist in Kambodscha!“ „Nein. Sie sitzt jetzt im Flugzeug und ist auf dem Weg nach Paris.“ „Nina…! Ich kann dies alle nicht glauben! Wusste sie etwas von dieser Verleihung?“ „Nein. Stephane hat dir die Wahrheit gesagt. Das Schreiben vom Außenministerium kam tatsächlich erst am 24. Mai, da warst du aber schon in Deutschland. Hannes, bitte. Es ist die Wahrheit! Du und Patricia bekommt für eure Arbeit eine Auszeichnung, für die andere auf die Knie fallen und ich führe hier mit dir eine Diskussion darüber. Mag sein, dass Stephane ein Feigling-Chef ist –  aber er beschützt dich, er achtet auf dich und bringt dich voran! Er kann es nur nicht so ausdrücken. Wir alle sind unglaublich stolz auf euch und wir als Organisation werden auch Ausgezeichnet! Du steht bei uns auf der Gehaltsliste, Patricia nicht. Trotzdem hat Stephane es ermöglicht, dass Patricia auch diese Auszeichnung bekommt. Dir ist immer noch nicht bewusst, wie Jean und Stephane hinter dir und Patricia stehen!“ „Nina, dies ist alles eine Nummer zu groß für mich! Ich muss zusehen, dass ich nach Paris komme und Patricia morgen abhole.“ „Ist alles gut! Hannes, ich habe mich um alles gekümmert. Du fährst mit dem TGV heute Abend noch nach Paris. Ihr habt ein Zimmer im Hôtel Eiffel Trocadéro. Patricia wird morgen von einem Fahrer am Charles de Gaulle abgeholt. Jetzt komm endlich, dass die Schneider dir deinen Anzug Maß nehmen können! In drei Stunden fährt der TGV.“

Die Lügen für einen Wahn

Ich war bereits mehrmals in und um Danzig in Urlaub. Vorweg, Danzig ist eine wunderschöne Stadt.
Ich war so gut wie in allen Museen in Danzig, Gdynia, Malbork, die Halbinsel Hel und natürlich auf der Westerplatte – wo am 1.September 1939 der Krieg begann.
Durch eine gezielte falsche Propaganda wurde dem Deutschen Volk verkündet: ‚Seit 5.45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen.“

Am 1. September 1939 um 4.45 Uhr eröffnete die „Schleswig-Holstein“ das Feuer auf polnische Befestigungen auf der Westerplatte vor Danzig. 

Heute wissen wir aus der Geschichte, dass Polen an jenem Tag und Uhrzeit NIEMALS geschossen hat.
Mit einer Lüge wurde Deutschland und Europa in wenigen Jahren in Schutt und Asche gelegt.
Mit Lügen verbreiten rechtspopulistische Parteien Angst und Stimmung in der Bevölkerung. Was früher nur Wurfblätter und Radio war, ist heute das Internet.
Tausendfach werden in den Sozialen Netzwerken Lügen, Angst, Hass und Hetzte geteilt. Die Propaganda läuft – und all zu viele begreifen es nicht. Hunderttausende User schreien und schreiben ihren Hass und Unmut gegen die „Lügenpresse“. Sie sind es aber selbst, die tausendfache Lügen verbreiten.

Fotos: Alle Fotos sind privat aus verschiedenen Sonderausstellungen aus Danzig und Gdynia, oder von der Westerplatte.

Die AfD macht immer Stimmung gegen Randgruppen

Viele Bürger in diesem Land sind mit der aktuellen Regierung nicht zufrieden und gar empört.
Ich kann dies alles auch verstehen und nachempfinden.
Eine Partei, die sich als Alternative für Deutschland brüstet, ist alles andere als alternativ.
Wer trotzdem meint sich benachteiligt zu fühlen und Parolen glaubt, wie zum Beispiel: „Die bekommen…“, sollte sich mal die Mühe machen und das Parteiprogramm jener „Alternative“ durchlesen.
Niemand kann heute sagen: „Ich habe es nicht gewusst.“
Dank Internet ist dies sogar vom Sofa aus möglich.

Da fehlen einem die Worte

Der Deutschen Bundestag wird bei einem regulärem Verlauf der Wahlperiode voraussichtlich im Herbst 2025 gewählt. Also noch eineinhalb Jahre – voraussichtlich.

Solche „Meinung“ kann man öffentlich an den Straßen lesen.

Die AfD macht immer Stimmung gegen Randgruppen und hat in den vergangenen Jahren nichts – aber auch gar nichts an konstruktiver Politik gezeigt. Es wird nur blockiert. Kann man sogar im Internet bei der oft zitierten Lügenpresse nachlesen.

Ich hätte da doch mal eine Frage. Was ist die Lügenpresse überhaupt? Mir fällt da nur eine Boulevardzeitung mit vier Buchstaben ein. Jenes Fachblatt für Hass, Hetzte und Übertreibung soll plötzlich der Maßstab der Presse sein? Sorry, ich wickel dort noch nicht einmal einen Fisch ein.

Mit Angst macht man Stimmung

Mit Angst macht man Stimmung in der Bevölkerung. Dies kann man jeden Morgen in schwarzen Großbuchstaben für ein paar Cent auf jenem Fachblatt sehen.
Die AfD schlägt in die gleiche Kerben. Nur bezahlen wir diese „Abgeordneten“ jeden Monat für ihren Hass, Hetzte und Lügen.

Wer sich mal die Geschichte anschaut, wird parallelen zu der dunkelsten Epoche in Europa sehen. Der Flächenbrand an Rechtspopulismus greift in Europa immer weiter um sich.
Wollen wir ins Jahr 1938 wieder zurück?

Es ist immer leicht, Migranten und Randgruppen für alles verantwortlich zu machen. Das die Politik und der Kapitalismus durch irrsinnige Subventionen Länder in Afrika oder Asien an die Wand drückt, sehen viele Mitbürger nicht. Länder und Menschen werden ausgebeutet und zerstört. Wenn dann jene Menschen bei uns vor der Tür stehen, ziehen wir die Grenzen und bauen höhere Zäune. Wir wollen deren Bodenschätze und liefern im Gegenzug unseren Müll oder nicht gebrauchte Lebensmittel(teile) die selbst McDonalds oder andere Fastfood Ketten nicht möchte.
Wir zerstören die Landwirtschaft in Westafrika und sorgen für noch mehr Armut in jenen Ländern, weil man diesen Menschen die Existenz zerstört.

Es werden Kriege geführt, die außer Leid, Tod und Vertreibung nichts bringen. Die Rüstungsindustrie freut sich und so werden immer weiter Waffen exportiert und Flüchtlinge importiert.

Gehen wir mal ins Jahr 2015 zurück, als viele Flüchtlinge aus Afghanistan und Syrien sich auf den Weg nach Europa machten.
Am Anfang war es Flüchtlingsstrom, dann eine Welle, dann eine Flut und am Ende sogar eine Invasion.
Die Konjugation ist der Schlüssel für diese Angst der Bevölkerung.
Es gab und gibt immer eine Steigerung, um noch mehr Angst zu schüren.

Fazit:
Aus Angst wird Wut. Aus Wut wird Hass. Der Hass ist die Lunte am Pulverfass.

Naike Juchem, 4. Februar 2024

Als Häftling geboren

Am 18. September 2015 sprach Ingelore Rohde in der Gedenkstätte Hinzert über ihr Schicksal. Ingelore ist das Kind aus einer Verbindung eines deutschen Mädchens mit einem polinischen Zwangsarbeiter und wurde im KZ Ravensbrück geboren.

Auszüge aus der Rede von Ingelore Rohde

,,Der 57. Jahrestag der Befreiung im Jahr 2002 stand unter dem Thema Kinder im KZ Ravensbrück‘. Dort habe ich mich erstmals öffentlich getraut, zusammen im Kreis mit anderen, Kindern über mein Schicksal zu sprechen. Immer hatte ich große Scheu davor, im Mittelpunkt zu stehen. Bis dahin hatte meine, Überlebensstrategie unbewußt darin bestanden, klein und fast unsichtbar zu sein, nur nicht aufzufallen. Jetzt waren viele Augen auf mich gerichtet und das Sprechen ist mir sehr schwer gefallen, aber ich habe es geschafft. Das war sicher auch ein wichtiger Schritt für mich hinsichtlich der Aufarbeitung meiner Vergangenheit. Ich bin im April 1944 im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück geboren. Meine Mutter wurde am 1. 12. 1943 – im 5. Monat mit mir schwanger – nach Ravensbrück deportiert. Sie war zu dem Zeitpunkt 19 Jahre alt. Ich bin also sowohl Tochter eines Häftlings, als auch selber Häftling gewesen. Ich bin quasi als Ravensbrück-Häftling zur Welt gekommen. Ende April 1945 mußte meine Mutter mit mir, dem einjährigen Kind und tausenden anderen Frauen auf den sogenannten ,Todesmarsch‘. In Malchow/Mecklenburg wurden wir am 2. Mai 1945 von den Russen befreit. Bevor ich meine eigene Lebensgeschichte weiter erzähle, möchte ich Ihnen noch ein paar Informationen über Ravensbrück geben, die Vielleicht nicht allen hier Anwesenden bekannt sind. Die heutige Mahn-und Gedenkstätte liegt ca. 90 km nördlich von Berlin, in unmittelbarer Nähe des kleinen Städtchens Fürstenberg am Schwedt-See. Das Lager ist 1938/39 von männlichen Häftlingen des KZ Sachsenhausen Errichtet worden. Insgesamt waren bis zur Befreiung des Lagers Ende April 1945 ca. 130 000 Frauen, sowie fast 900 Kinder dort inhaftiert. Bei der Aufnahme bekamen sie außer gestreifter Häftlingskleidung einen sogenannten, Winkel‘. Das war ein Stoffdreieck, dessen Farbe erkennen ließ, welcher Gruppe von Häftlingen sie zugeordnet wurden. Die politischen Häftlinge bekamen einen ,roten‘ Winkel, die Kriminellen einen, grünen‘, die sogenannten Asozialen einen ,schwarzen‘ und die Bibelforscherinnen mussten einen violetten Winkel an ihrem linken Ärmel tragen. Die Jüdinnen erhielten den jeweiligen Winkel und darüber noch einen zweiten gelben, so dass die Form eines Davidsterns entstand. Außer dem Winkel bekamen sie noch eine Häftlingsnummer, mit der sie sich fortan zu melden hatten. Ihre bürgerlichen Namen existierten nur noch auf den Registrierkarten. Als Haftgrund für meine Mutter steht auf der Zugangsliste, Verkehr mit Polen‘. Allen Frauen, die sich mit sogenannten „Fremdvölkischen‘ eingelassen hatten, wurden bei der Aufnahme ins Lager, als besondere Demütigung, die Köpfe kahl geschoren. Meine Mutter bekam den roten – den politischen Winkel und die Häftlingsnummer 25 214. Von den, echten‘ politischen Häftlingen, die aktiv gegen das Naziregime gekämpft und Widerstand geleistet hatten, wurden diese Frauen etwas abfällig, Bettpolitische‘ genannt.“

Weiter sprach Ingelore ,,Es ist bekannt, dass rund 900 Kinder von 1939 bis 1945 im Lager zur Welt gekommen sind, aber nur rd. 2-3% überlebten. Insbesondere waren es solche, die in den letzten Wochen des Bestehens des Lagers zur Welt kamen und das Glück hatten, bald befreit zu werden. Ich bin eines der wenigen Kinder, das wie durch ein Wunder 1 Jahr in Ravensbrück überlebt hat. Die meisten Kinder hatten einfach keine Überlebenschancen. Viele wurden unmittelbar nach der Geburt von Aufseherinnen getötet, sie wurden ertränkt, sie verhungerten, weil die Mütter sie nicht versorgen konnten oder sie erfroren… Ich kann nur ahnen, wieviel Kraft es kostete, ein Kind, noch dazu einen Säugling, unter diesen erbärmlichen Umständen am Leben zu erhalten. Aber ich denke, ohne diese Solidarität in den jeweiligen Blocks hätte kein Kind überleben können. Einmal nahm mich eine Ravensbrückerin tröstend in den Arm und sagte zu mir: „Hier in Ravensbrück hast du viele Mütter gehabt. Deine junge Mutter allein hätte dich ohne Solidarität und Kameradschaft der anderen nicht am Leben erhalten können. Du bist bestimmt von Arm zu Arm gegeben worden und alle wollten dich beschützen. Ein Gedanke, der immer wieder ein warmes und dankbares Gefühl in mir auslöst, allen unbekannten Frauen gegenüber, die mein Überleben mit ermöglicht haben. Umgekehrt waren Kinder für die Frauen aber auch der Inbegriff von Hoffnung, sie weckten Mitleid und Erinnerungen an die eigene Familie und ließen zumindest zeitweise die eigene Hoffnungslosigkeit vergessen.“

Fotos: privat

Der Wahn im Nationalsozialismus

Stolpersteine Über 50.000 sind es mittlerweile – und es kommen immer wieder neue hinzu.

Der zweite Weltkrieg und somit der Wahn des faschistischen und nationalistischen Deutschland sind nun 79 Jahre her. Die Erinnerungen an den Rassen- und Größenwahn mit einer völkischen Einheit hatte Deutschland und Europa in ein Chaos gestützt.

Autorin: Naike Juchem

Viele Zeitzeugen gibt es immer noch und sie alle warnen vor einem erneuten aufblühen von nationalistischen, rechtspopulistischen und rechtsextreme Gedanken und gar Parteien.
Wir erleben seit Jahren einen Anstieg von rechtspobulistischen Parteien in ganz Europa und auch in Deutschland. Die Wahlergebnisse der AfD in Deutschland sind erschreckend und offensichtlich ist vielen derer Wähler ihr Gedankengut und öffentliches Parteiprogramm nicht bekannt.

Wehret den Anfängen, denn es darf niemals wieder zu einer der dunkelsten Epochen auf dem europäischen Kontinent kommen.

Lesung im Schloss Birkenfeld anlässlich des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus

Ich war heute, am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, auf einer Lesung bei der es um den polnischen Zwangsarbeiter Mieczyslaw Tatarek und der Hunsrücker Bauerntochter Frieda ging.
Im Anschluss der Lesung hatte ich eine Unterhaltung mit Gisela Henopp, geb. Gregorius, Tochter von Frieda Gregorius.

Die Geschichte von Frieda Gregorius und Mieczyslaw Tatarek ist genau so erschütternd, wie die Geschichte und Leben von Gisela Henopp, geb. Gregorius.
Ich schreibe diese Lesung nur in Auszügen, denn alles zu schreiben, wären es dutzende Seiten, und zum anderen möchte ich einen kleinen Einblick in die Persversität eines kranken Weltbild von dem Nazi-Deutschland geben.

Gisela Henopp, geb. Gregorius bei der Lesung über ihre Geschichte im Schloss Birkenfeld

Am 24. Oktober 1942, einen Tag vor der Geburt von Gisela Gregorius, spricht der deutsche Literaturnobelpreisträger Thomas Mann in einer seiner von der BBC nach Deutschland gesendeten 55 Radioansprachen zu seinen Landsleuten:
,,Deutsche Hörer, die Entdeckung Europas durch die Nazis ist nicht nur eine mißgeschaffene, sondern vor allem eine recht verspätete Entdeckung. Diese mörderischen Provinzler fangen an von Europa zu salbadern, in dem Augenblick, wo diese Idee selbst schon einen deutlich provinziellen Geruch anzunehmen begonnen hat. Ich glaube, der, den der Jugendführer Schirach ‚den kranken alten Mann im Weißen Hause‘ nennt, Roosevelt, weiß besser als er in Zeit und Welt Bescheid, wenn er sagt: ‚Der alte Ausdruck westliche Zivilisation paßt nicht mehr. Die Weltereignisse und die gemeinsamen Notwendigkeiten der Menschheit sind im Begriff, die Kulturen Asiens, Europas und der beiden Amerika zu vereinigen, und, zum ersten Mal, eine Welt-Zivilisation zu formen.“

Am Sonntag, dem 25. Oktober 1942, meldet das Oberkommando der
Wehrmacht: ,,Im Kampf um Stalingrad wurden in hartnäckigen Einzelkämpfen bis auf eine Halle alle restlichen Fabrikanlagen des Werkes ,,Roter Oktober“, ausgebaute Stellungen und Häuserblocks sowie der nördliche Vorort Spartakowka bis auf einzelne Häuser genommen.
Das am Vortag gewonnene Stadt- und Werksgelände ist von den Resten des Feindes gesäubert. Entlastungsangriffe brachen zusammen. Die schweren Luftangriffe auf die feindlichen Stützpunkte in Stalingrad und die sowjetischen Nachschubverbindungen ostwärts der Wolga gingen mit unverminderter Kraft weiter.
In Ägypten trat der Feind in breiter Front nach heftiger Artillerievorbereitung mit starken Infanterie-und Panzerverbänden unter Einsatz zahlreicher Luftstreitkräfte zu dem erwarteten Großangriff an. Zur Zeit sind erbitterte Kämpfe im Gange. Der Feind verlor bisher 20 Flugzeuge und zahlreiche Panzer.
Wie durch Sondermeldung bekanntgegeben, wurden von deutschen Unterseebooten, obwohl auch weiterhin schwere Herbststürme die Operationen beeinträchtigten, in harten Kämpfen aus stark gesicherten Geleitzügen und in zäher Einzeljagd im Nordatlantik, im Eismeer, vor der kanadischen Küste, bei Trinidad, vor der Kongo-Mündung und vor Kapstadt 16 Schiffe mit 104 000 Bruttoregistertonnen sowie ein Zerstörer versenkt.“

Das BDM-Mädchen Erika schreibt ihrem Onkel nach Rußland: ,,Habt ihr das Russenpack bald alle vernichtet?“

An diesem Sonntag schreibt der 20jährige Wolfgang Borchert, nach Untersuchungshaft wegen vermuteter Selbstverstümmelung wieder beim
Heer, an seine Eltern in Hamburg: ,,Saalfeld, den 25. Oktober 42
Ihr beiden Guten!
Heute ist hier ein wunderbarer Sonntag, die Stimmung des herrlichen Wetters hat mir auch etwas abgegeben und ich kann ganz unbeschwert atmen.
Ich werde mich nun nicht mehr von den Übergängen beirren lassen. Das äußere Leben hat für mich seinen Schrecken verloren und wird mich nicht mehr treffen – innerliche Prüfungen aber werden immer nur eine Bereicherung für die Seele sein. Was ist denn groß angesichtes der Sterne, daß es uns aus der Bahn werfen könnte! ..Und wenn die Sterne ihre Bahn verlassen, wer sagt uns denn, daß es nicht geschieht, um sich in eine noch größere Ordnung zu fügen!“

Wenig später wird der junge Dichter Borchert nach einer Goebbels-Parodie – ,,Lügen haben kurze Beine“ – von einem Stubenkameraden denunziert, erlebt dann in Rußland die Schrecken des Krieges und schreibt kurz nach Kriegsende die berühmte Kurzgeschichte ,,An diesem Dienstag“.
,,Die Woche hat einen Dienstag. Das Jahr ein halbes Hundert. Der Krieg hat viele Dienstage.“

An diesem Dienstag übten sie in der Schule die großen Buchstaben. Die Lehrerin hatte eine Brille mit dicken Gläsern. Die hatten keinen Rand. Sie waren so dick, daß die Augen ganz leise aussahen.
Zweiundvierzig Mädchen saßen vor der schwarzen Tafel und schrieben mit großen Buchstaben:
‚Der alte Fritz hatte einen Trinkbecher aus Blech‘.
‚Die dicke Berta schoß bis Paris.‘
‚Im Krieg sind alle Väter Soldat.‘

Ulla kam mit der Zungenspitze bis an die Nase. Da stieß die Lehrerin sie
an. „Du hast Krieg mit ch geschrieben, Ulla. Krieg wird mit g geschrieben. G wie Grube. Wie oft habe ich das schon gesagt?“ Die Lehrerin nahm ein Buch und machte einen Haken hinter Ullas Namen. „Zu morgen schreibst du den Satz zehnmal ab, schön sauber, verstehst du?“ „Ja“, sagte Ulla, und dachte: Die mit ihrer Brille.

An diesem Dienstag saß Ulla abends und malte in ihr Schreibheft mit großen Buchstaben:
Im Krieg sind alle Väter Soldat.‘
Im Krieg sind alle Väter Soldat.‘
Zehnmal schrieb sie das. Mit großen Buchstaben. Und Krieg mit G. Wie Grube.

In den ,,Meldungen aus dem Reich“ berichtet an diesem Sonntag der Sicherheitsdienst der SS, der überall im Land seine Lauscher und Horcher hat, an die Zentrale in Berlin:
„Die von Reichsminister Dr. Goebbels in Gotenhafen gehaltene Rede hat im Nordosten des Reiches große Beachtung und positive Aufnahme gefunden. Der von Dr. Goebbels in der Rede gebrachte Vergleich zwischen der ‚Halbzeit im Fußballspiel‘ und der jetzigen Kriegslage hat vielfach zu der falschen Auffassung geführt, daß der Krieg nochmals drei Jahre dauern werde. Mißverstanden wurde auch der Hinweis, daß dieser Krieg um ‚Eisen, Öl und Weizen gehe.‘
Von Angehörigen Gefallener wird hierzu entgegengehalten, daß ihre Soldaten für Deutschlands Freiheit und die Abwehr des Bolschewismus, nicht aber für materielle Dinge gefallen seien.“

An diesem Sonntag, dem 25. Oktober 1942, wird im Hunsrückdorf Budenbach Gisela Gregorius geboren.
Die Geschichte ihrer Eltern ist schnell erzählt: Giselas Mutter, Frieda Gregorius, Bauerntochter und einziges Kind ihrer Eltern, wird am 10. Januar 1944 von der Gestapo von zu Hause abgeholt und dann ,,dem Amtsgericht Kirchberg vorgeführt“, so die Notiz auf ihrer ,,Ordnungskarte“.
Ihr Töchterchen Gisela sieht sie nie wieder: Am 11. Mai wird sie als ,,politischer Häftling“ ins Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück eingeliefert. Dort stirbt sie, 31 Jahre alt, Anfang Dezember 1944.

Giselas Vater, der polnische Zwangsarbeiter Mieczyslaw Tatarek, ist bei der Geburt seine Tochter schon nicht mehr im Dorf. Bereits am 24. August 1942 wurde er festgenommen und in ein Koblenzer Gefängnis gesteckt:
,,wegen Geschlechtsverkehrs mit einem deutschen Mädchen“ – so steht es auf der Karteikarte der Geheimen Staatspolizei Koblenz. Bei ihm scheint zunächst geprüft worden zu sein, ob er „eindeutschungsfähig“ sei. Das war er wohl nicht, möglicherweise seiner geringen Körpergröße wegen.
Jedenfalls landet er nicht in dem für ,,Eindeutschungsfähige“
vorgesehenen KZ Hinzert, sondern am 3. März 1943 im KZ Natzweiler im Elsaß, das er möglicherweise überlebt hat:
Am 14. Mai 1946 stirbt im Städtischen Krankenhaus München-Schwabing ein 29 Jahre alter ,,polnischer Wachmann“ namens Michzyslaw Tatarek.
Als Todesursache nennt die Sterbeurkunde:
„Leberverletzung und Pneumothorax,… Intoxikation infolge Leberschädigung, akute Herz-und Kreislaufschwäche.“
Vermerk: „Der Todesfall wurde beim Amtsgericht München registriert, Angehörige waren nicht ersichtlich.“
Möglich ist – und dafür sprechen die dramatischen Todesumstände – daß sich in den Wirren des Kriegsendes ein Aufseher im KZ Natzweiler der Papiere des dort schon Verstorbenen bemächtigt hat, um ungeschoren davonzukommen.

Ein Text aus: Sarah Helm, ,,Ohne Haar und ohne Namen – Im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück“;
englischsprachige Originalausgabe 2015; deutschsprachige Ausgabe durch die Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 2016, S 385f: ,,Die Kluft zwischen Theorie und Realität war 1944 nicht nur innerhalb des Lagers, sondern überall in Himmlers Imperium deutlich zu erkennen. Der Reichsführer hatte angeordnet, die Todesraten zu reduzieren und gute Arbeitskräfte am Leben zu lassen. Stattdessen aber stieg die Zahl der Toten an und ein neues Krematorium wurde errichtet, um der Situation Herr zu werden.
Himmlers Ernährungstheorien änderten sich laufend. Er hatte gerade erst neue Richtlinien für die Lagerkost herausgegeben, um damit die Arbeitsleistung zu verbessern. Bis zu 50 Prozent des Gemüses in der Häftlingssuppe sollte roh sein und erst kurz vor dem Austeilen beigefügt werden. Die Mittagsmahlzeit sollte aus eineinviertel bis anderthalb Litern Suppe bestehen – nicht klar, sondern püriert. Des Weiteren hatte Himmler darauf bestanden, dass die Gefangenen Zeit und , Ruhe zur Nahrungsaufnahme bekamen, sodass die Verdauung ordentlich erfolgen konnte. Wie jedoch klar war, wirkten die rohen Wurzelgemüse auf die ausgemergelten Körper der Lagerinsassen verheerend und verursachten Krätze und Geschwüre. Was die Ruhe zur Nahrungsaufnahme anging, so waren die Blocks mittlerweile derart überfüllt, dass es keinen Platz gab, um sich überhaupt zu setzen. Die Häftlinge, die für Siemens arbeiteten, marschierten zur Mittagssuppe vom Fabrikgelände zurück ins Lager und hatten so fast überhaupt keine Zeit, um zu essen.“

Die Lagerordnung

Vorderseite:
,,Frau Kath. Gregorius ,22 Budenbach Post Oberwesel (Land)

Rückseite:
,,Meine genaue Anschrift: Schutzhäftling Gregorius Frieda Nr. 38469 Block 6

In allen Briefköpfen der folgende Auszug aus der Lagerordnung: „Jeder Häftling darf im Monat (handschriftlich eingefügt: 1 ) Briefe oder Postkarten empfangen und absenden. Eingehende Briefe dürfen nicht mehr als (handschriftlich eingefügt: 2 ) Seiten à 15 Zeilen enthalten und müssen übersichtlich und gut lesbar sein. Geldsendungen sind nur durch Postanweisung zulässig, deren Abschnitt nur Vor-, Zuname, Geburtstag, Häftlingsnummer trägt, jedoch keinerlei Mitteilungen. Geld. Fotos und Bildereinlagen in Briefen sind verboten. Die Annahme von Postsendungen, die den gestellten Anforderungen nicht entsprechen, wird verweigert. Unübersichtliche, schlecht lesbare Briefe werden vernichtet. Im Lager kann alles gekauft werden. Nationalsozialistische Zeitungen sind zugelassen, müssen aber vom Häftling selbst im Konzentrationslager bestellt werden. Lebensmittelpakete dürfen zu jeder Zeit und in jeder Menge empfangen werden.
Der Lagerkommandant“

Einer der Briefe von Frieda Gregorius aus dem Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück

Der erste Brief von Frieda Gregorius an ihre Mutte, bzw. Kind
,,Ravensbrück, 9. 7. 1944
Ihr Lieben! Bin seit einiger Zeit hier. Es geht mir gut hoffe dasselbe auch von Euch. Was macht denn Gisela noch? Liebe Mutter gib mir immer gut [….? ] (Einige Passagen aus dem original Brief sind nicht mehr lesbar)
Und ziehe es gut an. Brief und Paket habe ich erhalten auch meinen herzlichsten Dank dafür. Pakete mit Brot, Kuchen, Marmelade und sonstige Lebensmittel sind jederzeit zugelassen. Speck und Zucker auch Schmalz nebst Haferflocken darf ich empfangen. Geld habe ich auch erhalten vorläufig mal genug.
Habt ihr auch Kirschen eingeweckt? Dann denke auch an mich. Wie weit seid Ihr mit der Ernte? Und was du nicht schaffen kannst, bleibe? Später werde ich dir wieder helfen. Wie geht es denn Fam. ? noch? s gibt es denn sonst noch neues bei Euch?
Davon.
Und was gibt
Viele herzliche Grüße auch Gisela.
Frieda

Zweiter Brief von Frieda Gregorius aus dem Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück, Sept. 1944

Liebe Mutter und Gisela! Deine drei Pakete u. Brief habe ich dankend u. mit großer Freude u. mit gutem Inhalt erhalten. Wie geht es Euch noch? Was macht denn Gisela ist das Kind auch immer brav? Möchte es doch sehen habe großes Verlangen danach. Mir geht es nochgut. Wenn du jede Woche mit einem Lebensmittelpaket an mich denken würdest, ich wäre sehr dankbar. Hast du nicht vielleicht außerdem noch einige Zwiebel Knoblauch, mal so gerne feines Salz und wenn es geht, u. hast es, etwas Bienenhonig, Formkuchen u. Streuselkuchen u. weißen dicken Kuchen schmeckten auch so gut. Schicke mir 1 paar Strümpfe mit u. Kopftuch. Wie weit seit Ihr mit der Ernte?
Viele Grüße von Frieda

Aus dem Buch von Christa Wagner, ,,Geboren am See der Tränen“, 1987 in der ehemaligen DDR erschienen:
,,Als man den Häftlingen gestattete, sich Lebensmittel schicken zu lassen, dachten die Ravensbrückerinnen, es sei dem Internationalen Roten Kreuz und dessen wachsenden Aktivitäten zu verdanken. Sie hatten sich geirrt. Der Gesundheitszustand verschlechterte sich nämlich von Tag zu Tag rapid, folglich sank die Arbeitsproduktivität und mit ihr die Profitrate. Das NS-Regime entlastete sich selbst durch dieses scheinbare Entgegenkommen, belastete die Angehörigen der Inhaftierten mit Verpflegungssorgen und gab sich obendrein den Anstrich, großmütig, human, großzügig zu sein.
Übrigens bedienten sich die SS-Mannschaften als erste. Sobald Pakete eintrafen, raubten sie alle hochwertigen Nahrungs-und Genußmittel.“

Aus den beiden folgenden Briefen von Frieda ist jeweils links ein Stück herausgerissen. Somit ist nicht alles lesbar.

Ravensb. Okt. 1944
„Ihr Lieben alle! Brief und 3 Pakete habe ich dankend erhalten… Nach Äpfel habe ich furchtbaren Appetit, aber bitte allein schicken. Und was gibt es sonst noch neues bei Euch? Bitte schreibt mir immer. Habt Ihr die Ernte gut eingebracht? Hätte Euch gerne geholfen. Für Gisela laß ein Mäntelchen nähen für jeden Tag, das es ihm nicht so kalt wird… Frieda.“

Ravensbrück, Okt. 1944
„Ihr Lieben alle! Habe Euren lieben Brief erhalten herzlichen Dank. Wie ist es denn mit einem P….habt Ihr mich vergessen? Mir geht…es auch von Euch. …es Gisela denn dem armen…
Habt Ihr auch noch Hasen?
…Appetit darauf auch noch… Kuchen, Brot und sonstigen…sind auch erlaubt. Lege doch bitte dem nächsten Paket auch einen Staubkamm bei und einige Taschentücher ziemlich große von Dir. Liebe Mutter hast Du auch Obst gesorgt für den. Winter? Hauptsächlich Äpfel. Bitte vergeßt mich nicht und laß Dir nicht so viel einreden. Schreibe mir bald….was neues. Gruß Frieda“

Und nun Friedas letzter Brief, auch hier links ein Stück herausgerissen;
z. B. die Stelle:
manches nur schwer verständlich, z ,,hoffentlich auch bei Ihnen“:

Ravensbrück, Dezember 1944
Ihr Lieben! Habe Euern Brief erhalten, auch herzlichen Dank, aber wo blieb das Paket? Wann ich nach Hause komme, das weiß ich nicht. Mir geht es gut, hoffentlich auch bei Ihnen. Wenn die mal wieder schicken, so denke bitte an mich. ….wird sicher schon groß sein….acht auf das Kind. Kannst..nn(?) von sonst niemand machen…? Was gibt es denn sonst neues? Ich darf ja nur einmal im Monat schreiben. Du kannst schon mal mehr schreiben. 1 Paar dicke Fausthandschuhe hätte ich gerne. Ich brauche doch nicht immer zu schreiben Du (weißt? mußt?)….( Gruß?) Frieda.

Kurz vor Weihnachten dann der Brief vom Lagerkommandanten Fritz Suhren.
Ravensbrück, den 18. Dezember 1944.
„Sehr geehrte Frau Gregorius! Ihre Tochter, Frieda Gregorius geb. 23. 5. 1913 in Budenbach, Krs. Simmern, meldete sich am 4. 12. 1944 krank und wurde daraufhin unter Aufnahme im hiesigen Krankenhaus in ärztliche Behandlung genommen. Es wurde ihr die bestmöglichste medikamentöse und pflegerische Behandlung zuteil, Trotz aller angewandten ärztlichen Bemühungen gelang es nicht der Krankheit Herr zu werden. Ich spreche Ihnen zu diesem Verlust mein Beileid aus. Ihre Tochter hat keinen letzten Wunsch geäußert. Ich habe die Gefangeneneigentumsverwaltung meines, Lagers angewiesen, den Nachlass an den erbberechtigten Empfänger zu senden.

Suhren
SS-Sturmbannführer

Naike Juchem, 27. Januar 2024

Mit freundlicher Genehmigung der Theatergruppe Birkenfeld und Gisela Henopp, geb. Gregorius.

Wilhelm Gustloff

Die Wilhelm Gustloff                            Photo by Pinterest

Am 5. Mai 1937 war der Stapellauf das deutschen Kreuzfahrtschiff „Wilhelm Gustloff“ in Hamburg. Adolf Hitler war bei der Tafe zugegen.

Autorin Naike Juchem

Die Zeit von ihrer Indienststellung bis zur Übergabe als Lazarettschiff, im September 39, war für die „Gustloff“ ziemlich unspektakulär. Nach dem Kriegsbeginn wurde die „Wilhelm Gustloff“ der Kriegsmarine als Lazarettschiff übergeben und lag als Wohnschiff in Gotenhafen – dem heutigen Gdynia.

Bei ihrer Versenkung durch das sowjetische U-Boot S-13 vor der Küste Pommerns, kamen am 30. Januar 1945 mehr als 10.000 Menschen ums Leben – genau weiß es niemand.
Bezogen auf ein einzelnes Schiff gilt der Untergang der „Wilhelm Gustloff“ als die verlustreichsten Schiffskatastrophen der Menschheitsgeschichte.

Im Januar 1945 rückt die Rote Armee immer weiter vor, und so sollte die „Wilhelm Gustloff“ als eines der letzten Schiffe Soldaten und Flüchtlinge aus Ostpreußen über die Ostsee nach Westen bringen.
Da die „Gustloff“ war inzwischen militärisch grau gestrichen – obwohl für neutrale Schiffe nach internationalem Seerecht die Farbe Weiß vorgeschrieben war.

Die letzte Fahrt der „Wilhelm Gustloff“ mit fatalen Fehler

Kapitän Petersen und drei weitere Kapitäne waren an Bord. Sie kannten die drohende Gefahr durch sowjetische U-Boote, konnten sich aber nicht auf ein angemessenes Vorgehen einigen und rungen stundenlang miteinander um eine Antwort auf die Frage, wie und wann das Schiff seinen gefahrvollen Weg nehmen sollte. Der militärische Kommandant, 
Korvettenkapitän Wilhelm Zahn, schlug vor, abgedunkelt durch flache Küstengewässer zu fahren, in denen U-Boote nicht operieren konnten. Er setzte sich jedoch nicht gegen Kapitän Petersen durch, der sich angesichts der Überladung des Schiffes für eine Route durch tiefes Wasser nördlich entlang der Stolpe-Bank 
entschied.
Die letzte und todbringende Reise der „Gustloff“ beginnt um 13:10 Uhr. Mit schätzungsweise über 10.000 Menschen an Bord. Darunter 162 Verwundete, rund 340 Marinehelferinnen und 1.100 U-Bootsoldaten.
Zum Zeitpunkt des Auslaufens wurden offiziell 7.956 Menschen registriert. Es wird geschätzt, dass weitere 2.500 Flüchtlinge den Weg auf die „Gustloff“ fanden. Auf Befehl sollten statt der 18 Motorrettungsboote für je 96 Personen nur 4 mitnehmen werden. Bei dem sowieso schon vollausgeladenen Schiff, ist diese Maßnahme nicht nachvollziehbar.

Nach Stop vor der Halbinsel Hel, kam der Befehl zum Weitermarsch, denn die Marinesoldaten der 2. U-Boot-Lehrdivision, sollten nach Kiel gebracht werden, um erneut in den Kriegseinsatz zugehen.
Trotz feindlicher U-Bootwarnung und mangelhafter Geleitsicherung, von zwei Schiffen und später noch durch das Torpedoboot „Löwe“ , setzte die „Gustloff“ ihre Fahrt fort.

Ein vermeintlicher Funkspruch der Kriegsmarine veranlasste Kapitän Petersen zudem die Positionslichter zu setzen, um eine Kollisionsgefahr mit einem angeblich entgegenkommenden Minenlegergeschwader zu verringern. Durch diese Maßnahme war das Schiff in der Dunkelheit auszumachen. Tatsächlich befand sich kein Minensucher auf Gegenkurs mit der „Gustloff“. Anlass und Absender des Funkspruchs konnten nie geklärt werden.

Auf der Höhe von Stolpmünde wurde die „Gustloff“ gegen 21 Uhr von dem sowjetischen U-Boot S-13 gesichtet. Um 21:16 Uhr ließ dessen Kommandant,
Alexander Iwanowitsch Marinesko, aus etwa 700 Metern Entfernung vier
Torpedos abschießen. Ein Torpedo klemmte, drei trafen die „Gustloff“ am Bug, unter dem E-Deck und im Maschinenraum. Durch den Treffer im Maschinenraum brach die Stromversorgung ab.

Notrufe die viel zu spät registriert wurden

Unmittelbar nach der Torpedierung ordnete Kapitän Petersen den diensthabenden Funkern der U-Boot-Lehrdivison die Aussendung eines Notrufs über Funk an. Die „Gustloff“ verfügte über drei Funkanlagen mit größerer Reichweite, die erst drei Tage zuvor in der Werft in Gotenhafen installiert wurden. Durch den Stromausfall an Bord war die Funkanlagen unbrauchbar. Ferner wurden durch die Explosionen an Bord die Röhren der Sender und Empfänger beschädigt. Ein Notruf via Funk durch die Funkstation war also unmöglich, unter anderem auch deshalb, weil die Batterien für den Notbetrieb nicht geladen waren. Auf der Brücke befand sich ein tragbares UKW-Sprechfunkgerät, welches aber über eine sehr geringe Reichweite von wenigen Tausend Metern verfügte, und nur zur Kommunikation innerhalb eines Konvois diente.

Der 20-jährige Funkgefreite Rudi Lange versendete über dieses Funkgerät Notrufe, doch wurden die Funksprüche anfangs von keinem empfangen. Das Torpedoboot 
„Löwe“ verfügte zwar über Empfangsmöglichkeiten, doch war die Station zum Zeitpunkt des Untergangs nicht besetzt. Erst nachdem die Gustloff rote Leuchtsignale geschossen hatte, nahm die „Löwe“ Kontakt mit der „Gustloff“ auf, und verbreitete den Funkspruch um 21:30 auf der Frequenz der U-Bootflotte – aber nicht auf der Frequenz der zuständigen Leitstelle Oxhöft der 9. Sicherungs-Division.
Wegen dieser falsche Frequenz erfuhr die Leitstelle und die angeschlossenen Schiffe viel zu spät vom Notruf der „Gustloff.“

Ein Alptraum unter Deck von einem der wenigen Überlebenden

Der Torpedotreffer mittschiffs hatte das leer gepumpte Schwimmbad im Unterdeck getroffen. Dies war die Notunterkunft vieler Marinehelferinnen. Dort spietlen sich grauenvolle Szenen ab. „Unter den Füßen der Flüchtenden waren Menschenleiber, meist Frauen und Kinder, gefallen, niedergerissen, totgetrampelt“, erinnert sich der Überlebende Heinz Schön, damals ein 18-jähriger Zahlmeister-Assistent. „Willenlos wurde ich nach oben getragen, eingeklemmt in ein tobendes schreiendes Menschenbündel, in dem sich einer an den anderen klammert. Auf den zwei Meter breiten Treppen hoch zu den Decks bildete sich schnell ein Teppich aus Toten. Es starben Schwache, es starben Kinder, und es starben diejenigen, die den Gestrauchelten aufhelfen wollten.“ So Schön in einem Interview.

Der Kampf um die vier Rettungsboote

Vor Heinz Schön stehen zwei Offiziere der Kriegsmarine mit entsicherten Pistolen: „Nur Frauen und Kinder!“ Ein alter Pfarrer drückt Schön ein Baby aus der Entbindungsstation in die Hand, der Pfarrer selbst trägt die Mutter. Ein Leutnant schafft ihnen Platz.

Herbeieilende Schiffe konnten nur 1.252 Menschen retten, darunter alle vier Kapitäne und den Marinemaler  Adolf Bock, dessen Berichte und Bilder später unter anderem im Stern veröffentlicht wurden. Das Torpedoboot „Löwe“, das die „Wilhelm Gustloff“ begleitet hatte, rettete 472 Menschen, das hinzugekommene
Flottentorpedoboot T 36 unter Kapitänleutnant Robert Hering weitere 564 Überlebende aus Booten, von Flößen und aus dem Wasser. T 36 wurde während der Rettungsaktion ebenfalls von S 13 angegriffen, wehrte sich aber mit Einsatz von Wasserbomben, worauf das sowjetische U-Boot abdrehte. 
Das Minensuchboot M 341 rettete 37, der Marinetender TS II 98, das Minensuchboot M 375 43 und der Frachter „Göttingen“ 28 Menschen. Zwei wurden in den Morgenstunden von dem Frachter „Gotenland“ geborgen, sieben von dem Torpedofangboot TF 19, ein Kleinkind vom Vorpostenboot Vp 1703.

Nur wenige Minuten nach den Torpedotreffern passierte der Schwere Kreuzer „Admiral Hipper: die sinkende „Wilhelm Gustloff.“ Der Kommandant der „Admiral Hipper“ entschied jedoch, nicht anzuhalten, um an der Bergung der Schiffbrüchigen teilzunehmen. Seine Begründung, man habe Torpedolaufbahnen gesehen und daher nicht angehalten, wurde von Experten angezweifelt. Da ein U-Boot längere Zeit zum Nachladen braucht, konnte die „Admiral Hipper“ ohne Probleme Kiel erreichen.

Gegen 22:15 Uhr, sank die „Gustloff“ etwa 12 Seemeilen von der pommerschen Küste bei Leba und liegt in 45 Meter Tiefe.

Abschießen die Frage, ob die Torpedierung der „Gustloff“ als Kriegsverbrechen eingestuft werden kann

Einfache Antwort: Nein

Die Torpedierung war kein Kriegsverbrechen, da Wehrmachts Soldaten vor dem Auslaufen der „Gustloff“ notdürftig ein paar Flakgeschütze auf das oberste Deck montierten, galt das Schiff somit als Kriegsschiff.
Die Versenkung war vielmehr eine Tragödie, die in erster Linie durch Gewissenlosigkeit verursacht worden war – nach Stop vor der Halbinsel Hel und dem Befehl zur Weiterfahrt.
Da Hitlers Reichsregierung die Ostsee am 11. November 1944 zum sogenannten Operationsgebiet erklärte und Deutsche Kriegsschiffe den Befehl hatten, „auf alles zu feuerten was schwimmt“, sind sich die Experten einig,  dass die dann auch für den Gegner galt. Außerdem hatte die Sowjetunion nie eine der Konventionen zur Seekriegsführung unterzeichnet.

Heute liegt das Wrack zwölf Seemeilen vor der polnischen Küste, in der Nähe des Kurorts Leba in 45 Metern Tiefe. In polnischen Seekarten ist es als Navigationshindernis Nr. 73 verzeichnet.

Warum mir diese Tragödie so wichtig ist, möchte ich auch gerne schreiben.
Eine meiner Freundinnen kommt aus Polen und deren Mutter war auf dem vorrausfahren Schiff gewesen.
Eine andere Freundin kommt aus Gdynia und durch sie und ihre Schwester habe ich über die „Wilhelm Gustloff“ sehr viel erfahren.
Im Oktober 2020 und September 2021 war ich im Marine Museum in Gdynia und las erschütternde Berichte von Menschen, die in den nachfolgenden Tagen tausende Todesopfer an den Stränden der Danzigerbucht sahen.

Quellen:
– Polanska Radio
– Marine Museum Gdynia
– Dr. Willi Kramer
– Christopher Dobson: Die Versenkung der „Wilhelm Gustloff „

Das Chaos in Afghanistan

Afghanistan ist seit 70 Jahren der Spielball der Nationen und kaum jemand weiß es.

Um die Lage von Afghanistan zu begreifen, muss man die Machenschaften der UdSSR, CIA, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emirate kennen; und zum anderen in der Geschichte weiter zurückgehen.

Autorin Naike Juchem

Ende der 70er Jahren kam Afghanistan hin und wieder in den Medien vor, als die UdSSR in Afghanistan intervenierte. Die UdSSR war eine Weltmacht und sah eine Bedeutung durch die USA mit ihrer Kriegsmarine und Atombomben.
Das Territorium der UdSSR umfasste nach dem zweiten Weltkrieg eine Fläche von 22,4 Millionen Quadratkilometern. Dies war fast ein Sechstel des Festlandes der Erde. Von der West-Ost-Richtung erstreckte sich die UdSSR vom Schwarzen Meer, der 
Ostsee bis hin zum nördlichen Pazifischen Ozean.
Die UdSSR hat trotz dieser gewaltigen Größe keinen geografischen Zugang zum südlichen Pazifik, bzw. Indischen Ozean. Um auch dort mit der seiner Marie präsent sein zu können, wollte man einen Korridor von Usbekistan, was zur Russischen Föderation gehörte, durch Afghanistan und Pakistan. Da Pakistan an der Küste des Arabischen Meeres, eines Nebenmeeres des Indischen Ozeans liegt, wäre der militärische Zugang in den südlichen Pazifik gesichert gewesen.

Dieses Vorhaben scheiterte am Widerstand der Mujahideen, die umfassend mit finanzieller, materieller und personeller Unterstützung aus den arabischen Staaten profitiert habe.  Hier sei die CAI, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Pakistan erwähnt.
Der Begriff Mujahideen verwenden Muslime um diejenigen zu beschreiben, die sich als Krieger im Namen Allahs für den Islam zu kämpfen sehen. Das Wort ist von der gleichen arabischen Wurzel wie der Dschihad – der heilige Krieg.

Ein Sinnloser Krieg gegen einen unsichtbaren Feind

Im Februar 89 beendeten die UdSSR einen Sinnlosen Krieg und zogen sich aus Afghanistan zurück. Was übrig blieb war ein Chaos aus innenpolitischer Zerstrittenheit und ein Land das wirtschaftlich am Boden lag.
Durch den Rückzug der UdSSR sahen sich die Mujahideen als „Arbeitslos“ und durch die Zerstrittenheit der vielen Ethnien im Land, sahen diese nun endlich die Möglichkeit einen Gottesstaat nach ihrem Willen aufzubauen. Auch hier waren Religionsgelehrte aus dem arabischen Raum im Hintergrund.

Kaum ein anderes Land der Welt befindet sich seit so langer Zeit in einem permanentem Kriegszustand. Im Zuge dieses Kriegs wurde das gesamte
Land in Schutt und Asche gebombt; 1,5 Mio. Menschen verloren ihr Leben. Weitere Kriegsfolgen sind die Erblast von über 10 Mio. Anti-Personen Minen ( in keinem anderen Land der Welt liegen mehr Minen), eine Analphabetenrate von über 90 % und
die Flucht von zeitweise bis zu 6,5 Mio. der 14 Mio. Einwohner Afghanistans nach Pakistan und Iran.
Auf den ersten Blick gleicht der Afghanistankrieg einem undurchsichtigen Chaos, in dem andauernd neue Fraktionen auftreten, die sich in ständig wechselnden Koalitionen bekämpfen. Jedoch lassen sich auf den zweiten Blick zwei Konfliktebenen unterscheiden: Zum einen gibt es die internationale Konfliktebene, da der Afghanistankrieg stark von den sicherheitspolitischen, wirtschaftspolitischen und ideologischen Interessen ausländischer Mächte, insbesondere seiner Anrainerstaaten, bestimmt wird. Zum anderen gibt es
die innerafghanische Konfliktebene, auf der zunehmend Ethnizität an Bedeutung gewinnt. Beide Konfliktebenen sind miteinander verzahnt und haben in den Kriegsparteien ihre Überschneidungs-
punkte. Daher wird die Zukunft von Afghanistan nur jene gestalten können, die langfristig die Fraktionen militärisch und politisch behaupten. Da es an ausländischer Unterstützung für die Taliban nicht mangelt, ist ein erneuter Krieg unumgänglich.

Um Afghanistan zu begreifen, muss man in der Geschichte zurückgehen

Ein Reich mit der Bezeichnung Afghanistan existiert seit 1747. Afghanistan in seinen heutigen Grenzen entstand jedoch erst Ende des 19. Jahrhunderts als Pufferstaat zwischen den Interessengebieten der Kolonialmächte Britisch-Indien und
Rußland. In dieser Staatsgründung war das wesentliche Konfliktpotential Afghanistans schon von Anfang an angelegt.
Bei Afghanistan handelt es sich um einen Vielvölkerstaat, in dem über 50 ethnische Gruppen leben. Die größte Ethnie sind die segmentär organisierten Paschtunen, die in verschiedene Stammesverbände zerfallen; die Konföderationen der Durrani und Ghilzai bilden die umfaßendsten paschtunischen Stammeseinheiten. Weitere wichtige ethnische Gruppen sind die Usbeken in Nordafghanistan und die Hazara im zentralen Hochland. Unter der Sammelbezeichnung Tadschiken
wird die persischsprachige, sunnitische Bevölkerung Afghanistans zusammengefaßt.

Die ethnische Vielfalt in Afghanistan drückte sich seit Jahrzehnten in der gesellschaftlichen Schichtung aus. Die Paschtunen erschienen nach außen hin als die staatstragende Ethnie. Sie stellten
von 1747 bis 1973 mit dem Königshaus, das dem durranischen Stammesverband angehört, die Spitze des Landes. Auch die traditionelle Elite bestand in ihrer Mehrheit aus paschtunischen Adligen. Die Tadschiken bildeten das Gros der Mittel-
schicht, weshalb sie die Wirtschaft und staatliche Verwaltung dominierten. Die Usbeken hatten auf den afghanischen Machtapparat nur wenig Einfluß
und waren weitgehend auf ihren Siedlungsraum beschränkt. Die Hazara bildeten aufgrund ihres turko-mongoliden Aussehens und ihrer schiitschen Konfession eine marginalisierte Ethnie, die
weitgehend von der Partizipation an den gesellschaftlichen Ressourcen ausgeschlossen bleibt.

Die CIA tragen eine Mitschuld an dem Chaos in Afghanistan *

Der auf Drogen aufgebauten Irrsinn zeichnete sich ab, als der weltweite Drogenhandel sich auf dem Tiefpunkt seiner jüngeren 200-jährigenGeschichte befand: mitten im Zweiten Weltkrieg. In den USA war der Reinheitsgehalt illegalen Heroins von 28 Prozent 1938 auf nur drei Prozent drei Jahre später gefallen – ein Rekordtief. Zugleich hatte die Anzahl der Süchtigen rapide abgenommen: Nur noch etwa 20.000 waren es1944/45, ein Zehntel derjenigen, die noch 1924 gezählt worden waren.

Ende der 40er Jahre sah es ganz danach aus, als würde die Heroinsucht in den USA ein unbedeutendes Problem werden. Innerhalb eines Jahrzehnts jedoch blühten die Drogensyndikate wieder, die asiatischen Mohnfelder dehnten sich aus, in Marseille und Hongkong schossen Heroinraffinerien aus dem Boden. Der Grund für diese Erholung des Heroinhandels ist in einer Abfolge von CIA-Bündnissen mit Drogenhändlern zu finden.
Die CAI unterhielt sehr enge Kontakte zu korsischen Drogensyndikate in Marseille, nationalchinesischen Truppen in Birma und korrupten thailändischen Polizisten.

* lesen Sie hierzu den externen Berich: Die CIA und ihr Opium

Eine unlösbare Zwickmühle

Die weltweit zunehmende islamistische Gewalt, der Staatszerfall in Asien und Afrika und der daraus resultierende Flüchtlingsstrom nach Europa zwingen die internationale Gemeinschaft, sich verstärkt mit der Befriedung von Krisenregionen und mit gesellschaftlichem Wiederaufbau zu beschäftigen. Wie man aber Lösungen für die Konflikte und Kriege erarbeiten will, sind äußerst schwierig, da zu viele Interessen an politischen, wirtschaftlichen und nicht zuletzt religiösen Gründen auf keine Einheit hinauslaufen werden – und dies auf dem Rücken der zivilgesellschaft ausgetragen werden.

Nach fast 20 Jahre des internationalen  ISAF Einsatz in Afghanistan herrscht in der Öffentlichkeit die Ansicht vor, der ISAF Einsatz sei generell fehlgeschlagen. Zwar waren fast alle militärischen Operationen zur Bekämpfung der Taliban von Erfolg gekrönt, und dennoch gelang es trotz gewaltiger finanzieller und personaler Anstrengungen nicht, eine stabile politische und funktionierende Verwaltung, sowie eine effektive Justiz zu etablieren.
Ebenso ist ein Großteil der afghanischen Bevölkerung der Meinung, die Lasten des Krieges seien ungerecht verteilt worden und sie hätte vom bisherigen Wiederaufbau nicht ausreichend profitiert.
Bei Frauenrechten, Bildung, Gesundheit und Medien kann die internationale Allianz erfolgreiche Erfolge vorweisen, aber leider stehen diese Errungenschaften auf sehr
wackeligen Beinen, da ihnen die ökonomische und gesellschaftliche Unterstützung fehlt.
Die internationalen Beziehungen zwischen Deutschland und Afghanistan gibt es schon seit 1919. Während der kritischen Sicherheitslage von Mitte der 1980er-Jahre bis 2001, hatte Deutschland kein Botschaft in Afghanistan unterhalten. Erst nach der Afghanistan-Konferenz von 2001 wurde wieder ein deutsches Verbindungsbüro in Kabul eingerichtet, das im Folgejahr wieder zur Botschaft aufgewertet wurde. Die deutsche Botschaft war die erste diplomatische Vertretung eines Staates in Afghanistan nach Ende des Taliban-Regimes.
Afghanistan liegt laut der Weltbank beim Investitionsklima auf Platz 162 von 175 untersuchten Ländern. 60 Unternehmen aus Deutschland waren schon kurz nach dem Sturz des Taliban-Regimes in Afghanistan vertreten.
Während die großen deutschen Konzerne zumeist mit Subunternehmen in Afghanistan tätig sind, unterhalten vor allem kleine und spezialisierte deutsche Firmen Vertretungen in dem Land. Siemens baut zum Beispiel das Telefonnetz aus und ist an der Modernisierung von zwei Wasserkraftwerken beteiligt. Der Essener Baukonzern Hochtief repariert und baut Straßen.
Die in Hamburg lebende Familie Rahimi, hat das 1968 in Kabul gegründete Hoechst-Werk vor einigen Jahren gekauft und stellt dort Hustensaft, Schmerzmittel und Antibiotika her. Die Afghanistan Investment Support Agency, wirbt damit, dass ihr Land als einen der weltweit am schnellsten wachsenden Märkte anpreist und seit 2003 bereits 2,4 Mrd. Dollar investiert wurden. Der Internationale Währungsfonds rechnete im Jahr 2007 mit einem Wirtschaftswachstum in Afghanistan von zwölf Prozent.

Die Meinung der meisten in Afghanistan
engagierten Staaten lässt sich mit wenigen Worten beschreiben: Sicherheit ist Voraussetzung für politische Stabilität und politische Stabilität für wirtschaftlichen Aufbau. Heute ist klar, dass diese Strategie nicht funktioniert hat.

Alle Bemühungen der Alliierten für Sicherheit und Ordnung in Afghanistan aufzubauen, sind am Tag mit den „Friedensgesprächen“ in Doha, zwischen den USA und der Taliban gescheitet. Die USA lies mit ihrer Unterzeichnung das Volk von Afghanistan ins offene Messer laufen.
Dieses perfide Abkommen mit Terroristen und das Versprechen, die USA werde ihre Truppen abziehen, war der ungehinderte Zugang der Taliban, um wieder die Herrschaft über Afghanistan zu gewinnen.
Nichts wurde in all den Jahren an Frieden und Sicherheit gewonnen.

Die Lage in Afghanistan hat sich seit Mai 2020 dramatisch verschlechtert und mit jedem weiteren Tag rücken die Taliban in immer mehr Städte und Provinzen vor.
Es ist abzusehen, dass ohne Alliierte Hilfe Afghanistan erneut ins Mittelalter katapultiert wird. Da im letzten Jahr China schon Truppen in die Nähe von Afghanistan verlegt hat, ist nun die Frage, wer wird als erstes das aufkommenden Taliban-Regiem bekämpfen.

Die unglaublich Menge an Resourcen werden einen nächsten Krieg nicht verhindern

Der run auf Resourcen hatte nach dem Sturz des Taliban-Regimes schon einige Länder auf den Plan gerufen.
Die Türkei mischt seit 2001 in dem NATO geführten ISAF Einsatz kräft mit und arbeitete in Afghanistan mit den selben Instrumenten wie die anderen Staaten: Streitkräfte, Institutionen
der Entwicklungszusammenarbeit und Hilfsorganisation. Die Türkei hat aber zwei weitere Punke im Blick: die  Außenwirtschaftspolitik und Investitionen durch private Firmen.
Bereits 2001 hatte die Türkei ihr ökonomisches Interessen klar definiert: der Energie- und im Transportsektor.
Die nachgewiesenen Öl- und
Gasbestände in Afghanistan sind mittel- und langfristig für die türkische Wirtschaft
genauso interessant wie auch chinesische Pläne, neue überregionale Transportwege (Projekt Seidenstraße) zu bauen, die durch Afghanistan bis nach Anatolien führen soll.

Die Ressourcen sind Fluch und Segen für Afghanistan. So haben US-amerikanische Geologen vor 10 Jaher riesige Vorräte an Lithium, Kupfer, Eisen und Gold entdeckt, die bis zu 1000 Milliarden Dollar wert sein sollen. Die Vorräte an Kupfer, Lithium, Eisen, Gold und Kobalt reichten aus, das Land zu einem weltweit führenden Rohstoffexporteur zu machen. Afghanistan hat somit das Potenzial, zum „Saudi-Arabien des Lithiums“ zu werden. Lithium wird für wiederaufladbare Batterien gebraucht – für Handys, Laptops oder Elektroautos.
Die US-Geologen beschreiben zudem große Vorkommen von „seltenen Erden“, die für nahezu alle Hightech-Produkte gebraucht werden und die zu 97 Prozent in China abgebaut werden. Westliche Exportunternehmen sind auf solche Rohstoffe angewiesen. Käme der Abbau von Bauxit in der Nähe von Baghlan in Gang, könnte gleichzeitig der seltene Rohstoff Gallium gewonnen werden, der etwa für Dünnschicht-Solarzellen gebraucht wird.
Der Sensationsfund könnte das Rückgrat der Wirtschaft werden. Der Nachteil wird die weitere Destabilisierung der Region werden. Durch eben jene Vorkommnisse könnte Afghanistan zum geopolitischen und geoökonomischen Brennpunkt der Welt werden.

Die Geschichte zeig, dass solche Ressourcen für die betroffenen Länder eher Fluch als Segen sind. Gleiches ist heute schon im Kongo zu sehen.

Entdeckt wurden viele der Rohstoffreserven mithilfe von Karten- und Datenmaterial sowjetischer Bergbauexperten, die noch aus der Zeit der sowjetischen Besatzung in den 80er Jahren stammen. Nach dem Rückzug der sowjetischen Truppen und dem darauffolgenden Chaos nahmen afghanische Geologen die Karten an sich und brachten sie nach dem Sturz der Taliban 2001 in offizielle Dokumentensammlungen zurück. Dort fanden die US-Geologen die Aufzeichnungen 2004 und stellten auf ihrer Basis eigene Forschungen an. 2007 bereits veröffentlichten sie Berichte über die zur Rede stehenden Riesenvorkommen, allerdings ohne auf großeres Interesse der Regierung zu stoßen. Erst 2009 wurde eine Pentagon-Abteilung zur Wirtschaftsförderung auf die Erkenntnisse aufmerksam und ließ die Unterlagen nochmals prüfen.
Nun bleibt abzuwarten, wie politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich dieses enorme Kapital einsetzen lässt um eine weitere Eskalation des Terrors zu verhindern.

2012 investierte TPAO, die staatliche Ölfirma der Türkei, 100 Millionen US-Dollar und startete Bohrungen auf bereits explorierten Öl- und Gasfeldern im Norden Afghanistans.
Die eigenen Interessen offen zu verfolgen hat der Türkei bislang nicht geschadet. Im Gegenteil, die afghanische Seite sieht sich eher auf gleicher Augenhöhe, wenn sie als
Wirtschaftspartner und nicht als Hilfeempfänger angesprochen wird. Etlichen türkischen Bauunternehmen
gelang es in relativ kurzer Zeit, auf dem afghanischen Markt Fuß zu fassen. Im Hoch- und Tiefbau hatten sie in den ersten Jahren des westlichen Engagements mehrere Nato-Aufträge übernommen. Dank der Erfahrungen, die sie dabei sammelten, konnten sie sich später größere öffentliche Bau- und Infrastrukturprojekte sichern.
So wurden mehrere Abschnitte der afghanischen Ringroad, die die größeren Städte des Landes miteinander verbinden soll, von türkischen Unternehmen gebaut.
Auch in der Handelspolitik machte die Türkei lokale wirtschaftliche Engpässe für die eigene Wirtschaft zu nutzte. So sind türkische Geschäftsleute auf dem afghanischen Markt stark vertreten. Türkische Produkte sind begehrt.
Oft sind sie der chinesischen, pakistanischen und iranischen Konkurrenz qualitativ überlegen und bezahlbar. Ein Vorzug türkischer Unternehmer ist zweifellos, dass sie risikobereiter sind als die meisten europäischen und US-amerikanischen Unternehmen.

Auch türkische Unternehmer und ihre Mitarbeiter wurden entführt oder gar getötet. Dennoch haben sie es größtenteils vermieden, sich hinter hohen Mauern und Stacheldraht zu verschanzen. So vermittelten sie den Einheimischen das Gefühl, sich nicht von ihnen abzuheben. Türkische Firmen werden vor Ort aber auch deshalb geschätzt, weil sie afghanische Arbeitskräfte einsetzen. Zwar ist der Verdienst bescheiden, doch einen Arbeitsplatz zu haben ist in Afghanistan mit seiner extrem hohen Arbeitslosigkeit bereits ein Privileg.

Die Türkei zieht die Fäden im Hintergrund

Die Türkei befürwortet eine regionale Lösung des Konflikts und initiierte deshalb den sogenannten Istanbul-Prozess. Die Türkei bindet darin nicht nur alle Nachbarn Afghanistans ein, sondern kooperiert auch mit USA, Russland, China sowie auch mit Großbritanien und Deutschland.
Türkische Generäle hatten mehrfach die Leitung verschiedener Teile der ISAF-Truppen. Zweimal kommandierten türkische Offiziere den gesamten ISAF-Einsatz. Dreimal übernahm die Türkei
die Verantwortung für die Sicherheit in der
Hauptstadt Kabul und in der Provinz Wardak. Heute schützen türkische Truppen den internationalen Flughafen in Kabul – auch dies aus wirtschaftlichen Gründen, für deren Export.
Auch ist die Türkei maßgeblich an der
Ausbildung der Afghanischen Natio-
nalarmee und der Nationalpolizei beteiligt und finanziert mehrere Militärschulen. So kommen Waffen aus Deutschland, Frankreich und Israel legal ins Land. Da die türkischen Geheimdienste mit internationalen Partnern zusammen arbeiten, ist es für andere Dienste sehr schwer – wenn nicht gar unmöglich, dieses Netzwerk zu durchschauen.

Ein falsches Spiel von „Brüder im Glauben“

Ungeachtet dieser engen Zusammenarbeit wird die türkische Beteiligung an
militärischen Maßnahmen oft nur als symbolisch bezeichnet. Denn die Türkei hat es von Beginn an abgelehnt, sich an militärischen Aktionen gegen die Taliban, an der Terrorbekämpfung, aber auch an Operationen gegen die Produktion von Drogen und den Handel mit ihnen zu beteiligen; selbst bei der Minenräumung enthält sich die Türkei.
Die Türkei sieht sich nicht als Besatzungsmacht und signalisieren – mit Erfolg, der afghanischen Bevölkerung.  Das dieser „brüderliche Glaube“ sehr zum Nachteil der Bevölkerung werden kann, wird seit Jahren nicht gesehen – und dies ist ein fataler Fehler in anbetracht der immer stärker werdenden Taliban.

Nicht einmal wurde Militärcamps der Türkei seitens der Taliban angegriffen, womit sich bei der Bevölkerung ein positives Bild für die Türkei zeigt.

Doch solange die türkische Regierung immer noch im Glauben ist, sich in einem Konkurrenzkampf mit dem Westen zu befinden, wird Afghanistan von Menschen gleichens Glaubens still und heimlich unterwandert.

Die Taliban braucht keinen Drogenhandel – sie bekommen Steuern

Opium ist trotz allem für Afghanistan eine sehr lukrative Einnahmequelle und dies weiß eigentlich jeder. Die Taliban war in Afghanistan nie weg. In den letzten 10 Jahren haben sie immer wieder Provinzen und Städte eingenommen. So kamen sie auch immer an Waffen und Munition, die sie bei den Stürmungen auf Militär- oder Polizeikasernen erbeuteten.
Die Taliban haben in Afghanistan eigene staatsähnliche Strukturen aufgebaut, mit sogar eigenen Gerichten.
Durch den illegalen Landraub, verfügt die Taliban quasi über ihr eigenes Land – so hat diese Terrorgruppe Steuereinnahmen. Auch durch die Besetzung und Kontrolle von Grenzübergänge, bekommen die Taliban Einnahmen durch Zollgebühren.

Der Geldstrom aus dem Ausland, wie dieser noch in den 90er Jahren war, ist nicht mehr in dem Maße, wie einst. Auch wenn Geheimdienste Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Pakistan im Visier haben, dementieren dies vehement.

Durch den alltäglichen Terror und seit Wochen das schnelle Vorrücken auf Städte und Provinzen, mangelt es den Taliban nicht an finanziellen Mitteln. Sie plündern und rauben was ihnen unter die Finger kommt.

Was kommt wird alle bisherigen Prognosen übersteigen

Der Krieg rückt näher, und somit auch die Angst vor einer erneuten Übernahme der Taliban. Die nächsten Wochen werden zeigen, wie sich die internationale Gemeinschaft in Afghanistan verhält. Je mehr Staaten ihre Botschaften schließen werden, desto mehr verliert die Bevölkerung den Glauben an die Regierung und das bisherige Staatssystem.

Es ist nue noch eine Frage der Zeit, bis die Taliban Kabul angreift und die jetzige Regierung stürzen wird. Die Apokalypse steht vor der nächsten Stufe und das was kommt, wird ein Massenmord.
Die Menschen wissen nicht mehr wohin sie noch fliehen sollen, und die hochausgebildeten Militärs werden sich wohl kaum der Taliban beugen. Wenn das jetzige Staatssystem zusammen bricht und die Soldaten und Polizisten keinen Soldt und Lohn bekommen werden, steht einem Bürgerkrieg kaum noch was im Weg.

Die Taliban wird ihrerseits die zivil Bevölkerung als Schutzschilde nutzen, wie sie dies vor 20 Jahren schon einmal taten und in den von ihnen kontrollierten Provinzen schon seit Jahren tun.

Mit jedem Tag, an dem die Taliban Städte und Provinzen einnehmen, sinkt die Hoffnung auf ein Ende der Gewalt und Terror.

Naike Juchem 14. August 2021

Quelle
– Alfred W. McCoy. Professor an der Universität Wisconsin für südostasiatische Geschichte. Die CIA und das Heroin. Weltpolitik durch Drogenhandel
– Bundeszentrale für politische Bildung
– Library.fes.de Conrad Schetter
– Stiftung Wissenschaft und Politik

Die Pfahlbauten in Unteruhldingen

Die Pfahlbauten in Unteruhldingen sind das älteste archäologische Freilichtmuseum in Deutschland.
Es ist eine spannende Zeitreise von über 10.000 Jahre Geschichte. Man staunt über die vergangene Abschnitte der Menschheitsgeschichte in ihrer unterschiedlichsten Lebensformen aus drei Jahrtausenden.

Sehr deutlich sieht man den Anbeginn der Siedlungen der Völker. Zu beginn der Wanderschaft der Menschheitsgeschichte hat man über Wehr- und Vereidigungsanlagen überhaupt nicht gedacht. Erst mit Beginn der Bronzezeit wurden Wehrdämme und auch Verteidigungswaffen hergestellt.

Es ist faszinierend, welche Ideen die Menschen in der Steinzeit hatten. Diese Menschen waren für ihre damalige Entwicklung nicht dümmer als im 21. Jahrhundert. Ob es der Bau von Häuser, Kochgeschirr, Aufbewahrung von Lebensmitteln oder Werkzeuge für den Ackerbau waren. Die Menschen haben zu jener Zeit die Problematik der Lebensumstände erkannt und sogar perfektioniert. Man staune, wie weit die Menschen in jener Zeit entwickelt waren.

Wer sich für Geschichte und insbesondere für die Entwicklung der Menschenheit in Mitteleuropa
interessiert, sollte sich dieses Museum nicht entgehen lassen.

Alles wird gut

Hab‘ keine Angst vor Dunkelheit
Frag nicht wohin wir gehen
Wir stolpern einfach vorwärts
Durch ein weiteres Jahrzehnt

Mit vollem Bauch und leerem Kopf
Auf einem Auge blind
Auf der Suche nach Zufriedenheit
Und irgendeinem Sinn

Wir sind auf dem Weg in ein neues Jahrtausend
Bald werden Wunder am Fließband hergestellt
Auf dem Weg in ein neues Jahrtausend

Über Nacht wird alles anders, eine schöne neue Welt

Mit einem Stein in der Hand
Als Souvenir von der Mauer in Berlin
Klopfen wir an die Hintertür vom neuen Paradies
Es ist ein Reich der Träume, in dem Milch und Honig fließt
In dem alle Menschen glücklich sind und jeder jeden liebt

Songwriter: Andreas Frege / Andreas Von Holst (Toten Hosen)

Dieser Text ist von Anfang der 90er Jahre, als sich Europa neu geordnet hatte. Viele von uns haben den Fall der Berliner Mauer im Fernsehen verfolgt. Viele von uns haben den Zusammenbruch des Ostblocks und Fall des Eisernen Vorhang erlebt.
Menschen aus Ostdeutschland und Osteuropa flohen in den heiligen Westen  – wo Milch und Honig fließt.
Wir erlebten plötzlich einen aufkommenden Rassismus und brennende Häuser. Dies nur, weil Menschen auf der Suche nach Zufriedenheit waren – und andere nach einem Sinn.

Die Grenzen der Länder haben Menschen gezogen. Wir hatten einst gefeiert als die Grenze fiel. Im neuen Jahrtausend wird nach höheren Grenzen gebrüllt. Schöne neue Welt.
Die Industriestaaten dieser Welt beuten die sogenannte Dritte Welt aus, damit in diesen unseren Ländern Milch und Honig fließt.
Plötzlich merkt man, dass diese Menschen fliehen und man spricht von ein Flüchtlingsstrom. Dann von einer Welle, einer Flut und am Ende von einer Invasion.

Durch die Steigerungsform wurde und wird eine immer größer werdende Angst und Panik verbreitet. Mit vollem Bauch und leerem Kopf und auf beiden Augen blind, wurde mal wieder ein Feindbild geschaffen. Jene Migranten die randalieren rücken immer in den Fokus der Öffentlichkeit. Jene Menschen sollen dann lieber dorthin zurück gehen wo sie herkommen.
Es gibt aber auch viele Migranten die nicht auffallen, sich integrieren und ihren Teil für unser staatliches System beitragen. Es gibt aber auch genügend einheimische die lieber in der sozialen Hängematte liegen.

Leider haben auch im neuen Jahrtausend viele Menschen einen leeren Kopf und sind auf einem Auge blind, denn sie wollen nur das sehen, was sie sehen wollen und in ihr eigenes Weltbild passt. Sie stolpern einfach vorwärts durch ein weiteres Jahrzehnt.
Die politische Lage in Europa macht vieles nicht besser. Wir sollten aufpassen, dass wir nicht wieder Jahrzehnte zurückstolpern.

Alles wird gut  – irgendwann

Naike Juchem, 27. September 2023

Der Grenzturm Katharinenberg

Der Grenzturm Katharinenberg (auch Mahnmal Grenzturm) ist ein ehemaliger Führungsturm der DDR-Grenztruppen in der Gemeinde Südeichsfeld im Unstrut-Hainich-Kreis (Thüringen).

Der ehemalige Grenzturm wurde zu einem kleinen Museum umgebaut. Dabei blieb die eigentliche Bausubstanz erhalten. Das Museum wird vom Heimatverein Wendehausen betreut. Dargestellt werden die früheren Grenzanlagen und die Lebensbedingungen der Bevölkerung im einstigen Sperrgebiet. Es setzt den Todesopfern bei Fluchtversuchen ein Denkmal. Thematisiert werden außerdem Zwangsumsiedlungen und Wüstungen in der Zeit der DDR.

Der ehemalige Grenzturm (Führungsturm) hat eine Grundfläche von vier mal vier Metern. Er ist vollständig unterkellert. Im Kellergeschoss befanden sich die Zuleitungen der Signalzäune und die Stromversorgung. Im Erdgeschoss befanden sich eine Toilette und drei Arrestzellen für mögliche Gefangene, die aus der DDR flüchten wollten, deren Versuch aber durch die Grenztruppen unterbunden wurde. In der ersten Etage standen Feldbetten für sechs Soldaten. Der Turm hatte kleine Schießschächte.

Im zweiten Geschoss war die Führungsstelle untergebracht, die für einen bestimmten Grenzabschnitt zuständig war. Das Obergeschoss war im Allgemeinen ständig mit einem Offizier/Unteroffizier und einem Soldaten besetzt. Hier liefen unter anderem die Signaldrähte der Signalzäune zusammen und zeigten an, wenn ein Flüchtling den Grenzanlagen passieren wollte. Auch Tiere lösten bei Berührung der Signaldrähte Alarm aus. Vom zweiten Obergeschoss konnte man weit an den Grenzanlagen entlang schauen. Auf dem Dach war eine Flutlichtanlage installiert, mit der die Grenzanlagen beleuchtet werden konnten.

Zu einer solchen Führungsstelle gehörte auch ein von westlicher Seite gedeckt angelegter Kfz-Standplatz, von dem man über den Kolonnenweg in kurzer Zeit den gesamten Grenzabschnitt mit Fahrzeugen erreichen konnte.

Die Gemeinde Südeichsfeld und der Heimatverein Wendehausen wollen die Erinnerung an die früheren Grenzanlagen wachhalten und auch die nachfolgenden Generationen über die Geschichte des Ortes informieren. Zwischen Ostern und dem Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober ist das Mahnmal sonntags geöffnet. Auf dem ehemaligen Fahrzeugstandplatz befindet sich ein Pavillon mit Informationen zur Umgebung.

Als weitere Relikte ehemaliger Grenzanlagen in der Umgebung sind noch der mit Betonplatten angelegte Kolonnenweg von der B 249 über den gesamten Karnberg bis zum Heldrabach vorhanden, zum großen Teil auch noch der Kfz-Sperrgraben, ein weiterer Beobachtungsturm südwestlich der Führungsstelle und eine Agentenschleuse an den Mainzer Köpfen. Darüber hinaus findet man neben den historischen Grenzsteinen auch noch einige Grenzsäulen und Grenzsteine der DDR.

Foto: Wikipedia

Fotos: Privat
Text: Wikipedia

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Die Ethnologie in Afghanistan

Um Afghanistan zu begreifen, muss man sehr weit in der Geschichte zurück gehen und auch die Ethnologie wie auch die Anthropologie in Betracht ziehen.

Was wir in Europa bis Anfang 1990 als Jugoslawien kannten, funktionierte in diesem – ebenfalls Vielvölkerstaat nur, weil man von Grund auf alles an Ethnien bekämpfte. Der Jugoslawien Krieg zeigte, wie verfeinert die Menschen in diesem Staatsgebiet waren. Es endete im Völkermord.

Wenn Afghanistan eine Zukunft haben sollte, kann es nur die Aufteilung des Staatsgebiet zur Folge haben.

Die Probleme in Afghanistan liegen in den vielen Ethnien die in diesem Land leben. Seit Jahrzehnten kämpft jeder gegen jeden. Dies ist und war der Nährboden für den Fundamentalismus, aus den der Terror resultiert.
Auf lange Sicht gesehen, wird es in Afghanistan niemals Frieden geben, solange es ein territoriales Land gibt.
Es muss endlich in Betracht gezogen werden, dass diese Form als Land so nicht existieren kann und wird.

Die Ethnologie in Afghanistan

In der Ethnologie und Anthropologie bezeichnet man als Clan eine Verwandschaftsgruppe, die sich auf einen gemeinsamen Ahn bezieht, ohne dabei jedoch die Abstammung lückenlos herleiten zu können. Eine genauere Definition von Clan, die sich in der englisch- und deutschsprachigen Forschungsliteratur durchgesetzt hat, geht auf den US-amerikanischen Anthropologen George P. Murdock (1897–1985) zurück. Murdock bezeichnet eine Verwandtschaftsgruppe, die gemeinsam auf einem Territorium zusammen lebt, als Clan. Eingeschlossen werden hier die angeheirateten Ehepartner, ausgeschlossen die wegheiratenden. Die Zugehörigkeit wird durch die Patrilinearität bestimmt. Diese Definition trifft auch auf Afghanistan zu.

Die Rolle der Ethnien und Stämme in der afghanischen Staatsbildung und Politik geht auf eine Zeit zurück, als Afghanistan im 18. Jahrhundert im Anschluss an eine neuntägige „Jirga“ gegründet und die Regierung von Ahmad Shah Abdali konstituiert wurde. Der Chronist der afghanischen Geschichte Mir Mohammad Ghobar schrieb, dass diese „Jirga“ sich aus Khans der Gheljaeis, Usbeken, Hazaras, Belutschen und Tajiken zusammensetzte.

Nach der Machtübernahme durch die Paschtunen wurde die Rolle andere Ethnien in der Geschichte Afghanistans unbedeutender. Die Paschtunen versuchten, den neuen Staat alleine zu prägen.
Der deutsche Afghanistan-Experte Conrad Schetter schreibt dazu: „Die herrschende paschtunische Familie, welche durch Britisch Indien an die Macht gekommen war, favorisierte paschtunische Elemente bei ihrem Konzept von Staat und Nation Die Politik der herrschenden Familie setzte die eigenen ethnischen Muster ein, um öffentliche Güter und die Verwaltung unter ihre Kontrolle zu bringen.“
Die nicht-paschtunischen Ethnien, d.h. Tajiken, Hazaras und Uzbeken, verloren allmählich unter dem Druck der herrschenden Ethnie an Einfluss. Der Prozess der „Staats- und Nationsbildung“ beschränkte sich damit auf Aktionen und Reaktionen zwischen der Zentralregierung in Kabul und paschtunischen Stämmen. Aber auch zwischen den paschtunischen Stämmen gab es ständig Kämpfe und politische Rivalitäten.

Der iranische Soziologe Hossein Boshiria schreibt in seinem Dossier: „Die wichtigsten politischen Spannungen ereigneten sich unter paschtunischen Stämmen selbst; insbesondere zwischen Durranis und Barekzais gab es immer politische Rivalitäten.“ Man kann also sagen, dass der Prozess der „Staats- und Nationsbildung“ mit oder ohne Erfolg untrennbar mit der Rolle der Paschtunen in Bezug auf die Zentralregierung im Zusammenhang stand.

Stämme als Hindernis der Staatsbildung

Der italienische Afghanistan-Experte Antonio Giustozzi meint, dass Spannungen zwischen regionalen Fürsten und der Zentralregierung geschichtliche Wurzeln haben. Diese Spannungen lassen sich in verschiedenen Phasen der afghanischen Geschichte beobachten:

Amir Abdul Rahman Khan (Regierungszeit 1880 bis 1901) ist der erste afghanische Herrscher, der große Anstrengungen zur Stärkung der Nation und Errichtung einer Zentralregierung unternahm. Er ging dabei so grausam vor, dass man ihm den Titel „eiserner Emir“ gab. Abdul Rahman Khan siedelte Bevölkerungsteile um und setzte Paschtunen an ihre Stelle. Trotzdem konnte er die Prozesse der Staats- und Nationsbildung nicht vorantreiben, denn einerseits unterdrückte er wichtige afghanische Ethnien, und andererseits gelang es ihm nicht mit den Stammesfürsten der ländlichen Regionen eine produktive Beziehung herzustellen. Barfield schildert diese Situation so:

„Mit der Unterdrückung von Rivalen innerhalb seines Clans, der religiösen Bewegungen und ländlichen Unruhen durch Abdul Rahman Khan, entstand in Afghanistan eine Schicht der ‚politischen Elite‘, die sich zunächst aus wenigen Personen zusammensetzte, aber großen Einfluss durch die Regierung von Abdul Rahman Khan hatte. Da diese Elite ihre ethnischen und ländlichen Bindungen abgelegt hatten, spielten die autonomen regionalen Stammesfürsten eine Vermittlungsrolle zwischen der Kabuler Zentralregierung und dem Volk. Die Loyalität dieser Stammesfürsten basierte auf deren ethnischen, regionalen, religiösen Netzwerken und Stammesrivalitäten. Die Loyalität ihrer Anhänger galt an erster Stelle diesen Stammesführern und erst an zweiter Stelle der Zentralregierung.“

Nach Abdul Rahman Khan versuchte Amanullah Khan mit einer unterschiedlichen Art und sanfter Annäherung den Prozess der Staats- und Nationsbildung voranzutreiben. Er unterdrückte andere Ethnien nicht und schaffte die bis dahin geltende Versklavung der Hazaras ab.

Auch die Anstrengungen Amanullahs blieben ohne Ergebnis. Erschöpft vom Krieg gegen England widmete er sich der Modernisierung Afghanistans. Scheinbar hatte er es aber versäumt, tiefgehende Beziehungen zu Paschtunen herzustellen. Er hat versucht sensible Punkte der paschtunischen Tradition, wie das Verbot der Heirat von Minderjährigen, das Verbot der Polygamie und Bildung für Frauen uvm. zu etablieren. Das war für die Paschtunen ein rotes Tuch. Gerade diese Unzulänglichkeit war ein Grund für das Scheitern der Modernisierung und den Prozess der Staats-und Nationsbildung.

Jules Stewart erklärt beispielsweise, wie die paschtunischen Stämme Amanullah provozierten. Im Dezember 1927 unternahm der König auf Einladung der italienischen Regierung eine Europareise. Er kam im Juni 1928 wieder zurück und begann, inspiriert von seiner Eindrücken, mit neuen Reformen. Die Engländer verteilten indessen ein Bild von Königin Soraya unter den paschtunischen Stämmen; in diesem Bild war sie ohne Kopftuch zu sehen während eines gemeinsamen Essens mit ausländischen Männern, wobei der französische Präsident ihr die Hand küsst. Dies war der Grund, warum Amanullah gleich bei seiner Rückkehr nach Afghanistan mit einer schweren Welle der Unruhe unter den Stämmen und Geistlichen konfrontiert wurde, die ihn am Ende, ein Jahr später, seine Herrschaft kostete.

Die Stammesfürsten kontrollierten unter Amanullah nicht nur ihre eigenen Stämme, sondern übten über einen „Stämmebund“ Einfluss auf das Land aus und widersetzten sich der Modernisierung des Landes. Die „Loya Jirga“ widersetzte sich dem Wunsch Amanullahs das Mindestalter für die Heirat bei Mädchen auf 18 und bei Männern auf 21 festzulegen und die Polygamie abzuschaffen. Die Regierung Amanullahs stand kurz vor dem Sturz. Den beschriebenen Stämmebund bezeichnet Ibn-e Khaldoun als „asabieyeh“. Es ist jene strategische Koalition unter Mitgliedern eines Stammes oder mehrerer Stämme, die sie in einer Krisensituation zusammenbindet. Diese Form des Widerstandes ist alteingesessen und wird immer wieder dann ins Leben gerufen, wenn die Traditionen und Religion gefährdet wird. Im Fall Amanullahs haben sich Stammesführer, Geistliche und Feudalherren bereits 1924 erstmalig in Paghman getroffen, um gegen die Reformen des Königs vorzugehen.

Der Islam in Afghanistan

Islamischer Fundamentalismus, eine rückwärtsgewandte Religiosität und mittelalterliche Denken und Lebensweisen bestimmen häufig das Bild von Afghanistan. Dabei hat das Land mittlerweile eine Verfassung, einen direkt gewählten Präsidenten und ein demokratisch gewähltes Parlament. Trotzdem können sich bestimmte religiöse Kräfte über das Gesetz stellen. Wie groß ist ihr Einfluss? Wie wird der Islam in Afghanistan verstanden?

Am 12. August 2012 musste ein beliebter afghanischer Sänger, Shafiq Monir, sein seit langem geplantes Konzert in der Stadt Herat absagen. Grund war der Aufruf einiger Gelehrter der Stadt, allen voran der
des populären Predigers Sheikh Mojib ar-Rahman Ansari. Ansari wollte das Konzert verhindern, weil er es für unmoralisch hielt. Dem Druck Ansaris und seiner Befürworter folgend, strichen die Behörden das Konzert schließlich. Das ist nicht das erste und wird wohl auch nicht das letzte Mal sein, dass bestimmte religiöse Kräfte in Afghanistan eine eigenwillige Interpretation des Islam vornehmen und sie den anderen aufzwingen. Auch vielen Afghanen diente der Vorfall als Beleg dafür, warum Afghanistan in der allgemeinen Wahrnehmung als ein rückschrittliches und vormodernes Land gilt. Mit Afghanistan werden seit mittlerweile über dreißig Jahren islamischer Fundamentalismus,
rückwärtsgewandte Religiosität und mittelalterliche Denk- und Lebensweisen assoziiert. Es gilt als ein Land, in dem es keine Spur von Zivilität und Zivilisation gibt. Viele können vielleicht den politischen
Anarchismus und die damit einhergehende religiös legitimierte bzw. motivierte Gewalt in der Zeit des Bürgerkrieges bis Ende 2001 noch nachvollziehen; es herrschte letztlich überall im Land Krieg und es
gab keine souveräne Zentralregierung, die für Gesetz und Ordnung sorgen konnte. Inzwischen hat Afghanistan eine mit viel Aufwand verabschiedete Verfassung, einen vom Volk direkt gewählten
Präsidenten und ein demokratisch gewähltes Parlament. Trotzdem können bestimmte religiöse Kräfte sich über das Gesetz stellen, ihre Meinung der Politik aufzwingen und letzten Endes die Souveränität des Staates sabotieren. Wie groß ist der Einfluss religiöser Akteure? Wie wird der Islam in Afghanistan verstanden?

Religiöse Akteure

Religiöse Akteure und insbesondere die offiziellen Träger des Islam, die ‘olama’, haben in der politischen Geschichte Afghanistans immer wieder eine weitreichende Rolle gespielt. Diese Tatsache geht nicht zuletzt darauf zurück, dass sie im Prozess der Meinungsbildung und der politischen Orientierung vieler
Menschen ein wichtiger Faktor sind. Die politische Klasse ist stets darum bemüht gewesen, für ihre Regierungsbeschlüsse und -praktiken die Zustimmung der ‘olama’ zu gewinnen. Die ‘olama’ wurden aber andererseits oft für bestimmte Politiken, die im Grunde mit eindeutigen Anforderungen des Islam nicht konform waren, benutzt. Amir Abdorrahman Khan (1881-1901), der sogenannte Eiserne Emir, konnte seine nationalistische Unterdrückungspolitik beispielsweise im Namen des Islam durchführen. Legitimiert durch Fatwas der ‘olama’ ging er erbarmungslos gegen religiöse und ethnische Minderheiten vor. Unterstützt durch einige ‘olama’ ließ er sogar religiöse Stiftungen in Beschlag nehmen. Dem als Reformkönig geltenden Amanullah (1919-1929) dagegen verweigerten die ‘olama’ ihre Unterstützung. So gelang es ihm nicht, liberale Reformen durchzusetzen.
Nach einer Europareise in Begleitung seiner freizügig gekleideten Frau teilte Amanullah der „Großen Ratsversammlung“ (Loya Jirga) seine Pläne zur Modernisierung des Landes mit. Dazu gehörten das Verbot der Sklaverei, die Religions- und Meinungsfreiheit und die Schulpflicht für Mädchen. Die religiösen Akteure, allen voran der einflussreiche Fazl Omar Mojaddadi, bekannt als Hazrat-e Shur Bazar, lehnten die Reformmaßnahmen ab und bezeichneten sie als nicht islamisch. Der anschließende Volksaufstand gegen Amanullahs Modernisierungsvorhaben führte letztlich zu seinem Sturz. Trotz
derartiger Einflussnahmen wurden ‘olama’ nicht als eine politische Größe, sondern als eine religiöse Instanz angesehen. Die politisch zentrale Bedeutung, die den ‘olama’ in der Zeit des Widerstandes gegen die sowjetische Usurpation und des damit einhergehenden Bürgerkrieges zukam, war allerdings eine ganz neue Erscheinung, die das Selbstverständnis der ‘olama’ und ihr Bild in der Gesellschaft völlig veränderte. Diese neue gesellschaftspolitische Position religiöser Akteure ist u.a. auf die großzügigen finanziellen und militärischen Zuwendungen der Länder zurückzuführen, die die Widerstands- bzw. Bürgerkriegsparteien unterstützten. Die Führung dieser Parteien war zumeist in den Händen religiöser Akteure. Bald beanspruchten die ‘olama’, welche gewohnt religiöse Orientierung der Menschen bestimmten, auch die politische Führung. Während sie vor Kriegsbeginn allgemein auf die Gnade der politischen Klasse angewiesen waren, stellten sie während des Kriegs selbst die
politische Führung dar. Diese Rolle wollen sie auch unter der neuen politischen Ordnung weiter ausüben, solange sie sich nicht als zivile sondern als religiös legitimierte politische Akteure verstehen

Der gelebte Islam in Afghanistan

Wie überall in der islamischen Welt zeichnet sich der Islam in Afghanistan durch eine Vielzahl von heterogenen Prägungen und Eigenheiten aus. Noch vor Kriegsbeginn wurde diese „Kultur der
Ambiguität“ im Alltag gelebt. Trotz aller Diskriminierung lebten auch nichtmuslimische Gemeinschaften
wie Sikhs, Hindus, Juden neben schiitischen und sunnitischen Muslimen. Viele Gelehrte sahen den unterschiedlichen Islamauffassungen und -praxen gelassen entgegen und richteten sich dabei nach der bekannten Tradition des Propheten, dass der Dissens muslimischer Gemeinschaft ein Zeichen der Gottesgnade sei eine Tradition, die in der islamischen Geschichte vielerorts jahrhundertelang praktiziert wurde. Dieser Usus kennzeichnete die sogenannte Blütezeit der muslimischen Kultur (750-1250) mit ihren Zentren wie Bagdad, in denen sich Kunst, Wissenschaft und Forschung glanzvoll entfalten konnten. Schon in der frühislamischen Zeit gab es ganz legitim nebeneinander existierende divergente Lesarten des Korans und damit der Scharia. Diese Tatsache hat bis zum Aufkommen des ideologisierten Islam im 19. Jahrhundert kaum jemanden in der
islamischen Welt gestört. Mehrdeutigkeit sprach nicht gegen eine göttliche Herkunft des Korans oder der Scharia. Wer kann schon behaupten, die Scharia gänzlich zu erfassen? Als Gelehrte hatte man
lediglich den bescheidenen Anspruch, eine eigene Interpretation der Scharia zu präsentieren und nicht die Scharia. Daher hat man die Meinung eines Gelehrten als Ergebnis seiner individuellen wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Scharia, als seinen ijtihad verstanden und nicht als „den einen wahren Islam“. Dementsprechend haben auch die meisten Gelehrten in Afghanistan andere Meinungen und Praktiken respektiert.
Darüber hinaus weist der Islam in Afghanistan mystische Züge auf. Bis zum Aufbruch des Widerstandskampfes gegen die sowjetische Usurpation und des damit einhergehenden Bürgerkrieges hielt der mystische Islam Distanz zur Politik und forderte gemäß seines Selbstverständnisses Toleranz von den Menschen. Erst in der Kriegszeit mischte er sich zunehmend in die Politik ein und kämpfte wie die anderen Strömungen um mehr politischen Einfluss.
Eine der wichtigsten Bruderschaften in Afghanistan stellt die Naqshbandeyya dar. Der Orden geht auf Muhammad Bahaoddin an-Naqshbandi (gestorben 1389) zurück und hat sich zunächst in Zentralasien verbreitet. In Afghanistan hat die Nashbandeyya vor allem unter den Tadschiken der Großstädte, aber auch unter einigen paschtunischen Stämmen im Süden und Südosten ihre Anhänger. Ein weiterer mystischer Orden in Afghanistan ist die Qadereyya. Der Begründer der ebenfalls einflussreichen Bewegung, Abd al-Qader Gilani (gestorben 1166), stammte aus Bagdad. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam die Bruderschaft nach Afghanistan. Im Gegensatz zu diesen beiden Orden, die vor allem in der Hauptstadt präsent waren, hatte der Chishteyya-Orden seine Anhängerschaft insbesondere in und um Herat, im Westen des Landes. Die Chisteyya wurde von Moinoddin Muhammad Chishti (gestorben 1236) gegründet und hat sich über die Grenzen des heutigen Afghanistans hinaus vor allem auf dem indischen Subkontinent verbreitet.
Viele Menschen haben zwar die ‘olama’ als offizielle Träger des Islam betrachtet, sie hatten aber gleichzeitig ihre Beziehungen zu mystischen Bruderschaften und pflegten in ihrem Alltagsleben deren in der Regel offene Haltung, z.B. zur Musik oder zum Verkehr mit anderen religiösen Gruppen. Man legte ebenfalls viel Wert auf große zumeist mystisch orientierte Dichter. Ihre Gedichte wurden als Interpretation der koranischen Botschaft angesehen, ihre Einstellungen zum Leben und zur Welt wurden besonders geschätzt. Man nahm die Aufforderungen von Hafez (1320-1389) „In diesen beiden
Ausdrücken liegt der Schlüssel zum Frieden im Diesseits und Jenseits“ und „Übe den Freunden gegenüber Großmut und den Feinden gegenüber Toleranz“ genauso ernst wie die Botschaft von Saadi (1190-1283): „Die Kinder Adams sind aus einem Stoff gemacht als Glieder eines Leibs von Gott, dem Herrn, erdacht Sobald ein Leid geschieht nur einem dieser Glieder dann klingt sein Schmerz sogleich in allen wider.“
Auch die Gedichte von Maulana Jalaloddin Balkhi (1207-1273) haben einen großen Platz im Alltagsleben der Menschen gehabt. Maulana sah die Liebe als Hauptkraft des Universums und das Universum als ein harmonisches Ganzes. Sein kultureller Kontext prägte selbstverständlich seine Vorstellungen von Gott, sein Gott kannte aber keine religiösen oder sonstigen Grenzen: „Was soll ich tun, o ihr Muslime? Denn ich kenn‘ mich selber nicht. Weder Christ noch bin ich Jude, und auch Pars und Muslim nicht. Nicht von Osten, nicht von Westen, nicht vom Festland, nicht vom Meer Nicht stamm‘ ich vom Schoß der Erde und nicht aus des Himmels Licht.“
Noch mehr als Hafez und Maulana wird in Afghanistan der große mystische Dichter Abdolqader Bidel Dehlavi (1645-1721) verehrt und gelesen. Er lebte und wirkte im Mogulreich und gehörte dem
Qadereyya-Orden an. Seine Gedichte wurden von vielen Afghanen wie Koranverse rezitiert. Man beschäftigte sich mit ihm und seiner Philosophie in Lesungen und Diskussionsrunden. Eine Abendreihe über ihn unter dem Shab-e Aschoqan Bidel“ ist vielen Afghanen immer noch in Erinnerung geblieben. Der Meister der afghanischen klassischen Musik, Ostad Muhammad Hosain Sarahang (1923-1982), war der bekannteste Interpret der Dichtung von Bidel und sorgte mit seiner faszinierenden Stimme für die Omnipräsenz von Bidels Gedanken im Alltag vieler afghanischer Familien. Bidel wird als Anhänger einer gewissen pantheistischen Philosophie Vahdat al-vojud („Einheit der Existenz“) bezeichnet, der in dem als sehr komplex angesehenen Indischen Dichtungsstil dichtete. Indem er diese komplexe Ausdrucksweise pflegte, machte er doch die Ambiguität des Seins deutlich. „Solange die Einzelnen nicht zueinanderfinden, kann keine Gemeinschaft existieren.“
„Eine Ähre ist keine, wenn die Körner nicht zusammenwachsen.“

Die Kriegszeit

Krieg wurde in vielen Fällen der Religion halber geführt. So spricht man in der Geschichtswissenschaft vom „Religionskrieg“ oder „Glaubenskrieg“ oder auch vom „Konfessionskrieg“. Krieg verändert gleichzeitig den Zugang zur Religion und deren Textgrundlagen. In der Kriegssituation duldet man keine Dissidenten und keinen Zweifel an eigenen, eindeutig formulierten und für absolut richtig gehaltenen Zielen. Auch die Religion soll im Dienste des Krieges und der mit ihm einhergehenden Gewalterscheinungen stehen und sie legitimieren. Auf diese Weise entsteht religiöser Fundamentalismus. So entstand er in der Geschichte des Christentums und so erschien er in der islamischen Geschichte. Der über dreißig Jahre andauernde Kriegszustand in Afghanistan hat kaum Platz fürs Weiterbestehen einer Kultur der Pluralität und Toleranz übrig gelassen. Vielmehr setzte sich ein einseitiges, für eindeutig gehaltenes und damit fundamentalistisches Verständnis des Islam durch.
Bereits im „Jahrzehnt der Verfassung“  1963-1973 haben sich vor allem in Kabul kleine islamistische Kreise gebildet. Ihr vordergründiges Anliegen war die Bekämpfung von marxistisch orientierten Gruppen, die über eine beachtliche Anhängerschaft unter den Studenten verfügten. Sie bezeichneten sich teils als „Jungmuslime“ und teils als
„Islamische Gemeinschaft“ und wurden hauptsächlich von Persönlichkeiten geführt, die an der Al-Azhar-Universität in Kairo ausgebildet worden waren und mit dem Gedankengut der „Muslimbrüder“  vertraut waren. Zu den Führungskadern dieser Gruppen gehörten die Dozenten Gholam Muhammd Neyazi (gest. 1978) und Borhanoddin Rabbani (1940-2011)
und die Studenten Golboddin Hekmatyar (geb. 1947) und Ahmad Shah Massud (1951-2001).
Die drei Letzteren führten später nicht nur die wichtigsten Widerstandsparteien gegen die sowjetischen Truppen, sie lieferten sich auch gegenseitig blutige Kämpfe, die nach dem Rückzug der sowjetischen Armee noch erbitterter weitergeführt wurden. Die Logik des Krieges hat sich mit der Zeit fast aller
religiösen Akteure und der mystischen Bruderschaften bemächtigt. Die herausragende Figur des Naqshbandeyya-Ordens Sebghatollah Mojaddadi (geb. 1925) mit seiner Partei Nationale Rettungsfront und der geistliche Führer des Qadereyya-Ordens Pir Sayyed Ahmad Gailani (geb. 1932) mit seiner Organisation Nationale Islamische Front und die Chishteyya-Bewegung in der Herat-Region waren nicht nur an dem Widerstandskampf beteiligt, sondern auch an den schmutzigen Brüderkriegen der Mujahidin. Die intellektuelle Nahrung der Gruppen waren nicht mehr und konnten auch nicht mehr die Gedichte von Maulana oder Bidel sein, sondern die Gedanken von den fundamentalistischen Vordenkern Sayyid Qutb (1906-1966) und Abu Ala Maududi (1903-1979). Die großzügigen finanziellen und militärischen Mittel, die die Kriegsparteien über Jahrzehnte erhielten, begünstigten und verfestigten die fundamentalistische Auffassung des Islam umso mehr. Fundamentalismus war schließlich der Marktrenner.
Trotz einer einigermaßen demokratisch gewählten und halbwegs funktionierenden Zentralregierung herrscht weiterhin der Kriegszustand in Afghanistan und in den Köpfen einiger religiöser Akteure. Viele Menschen, insbesondere viele junge Männer und Frauen in den Großstädten, wollen dennoch zu einem normalen Leben zurückfinden. Geschäfte, wissenschaftliche Tätigkeiten, künstlerische Aktivitäten und literarisches Schaffen kehren in den Lebensalltag zurück und damit auch eine Kultur der Vielfalt. Wenn man einen Augenblick die kriegerischen Momente, die ebenfalls zum Alltag der Menschen gehören, ausblendet, spürt man in Kabul, in Herat, in Kandahar und in Mazar einen Hauch, einen sehr dünnen Hauch vom Bagdad des 10. Jahrhunderts voller Tüchtigkeit und Pluralität.

Die Ethnien in Afghanistan

Iranische Völker
Über 85 % der Menschen sprechen eine iranische Sprache als Muttersprache und gehören somit einem iranischer Volksgruppen an.

Die größte und einflussreichste Ethnie in Afghanistan sind die Paschtunen, nach denen Afghanistan auch benannt ist. Seit der Abspaltung Afghanistans vom Iran im 18. Jahrhundert prägen die Paschtunen das Land. Historisch waren sie Nomaden, heute sind jedoch die meisten Paschtunen sesshaft, sind aber in viele Stämmen eingeteilt, die bekanntesten sind die Durrani und die Ghilzai, die vor allem im Osten des Landes leben. Auch ein Großteil der Taliban-Bewegung war bzw. ist paschtunisch, weshalb sie in der Region ein schlechtes Bild haben. Deren Sprache, das Paschtu, ist jedoch nicht die häufigste Muttersprache, da mehrere Volksgruppen Persisch sprechen, dazu gehören die Tadschiken, Hazara, Aimaken und Perser.

Tadschiken und Perser machen mit etwa 27 % die zweitgrößte ethnische Gruppe aus, sprechen Persisch und sind genau wie die Paschtunen in der Regel sunnitisch, was sie von den Hazara und den iranischen Persern unterscheidet, es gibt jedoch im Norden und Westen einige schiitische Tadschiken. Der Begriff „Tadschike“ ist in Afghanistan nicht genau definiert, häufig werden alle Sunniten, die Persisch sprechen, als Tadschiken bezeichnet. Die Tadschiken machen die Mehrheit der Stadtbevölkerung aus und beherrschen die Basare. Sie teilen sich in viele Stämmen auf.

Die Hazara sprechen den persischen Dialekt Hazaragi und sind schiitisch. Sie haben eine mongolische Abstammung, man geht davon aus, dass sich mongolische Soldaten nach der Expansion im 13 Jh. in der Region niedergelassen haben und mit der schiitischen, persischen Bevölkerung vermischt haben. Aufgrund der ethnischen Herkunft, Sprache und des schiitischen Glaubens sind sie immer wieder Opfer von Diskriminierung und Gewalt, insbesondere von paschtunischer Seite. Im Bürgerkrieg wurden einige Hazara gezielt von sunnitischen Islamisten getötet. Viele Hazara sind ins Ausland geflüchtet, vor allem in den Iran, nach Pakistan und Europa. In den Zielländern werden sie ebenfalls häufig diskriminiert.

Die Aimaken stellen ebenfalls eine bedeutende persischsprachige Minderheit dar, sind sunnitisch und bezeichnen sich häufig auch als Tadschiken oder Perser. Sie sind ebenfalls in zahlreiche Stämmen aufgeteilt, die im Westen und Zentrum des Landes leben.

Die Belutschen leben im Süden des Landes, sprechen Belutschisch und sind sunnitisch. Viele sehnen sich nach einem belutschischen Nationalstaat mit den Belutschen in Pakistan und im Iran.

Weitere iranische Volksgruppen in Afghanistan sind die Kurden, die etwa 0,6 % der Bevölkerung ausmachen, sowie zahlreiche ostiranische Volksgruppen im Pamirgebirge wie die Wakhi, Sanglechi, Shughni, Ishkamini, Munji oder Tangshewi. Deren Zahlen sind rückläufig, da zu wenig getan wird, um die Sprachen und Kulturen dieser Völker zu erhalten. Einige Sprachen sind gefährdet, da die Menschen persisch oder paschtu annehmen und an ihre Nachkommen weitergeben. Mit dem Aussterben der Sprache ist in der Regel auch die Grundlage der ethnischen Kultur dieser Völker in großer Gefahr.

Die Turkvölker

Die Usbeken sind mit rund 9 % die größte turksprachige Ethnie Afghanistans und leben vor allem im Norden nahe Usbekistan. Afghanistan hat die größte usbekische Bevölkerung nach Usbekistan. Sie sind sunnitisch und in Konflikten mit den Tadschiken verbündet.

Die Turkmenen leben entlang der 
turkmenischen Grenze im Norden des Landes und machen zwischen 3 und 5 % der Bevölkerung aus. Sie sind sunnitisch. Einige Turkmenen, Usbeken, Kirgisen und Tadschiken sind in den 1920er Jahren wegen der stalinistischen Politik und der daraus folgenden Hungersnöte wegen der Zwangskollektivierung nach Afghanistan geflohen. Viele leben direkt an der Grenze zu Turkmenistan und wünschen sich einen Anschluss an Turkmenistan.

In der Provinz Wakhan leben einige 
kirgisische Nomaden, die faktisch von der Außenwelt isoliert sind. Sie sind teilweise ebenfalls Flüchtlinge des Kommunismus nach der russischen Revolution.

Auch gibt es noch zahlreiche weitere kleine turksprachige Gruppen wie die Qizilbasch, Kasachen, Türken oder Afscharen, die nur eine geringe Zahl ausmachen. Sie leben teilweise nomadisch.

Die Sadat werden in Afghanistan als ethnische Gruppe anerkannt.
Die mehrheitlich in Balch und Kundus im Norden und in Nangarhar im Osten lebenden Sayyiden sind sunnitische Muslime, aber es gibt auch einige, darunter in der Provinz Bamiyan, die dem schiitischen Islam angehören. Diese werden oft als Sadat bezeichnet, ein Wort, das traditionell „im nördlichen Hedschas -Gebiet und in Britisch-Indien gleichermaßen auf die Nachfahren von Hasan und Hussein, Söhnen von Ali und Enkeln von Mohammed, angewendet wurde“.

Die dravidischen Brahui machen 0,8 % der Bevölkerung aus und leben vor allem im Süden mit den Belutschen zusammen.

Die Nuristani leben nordwestlich von Kabul. Deren Sprachen: Kati und Ashkun sind zwar indoiranisch, aber weder iranisch noch indoarisch. Es wird behauptet sie seien die direkten Nachfahren der Griechen, die sich während des Indienfeldzugs Alexander des Großen in Nuristan niedergelassen haben. Diese These wird jedoch von verschiedenen Experten angezweifelt. Da sie lange Zeit nicht muslimisch waren, wurden sie früher als Kafiren bezeichnet.

Auch leben in Afghanistan noch zahlreiche kleine indoarische Völker, die zusammen etwa 1,5 % ausmachen. Die Paschai sind die größte Ethnie, weitere sind die: Punjabi, Sindhi, Kohistani, Gujjar und Roma. Die Indoarier, die nicht in den letzten Jahrhunderten eingewandert sind, sprechen dardische Sprachen. Die meisten Indoarier in Afghanistan sind sunnitisch, wobei es auch einige Sikhs und Hindus gibt. Urdu gilt als Lingua Franca der indischen Völker in Afghanistan.

Durch die teilweise verfeindeten Ethnien und Stämme existiert in weiten Teilen der afghanischen Bevölkerung kein Nationalgefühl. Viele Bewohner Afghanistans fühlen sich unterdrückt und möchten nicht als „Afghanen“ bezeichnet werden. Eskaliert ist die Situation, als es elektrische Personalausweise mit dem Eintrag „Nationalität: Afghane“ geben sollte. Ethnische Konflikte spielen eine wichtige Rolle im Bürgerkrieg. Durch die Spaltung des Landes und Sprachprobleme ist eine politische Entwicklung kaum möglich. Daher ist auch ein gemeinsamer Kampf gegen die Taliban schwer möglich.

Viele Volksgruppen, vor allem Hazara und Tadschiken, fühlen sich gegenüber den Paschtunen benachteiligt. Paschtunische Nationalisten versuchen, einen paschtunischen Nationalstaat auf Kosten der Minderheiten aufzubauen Ethnischer Separatismus ist entstanden. Viele Turkmenen möchten ihre Siedlungsgebiete an Turkmenistan anschließen,
Usbeken an Usbekistan. Die Hazara streben nach einem unabhängigen Hazaristan.

Fazit

Afghanistan ist entgegen der herrschenden Auffassung kein stammesorientierter Staat. Vielmehr ist der „Stamm“ nur die „politische Einheit“ eines Teils von Afghanistan und bezieht sich auf die Paschtunen. Nations- und Staatsbildung sind in den vergangenen 100 Jahren in einer Wechselbeziehung zwischen der Zentralregierung und Stämmen aus zwei wesentlichen Gründen misslungen:

a) Der Widerstand der Stämme gegenüber dem „modernen Staat“.
b) Die „ineffiziente“ Politik der Zentralregierungen gegenüber den Stämmen und die mangelnde Verbreitung des Verwaltungsapparates in den Stämmen und ländlichen Regionen.

Um die Nations- und Staatsbildung in Afghanistan zu verwirklichen, müssen alle „politischen Einheiten“ berücksichtigt und in einem weiteren Schritt die Art ihrer Beziehung zut Zentralregierung definiert werden. In der gegenwärtigen Phase, nach 2001, sind im Prozess der Nations- und Staatsbildung zwar auch andere politische Gruppierungen auf die Bühne getreten, die zu verschiedenen Ethnien gehören, d.h aber nicht das sie auch die Interessen ihrer Ethnie vertreten, da sie nicht demokratisch gewählt worden sind. Beispielsweise bedeutet die Präsenz von nicht-paschtunischen Stammesfürsten nicht zwangsläufig, dass sie ihren eigenen Stamm vertreten. Es muss deshalb in Kabul eine politische Struktur entstehen, an der sich in natürlicher Form verschiedene politische Einheiten beteiligen können.

In der jetzigen Situation ist die Macht in Form von „Kontingentierung“ unter bestimmte Personen verteilt worden, und zwar unter der Annahme, dass die jeweiligen Personen einen Stamm repräsentieren. Das führt zur Unterdrückung der politischen Dynamik in den Ethnien und dazu, dass politische Akteure einer Ethnie gezwungen sind, zur Teilnahme an politischen Entscheidungen den Führer des jeweiligen Stammes als Brücke zu nutzen. So muss z. B. eine neu unter den Uzbeken entstandene politische Einheit zu ihrer Bestand- und Beteiligungssicherung auf der politischen Landschaft von General Dostum genehmigt werden. Dostum ist seit den Neunziger Jahren der Anführer der usbekischen Miliz. Nach dem Sturz der Taliban 2001 hat er an Macht gewonnen und ist der Anführer aller Usbeken. Daher muss jeder Usbeke, der sich politisch engagieren will, die Linie Dostums einhalten.

Weiter lässt sich feststellen, dass ein moderner Staat auch moderne Strukturen verlangt. Die Loya Jirga stellt ein Parallelorgan zu anderen Institutionen wie Parlament und Senat dar und verringert deren Einfluss. Darüber hinaus verstärkt sie die Legitimation von Anführern in Stämmen und ländlichen Regionen. Dies wiederum bewirkt eine Stärkung der traditionellen Institutionen und Schwächung des staatlichen Verwaltungsapparates in diesen Regionen. Moderne Institutionen müssen in den zentralen Blickwinkel der Regierung rücken, damit durch ihre Stärkung die politische Struktur rational und effizient gestaltet werden kann.

Quellen
–  Conrad Schetter, Ethnicity and the Politics Reconstruction in Afghanistan. Bonn: Center for Development Studies (ZEF), Universität Bonn.

– Dr. Abbas Poya, Freiburg Institute for Advanced Studies (FRIAS), School of History.

– Dr. Najibullah, Retrieved June 28, 2012, from Afghanistan’s Information Network

– Mohammad Hossein Allafi:Islamistischer Wirrwarr kontra Demokratie?  2014


– Thomas Bauer, Die Kultur der Ambiguität. Eine andere Geschichte des Islams, Berlin 2011

– Thomas Barfield, Afghanistan; A Cultural and Political History. Princeton and Oxford: Princeton University / WordPress

Die Kinder von Lidice

Kinder des Krieges

Skulpturen nach Marie Uchytilová Foto: Pixabay

„Sind so kleine Seelen
offen und ganz frei.
Darf man niemals quälen
gehn kaputt dabei.“
(Bettina Wegner)

Die Gräueltaten der NSDAP sind vielen bekannt und es gibt Millionen Fällen, wo Menschen brutal ermordet, Hingerichtete, verhungern, vergewaltigt oder vergast wurden.
Nach wissenschaftlichen Schätzungen zufolge wurden ungefähr 17 Millionen Menschen von Nationalsozialist_innen und ihren Unterstützer_innen ermordet. Diese Zahlen Basis auf Daten die das United States Holocaust Memorial Museum (USHMM) veröffentlicht hat. Die Schätzungen basieren auf Kriegsberichten derjenigen, die die NS-Bevölkerungspolitik umgesetzt haben, sowie auf demographischen Studien zum Bevölkerungsverlust während des Zweiten Weltkriegs, die nach dem Krieg durchgeführt wurden. Die jüngste Schätzung zur Opferzahl der Homosexuellen beruht auf den Forschungen des deutschen Historikers Dr. Alexander Zinn, der zu dieser Opfergruppe zuletzt intensiv geforscht hat.

Ein Teil der Opfer davon wurde in Deutschland selbst ermordet, etwa in Konzentrationslagern, Gefängnissen, bei Pogromen oder in Krankenanstalten wie Bernburg, Hadamar, Hartheim und Sonnenstein. Eine besonders große Zahl an Menschen wurde in Polen und der ehemaligen Sowjetunion ermordet. Hier hatten die Deutschen Vernichtungslager errichtet, in denen unter anderem ein Großteil der jüdischen Opfer umgebracht wurden. Zudem erschossen Einsatzgruppen im rückwärtigen Heeresgebiet viele Zivilisten, die meisten davon Juden. Den Großteil der russischen Kriegsgefangenen ließ die Wehrmacht in Gefangenenlagern verhungern. In der Grafik nicht aufgeführt sind deutsche politische Gegner und Widerstandskämpfer in von den Achsenmächten besetzten Gebieten. Ihre Zahl ist laut USHMM bislang unbestimmt.

Foto: Pixabay

Die Kinder von Lidice

Lidice war bis zum Frühjahr 1942 ein Dorf, nur 22 km von Prag entfernt. 493 Menschen lebten dort in 102 Familienhäusern. Die Männer arbeiteten meistens in den Stahlwerken und Kohlebergwerken im 7 km entfernten Kladno.

Seit März 1939 war Tschechien, wie andere Regionen Europas durch das nationalsozialistische Deutschland besetzt, die Gebiete quasi zu Kolonien degradiert. Im Mai 1942 wurde in Prag ein Attentat auf den Reichsprotektor Böhmen und Mähren, Reinhard Heydrich, verübt. Heydrich starb am 04. Juni 1942. Am 03. Juni entdeckte die Gestapo eine Spur – ein falsch gedeuteter Liebesbrief – die nach Lidice führte. Die Nachforschungen vor Ort ergaben keine Bestätigung des Verdachts, dass die Bewohner von Lidice an dem Attentat beteiligt gewesen wären. Dennoch sollte ein Exempel statuiert werden. Am 09. Juni, am Tag der Beisetzung Heydrichs in Berlin, wurde das Schicksal Lidices in einer Führerbesprechung besiegelt:

Betrifft Ortschaft Liditz, Bezirk Kladno. Am 09.06.1942, um 19:45 Uhr, teilt SS-Gruppenführer K. H. Frank aus Berlin telefonisch mit, dass auf Grund eienr Führerbesprechung die Ortschaft Liditz folgendermaßen zu behandeln ist:

• Alle männlichen Erwachsenen sind zu erschießen.

• alle Frauen sind in ein Konzentrationslager zu überstellen.

• die Kinder sind zu sammeln und, soweit eindeutschungsfähig, an SS-Familien ins Reich zu geben. Der Rest wird einer anderen Erziehung zugeführt.

• die Ortschaft ist niederzubrennen und dem Erdboden gleich zu machen. Die Feuerwehr ist hierbei einzuschalten (…)

Nun möchte ich über ein einzigartiges Projekt der Bildhauerin Marie Uchytilová berichten.
Die Statuengruppe aus Bronze mit dem Namen „Denkmal für die Kinderopfer des Krieges“ erinnert einerseits an das tragische Schicksal der Lidicer Kinder, andererseits an alle Kinderopfer des Zweiten Weltkrieges.
Dank beträchtlicher finanzieller Spenden aus Tschechien und dem Ausland konnte die Statuengruppe aus Bronze in ihrer endgültigen Gestalt im Jahre 2000 auf dem Gelände der Gedenkstätte Lidice enthüllt werden.
Die Statuengruppe stellte Marie Uchytilová nach zwanzig Jahren fortwährender Arbeit im Frühling 1989 fertig. Die ersten drei Statuen goss sie auf eigene Kosten in Bronze. Für die weitere Umsetzung der Kindergruppe konnte sie jedoch nicht mehr fortführen, da sie am 16. November 1989 unerwartet und plötzlich verstarb.

Für die Arbeit an ihrem Lebenswerk studierte Marie Uchytilová Fotos der ermordeten Kinder. Neben der Größe und dem Alter der Kinder versuchte sie, auch ihre Wesensart festzuhalten.
82 überlebensgroße Statuen erinnern an das Schicksal der Lidicer Kinder, die im Vernichtungslager Chelmno starben, das auf dem Gebiet des damaligen Generalgouvernements lag. Nachdem die Kinder als nicht Germanisierung geeignet befunden wurden, fanden sie den Tod in Gaswagen.
Nur neun Lidicer Kindern wurde eine Chance gegeben. Sie wurden in deutsche Familien auf dem Gebiet des Dritten Reichs gegeben. Sieben Kinder unter 12 Monaten wurden in einer Krankenhauseinrichtung in Prag untergebracht.
Nur zwei der sechs Kinder, die Lidicer Frauen nach der Tragödie zur Welt brachten, überlebten das Elend des Krieges. Neugeborene, die das Licht der Welt hinter den Mauern des Konzentrationslagers Ravensbrück erblickten, wurden auf der Stelle ermordet. Nur 17 der 105 Lidicer Kinder kehrten nach dem Krieg nach Hause zurück.

Quelle: Auswärtiges Amt
Fotos: Pixabay

Nachtwächter Führung durch Stromberg

„Brecht den Krieg ab und stellt die deutschen Feindschaften ein. Die innere Feindschaft richtet uns zugrunde.“

Autorin Naike Juchem

Stromberg, die Stadt der drei Täler, drei Burgen und drei Bäche – der Welsch-, Dörre- und Guldenbach.
Die kleine historische Stadt liegt am südöstlichen Rand des Hunsrücks. Im Westen befindet sich der Soonwald und im Norden der Binger Wald. Stromberg zählt heute circa 3200 Einwohner und die erste Besiedlung wird bereits in der Jungsteinzeit angesehen.

Stromberg liegt an einer historischen Römerstraße die von Bingen nach Trier führte und wurde erstmals im Jahr 1056 erwähnt.

Am 9. Dezember war eine Nachtwächter Führung in Stromberg im Hunsrück. Geführt und in Mundart vorgetragen vom Marianne Wilbert.

Marianne Wilbert führte die kleine Gruppe von circa 20 Besucher sehr ausführlich durch die Geschichte von dem kleinen Ort im Hunsrück.

Geschichte ist sehr interessant, wenn man die Geschichten von Häuser, Plätze – oder gar Luftschutzbunker kennt.
Letzteres war im der Führung nicht enthalten. Dazu später mehr.

Der Start der Führung begann auf dem historischen Marktplatz. Dort steht eine Figur des hl. Jakobus in Pilgertracht. Diese wurde 1780 von dem Mainzer Barockbildhauer Johann Matthäus Eschenbach geschaffen.

Der hl. Jakobus in Pilgertracht auf dem Marktplatz

Über die Marktstraße ging es in die Gerbereistraße zum ehemaligen Forsthaus, wo heute das Heimatmuseum untergebracht ist. Dort kann man mittelalterlicher Relikte und Schriftstücke des 16.-20. Jahrhunderts betrachten.
Das Haus stellt eine komplett eingerichtete Uhrmacherwerkstatt, die »Gute Alte Stube«, Omas Küche, Schlaf- und  Wohnzimmer aus dem frühen 19. Jahrhundert aus.

Altes Forsthaus

Marianne Wilbert erzählte sehr ausführlich von den einst 20 Gerber im Ort und deren Lederherstellung. Bei Bauarbeiten in den 1990er Jahren wurde ein sehr gut erhaltener Gerber-Bottich gefunden, welcher heute in der Straße „Im Zwengel“ steht.

Staatsstraße Nummer 5

An der „Staatsstraße 5“ steht die ehemalige Posthalterei. 1779 wurde dem Stromberger Johann David Sahler vom Fürsten Thurn und Taxis die offizielle Festhalterei verliehen – also eine Poststadion. In dem Bereich von dem Haus wurden die Pferde getauscht oder getränkt.

Im Gasthaus „Zur Post“ konnte man sich von den Strapazen der Reise erholen oder eine Herberge für eine Übernachtung der Weiterreise finden.

Die St. Jakobus Kirche an der Rathausstraße aus dem Jahr 1863 ist im neugotischem Stil nach den Plänen des Kölner Dom-Baumeisters Vinzens Stahts aus behauenem Stromberger Kalkstein errichtet.

Zwischen der „Rathausstraße“ und „Im Zwengel“ sprach Frau Wilbert über die mittelalterliche Fustenburg, oder auch Stromburg genannt. Nach der Legende wurde im Jahre 1574 auf jener Burg der »Deutsche Michel« Hans Michael Elias von Obentraut geboren und auch dort seine Jugend verbraucht haben.
Im Dreißigjährigen Krieg erwarb sich Obentraut als Reitergeneral Achtung und Anerkennung auf dem Schlachtfeld.

Die Stromburg

Er starb am 25.Oktober 1625, auf dänischer Seite kämpfend, in der Schlacht gegen Tilly bei Seelze. Der Überlieferung nach ließ Tilly daraufhin das Gefecht abbrechen und begab sich zu dem sterbenden Obentraut, um dessen Heldenmut ein letztes Mal zu ehren.
Obentraut soll schwerst verletzt mit letzter Kraft gesagt haben: „Brecht den Krieg ab und stellt die deutschen Feindschaften ein. Die innere Feindschaft richtet uns zugrunde.“

Womit nun die Redewendung für Aufrichtigkeit, Ehrenhaft und Tapferkeit für den »Deutschen Michel« geklärt wäre.

Gerber-Bottich

„Im Zwengel“ kamen wir an dem alten Gerber-Bottich aus dem 18. Jahrhundert vorbei, welcher bei Bauarbeiten in den 1990er gefunden wurde.



In der „Schloßstraße“ steht einer der ältesten Häuser von Stromberg.

Luftschutzbunker

Anm. Ich sprach während der kleinem Tour mit verschiedenen Leuten, so auch mit Herr Fuchs, der auch sehr vieles über den Ort wusste und auch sehr viele Chroniken hat.

Auf dem Weg zurück in den Ortskern, sah ich rechts einen Felsen mit einer Tür. Ich dachte an eine Bunkertür. Konnte mir aber nicht erklären, wofür diese Tür sei und ob mein Vermutung richtig war. Wahrscheinlich konnte Herr Fuchs meine Gedanken lesen und erzählte mir, dass er neben diesem Luftschutzbunker wohne und er sich für eine touristische Besichtigung einsetzt. Herr Fuchs sagte mir, dass mit dem Baubeginn erst 1944 begonnen wurde und die Frauen aus dem Ort mit Karren den Abraum aus dem Berg geschafft hätten. Als im Mai 1945 der Krieg zu Ende war, wurde der weiteren Ausbau von dem Bunker eingestellt.

Alles in allem war es eine sehr schöne abendliche Tour zur einen Ort, den ich so nicht kannte.

Naike Juchem, 10. Dezember 2022

Quelle: hunsrueck-nahereisen.de

Progrom

Der 9. und 10. November 1938 liegt nun 84 Jahre zurück und viele Menschen in Deutschland wissen oder wollen nicht von jenen zwei Tagen verstehen.


Im November 38 gipfelte der Hass gegen Menschen, welche einen anderen Glauben hatten. Eine andere Herkunft war es in den allermeisten Fällen nicht, denn jene Menschen wurden in Deutschland geboren und dies war ihre Heimat.
Den Hass den die NSDAP über ihre Propaganda in die Köpfen der Menschen brachte, nahm seinen Lauf.

Synagogen, Häuser, Wohnungen und Geschäfte wurden zerstört oder in Brand gesetzt. Die Kristallnacht ging in die Geschichte ein und es war der Beginn der dunkelsten Epoche von Europa und Deutschland sowieso.
Menschen wurden deportiert, gequält und brutal ermordet. Die „ethnische Säuberung“ von Deutschland und Europa begann.

Zerstörte Synagoge in Bensheim

Durch eine Wahn aus Dummheit, Fanatismus und blinden Hass starben bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs geschätzte 70 Millionen Menschen!
Und Europa lag in Schutt und Asche.
Wofür dies alles?

Wir schreiben das Jahr 2022 und sehen den Europaweiten Rechtspopulismus immer weiter aufsteigen. In Deutschland zeigt die AfD öffentlich ihr hässliches Gesicht und sieht sich selbst als die Alternative für Deutschland. Wo blinder Hass hingeführt hat, können wir alle nachlesen.
Ob in den Niederlanden, Frankreich, Polen, Ungarn, Österreich oder auch Italien, sehen wir Rechtspopulistische Parteien und wie ihnen zugejubelt wird.
Wollen diese Menschen wirklich zurück ins Jahr 1938? Die Parolen jener Parteien sind die gleichen wie einst von Hitler, Göbbels oder Mussolini.
In der Diktatur von Mussolini kamen ungefähr ein Million Menschen ums Leben.
Dies ist bis heute noch nicht ins kollektive Bewusstsein der Italiener gelangt.

In den letzten Jahrzehnten hat sich auch in Deutschland der Fremdenhass langsam und stetig ausgebreitet. Häuser wurden angezündet, Menschen auf offener Straße verfolgt, angegriffen und gar ermordet.
Der Hass den die Rechtspopulisten über ihre Propaganda in die Köpfen der Menschen bringt, nimmt seinen Lauf.

KZ Gedenkstätte Dachau

Ich möchte nun eine Begegnung zeigen welche bereits 29 Jahre zurückliegt und mir wohl für immer im Gedächtnis bleiben wird. Der folgende Text wird so in einem Buch erscheinen, welches ich am schreiben bin. Ich schreibe dieses Buch unter dem Pseudonym Hannes.


München 1993

Im Mai 1993 traf ich eine Frau die den Holocaust überlebte und war mit ihr und ihrem Mann im KZ Dachau.

An Dienstagnachmittag waren sie am Viktualienmarkt und kamen spontan auf die Idee ins Kino zu gehen. Am Isartor fanden sie ein Kino welches geöffnet hatte.
Im Aushang sahen sie sich die Plakate für die Filmvorführung an. Das Plakat von Schindler´s Liste fiel ihnen ins Auge. „Willst du in diesen Film?“ Hannes sah zu Nescha und zog die Schultern hoch „Ich weiß nicht. Die anderen Filme interessieren mich nicht besonders.“

Mit Nescha schaute er über drei Stunden die Abgründe der Deutschen Geschichte.
Der Saal im Kino war etwa um die Hälfte besetzt. Diesen Film in einer vollkommenen Ruhe zu sehen, wirkte auf beide. Kein rascheln, kein räuspern – nichts. Nur stille.

Nach dem Film mussten Nescha und Hannes sich erstmal sammeln. Sie standen im Foyer des Kinos und waren Sprachlos – die Bilder wirkten nach. An einem Stehtisch neben ihnen erging es einem älteren Ehepaar genau so. Sie kamen mit dem Ehepaar ins Gespräch. Nach einiger Zeit verließen die vier das Kino und gingen in die Stadt einen Cappuccino trinken. In den Gesprächen kam Nescha auf ihre Berufe und Einsätze in Kambodscha zu sprechen. Die älteren Herrschaften hörten sehr aufmerksam zu und stellten viele Fragen. Rosemarie und Paul Herrmann waren sehr angenehme Menschen. Es wurde immer später und die Gespräche nahmen kein Ende, so ging die kleine Gruppe in ein Restaurant in der Nähe der Heiliggeistkirche.

Beim warten auf das bestellte Essen merkte Hannes, dass Rosemarie seit länger Zeit etwas bedrückte und sie offensichtlich nicht wusste wie sie es sagen sollte. Immer wieder sah sie zu Paul und dann sagte sie unverhohlen in die kleine Runde, dass sie Jüdin sei und ein KZ überlebt habe. Die Worte von Rosemarie traf Nescha und Hannes wie ein Faustschlag ins Gesicht. Da waren sie nun seit fünf Stunden mit diesen beiden Herrschaften unterwegs und dann kam so ein Schlag.
Rosemarie erzählte von ihrer Kindheit, von der Willkür der NSDAP, die Demütigungen und auch von der Deportation.
Hannes hatte das Gefühl, als ob sein Hirn einfror. Einen Film zu schauen war etwas ganz anderes als wenn ein Mensch gegenüber sitzt und das Leben – sein Leben erzählt.
Es wurde ein sehr langer Abend und man verabredete sich für den nächsten Tag. Der Besuch im KZ Dachau.

Hannes lag auf dem Sofa von Nescha und konnte nicht einschlafen. Nescha kam zu ihm ins Wohnzimmer. „Bist du noch wach?“ „Ja. Nescha, wir stehen vor der Ohnmacht der Geschichte und wissen nicht wie wir damit umgehen sollen. Du und ich kennen die Orte der Killing Fields in Kambodscha. Vor drei Jahre sagte ich zu Patricia, ich weiß nicht wie ich reagiere, wenn ich beim graben mit dem Bagger ein Massengrab finde. Dieser Alptraum ließ mich lange nicht los. Zum Glück fahre ich heute kein Bagger mehr, aber was ist, wenn andere aus meinem Team auf ein solches Grab stoßen? Weiter machen? Wir müssen den Zeitplan einhalten. Wie gehe ich damit um?“
Nescha setzte sich zu ihm und umarmte ihn. Sie suchte nach Worten und schüttelte immer wieder stumm den Kopf „Hannes, mir fehlen gerade die Worte. Wir beide haben in Kambodscha wahrlich genug an Armut und Tod gesehen. Ist es eine gute Idee mit den beiden heute nach Dachau zu fahren?“ Hannes zog die Schultern hoch, er wusste es auch nicht.
„Zuviel was wir nicht begreifen können. Zuviel an Demut, Schuld und Scham. Zuviel an Fragen.“ „Nescha, was können wir beide für diese dunkelste Epoche von Deutschland? Du kommst aus der Schweiz und ihr hatten nicht all zu viel mit dem Nationalismus zu tun. Wir sitzen hier mit unserer Jugend und reden über etwas, an dem wir gar nicht Schuld sind und trotzdem haben wir Schuldgefühle. Können wir den Genozid in Kambodscha begreifen? Diese Gräueltaten waren um ein vielfaches mehr, als das was wir von den Nazis kennen. Die Auswirkungen haben wir beide mehr als genug gesehen. Ich bin viel in dem Land unterwegs und sehe fünfzehn Jahre später noch diese grausamste Epoche der Roten Khmer.“ Nescha nickte. Er sah, dass ihr seine Worte oder die Erlebnisse auch zum Denken gaben.
„Darf ich bei dir schlafen?“ „Natürlich. Es wird zwar etwas eng auf deinem Sofa, wird aber schon gehen.“ Nescha lag ihm gegenüber an den Füßen, so war etwas Platz für beide. Bis früh in den Morgen sprachen sie über die Ohnmacht der Geschichte, für die sie beide nichts konnten.

Um 10 Uhr fuhr Hannes mit dem VW Golf von Nescha am Hotel, am Randgebiet von München, vor. Rosemarie und Paul standen bereits am Eingang. Zusammen tranken sie noch einen Kaffee auf der Terrasse. Nescha sprach offen die Gedanken der vergangenen Nacht an
„Rosemarie, willst du wirklich nach Dachau fahren? Wir müssen dort nicht hin. Wir beide hatten diese Nacht noch sehr lange über den Film und die Ohnmacht vor der Geschichte gesprochen. Hannes sieht es auch wie ich, wir müssen nicht nach Dachau.“ Mit fester Stimme sagte Rosemarie „Ich will abschließen. Seit Jahren quäle ich mich und nie hatte ich den Mut der Vergangenheit zu begegnen. Der Film von gestern war ein kleiner Schritt, auch wenn es sehr weh getan hat. Dann haben wir euch getroffen. Ihr seid auf der Welt unterwegs im Einsatz für Menschen und seht auch genügend Leid und Tod. Ihr beide versteht es besser als jeder andere Mensch auf der Welt. Mit euch schaffe ich diesen letzten Schritt.“

Es gibt Momente die prägen ein ganzes Leben. Die Begegnung mit Rosemarie zählt dazu.
Nescha nickte Hannes zu „Okay, wir gehen mit dir diesen letzten Schritt.“

Hannes fuhr aus München die 20 Kilometer nach Dachau. Je näher er diesem Ort kam, umso größer wurde die Angst in ihm. Was, wenn Rosemarie dies nicht schafft? Er dachte an einen Nervenzusammenbruch oder gar an einen Herzinfarkt. Als Medizinstudentin könnte Nescha sofort Erste Hilfe leisten, wenn die Sorgen von Hannes bei Rosemarie eintreten sollten.
Im Rückspiegel sah er Rosemarie und Paul Hand in Hand sitzen. Eine surrealistische Situation. Wie ein junges Liebespaar, dass sich nicht traut sich zu küssen und trotzdem vom Leben gezeichnet und dennoch fest entschlossen war einen unglaublich schweren Weg zu gehen.

Die Wegweiser zum KZ kamen immer häufiger, der Puls von Hannes war an seiner Belastungsgrenze und er hörte sein Herz schlagen.
Auf dem Parkplatz angekommen, sah Nescha zu Rosemarie und Paul „Wir müssen dort nicht hin!“ „Doch! Für euch. Für mich und für die Zukunft.“

Nescha nahm die Hand von Hannes. Auch für sie war es eine Belastung. Jeden Schritt näher zu diesem Ort war ein Schritt in die Ohnmacht der Geschichte.
Auch wenn Dachau kein Vernichtungslager war, die Grausamkeiten, die Entgleisung der Menschlichkeit war spürbar und zu sehen: Die Gebäude, Skulpturen, Erinnerungstafeln, die Krematorien.

Mit einer Gruppe von ungefähr 30 Personen wurden sie durch die Anlage geführt. Sie vier, eine Schulklasse der Oberstufe eines Gymnasium aus Unterfranken und noch drei Ehepaare.
Der Mann der die Führung machte, erklärte sachlich und ruhig. Er beantwortete Fragen aus der Gruppe und tat dies mit dem allergrößten Respekt an die Opfer von dem Nationasoziallismus.
Mit der Zeit merkte die Gruppe, dass Rosemarie mit dem Mann länger sprach und auch sie das ein oder andere beitragen konnte. Irgendwann merkte die Gruppe, dass Rosemarie keine gewöhnliche Touristin war und so bildete sich eine kleine Traube von Menschen um Rosemarie.
Rosemarie kamen bei den Erzählungen aus ihrer Kindheit immer wieder die Tränen und Nescha fragte wie es ihr geht. Von der Gruppe kaum beachtet, hielt Nescha die Hand von Rosemarie und fühlte unauffällig – aber gekonnt ihren Puls. Hannes sah in die Augen von Nescha und diese sagte ihr, dass alles in Ordnung sei.

Nach dieser doch sehr speziellen Führung zeigten die anderen aus der Gruppe ihren sehr großen Respekt und stellten auch Fragen an Rosemarie.
Auf einer der Bänke auf dem Gelände saß Rosemarie, Nescha und Paul.
Rosemarie beantwortete ruhig die Fragen der anderen. Hannes stand hinter der Bank und beobachtet die Regungen der Jugendlichen und Erwachsenen auf die Schilderungen von Rosemarie.
Es tat ihr gut, unter dieser Anteilnahme von Ehrfurcht und Respekt mit ihrer Vergangenheit endlich abschließen zu können.
Trotz der angenehmen Temperatur an diesem Tag, war es Hannes kalt. Was Menschen in ihrem Leben erlebt hatten, war für ihn schwer zubegreifen. Er dachte an die Bilder von Kampang Rou im Januar 90. Er sprach mit Patricia von einem realen Alptraum. Ein Kinderkarussell war dies gegen das Erlebte von Rosemarie.

Auf dem Rückweg zum Hotel bedankte sich Rosemarie und Paul immer wieder bei ihnen und ließ es sich nicht nehmen, beide zum gemeinsam Essen einzuladen.

Die HMS Victory

Heute stehe ich in Sinsheim. Vor vier Jahren war ich mit einem Übersee Container aus Hamburg bei der Firma Sea-Club. Ich hatte die Schachtel voll mit Kartons aus Südostasien. Die Firma Sea-Club ist ein Großhändler für alles was irgendwie mit Maritim zu tun hat.

In der Zeit, wo die Männer den Container leer geräumt hatten, ging ich mich duschen. Auf dem Weg zur Dusche sah ich im Flur zum Büro einige Segelschiffmodelle in einem recht großen Maßstab stehen. Die Rickmer Rickmers, welche in Hamburg an den Landungsbrücken liegt, fiel mir sofort ins Auge.

Nach dem duschen sprach ich mit dem Inhaber, Herr Elzer, über jenes Schiff. Auch stand ein Modell der Flying-P Liner, die Passat, im Flur auf einem Sidebord. Ich quatschte Herr Elzer über jenes Schiff dermaßen zu, dass er meinte, ich käme aus Hamburg. Ich stellte ihm meine Passion zu Segelschiffen klar und das ich aus dem Hunsrück komme.

Damals schenkte er mir die USS Constitution. Sie ist das älteste noch seetüchtige Kriegsschiff der Welt und nach der HMS Victory das zweitälteste, welches noch in Dienst steht.

Wie schon geschrieben, bin ich heute in Sinsheim und schaute bei der Firma Sea-Club vorbei. Ich sagte Herrn Elzer, dass ich bereits vor 4 Jahren bei ihm abgeladen hatte und wollte mal fragen, ob er mir ein Schiff verkaufen würde.

Die HMS Victory

Gemeinsam gingen wir ins Lager und er schaute, welche Muster er hat. Einsam und verlassen stand der Dreidecker, Dreimast Vollschiff HMS (His Majesty’s Ship) Victory im Regal.
„Dies könnte ich Ihnen anbieten. Das Schiff ist im Einkauf zu teuer und wir haben es daher nicht ins Programm genommen.“ Meine Augen mussten wie bei einem Kind an Weihnachten geleuchter haben. Für 5 € kaufte ich dieses Schiff, welches seinen Stapellauf 1765 hatte.
Die HMS Victory ist circa 70 Meter lang, knapp 16 Meter breit und hat einen Tiefgang von maximal 8,76 Meter. Mit ihren bis zu 31 Segel konnte sie um die 10 Knoten ( circa 19 Km/h) segeln. Zum Vergleich: Das jemals größte gebaute Fünfmast Vollschiff der Welt, die Preußen – eines der legendären Flying-P Liner der Reederei Laeisz aus Hamburg, schaffte eine doppelt so hohe Geschwindigkeit und hält heute noch diesen Segelrekord von Hamburg bis nach Chile. Die Bewaffnung der HMS Victory war und ist mit 104 Kanone beachtlich. Auch die Zahl der bis zu 800 Matrosen spricht für eine Superlative im ausgehenden 17. Jahrhundert.

Dieses über 260 Jahre alte Dreimast Vollschiff, war an vielen und wichtigen Seeschlachten der Royal Navy ab Juli 1778 bis 1903 beteiligt. Durch die Dreidecker Bauweise konnte quasi gleichzeitig aus „allen Rohren“ gefeuert werden.

Die HMS Victory segelte im Kriegseinsatz gegen Frankreich und Spanien im Mittelmeer und war auch an den Koalitionskriegen, bei den Westindischen Inseln (Kuba, Jamaika, Puerto Rico, Bahamas…) beteiligt. Mal als Transportschiff, mal als Geleitschutz im Ärmelkanal und Nordsee und dann wieder
als Flaggschiff für Seeschlachten.

Die wohl wichtigste und entscheidenste Seeschlacht der Royal Navy war die 1805 am Südspanischen Kap Trafalgar geführt Schlacht. Wodurch die britische Vorherrschaft in Lateinamerika, Südlicher Pazifik, Südafrika und Indien begann.
Und indirekt wurde mit jener Schlacht die Niederlage Napoleon auf dem europäischen Festland besiegelt.

Heute kann man das einzige Seetaugliche
Dreidecker Kriegsschiff der Welt in der Südenglichen Hafenstadt Portsmouth, auch im inneren, besichtigen.

Naike Juchem, 2. November 2022

Die Entführung der Landshut

Foto: GSG9 Historie, Einsatz Mogadischu

Im großen World Wide Web fand ich ein Foto und mir fielen sofort die Fahndungsplakate der RAF ein, die damals bei uns in der Post rechts an der Wand vom Schalter hingen.

Ich bin 1970 geboren und kann mich noch sehr genau an jene DIN A0 Plakate erinnern. Auch sah ich damals in der Tagesschau die Beiträge über die Entführung und Ermordung Hanns Martin Schleyers und die Entführung des Lufthansa-Flugzeugs „Landshut“.

Die Selbstmorde der inhaftierten führenden Mitglieder der ersten Generation der RAF stellten den Schlussakt der sogenannten Offensive 77 der RAF dar. Der Deutsche Herbst gilt als eine der schwersten Krisen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

Beginnen möchte ich mit der Erklärungen der RAF vom 5. September bis 18. Oktober 1977 (Memento vom 12. März 2007 im Internet Archive).

Foto: LKA Rheinland-Pfalz

5. September 1977

An die Bundesregierung Sie werden dafür sorgen, daß alle öffentlichen Fahndungsmaßnahmen unterbleiben – oder wir erschießen Schleyer sofort, ohne daß es zu Verhandlungen über seine Freilassung kommt.
 

6. September 1977

Am Montag, den 5. September 77 hat das Kommando Siegfried Hausner den Präsidenten der Arbeitgeberverbands und des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Hanns-Martin Schleyer, gefangengenommen. Zu den Bedingungen seiner Freilassung wiederholen wir nochmal unsere erste Mitteilung an die Bundesregierung, die seit gestern von den Sicherheitsstäben, wie wir das inzwischen kennen, unterschlagen wird. Das ist die sofortige Einstellung aller Fahndungsmaßnahmen – oder Schleyer wird sofort erschossen. Sobald die Fahndung gestoppt ist, läuft Schleyers Freilassung unter folgenden Bedingungen:

Die Gefangenen aus der RAF: Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Jan-Carl Raspe, Verena Becker, Werner Hoppe, Karl-Heinz Dellwo, Hanna Krabbe, Bernd Rössner, Ingrid Schubert, Irmgard Möller werden im Austausch gegen Schleyer freigelassen und reisen in eine Land ihrer Wahl. Günter Sonnenberg, der seit seiner Festnahme wegen einer Schußverletzung haftunfähig ist, wird sofort freigelassen. Sein Haftbefehl wird aufgehoben. Günter wird zusammen mit den 10 Gefangenen, mit denen er sofort zusammengebracht wird und sprechen kann, ausreisen. Die Gefangenen sind bis Mittwoch, 8 Uhr früh, auf dem Flughafen Frankfurt zusammenzubringen. Sie haben bis zu ihrem Abflug um 12 Uhr mittags jederzeit und uneingeschränkt die Möglichkeit, miteinander zu sprechen. Um 10 Uhr vormittags wird einer der Gefangenen das Kommando in Direktübertragung durch das Deutsche Fernsehen über den korrekten Ablauf ihres Abflugs informieren.

In der Funktion öffentlicher Kontrolle und Garantie für das Leben der Gefangenen während des Transports bis zur Landung und Aufnahme sollen die Gefangenen – wie wir vorschlagen würden – von Payot, dem Generalsekretär der Internationalen Föderation für Menschenrechte bei der UNO, und Pfarrer Niemöller begleitet werden. Wir bitten sie, sich in dieser Funktion dafür einzusetzen, daß die Gefangenen dort, wo sie hinwollen, lebend ankommen. Natürlich sind wir auch mit einem Alternativvorschlag der Gefangenen einverstanden.

Jedem der Gefangenen werden 100 000 DM mitgegeben. Die Erklärung, die durch Schleyers Foto und seinen Brief als authentisch identifizierbar ist, wird heute abend um 20.00 Uhr in der Tagesschau veröffent-licht, und zwar ungekürzt und unverfälscht. Den konkreten Ablauf von Schleyers Freilassung legen wir fest, sowie wir die Bestätigung der freigelassenen Gefangenen haben, daß sie nicht ausgeliefert werden, und die Erklärung der Bundesregierung vorliegt, daß sie keine Auslieferung betreiben wird. Wir gehen davon aus, daß Schmidt, nachdem er in Stockholm demonstriert hat, wie schnell er seine Entscheidungen fällt, sich bemühen wird, sein Verhälmis zu diesem fetten Maguaten der nationalen Wirtschaftscreme ebenso schnell zu klären.
RAF – Kommando Siegfried Hausner

Foto:GSG9 Historie

Der Irrflug der „Landshut“

Der Flug LH181 am 13. Oktober 1977 von Palma de Mallorca nach Frankfurt sollte nur etwas über ein Stunde dauern. Er entpuppte sich für die 82 Passagiere und fünf Besatzungsmitglieder an Bord als mehrtägiges Martyrium. Denn ein vierköpfiges Terroristenteam – zwei Frauen und zwei Männer – übernahmen gegen 14.30 Uhr die Gewalt an Bord der Boeing 737-200 „Landshut“. Die Forderungen des Kommandos „Martyr Halimeh“ unter Führung von „Captain Mahmud“: Freilassung elf inhaftierter deutscher linksextremistischer Terroristen, zweier in der Türkei inhaftierter palästinensischer Terroristen sowie 15 Millionen US-Dollar Lösegeld. Andernfalls sollten alle Geiseln und der durch die Rote Armee Fraktion (RAF) am 5. September 1977 entführte Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer getötet werden. Das Ultimatum sollte am 16. Oktober auslaufen.

Anders als die Entführer angenommen hatten, zeigten sich die arabischen Staaten in den nächsten Tagen nicht gewillt, in die Krise hineingezogen zu werden. Sie verweigerten der „Landshut“ die Landung. Der Irrflug der Maschine mit dem Luftfahrzeugkennzeichen D-ABCE führte nach Zwischenlandungen in Rom, Larnaka und Bahrain zunächst am 14. 10. nach Dubai. Dort gab es zähe Verhandlungen jedoch ohne Ergebnis. Am 16. 10. startete die Maschine dann nach Aden. Hier musste die Landshut neben der gesperrten Piste landen. In Aden erschossen die Terroristen auch Flugkapitän Jürgen Schumann. Co-Pilot Jürgen Vietor musste die „Landshut“ schließlich nach Mogadischu steuern, wo sie in den frühen Morgenstunden des 17.10. eintraf.

Die Bundesregierung lässt sich nicht erpressen


Im Bundeskanzleramt in hatte Bundeskanzler Helmut Schmidt nach der Entführung der „Landshut“ einen Krisenstab gebildet. Die klare Linie lautete: Den Forderungen der Terroristen wird nicht nachgegeben. Gleichwohl folgte Staatsminister Hans-Jürgen Wischnewski mit einem Verhandlungsteam in einer Sondermaschine dem entführten Flugzeug. Auch die GSG 9 war unmittelbar nach der Entführung alarmiert worden, um sich für eine Befreiungsoperation bereitzuhalten. Ein Einsatzverband unter Leitung ihres Kommandeurs, Oberstleutnant i. BGS Ulrich K. Wegener, war der „Landshut“ zunächst in einer Sondermaschine der Lufthansa gefolgt und hielt sich in Ankara bereit. Als die „Landshut“ in Dubai gelandet war, flogen Wegener, dessen Adjutant Baum und Unterführer Dieter Fox ebenfalls dorthin. Sie stießen zum Wischnewskis-Team. Zu einer geplanten Befreiungsoperation kam es nicht mehr. Von Dubai aus ging es dann ebenfalls nach Mogadischu, wo sie am 17. Oktober um die Mittagszeit eintrafen.

Am 17. Oktober gegen 17:30 Uhr MEZ landeten die Einsatzkräfte der GSG 9 mit der Lufthansa-Maschine „Stuttgart“ in Mogadischu, ca. 2.000 Meter von der „Landshut“ entfernt. Die Starts und Landungen somalischer Militärflugzeuge lenkten die Terroristen ab. Danach kamen Staatsminister Hans-Jürgen Wischnewski und der GSG 9-Kommandeur Ulrich Wegener zur „Stuttgart“. Wischnewski erklärte, dass Bundeskanzler Helmut Schmidt angesichts der unnachgiebigen Haltung der Terroristen und weil der Staat sich nicht erpressen lässt, entschieden hatte, dass die GSG 9 die „Landshut“ stürmen soll, um die 86 Geiseln zu befreien.
Wischnewski gelang es, bei der somalischen Regierung die Erlaubnis für eine gemeinsame Operation deutscher und somalischer Kräfte zu erwirken. Zum Schein ging die Bundesregierung dann auf die Forderungen der Entführer, welche die Maschine bereits zur Sprengung vorbereitet hatten, ein. Sie bat um eine weitere Verlängerung der Frist, um die Gefangenen zum Austauschort transportieren zu können. Die Entführer setzten ein letztes Ultimatum, welches am 18.10. um 1.30 Uhr auslaufen sollte.

Geiselbefreiung durch die GSG9 in Mogadischu. Foto: GSG9 Historie

Die GSG 9 bekommt das „GO“

Der deutsche GSG 9-Einsatzverband – er war aus Tarnungsgründen von Ankara zurück nach Sankt Augustin und dann nach Kreta geflogen – landete am 17. Oktober gegen 19.30 (MEZ) Uhr in der Dunkelheit und wurde auf den nördlich angrenzenden militärischen Teil des Flughafens Mogadischu gelotst. Somalische Kräfte riegelten den Flughafen ab.

Die Verhandlungsexperten im Wischnewski-Stab lenkten die Entführer durch einen intensiven Funkverkehr über die bevorstehende vermeintliche Gefangenenübergabe ab. Der Einsatzverband machte sich nach der Landung bereit. An ihrer Boeing 707 „Stuttgart“ erfolgte das Rehearsal, die Abschlussübung vor dem Zugriff. Wegener meldete Helmut Schmidt Einsatzbereitschaft und zeigte sich überzeugt vom Einsatzerfolg. Noch am Abend erhielt er telefonisch den Einsatzbefehl durch den Bundeskanzler.

Ablauf der Operation

Die Kräfteeinteilung stellte sich wie folgt dar: Das zehn Mann starke Aufklärungs- und Präzisionsschützenkommando stand unter Führung des stellv. Kommandeurs, Major i. BGS Klaus Blätte. Zur Ausstattung gehörten Scharfschützengewehre Mauser S66 mit Nachtsichtgeräten „Nachteule“ sowie Aufklärungstechnik. Das Zugriffsteam wurde von Wegener geführt. Es bestand aus sechs Sturmtrupps (einer pro Tür) zu je fünf Mann. Dazu kamen noch ein Sanitäts- und ein Reservetrupp mit drei bzw. fünf Mann sowie ein Pioniertrupp mit vier Mann. Die beiden SAS-Männern Major Alistair Morrison und Sergeant Barry Davis waren hier ebenfalls zugeordnet. Sie hatten ihre brandneuen „Stun-Grenades“, Blitzknallgranaten mitgebracht. Zur übrigen Bewaffnung und Ausrüstung gehörten Revolver S&W .38 und Pistolen P9S zum Arbeiten in der Maschine, MP5, neuartige „Bristol“-Schutzwesten aus britischer Produktion, dazu noch spezielle gummibeschichtete Leitern.

Für die zu evakuierenden Geiseln wurde ein Sammelraum abseits der Maschine eingerichtet. Somalische Streitkräfte bildeten einen äußeren Ring und bereiteten zudem ein Feuer einige hundert Meter vor dem Cockpit der „Landshut“ für ein Ablenkungsmanöver vor.

Um etwa 22.00 Uhr gingen die Kräfte in die Ausgangsstellung. Die Aufklärer und Präzisionsschützen arbeiteten sich auf etwa 30 Meter an die Maschine heran und lieferten stetig Aufklärungsergebnisse. Ab etwa 23.00 Uhr begann die Annäherung der Zugriffskräfte. Sie erreichten die Maschine um etwa 23.30 Uhr.

23.50 Uhr: Die somalischen Soldaten entzünden das Ablenkungsfeuer. Die Verhandlungsgruppe im Tower fragt über Funk beim Terroristenführer Captain Mahmud die Übergabebedingungen ab.

23.55 Uhr: Die Sturmtrupps nehmen ihre Sturmausgangsstellungen ein.

00.00 Uhr: Spezielle Leitern werden an die vier Türen und an die beiden Notausgangsbereiche hinter den Tragflächen gelegt, die Trupps gehen in Position.

00.05 Uhr: Auf das Kommando „Feuerzauber“ zünden die beiden SAS-Männer mehrere Blitzknallgranaten, nahezu gleichzeitig öffnen die Sturmtrupps die Türen. Fünf Sturmtrupps dringen in die Maschine ein, der Trupp 2 (vorne rechts) muss aufgrund von Hindernissen ausweichen und hinter Trupp 1 (vorne links) nachrücken.

Im Flugzeuginneren entwickelt sich ein Feuerkampf. Trupp 1 schaltet im Cockpit Mahmud aus. Eine Terroristin wird im Gang der Ersten Klasse getroffen und schwer verletzt – sie überlebt. Der dritte Terrorist kann bevor er ausgeschaltet wird noch zwei Handgranaten werfen, deren Explosion die Stewardess Gabriele Dillmann (heute von Lutzau) am Bein verletzen. Eine vierte Terroristin wird auf der vorderen Bordtoilette neutralisiert. Ein GSG 9-Einsatzbeamter erleidet eine leichte Verwundung durch einen Halsdurchschuss.

Noch während des Feuerkampfes beginnt im hinteren Bereich (Trupp 5 und 6) und über die Notausstiege (Trupp 3 und 4) die Evakuierung.

00.12 Uhr: Wegener meldet „Springtime“ – das Codewort für den erfolgreichen Abschluss der Aktion. 
Bilanz: Alle 86 Geiseln befreit, drei leicht verwundet, ein GSG 9-Mann leicht verwundet, drei von vier Terroristen getötet, eine Terroristin schwer verletzt an die somalischen Behörden übergeben. Die Befreiten wurden noch am 18. Oktober mit einer Sondermaschine nach Frankfurt gebracht. Die GSG 9 landete ebenfalls am 18. Oktober gegen 15.30 Uhr auf dem Flughafen Köln/Bonn.

Ankunft Flughafen Köln/Bonn Foto: dpa

Erklärungen der RAF vom 5. September bis 18. Oktober 1977 

19. Oktober 1977

Wir haben nach 43 Tagen Hanns-Martin Schleyers klägliche und korrupte Existenz

beendet. Herr Schmidt, der in seinem Machtkalkül von Anfang an mit Schleyers Tod spekülierte, kann ihn in der Rue Charles Peguy in Mulhouse in einem grünen Audi 100 mit Bad Homburger Kennzeichen abholen.

Für unseren Schmerz und unsere Wut über die Massaker von Mogadischu und Stammheim ist sein Tod bedeutungslos. Andreas, Gudrun, Jan, Irmgard und uns überrascht die faschistische Dramaturgie der Imperialisten zur Vernichtung der Befreiungsbewegungen nicht. Wir werden Schmidt und der daran beteiligten Allianz diese Blutbäder nie vergessen. Der Kampf hat erst begonnen! Freiheit durch bewaffneten antiimperialistischen Kampf!
Kommando Siegfried Hausner.


Quelle:
– Erklärungen der RAF vom 5. September bis 18. Oktober 1977 (Memento vom 12. März 2007 im Internet Archive).
– GSG9 Historie
– esut.de

Der Baader-Meinhof Prozess in Kaiserslautern

Wie komme ich auf dieses Thema?
Meinen 47. Geburtstag feierte ich in Kaiserslautern in der Kartoffelhalle. Bis zu diesem Zeitpunkt sagte mir dies überhaupt nichts.
An jenem Nachmittag wurde mir die Historie dieses Gebäude sehr genau erklärt.
Ich fingen mit den Ergebnisse der Entführung der Lufthansa Maschine „Landshut“ nach Mogadischu den Terror an zu begreifen.

Nun folgt ein Artikel aus dem Spiegel vom 5. Juni 1977

Mit Augenmaß bewältigte das Schwurgericht in Kaiserslautern einen zweiten Baader-Meinhof-Prozeß — anders als in Stammheim — ohne Einbußen für Justiz und Rechtsstaat.

Besorgt erkundigte sich 1974 Helmut Kohl, damals Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz, nach den Qualitäten eines Richters namens Adolf Stiefenhöfer. Kohl in einer Kabinettssitzung: »Was ist denn das für einer?« Justizminister Otto Theisen beschied ihn knapp: »Ein ganz normaler.«

Zunächst blieb die Skepsis, wenn unter Kollegen sein Name fiel. Stiefenhöfer, 48, früher Amtsrichter in Rockenhausen, dann Richter am Landgericht in Kaiserslautern, las eigens Werke von Theodor Adorno, übte sich in Psycho-Training und paukte linke Termini, um als Landrichter seine größte Aufgabe zu bestehen: parallel zu dem Mammutprozeß in Stuttgart-Stammheim über drei andere Mitglieder der »Roten Armee Fraktion« (RAF) zu Gericht zu sitzen.

Am Donnerstag letzter Woche, es war der 131. Verhandlungstag, schloß Stiefenhöfer im »Kleinen Baader-Meinhof-Prozeß« („Saarbrücker Zeitung“) in Kaiserslautern die Akten. Es war ein Verfahren ohne dramatische Zuspitzungen, ohne interne Justizskandale, ohne Spektakel mit prominenten Zeugen und meist vor mäßig gefüllten Zuhörerbänken.

Doch gerade weil das Verfahren im Pfälzer Hinterland so wenig Brisantes bot für Beobachter wie Beteiligte und immer Gefahr lief, im Schatten von Stammheim zur Nebensache zu geraten, kam der Rechtsstaat — anders als im Stuttgarter Hauptprozeß hier ohne Schrammen davon.

Stiefenhöfer bewies seine richterliche Souveränität auch darin, daß er in heiklen Augenblicken nicht wie sein Kollege Prinzing überflüssige und der Wahrheitsfindung abträgliche Konfrontationen mit den Verfahrensbeteiligten heraufbeschwor, sondern durch geschickte Nachgiebigkeit im Detail für ein moderates Verhandlungsklima sorgte. Er blockte jeden Eklat und jeden Ruch von Manipulation von vornherein ab.

Zu lebenslanger Haft verurteilt wurden die Terroristen Klaus Jünschke, 29, und Manfred Grashof, 30, unter anderem wegen Mordes und schweren Raubs. Der dritte Angeklagte, Wolfgang Grundmann, 29, seit Oktober auf freiem Fuß, kam wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung mit vier Jahren Freiheitsstrafe davon. Er erhält, weil er bis dahin schon viereinhalb Jahre in Untersuchungshaft gesessen hatte, voraussichtlich für ein halbes Jahr sogar Haftentschädigung. Am 22. Dezember 1971 gegen 8.10 Uhr hatten sechs Terroristen — bei letztlich ungeklärter Tatbeteiligung nach Ansicht der Ermittler auch Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe — in der Bayerischen Hypotheken- und Wechsel-Bank zu Kaiserslautern 133 986 Mark erbeutet; im Kugelhagel der Räuber starb der Polizist Herbert Schoner.



Acht Wochen später stürmten sechs maskierte BM-Terroristen in die Bayerische Hypo-Bank in Ludwigshafen, schrien »Ihr Schweine, Säue, Drecksäue« und sackten 285 740,32 Mark ein. Mitte Mai 1972 legte ein RAF-Kommando Bomben im US-Hauptquartier in Frankfurt (ein Toter, elf Verletzte), und in Hamburg war im März der Kriminalhauptkommissar Hans Eckhardt an einer Terroristen-Kugel gestorben. Er hatte den RAF-Mitgliedern Grashof und Grundmann in einer konspirativen Wohnung aufgelauert.

Allein der Mord von Grashof an Eckhardt wurde in Kaiserslautern mit exakten Zeugenaussagen bewiesen. In anderen Punkten war die Beweisführung schwieriger. So wurde Jünschke wegen Mordes, Grashof wegen Beihilfe zum Mord an dem Polizisten Schoner verurteilt. Beide hatten am Tatort Kaiserslautern keine Spuren hinterlassen, und kein Zeuge konnte vor Gericht ihre direkte Tatbeteiligung bestätigen.

Die Tatsache, daß Jünschke nach Zeugenaussagen drei Wochen vor dem Überfall eine Reihe von Straßenzügen rund um die Bank photographiert, am Vortag den späteren Fluchtweg erkundet und seine Fingerabdrücke in einer konspirativen Wohnung hinterlassen hatte, wertete das Schwurgericht als ausreichenden Beweis, daß der frühere Psychologie-Student »auch in der Bank weilte und eine Rolle spielte, die mit dem Fluchtweg zusammenhing«. Grashofs Beihilfe sah das Gericht als erwiesen an, weil er zwei Wochen vor den« Überfall in der Buchhandlung Senftleben einen Stadtplan von Kaiserslautern gekauft hatte und von einer Verkäuferin dabei beobachtet worden war.

Für die These der Ankläger, wonach der dritte Angeklagte, Grundmann, unter den Geldräubern in Ludwigshafen war, fand das Gericht keinen ausreichenden Beweis. So blieb von der Anklage gegen Grundmann nur die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und unerlaubter Waffenbesitz übrig.

Denn »Kronzeuge« Gerhard Müller hatte Grundmann zwar belastet, sich dabei jedoch in Widersprüche verwickelt. Er fand in Kaiserslautern. auch dies durchaus anders als in Stammheim, wenig Glauben. Stiefenhöfer: »Seine Angaben müssen mit größter Vorsicht behandelt werden.«

Eine Behauptung von Müller, der, so Stiefenhöfer, auch in Stammheim gelegentlich die »bewußte Unwahrheit« gesagt hatte, diente dem Gericht andererseits sogar zur Entlastung Jünschkes im Frankfurter Sprengstoff-Fall. Obwohl ein Zeuge den Angeklagten am Tatort gesehen haben will, mochte das Schwurgericht »Müllers Eindruck, Jünschke sei hier in keiner Weise beteiligt gewesen, nicht ausschließen«.

Der Freispruch in diesem Punkt überraschte allerdings ebenso wie die Überzeugung des Gerichts, Jünschke sei als Mittäter in Kaiserslautern überrührt. Prompt kündigten auch die Pflichtverteidiger Revision dagegen an.

Neunzig Polizisten, die zum Schutz der als Verhandlungssaal umgebauten Kartoffelhalle abgeordnet worden waren, begannen nach der dreistündigen Urteilsverkündung, die Gitter, Monitore und den Stacheldraht wieder abzubauen — seit Prozeßbeginn vor 21 Monaten gab es für die Bewacher keinen einzigen Zwischenfall.

War der kleine BM-Prozeß im Schatten des Stuttgarter Monsterverfahrens — wegen des doppelten Aufwands, doppelter Kosten und des von Anfang an einkalkulierten Risikos unterschiedlicher Bewertungen — Beamten der rheinland-pfälzischen Justiz und des Bundeskriminalamtes zunächst noch als »der reinste Quatsch« erschienen, so bewerten sie ihn heute hoch.

Der Kaiserslauterer Prozeß belegt, daß es sich auch gegenüber Staatsfeinden von BM-Zuschnitt noch immer unvoreingenommen, ausgewogen und differenziert judizieren läßt. Nicht nur die Überlegenheit Stiefenhöfers, seine Flexibilität in Verfahrensfragen, nicht nur die Anwälte, die in Kaiserslautern kaum Anlaß zu vordergründigem Wirbel fanden — auch die Mainzer CDU-Landesregierung tat das Ihre zu einem korrekten Verfahren: Ein Abhör-Skandal wie in Stammheim blieb dem Prozeß in der Provinz erspart.

Als sich Justiz- und Innenministerium in Mainz vor die Frage gestellt sahen, ob sie — parallel zu dem Beschluß der Stuttgarter Minister Schiess und Bender — auch bei Grashof und Jünschke in der Vollzugsanstalt Zweibrücken Verteidigergespräche belauschen sollten, fiel die Entscheidung in den beiden Mainzer Chefetagen negativ aus: »aus verfassungsrechtlichen Gründen«.

Quelle: Der Spiegel vom 05.06.1977

Keltischer Ringwall von Otzenhausen

Der Keltische Ringwall von Otzenhausen

Heute mal etwas Frühchristliche Geschichte von mir. Auch wenn der Keltische Ringwall zum größten Teil im Saarland liegt, zählt der Hunsrück, und somit Rheinland-Pfalz, zu einem der größten Keltengebiete in Deutschland.

Autorin Naike Juchem

Ich wohne in einem Gebiet, welches hunderte Jahre vor Christus von den Kelten besiedelt wurde und so gibt es in diesem Gebiet sehr viele Archäologische Funde. Diese zeugen von einer ausgeprägten Kultur und hochentwickelten sozialen Struktur dieser Volksstämme.

Das Gebiet der Kelten umfasst fast das heutige Europa. Von Südostengland, 
Frankreich und Nordspanien im Westen bis nach Westungarn, Slowenien und 
Nordkroatien im Osten; von Oberitalien im Süden bis zum nördlichen Rand der deutschen Mittelgebirge. Daneben existieren einzelne latènezeitliche Funde auf dem gesamten Balkan bis nach Anatolien.
Nun komme ich auf den Keltische Ringwall im Hunsrück.



Der Keltische Ringwall, oder auch volkstümlich auch Hunnenring genannt, liegt in der Gemarkung der Ortschaft Otzenhausen und ist die am besten erhaltene keltische Befestigungsanlage im Südwesten Europas.

Das 18,5 ha große Oppidum auf dem Dollberg liegt im nördlichen Saarland und dem Nationalpark Saar-Hunsrück.

Der Nordwall ist auf einer Länge von 460m heute noch 10m hoch und an der Basis 40m breit. Der Archäologe Michael Koch vermutet, dass die ehemalige Mauer 18m hoch und 18m breit war. Ein beeindruckendes Zeugnis aus alter Zeit!

Wenn man vom Parkplatz, wo auch die Keltensiedlung ist und diese besucht werden kann, durch den Wald geht, sieht man auf der linken Seite immer wieder diesen Wall durch die Bäume.
Man kann auf dem Weg zu dem Wall schon erahnen, wie mächtig groß dieses ist.
Auf dem Wall angekommen, hat man einen unglaublichen Weitblick über das westliche Saarland. Die automatische Zahl an aufeinander liegenden Steinen wird einem erst richtig bewusst, wenn man auf dem Wall steht. Mir stellte sich die Frage: woher und wie kammen all diese Steine zu diesem Ort.
Die Kelten kannten natürlich schon das Rad und hatten demnach auch Karren im Einsatz, welche von Ochsen gezogen wurden. Das bekannte Scheibenrad (ist in den Comics von Asterix und Obelix schön zu sehen) wurde ungefähr 1600 Jahre v. Chr. nach und nach durch das wesentlich leichtere Speichenrad abgelöst. Es wird vermutet, dass dies aus dem ägäischen Kulturkreis der dort lebenden Kelten übernommen wurde und somit sich auch in anderen Teilen des keltische Reich durchsetzte.

Während der Latènezeit ab 450 v. Chr. war der Hunsrück-Nahe-Raum, wie viele Grabfunde zeigen, dicht von keltischen Kleinstämmen besiedelt. Viehzucht, die Verarbeitung von Eisen und ein reger Handel brachten der Bevölkerung Wohlstand.
In der Zeit vor dem Gallischen Krieg waren die Clans in dem Gebiet zwischen Rheintal und Ostbelgien, Pfalz und Hocheifel zu dem Stammesverband der Treverer vereint und erlebten einen wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Höhepunkt.

Als ältester Teil der Festung wurde ein Abschnittswall festgestellt, der unter dem heutigen Nordwall liegt und im 4. Jahrhundert v. Chr. erbaut worden war. Dabei ist nicht auszuschließen, dass es noch eine ältere Bauphase gab. Ein zweiter Mauerbau als Ring im 2. Jahrhundert und der letzte Bau, von dem wir heute die Wälle sehen, fand zwischen 80 und 60 v. Chr. statt. Dies ist durch den Fund einer späten Form der „Nauheimer Fibel“ belegt.

Mira und Mimi auf dem Ringwall

Die ganze Zeit über war der Dollberg von wechselnder Intensität besiedelt. Im der Frühlatènezeit fungierte der Ringwall vielleicht als eine Art sozialer und politischer oder ökonomischer Mittelpunkt. In der Spätlatènezeit war die besiedelte Fläche größer, sodass man von einem Oppidum, also einer stadtartigen Siedlung, sprechen kann.

Naike Juchem, 30. Oktober 2022
Quelle: kelten-ringwall.de

Burgruine Baldenau im Hunsrück

Foto: Naike Juchem

Die Burgruine Baldenau, landschaftlich sehr schön im Tal der Dhron gelegen, ist die einzige Wasserburg im Hunsrück. Sie war ursprünglich von einem zwölf Meter breiten Wassergraben umgeben. Vor der Zerstörung besaß sie drei oder vier Stockwerke mit rechteckigen Fenstern.

Die Burg Baldenau wurde um 1320 errichtet (1315 in einem Weistum noch nicht erwähnt). Sie war 1324 bewohnt, als „neben der Burg“ ein zweites Haus mit zahlreichen Kammern, Stuben, Ställen und Scheunen errichtet wurde. 1332 wird die Burg als Besitz von Kurtrier durch den deutschen Kaiser Ludwig der Bayer bestätigt.

Luftbildaufnahme von Frank Loch

Erbauer der nach ihm benannten Burg war Balduin von Luxemburg, Kurfürst und Erzbischof von Trier. Balduin wurde 1308 im Alter von erst 22 Jahren Kurfürst und Erzbischof. Bis zu seinem Tod im Jahre 1354 gelang es ihm, die Herrschaft von Kurtrier zu festigen und wesentlich auszubauen. Er gilt als einer der bedeutendsten Fürsten des späten Mittelalters.

Erzbischof Balduin ließ die Burg bauen, um seinen Herrschaftsbereich gegen die Grafschaft Sponheim abzugrenzen. Darüber hinaus diente sie ihm wohl zeitweise als Jagdschloss. Der Plan, eine Stadt neben der Burg zu errichten, wurde nicht realisiert. Ab dem 15. Jahrhundert diente die Burg Baldenau als Mittelpunkt eines kurtrierischen Amtes. Zu diesem Amt gehörten die Orte Bischofsdhron, Heinzerath, Kommen, Merschbach, Morbach, Morscheid, Rapperath, Wederath und Wolzburg.

Luftbildaufnahme von Frank Loch


Der Turm der Burg Baldenau hat einen Durchmesser von etwa 10,50 m und eine Mauerstärke von 3,50 m. Die Höhe des Turmes beträgt insgesamt 25 m, sein Eingang liegt in 12 m Höhe. Dieser Eingang war über eine Treppe und Galerie von der Nordmauer aus zu erreichen. Erst vor 150 Jahren wurde der erdgeschossige Durchbruch hergestellt.

Luftbildaufnahme von Frank Loch

Die erste Zerstörung der Burg erfolgte im Dreißigjährigen Krieg durch die Schweden. In den Jahren 1649 bis 1654 wurde die Burg wiederhergestellt. Die zweite Zerstörung im sogenannten pfälzischen Erbfolgekrieg durch die französischen Truppen des Generals Melac anno 1689 war derart schwerwiegend, dass die Burg nicht mehr bewohnbar war und nach und nach verfiel.

Luftbildaufnahme von Frank Loch

Quelle: Der Förderverein der Burg Baldenau e. V.

Erz­bi­schof Balduin von Luxemburg

Bal­du­in von Lu­xem­burg war ei­ner der be­deu­tends­ten Erz­bi­schö­fe und Kur­fürs­ten von Trier, gleich­zei­tig ein­fluss­rei­cher Ge­stal­ter der Reichs­po­li­tik in der ers­ten Hälf­te des 14. Jahr­hun­derts.

Der ver­mut­lich 1285 ge­bo­re­ne Bal­du­in war Sohn des im Ju­ni 1288 bei Worrin­gen ge­fal­le­nen Gra­fen Hein­rich VI. von Lu­xem­burg und der Bea­trix von Aves­nes. Bal­du­in war von Ju­gend an für den geist­li­chen Stand be­stimmt und er­hielt ei­ne ent­spre­chen­de Aus­bil­dung. Als durch den Tod Die­ters von Nas­sau die Erz­diö­ze­se Trier va­kant wur­de, er­bat das Dom­ka­pi­tel im De­zem­ber 1307 den zum Stu­di­um in Pa­ris wei­len­den Dom­propst Bal­du­in als Nach­fol­ger. Weil der das kir­chen­recht­lich vor­ge­schrie­be­ne Al­ter von 30 Jah­ren noch nicht er­reicht hat­te, war ei­ne Wahl nicht mög­lich. Der Papst, dem da­her die Ent­schei­dung zu­fiel, er­klär­te im Fe­bru­ar 1308 die Wahl für un­gül­tig, er­nann­te aber den Ge­wähl­ten zum neu­en Erz­bi­schof von Trier und er­teil­te ihm am 11.3.1308 per­sön­lich die Bi­schofs­wei­he.

Als Erz­bi­schof war Bal­du­in, wie im Reich üb­lich, so­wohl Ober­hir­te ei­ner (Erz-) Diö­ze­se als auch Lan­des­herr ei­nes welt­li­chen Ter­ri­to­ri­ums. Die Diö­ze­se, ein­ge­teilt in fünf Ar­ch­idia­ko­na­te (Lon­guyon, Tho­ley, Trier, Kar­den und Diet­kir­chen), er­streck­te sich von der Maas im Wes­ten bis an die mitt­le­re Lahn bei Gie­ßen. Zum welt­li­chen Ter­ri­to­ri­um, dem Erz­stift, ge­hör­ten be­trächt­li­che – al­ler­dings nur zum Teil ge­schlos­se­ne – Ge­biets­kom­ple­xe in Ei­fel, Huns­rück, Wes­ter­wald und Tau­nus, zen­triert um die wich­tigs­ten Städ­te Trier und Ko­blenz.

Den Auf­ga­ben als Ober­hir­te und Lan­des­herr hat er sich mit glei­cher In­ten­si­tät ge­wid­met. Dies gilt für die Auf­sicht über die geist­li­chen In­sti­tu­tio­nen (Klös­ter und Stif­te) eben­so wie für die Wei­he von Kir­chen und Al­tä­ren, die er – an­ders als an­de­re Bi­schö­fe sei­ner Zeit – selbst vor­nahm. Sei­ne per­sön­li­che Fröm­mig­keit do­ku­men­tiert die Grün­dung von Kar­tau­sen in Trier (1330) und Ko­blenz (1331). In der Trie­rer Kar­tau­se wur­de für ihn ei­ne Zel­le vor­ge­hal­ten, in die er sich ge­le­gent­lich zur Me­di­ta­ti­on zu­rück­zog. Aus die­sem Klos­ter stam­men auch die zu Leb­zei­ten Bal­du­ins ent­stan­de­nen Chor­stuhl­wan­gen, die den Erz­bi­schof und sei­nen Bru­der Hein­rich dar­stel­len; Por­trätähn­lich­keit ist da­her an­zu­neh­men.

Foto: Naike Juchem

Die­se Leis­tun­gen des Diö­ze­san­bi­schofs sind des­halb zu be­to­nen, weil Bal­du­in bis heu­te vor al­lem als er­folg­rei­cher Reichs- und Ter­ri­to­ri­al­po­li­ti­ker gilt. Als Po­li­ti­ker auf Reichs­ebe­ne hat er sich be­reits sehr früh pro­fi­lie­ren kön­nen, weil er schon auf dem Rück­weg von der päpst­li­chen Ku­rie nach Trier er­fuhr, dass der rö­mi­sche Kö­nig Al­brecht von Habs­burg er­mor­det wor­den war. Pe­ter von As­pelt, der aus der Graf­schaft Lu­xem­burg stam­men­de Erz­bi­schof von Mainz, konn­te zu­sam­men mit Bal­du­in die Wahl auf des­sen Bru­der len­ken, den Gra­fen Hein­rich VII. von Lu­xem­burg (No­vem­ber 1308). Als ers­ter Kö­nig nach dem Stau­fer Fried­rich II. ließ sich Hein­rich VII. im Ju­ni 1312 in Rom zum Kai­ser krö­nen. Für Bal­du­in, der sei­nen Bru­der be­glei­tet hat­te, stell­te dies oh­ne Zwei­fel ei­nen der Hö­he­punk­te sei­nes Le­bens dar; der frü­he Tod des Bru­ders am 24.8.1313 war für ihn ei­ne Ka­ta­stro­phe.

Weil es Hein­rich VII. ge­lun­gen war, sei­nem Sohn Jo­hann 1310 die erb­li­che Kro­ne des Kö­nig­reichs Böh­men zu ver­schaf­fen, üb­te das Haus Lu­xem­burg auch auf die Kö­nigs­wahl im Ok­to­ber 1314 gro­ßen Ein­fluss aus. Den­noch kam es zu ei­ner Dop­pel­wahl, in der die lu­xem­bur­gi­sche Par­tei den Her­zog Lud­wig von Bay­ern un­ter­stüt­ze, der sich in ei­nem bis 1322 wäh­ren­den Thron­streit schlie­ß­lich durch­setz­te. Zwi­schen dem Kö­nig und (seit Ja­nu­ar 1328) Kai­ser und dem in Avi­gnon re­si­die­ren­den Päps­ten kam es in der Fol­ge­zeit zu ei­ner lang­jäh­ri­gen Aus­ein­an­der­set­zung, die für die nicht ei­ner Sei­te an­hän­gen­den Reichs­fürs­ten ei­nen be­trächt­li­chen po­li­ti­schen Spiel­raum schuf. Bal­du­in hat­te er­heb­li­chen An­teil dar­an, dass im Ju­li 1338 die in Rhens ver­sam­mel­ten Kur­fürs­ten ih­ren Rechts­stand­punkt fest­schrie­ben, ein von ih­nen ge­wähl­ter Kö­nig be­dür­fe nicht der Be­stä­ti­gung durch den Papst (Rhen­ser Weis­tum). Dies wur­de vom Kai­ser for­mell, vom Papst de fac­to an­er­kannt. Erst im Mai 1346 kam es zum end­gül­ti­gen Bruch zwi­schen Bal­du­in und dem Kai­ser. Im Sin­ne des Paps­tes wähl­te die von Bal­du­in ge­führ­te lu­xem­bur­gi­sche Par­tei im Kur­kol­le­gi­um im Ju­li den Mark­gra­fen Karl von Mäh­ren, Sohn des Kö­nigs Jo­hann von Böh­men (und so­mit Großn­ef­fen Bal­du­ins) zum rö­mi­schen Kö­nig. Da der Kai­ser im Ok­to­ber 1347 über­ra­schend starb, konn­te sich Kö­nig Karl IV. bald im ge­sam­ten Reich durch­set­zen.

Im Erz­stift Trier hat­te be­reits Erz­bi­schof Hein­rich von Vinstin­gen (ge­stor­ben 1286) ei­ne er­folg­rei­che Ter­ri­to­ri­al­po­li­tik be­trie­ben, un­ter an­de­rem durch den Bau von Bur­gen und die Ein­rich­tung von Ver­wal­tungs­struk­tu­ren (Äm­tern). Ob­wohl das Erz­stift un­ter sei­nem Vor­gän­ger Die­ter von Nas­sau in ei­ne schwe­re Kri­se ge­ra­ten war, konn­te Bal­du­in auf vor­ge­fun­de­nen Struk­tu­ren auf­bau­en. Er schuf ei­ne flä­chen­de­cken­de Äm­ter­or­ga­ni­sa­ti­on, band ei­nen we­sent­li­chen Teil der Nach­bar­ter­ri­to­ri­en in sei­ne po­li­ti­schen In­itia­ti­ven ein, ver­dich­te­te das Netz der vom Erz­stift lehns­ab­hän­gi­gen Bur­gen und er­rich­te­te neue Lan­des­bur­gen, von de­nen er ei­ni­gen sei­nen Na­men gab (Bal­denau und Bal­du­ins­eck auf dem Huns­rück, Bal­du­in­stein an der Lahn). Weil der Erz­bi­schof ei­nen Sinn für das hat­te, was heu­te Wirt­schafts­för­de­rung hei­ßt, und vor al­lem wuss­te, dass Frie­den und Si­cher­heit die wich­tigs­ten Fak­to­ren für wirt­schaft­li­che und kul­tu­rel­le Blü­te sind, leg­te er auf die Be­frie­dung des Lan­des be­son­de­ren Wert, un­ter an­de­rem durch Ab­schluss von Land­frie­dens­ver­trä­gen mit den Nach­barn.

In Ein­zel­fäl­len scheu­te Bal­du­in auch nicht vor mi­li­täri­schen Un­ter­neh­mun­gen zu­rück, die al­ler­dings nicht im­mer er­folg­reich ver­lie­fen: Im Ju­li 1328 wur­de der zu Schiff die Mo­sel her­un­ter­fah­ren­de Erz­bi­schof bei En­kirch von Leu­ten der Grä­fin Lo­ret­ta von Spon­heim ge­fan­gen ge­nom­men; im April 1347 wur­den et­li­che im Dienst des Erz­bi­schofs aus­ge­rück­te Bür­ger von Ko­blenz bei Grenzau er­schla­gen. Ei­nen Na­men mach­te sich der Erz­bi­schof da­bei durch den Ein­satz mo­der­ner Kriegs­mit­tel: er bau­te Be­la­ge­rungs­bur­gen (un­ter an­de­rem Trut­zeltz ober­halb der Burg Eltz), setz­te aus Böh­men ge­hol­te Berg­leu­te und Feu­er­waf­fen ein. Frie­den und Si­cher­heit aber er­mög­lich­ten ein Auf­blü­hen der Städ­te, ge­folgt von stei­gen­den Ab­ga­ben der Un­ter­ta­nen, die dem Lan­des­herrn er­heb­li­che po­li­ti­sche, von den Zeit­ge­nos­sen mit Stau­nen be­ob­ach­te­te Hand­lungs­spiel­räu­me er­öff­ne­ten. An die­ser er­folg­rei­chen Fi­nanz­po­li­tik hat­ten die mit dem Erz­bi­schof eng zu­sam­men­ar­bei­ten­den Ju­den ei­nen wich­ti­gen An­teil.

Bal­du­in starb am 21.1.1354 in Trier. Um sei­nen Nach­ruhm hat­te er sich bei­zei­ten ak­tiv ge­küm­mert. Die ers­ten Jah­re sei­nes Pon­ti­fi­kats, das Zu­sam­men­wir­ken mit dem Bru­der und die Teil­nah­me an des­sen Rom­zug, hat er in ei­nem „Bil­der­zy­klus von Kai­ser Hein­richs Rom­fahrt“ fest­hal­ten las­sen. Die Schrift­gut­ver­wal­tung sei­nes Ter­ri­to­ri­ums hat er neu or­ga­ni­siert; die wich­tigs­ten Ur­kun­den wur­den in meh­re­ren Hand­schrif­ten (den so ge­nann­ten Bal­duine­en) ab­schrift­lich fest­ge­hal­ten; ein Ex­em­plar hat er stets mit sich ge­führt. Sei­ne Leis­tun­gen (wie er sie ge­se­hen wis­sen woll­te) hat er im Vor­wort die­ser Ur­kun­den­samm­lung und in den sei­ner Re­gie­rungs­zeit ge­wid­me­ten Ka­pi­tel in den „Ges­ta Tre­ver­o­rum“ do­ku­men­tie­ren las­sen. Dort wird der Zu­stand von Erz­diö­ze­se und Erz­stift im Jahr 1307 in düs­te­ren Far­ben dar­ge­stellt – um so hel­ler er­strahlt der Ruhm Bal­du­ins, der hier wie­der Ord­nung schuf. Die­se Sicht­wei­se prägt bis heu­te das Bild Bal­du­ins in der his­to­ri­schen For­schung. Selbst wenn bei ge­nau­em Hin­se­hen fest­zu­stel­len ist, dass Bal­du­in auf Leis­tun­gen von Vor­gän­gern (ins­be­son­de­re Hein­rich von Vinstin­gen) auf­bau­en konn­te, wird an der Tat­sa­che, dass er der be­deu­tends­te Trie­rer Erz­bi­schof des Spät­mit­tel­al­ters und ei­ner der füh­ren­den Reichs­po­li­ti­ker sei­ner Zeit war, nichts zu deu­teln sein.

Quelle: Mötsch, Johannes, Balduin von Luxemburg, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/balduin-von-luxemburg-/DE-2086/lido/57c5726fe4cd67.53143523 (abgerufen am 29.10.2022)

Die chinesische Schrift

Was man alles findet, wenn man asiatisch essen geht.
In einem asiatischen Restaurant, auch wenn es einen chinesischen Namen und auch von Chinesen geführt wird, ist das Essen noch lange nicht chinesisch. Die original chinesische Küche würde in Europa – oder auch außerhalb von China kaum jemand essen wollen. Dies nur am Rande.

Der kleine Prinz von Antoine de Saint-Exupery

Ich fand ein Buch von
Antoine de Saint-Exupery unter einem Stapel Telefonbücher und Karnevals- Festzeitschriften. Gerade „Der kleine Prinz“ gehört mit seinen märchenhaften Erzählungen zu den erfolgreichsten Büchern der Weltliteratur.
Warum mache ich mir nun über ein Kinderbuch Gedanken, welches in chinesisch geschrieben ist. Dies kommt einem doch sehr spanisch vor. Es wird oft – und leider fälschlicherweise gesagt, dass englisch die Weltsprache sei. Dies ist nicht so, denn alleine durch die Einwohnerzahl in China, welche mit über 1,4 Milliarden Menschen gerechnet ist, ist selbst diese Zahl falsch. Durch die 1 Kind-Politik der Partei, sind viele Chinesen nicht registriert – und somit illegal in ihrer Heimat. Also sprechen mehr Menschen chinesisch auf dieser Welt, als englisch.

Aus dem Buch „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupery

Die älteste Schrift der Welt

Nun, die chinesische Schrift ist die älteste Schrift der Welt und fast ein Viertel der Weltbevölkerung schreibt, spricht und ließt diese Sprache. Halt! Da gibt es doch Schriften die bedeutend älter sind als die chinesische. Stimmt! Nur wer schreibt heute noch in Keilschrift oder Hieroglyphen? Gut, es mag sein, dass eine Medikament oder Verordnung von einem Arzt auf einem Rezept jenen Hieroglyphen recht nahe kommt.

Die Faszination dieser Schrift liegt wohl darin, dass es kein Alphabet mit Buchstaben gibt, wie wir dies aus unserem lateinischen Alphabet kennen.
Die chinesische Schrift basiert auf einer Vielzahl von Schriftzeichen, wodurch sie auch zu den schwersten Schriften der Welt gehört. Jedes Schriftzeichen steht für eine Silbe, wodurch prinzipiell schon ein Schriftzeichen ein Wort bildet. Die meisten chinesischen Wörter bestehen aber aus mindestens zwei Silben – also zwei Schriftzeichen.
Laut einer Studie der Kaiserlichen Akademie „Guozijian“, welche als die älteste und höchste Universität Chinas gilt, und in der viele Werke von Konfuzius sind, wird die chinesische Schrift mit über
100.000 Schriftzeichen angegeben. Von dieser schier endlosen Zahl an Schriftzeichen werden im modernen China nur noch etwa 3000 bis 6000 Zeichen verwendet. Diese auch nur in gewissen Teilen, wodurch sich diese Zahlen wiederum auf etwa 1500 bis 2000 Zeichen im alltäglichen Leben relativieren.

Eine weitere Besonderheit ist, dass Chinesisch aus einer gesprochenen und einer geschriebenen Sprache besteht und es zwischen beiden keinerlei Verbindung gibt.

Im Jahr 1899 wurden die wahrscheinlich ältesten Schriftzeichen entdeckt und auf etwa 1400 vor Chr. datiert. Die Sprache an sich wird auf ungefähr 3000 Jahren geschätzt.
Durch die enorme Größe von China und den vielen politischen Auseinandersetzung in den vergangenen 2500 Jahren, hat sich die Schrift und Sprache geografisch verändert – so ist es auch heute noch.

Von der Bildschrift zu Schriftzeichen

Wie alle alten Schriften hat sich auch die chinesische von Bilder in Schriftzeichen gewandelt. Sogenannten Ideogramme, wie Haus, Baum, Sonne usw. , wurden nach und nach zu Wörter. So wurden nach und nach immer mehr Schriftzeichen entwickelt, welche an Komplexität zunahm und somit konnten ganze Sätze geschrieben werden.

Ich bin der Kaiser von China

Oft hört man den Satz:“ Ich bin der Kaiser von China“ und viele wissen nicht, was oder welcher Kaiser gemeint ist.

Qin Shi Huang Di war um 221 vor Chr. der erste Kaiser von China und ein nicht besonders beliebter Herrscher über das Reich der Mitte, welches eigentlich offiziell Zhonghua Renmin Gongheguo heißt.

Qin Shi Huang Di brachte eine der wohl wichtigsten Reformen im Reich der Mitte auf den Weg: die Vereinheitlichung von einem Kauderwelsch an Schriftzeichen.
Seine Reform zielte darauf ab, dass die Beamten in den einzelnen Provinzen untereinander kommunizieren konnten. Zu Zeiten von Qin Shi Huang Di hatte das Reich der Mitte schätzungsweise 30 Millionen Einwohner, wovon circa 2 Millionen durch Hinrichtungen oder Zwangsarbeit ums Leben kamen.
Selbst seinen eigenen Sohn ließ Kaiser Qin Shi Huang Di an den bau der berühmten Chinesen Mauer deportieren, weil er sich gegen die vielzahl von Hinrichtungen seines Vaters auflehnte.

Was Kaiser Qin Shi Huang Di in seiner Reform der Schrift begann, vollzog sich über mehr als zweitausend Jahre. Erst im Jahr 1956 wurde eine Vereinfachung der
traditionellen Langzeichen zu Kurzzeichen amtlich festgelegt.


Naike Juchem, Hürtgenwald-Gey, 20. September 22

Die Bruderbüchse

Das älteste Haus in Fischbach an der Nahe. In der Brudergasse. Gezeichnet vom meinem ehemaligen Lehrer Dieter May

Die Bruderbüchse ist die wohl älteste Sozialkasse der Welt

Kaum jemand kennt die Bruderbüchse und trotzdem profitieren viele Menschen von einer Idee, die aus der europäischen Renaissance entstanden ist – also so um das 16. Jahrhundert.

Man sagt oft, dass dies oder jenes ein mittelalterliches denken, handeln oder Form hat. Dabei wissen viel gar nicht, wann das Mittelalter war. Nach der Wissenschaft wird die Epoche Mittelalter in die Zeit von circa 500 nach Chr – also nach der Völkerwandung der Antike bis zum Beginn der Renaissance – also so um das 15. Jahrhundert gesehen.
Das Ende der Epoche Mittelalter wird von Historiker mit der Eroberung Konstantinopels durch die Türken im Jahr 1453, der Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus im Jahr 1492 oder auch mit Martin Luthers Thesenanschlag im Jahr 1517 datiert. Soweit eine kleine geschichtliche Einordnung zum Mittelalter als solches.

Die Brudergasse in Fischbach Mitte der 80er Jahre.

Korrekterweise schreibe ich nun über die europäische Expansion und den Grundgedanke einer Sozialversicherung – die Bruderbüchse.
Schriftlich erwähnt wurde die Bruderbüchse mit Beginn des 16. Jahrhunderts in dem Gebiet des heutigen Rheinland-Pfalz von den Wild- und Rheingrafen, welche aus der Linie den Wildgrafen zu Kyrburg hervorgingen.

Zur damaligen Zeit war es üblich, dass Menschen die Leibeigenen jener Grafen und Fürste waren. So wurde unter anderem auch deren Konfession festgelegt.
Wenigen Handwerker war es erlaubt zu reisen oder sich gar in andere Regionen niederzulassen. Selbst Georg Friedrich Händel musste seinen König um Erlaubnis fragen, als dieser den Entschluss fasste in London leben zu wollen, um dort eines der berühmtesten Oratorien den Welt zu schreiben – der Messiah. Dies nur am Rande.
Die Bergmänner jener Zeit waren freie Menschen und konnten somit in dem damaligen Europa in die verschiedensten Regionen wandern. Auch durften die Bergmänner Waffen in Form von Messer und Dolche tragen, um Niederwild – also Hasen und Fasane zu jagen.

Darstellung im Historischen Kupferbergwerk in Fischbach. Foto aus dem Internet

Bergbau wurde unter anderem bereits im Spätmittelalter in Böhmen, Sachsen, Thüringen und Lothringen betrieben. Durch die europäische Expansion waren viele Menschen auf der Suche nach bessere Arbeit oder Arbeitsbedingungen und zogügen folglich durch Europa. So fanden Menschen aus Böhmen und Lothringen im Hunsrück eine neue Heimat, weswegen diese ländliche Region viele „ausländische“ Nachnamen hat.

Die große Weitung im Historischen Kupferbergwerk in Fischbach. Foto aus dem Internet

Nun aber zur Bruderbüchse

Wie schon erwähnt, wurde unter den Wild- und Rheingrafen jene Bruderbüchse in ihrer Region im Bergbau eingeführt.
Der Bergbau zu jener Zeit war hart und auch gesundheitsschädlich. Die Arbeit unter Tage brachte Krankheiten, wie zum Beispiel Arthrose und Blindheit hervor. Die Bergmänner konnten daher nur wenige Jahre unter Tage arbeiten. Um nicht in eine existenzielle Notlage zu kommen, bezahlen die Bergmänner einen festgeschrieben Teil ihres Lohn in die Bruderbüchse ein.

Im Fall vom dem Kupferbergwerk in Fischbach, wurden die Bergmänner nicht nach der Ausbeute von Kupfer bezahlt, sondern bekamen einen regelmäßigen Lohn. Diese Besonderheit gab es in vielen unter Tage Gruben nicht. In Fischbach ist ein Kupfer von erstklassiger Güte vorhanden, welches bereits in der Renaissance ins belgische Dinant, in der Wallonie, geliefert wurde, um dort die berühmten Blasinstrumente herzustellen.

Otto von Bismarck übernahm als Reichskanzler (1871–1890) des Deutschen Reiches eine hunterjährige Idee für unser heutiges Rentensystem.

Naike Juchem, 3. September 2022

Ein Schloss, welches nie ein Schloss war

Vorderansicht der Burg Bosselstein

Überhalb der Stadt Idar-Oberstein in Rheinland-Pfalz erhebt sich auf einem Felsplateau die zweite Burg Bosselstein – und nicht das Schloss Oberstein.

Jene Burg wurde 1330 zum ersten Mal Urkundlich erwähnt und erlebte im 15. Jahrhundert als Wohnburg ihre Blütezeit.
Von und durch die Architektur der Burg, kann man sehr genau sehen, dass sie als Wohnburg konzipiert wurde – und nicht als Schloss.

1697, im Zuge des Pfälzischen Erbfolgekriegs, wurden von französischen Truppen die vier Rondelle durch Sprengungen zerstört. 1855 brannte die Burg vollständig nieder und wurde erst Anfang der 80er Jahre vom Idar-Obersteiner Burgenverein teilweise wieder aufgebaut.

Die erste Burg Bosselstein wurde um 1150 erbaut und bis circa des 16. Jahrhunderts als Wohnburg von den Grafen von Stein bewohnt. Durch den Neubau der anderen Burg, wurden zum Teil Steine von der ersten Burg entnommen. Bis auf den Turmstumpf und ein paar Mauerreste ist von der ersten Burg nicht mehr viel zu sehen.

Naike Juchem, 26. August 2022

Die Möhnetalsperre

Die Möhnetalsperre

Die Möhnetalsperre war seinerzeit eine der größten Staumauern in Europa.

Autorin: Naike Juchem

Anfang des 19. Jahrhunderts wurde mit dem Bau einer Wasserversorgung für das Ruhrgebiet begonnen. 1908 wurde der Grundstein für eines der größten Stauanlagen in Europa begonnen – der Möhnetalsperre.
Die Staumauer wurde nach Plänen und Vorgaben des Architekten Franz Brantzky gebaut und hat eine Länge von 650 Meter. Die Staumauer ist bis zu 40 Meter hoch kann 134,5 Millionen Kubikmeter Wasser aufstauen.
Noch heute zählt die Möhnetalsperre zu den wichtigsten Wasserversorgungspunkte des westlichen Ruhrgebiets.

Die Nacht des 17. Mai 1943

Die britische Royal Air-Force hat durch einen Luftangriff mit 19 Lancaster-Bomber, am 16. – 17. Mai 1943 verschiedene Talsperren in Deutschland angegriffen, wovon 8 Bomber und 56 Soldaten bei diesem Einsatz nicht mehr aus dem Feindesland zurück kamen.

Blick auf den Möhnesee

Die im Norden Englands getesteten speziellen Rollbomben sollten im Nazi-Deutschland verheerende Schäden anrichten. So startete um 21.39 Uhr auf dem Luftwaffenstützpunkt Scampton die erste Angriffswelle mit 9 Lancaster-Bomber.
Um 0.15 Uhr erreichte der erste Bomber der Royal Air-Force den Möhnesee. Um 0.28 explodierte die erste Rollbombe der Briten 50 Meter südlich von der Staumauer. Fünf Minuten später wurde von der Lancaster AJ-M eine weitere Rollbombe abgeworfen. Diese sprang über die Staumauer und explodierte im darunter liegenden Kraftwerk. Nach mehreren erfolglosen Abwürfe und mächtigen Gegenfeuer der Nazis, schlug um 0.49 Uhr die erste Rollbombe in die Staumauer ein. Die Explosion zerstörte die Staumauer auf einer Länge von 77 Meter und 23 Meter Höhe. Die Explosion wurde von einem Seismograph der Erdbebenwarte in dem über 130 Kilometer entfernten Geophysikalischen Institut in Göttingen aufgezeichnet.

Nach der Zerstörung der Staumauer ergossen sich in fünf Stunden circa 110 Millionen Kubikmeter Wasser ins Tal der Möhne. Eine bis zu 7 Meter hohe Flutwelle verwüstete das Tal bis weit ins Ruhrgebiet. Güterzüge, Brücken, Häuser und Fabriken riss diese Flut in dieser Nacht mit sich. Mehr als 1200 Menschen starben in dieser Nacht.

Trotz des herrschenden Krieges in Deutschland wurde in nur fünf Monaten die zerstörte Staumauer aufgebaut. Für den Aufbau waren hauptsächlich Zwangsarbeiter aus Italien beschäftigt.

Naike Juchem, Günne, 23. August 2022

Die Bombardierung von Dresden 1945

Foto aus dem Panoramen: Dresden 1945

In der Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1945 erfolgte auf das rund 630.000 Einwohner zählende Dresden einer der verheerendsten Luftangriffe auf eine Stadt im Zweiten Weltkrieg. 773 britische Bomber warfen in zwei Angriffswellen zunächst gewaltige Mengen an Sprengbomben ab. Durch die Zerstörung der Dächer und Fenster konnten die anschließend abgeworfenen Brandbomben eine größere Wirkung entfalten. Ihr Feuersturm zerstörte rund 80.000 Wohnungen, und ihre Hitzeeinwirkung deformierte sämtliches Glas in der Innenstadt. Dem britischen Nachtangriff auf die ungeschützte Stadt folgte am Tag die Flächenbombardierung durch 311 amerikanische Bomber.

Foto aus dem Panoramen: Dresden 1945

Am 15. Februar musste Dresden einen weiteren Angriff der US-Luftwaffe überstehen. Bis zu 25.000 Menschen verloren ihr Leben. Die bis zur Unkenntlichkeit verkohlten Toten lagen noch Tage auf der Straße oder in den Trümmern, ehe die Leichenberge zur Verhinderung von Seuchen verbrannt werden konnten. Bis August 1944 war Dresden als einzige deutsche Großstadt weitgehend von alliierten Bombenangriffen verschont geblieben und auch zu Jahresbeginn 1945 noch nahezu unbeschädigt, obwohl es einen wichtigen Verkehrsknotenpunkt zwischen Prag, Berlin, Leipzig, Nürnberg und Warschau darstellte. Neben kleineren Rüstungsbetrieben existierten mit der Zeiß-Ikon AG, der Paul Märksch AG oder den Flugzeugwerken in Dresden-Klotzsche auch größere Industrieanlagen. Allerdings waren diese Angriffsziele angesichts mangelnden Rohstoffs und zunehmender Desorganisation der militärischen Nachschubwege Anfang 1945 keine kriegswichtigen Anlagen. Die Zerstörung Dresdens war der Höhepunkt gezielter Flächenbombardements der Alliierten gegen die deutsche Zivilbevölkerung, um deren Moral zu brechen. Der NS-Propaganda bot die Bombardierung von Dresden noch einmal Gelegenheit, an den Durchhaltewillen der Deutschen zu appellieren.

Arnulf Scriba
© Deutsches Historisches Museum, Berlin
10. März 2022
Text: CC BY NC SA 4.0

Foto aus dem Panoramen: Dresden 1945

Zum Künstler Yadegar Asisi

Schon seit Kindertagen faszinieren Yadegar Asisi die Techniken der Raumillusion. Vor allem begeistert ihn die italienische Renaissance-Malerei um 1500. Meister wie Andrea Mantegna oder Leonardo da Vinci wecken bereits bei dem zehnjährigen Schüler in Leipzig Fragen nach den Möglichkeiten, innerhalb eines zweidimensionalen Tafelbildes dreidimensionale Räume darzustellen. Die Technik des Zeichnens bedeutet für den jungen wie den erwachsenen Asisi ein Rüstzeug zur Erkenntnis der Welt und zur Persönlichkeitsbildung. Perspektivische Prinzipien nehmen in den späteren Berufungen eine wichtige Rolle ein.

Foto aus dem Panoramen: Dresden 1945

Vita

1955 geboren in Wien, Kindheit und Jugend in Halle und Leipzig.
1973 bis 1978 Architekturstudium, Technische Universität Dresden.
1978 bis 1984 Malereistudium, Hochschule der Künste, Berlin.
1991 Gastprofessur im Fachbereich Architektur, Hochschule der Künste, Berlin.
1996 bis 2008 Professur für Freie Darstellung, Technische Fachhochschule, Berlin.
An der TU Dresden absolviert Asisi von 1973 bis 1978 ein Studium der Architektur und lernt den Charme und die Besonderheiten des 1945 zerstörten und sich im Wiederaufbau befindenden Dresden kennen. Aufgrund seiner Biografie als Sohn persischer Flüchtlinge kann er 1978 die DDR verlassen und begibt sich für ein knappes Jahr in den Iran der Revolutionszeit. 1979 kehrt er nach Deutschland zurück und absolviert bis 1984 an der Hochschule der Künste (heute Universität der Künste) in Berlin ein Studium der Malerei, zuletzt als Meisterschüler von Klaus Fußmann.

Quelle: asisi.de

Angkor

Tempel in Angkor

Angkor war vor 1100 Jahren die größte Stadt der Welt.


Noch heute gibt diese Stadt Archäologen und Historiker sehr viele Rätsel auf. In Angkor wurden bis heute sieben verschiedene Sprachen gefunden, wovon zwei nicht zugeordnet werden können.
Angkor war eine gigantische Stadt, deren Ausmaß heute noch nicht genau bekannt ist, den immer wieder werden Mauern, Wassergräben, Säulen und Reste von Gebäuden bis ins thailändische Ayutthaya gefunden. Wer in Kambodscha und Thailand unterwegs ist, sieht in fast jeder Stadt oder Siedlung Überreste von dieser Megastadt. Etwa eine Million Menschen haben in jener Zeit in der Angkor gelebt.

Luftaufnahme von Angkor Wat. Foto Cambodia geo aerial view, Phnom Penh

Klarstellung der Könige

Jayavaman II. oder Suryavarman II.
Karl der Große, Ludwig II., Konrad I. oder auch Heinrich I. sind in der Geschichte schon etwas besser auseinander zu halten.

Jayavarman I. oder II. gilt als der Gründervater des Khmer-Reiches von Kambuja – also von Angkor. Oder deshalb, weil es Inschriften in Angkor gibt, welche
möglicherweise Jayavarman I. und II. als identisch annehmen. Fest steht nur, dass das Königreich der Khmer in den Jahren 770 und 781 nach Christus gegründet wurde.

Suryavarman II. wurde 1095 in Angkor geboren und wurde 1113 König. Er regierten bis zu seinem Tod 1150 über Kambuja.

Eingangstor von Angkor in der Nähe von Ayutthaya, Thailand

Es gibt auf der Welt nicht vergleichbares

Angkor ist darüber hinaus in seiner gesamten Baukunst in Symmetrie in dieser Größenordnung einmalig auf der Welt. Die allen uns bekannten Pyramiden von Gizeh oder die Maya Tempel im Mexiko sind im Vergleich zu Angkor nicht mehr als ein Gartenhäuschen. Selbst die chinesische Mauer, welche man von Weltall aus sehen kann, kommt nicht an Angkor heran.

Angkor ist allgemein als Angkor Wat bekannt. Dies ist soweit falsch, weil Wat – Tempel bedeutet. Angkor Wat ist lediglich der Name des größten sakralen Bauwerks der Welt und bezeichnet nicht (wie häufig gedacht) die komplette Anlage. Auch ist es ein Märchen, Angkor soll im Dschungel untergegangen sei. In Europa wurde Angkor erst 1860 durch den Franzose Henri Mouhot bekannt. Er fand im „Urwald“ von Kambodscha einen Tempel, also Wat, welcher tatsächlich durch die Vegetation zugewachsen war und schließte daraus, dass Angkor „versunken“ sei.
Selbst im 21. Jahrhundert finden Geologen über Luftaufnahmen und mit Infrarotscanner immer noch Überreste von dieser einmaligen Stadt.

Auch gibt es auf der Welt keine Nationalflagge auf der ein Gebäude abgebildet ist – außer Kambodscha.
In Afghanistan war es bis zur erneuten Machtübernahme der Taliban der
Königspalast in Kabul.

Angkor als Filmkulisse

In dem Hollywood Film „Tomb Raider“ mit Alicia Vikander, sieht man Teile von Angkor als Filmkulisse.
So unter anderem Wat Ta Prohm, wo gigantische Wurzeln und Bäumen Teile an Teilen von Gebäuden in den Himmel wachsen. Auch wurde an Angkor Thom gedreht, welche einst die Hauptstadt des Khmer-Reiches sein musste. An Wat Bayon, dort wo die eindrucksvollen Gesichter und Silhouetten in den Sandstein gemeisselt wurden, ist auch in diesem Film zu sehen. Alleine das Gebiet von Bayon ist 9 Quadratkilometer groß.
Diese drei Anlagen von Angkor sind in der Provinz Siem Reap zu besichtigen.
Das gesamte Areal wird heute als Angkor Park bezeichnet.

In Angkor war alles in einer Symmetrie…
…sogar die Wassertümpel.

Die Entdeckung von Angkor

Mitte des 15. Jahrhundert verließen die Khmer ihre heiligen Tempelanlagen in Kambuja und dies stellt Historiker vor nächste Fragen.
Der französische Naturforscher Henri Mouhot entdeckte 1860 als erster Europäer einige Gebäude von Angkor – darunter auch Wat Ta Prohm.
In seinen Überlieferungen schrieb er, dass er eine Stadt entdeckt hätte, welche im Dschungel versunkenen sei. Mouhot „fand“ in Wirklichkeit nur einen minimalen Bruchteil von Angkor.
Da zu jener Zeit Kambodscha eine Kolonie von Frankreich war, waren es auch die Historiker, Archäologen und Naturforscher aus Frankreich, die Angkor nach und nach ins Bewusstsein der Weltgeschichte rückten. Im Laufe der Jahre wurden immer mehr Gebäude und Tempel gefunden und man begriff langsam, dass es sich hier um die größten Sakralbauten der Welt handelt.

Leider zerbröckelt der Sandstein durch Umwelteinflüsse an diesen Bauten immer mehr. Auch das subtropische Klima setzt nach über 1000 Jahren dem Sandstein sehr zu.

Die Fakten zu dieser Megastadt

Alle heiligen Tempelanlagen sind nach Osten ausgerichtet, bis auf Prasat Hin Phimai in der Nähe der thailändischen Stadt Nakhon Ratchasima und eben Angkor Wat. Da beide Gebäude unter der .
Der Haupteingang von Wat Angkor – weil es sich hier um eben nur den Tempel handelt, ist diese Schreibweise richtiger.
An dem Tempel wurde 37 Jahre mit wahrscheinlich 300.000 Menschen und 11.000 Elefanten gebaut.
Die Anlage ist von einem rechteckigen Wassergraben von 1.500 m Länge und 1.300 m Breite umgeben. Die gesamte Fläche der Tempelanlagen sind fast 200 Hektar. Etwas 2.000 Apsara- und Devata-Figuren zieren die Wände von diesem Bauwerk.

Die Megastadt Angkor hatte eine Fläche
von mehr als 400 km² und hat alleine in Kambodscha mehr als 1000 Gebäude, die unterschiedlich gut erhalten sind.

In dem heute bekannten Angkor Thom lebten im 11. Jahrhundert etwa 20.000 Menschen. Die Stadtmauer vom Thom hat eine Länge von 3 mal 3 Kilometer und ist von einem symmetrischen Wassergraben umgeben. Das Hauptmerkmal von Angkor Thom sind die fünf Sandsteintürme, welche in der Form von Lotusblüten gebaut wurden.
Das heutige Angkor Gebiet um Siem Reap ist seit 1992 UNESCO Weltkulturerbe.

Wat Ta Prohm

Die Mythen um Angkor

Wie so oft bei alte Gebäude, Zeichnungen oder Fragmente ist auch bei Angkor viel Platz für Mythen und Legenden.
Angkor sei als Grabstätte angelegt worden. Dies widerspricht das zivile Leben in den großen Städten, den die Khmer hatten unter anderem die Landwirtschaft und Wirtschaft kultiviert. Auch ist nirgends bekannt, dass für Khmer-Könige solche Grabstätten angelegt wurden.

Der gesamte Baustil von Angkor steht für eine einzigartige Symmetrie. Klare und exakte Linien, die 5 Türme von Angkor Wat welche als Symbol für den Berg Meru stehen. Welcher das Zentrum des Universums steht. Auch die Zahl 4 findet sich in allen Bauwerken wieder, denn diese steht im Hinduismus für absolute Vollkommenheit.

Das Leben nach dem Tod

Eine der Besonderheiten in Angkor ist, dass die Ausrichtung der Eingänge in allen Tempel nach Osten zeigen. Der Haupteingang von Angkor Wat ist aber nach Westen erbaut. In der Mythologie steht die Himmelsrichtung nach Westen symbolisch für den Tod.

Warum diese Tempel überhaupt gebaut wurden, ist ziemlich einfach zu erklären. Verschiedene Könige regierten das Reich der Khmer über Jahrhunderte und diese hatten alle ein Ziel: Nach dem Tod mit dem Gott ihres jeweiligen Glaubens zu verschmelzen (die meisten Khmer waren Hinduisten). Um ihrem Ziel näher zu kommen, errichteten die Könige Tempel als Paläste für die Götter. In den meisten Fällen wurden die Temple Shiva gewidmet. Interessant ist aber, dass die meisten Khmer-Könige immer neue Tempel bauen ließen, statt die Tempel ihrer Vorgänger zu vollenden. Historiker vermuten, dass die Erbauer sicherstellen wollten, mit ihrem eigenen Tempel die Verschmelzung zu ihrem Gott gewährleistet wollten.

Eine mathematische und astronomische Architektur

Die Architektur von Angkor als solche ist schon atemberaubend und in dieser Größenordnung auch einmalig auf der Welt. Nun kommt noch ein Phänomen hinzu. Zweimal im Jahr geht die Sonne zur Tag-und-Nacht-Gleiche, im März und September, exat über dem zentralen Turm von Angkor Wat auf. Da dieses Spektakel naturbedingt ausschließlich von Westen her zu sehen ist, könnte der Bau in eben diese Himmelsrichtung von König Suryavarman II beabsichtigt gewesen sein.

Agent Orange

Photo: Google

Die perversion eines sinnlosen Krieges und dessen Folgen noch mindestens 13 Generationen anhalten werden.


In 1965 Vietnam seemed like just another foreign war but it wasn′t
It was different in many ways, as so were tose that did the fighting
In World War II the average age of the combat soldier was 26
In Vietnam he was 19
In-in-in Vietnam he was 19

The shooting and fighting of the past two weeks continued today
25 miles west of Saigon
I really wasn’t sure what was going on“

(In deutsch: 1965 schien Vietnam einfach nur ein weiterer ausländischer Krieg zu sein.
Aber das war er nicht, er war auf
viele Weisen anders.
So waren es auch die, die im zweiten
Weltkrieg kämpften.
Das Durchschnittsalter des
Soldaten war sechsundzwanzig.
In Vietnam, war er neunzehn.19!

Die schwersten Gefechte der letzten
zwei Wochen, setzten sich heute
fünfundzwanzig Meilen nord-westlich
von Saigon fort.

Ich war mir echt nicht sicher
was da vorging.)

Ein Lied von Paul Hardcastle aus dem Jahr 1985, das von ihm, William Coutourie und Jonas McCord geschrieben wurde.

Um den Vietnamkrieg zu begreifen muss man in der Geschichte gute 100 Jahre zurück gehen. In dem Artikel : „Der kolonial Gedanke der Europäer in Südostasien und seine fatalen Folgen“ habe ich darüber berichtet.

In diesem Artikel geht es um über drei Millionen Menschen die ihr ganzen Leben lang in Folge von Dioxin gezeichnet sind.

Am 2. August 1964 in der Bucht von Tonkin zwischen dem US-Zerstörer „Maddox“ und nordvietnamesischen Schnellbooten zu Schusswechseln. Daraufhin verkündete die US-Regierung, bei einem weiteren Vorfall, würden sie mit einem Vergeltungsschlag reagieren.
Mit der Behauptung, dass Nordvietnam am 4. August 1964 erneut zuerst Schüsse abgefeuert habe, konnte die USA weitere Truppen nach Vietnam senden, ohne offiziell den Krieg erklärt zu haben. Im Nachhinein stellte sich dies als eine Fälschung da. US-Offiziere manipulierten Funkgespräche und gaben Falschinformation weiter. Dies führte in Washington zur sogenannten Tonking-Resolution, eine Ermächtigung zum Krieg, die, wie Johnson meinte, „wie Großmutters Nachthemd alles abdeckt“

Unter dem Befehl von John F. Kennedy flogen die US Air Force ab 1962 bis 71 weit über 6.000 Einsätze und warfen Tausende Tonne Bomben über Vietnam ab. Bei diesen Einsätzen versprühte die US Air Force auch großflächig zwischen 80 bis 90 Millionen Liter äußerst giftiger Chemikalien, von denen circa 45 Millionen Liter Agent Orange waren (genaue Zahlen gibt es nicht) und die fast 400 kg Dioxin enthielten und ein Siebtel der Gesamtfläche Vietnams langfristig kontaminierten. Die USA sind damit für den größten Chemie-Angriff der Menschheit verantwortlich.
Dieses sogenannte Entlaubungsmittel,
welches die Firmen Dow Chemical, DuPont und Monsanto (heute Bayer) herstellten, sollte einzig zum Ziel haben – die Entlaubung der dichten Wälder Vietnams, um die Verstecke und Versorgungswege des Vietcong aufzudecken. Außerdem wurden aus Flugzeugen, Helikoptern, Lastwagen und Handpumpen auch Ackerflächen besprüht, um dem Vietnamesen die Nahrungsgrundlage zu entziehen.

Die USA beendete den Einsatz von Agent Orange und den anderen Herbiziden offiziell im Mai 1970. Tatsächlich endete die „Operation Ranch Hand“ und das Versprühen von Agent Orange erst ein Jahr später, da das US-Militär auf eigene Hand die Herbizide weiter versprühten. Erst mit dem Verbot von dioxinhaltigen Herbiziden in den USA kam es zum endgültigen Ende der Einsätze.

Bei diesem 11-jährigen Krieg kamen mehr als drei Millionen Menschen ums Leben. Menschen starben qualvoll an den Napalm-Boben, Blindgänger von Minen, verhungerten oder durch Agent Orange. Die USA haben bei diesem Krieg ganz klar ein weiteres Mal gegen geltendes Völkerrecht verstoßen.

Photo: WordPress

Eine Menschenverachtende Kriegführung

Entlaubungsmittel hört sich offenbar auch viel schöner an, als Tetrachloro-dibenzo-para-dioxin, kurz: TCDD genannt.

Einen chemischen Namen für 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-dioxin gibt es nicht. In chemischen Verzeichnissen wird Agent Orange unter der Nummer 39277-47-9 geführt. Die Molekularformel lautet: C24 H27 CL5 O6.
Agent Orange ist ein flüssiges Herbizid, das sehr schnell wirkt und im Volksmund als „Unkrautbekämpfungsmittel“ bezeichnet wird. Es entlaubt Pflanzen und auch Bäume.

2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-dioxin, oder Agent Orange ist eine chlorhaltige,
hochgiftige organische Verbindung. Die Substanz leitet sich vom Dibenzodioxin ab und wird abgekürzt als 2,3,7,8-TCDD oder nur TCDD, fälschlicherweise auch als Dioxin oder als Seveso-Gift bezeichnet.
Der Kurzname Dioxin bezeichnet vielfach unspezifisch die gesamte übergeordnete 
Stoffgruppe der polychlorierten Dioxine und Dibenzofurane, deren giftigster Vertreter das 2,3,7,8-Agent Orange ist.

Neben Agent Orange gibt es noch weitere flüssige Herbizide in anderen Zusammensetzungen, darunter Agent White, Pink, Green, Blue und Purple. Diese wurden ebenfalls im Vietnamkrieg verwendet, als es schwerer wurde auf dem Weltmarkt genügend 2,4,5-T, ein Inhaltsstoff von Agent Orange, zu beschaffen.
Agent Blue wurde hauptsächlich auf Reisfeldern eingesetzt; Agent White wurde genutzt um Wälder zu entlauben. Die Wirkung von den anderen Herbiziden trat erst nach ein paar Tagen auf. Außerdem wirkten diese nur partiell, was die USA als Nachteil gegenüber Agent Orange als Breitbandherbizid ansahen.

Dioxin ist eine der schlimmsten toxischen Substanzen, die je von der Menschheit produziert wurden, und verursacht viele schwere Krankheiten, darunter Krebs, neurologische Störungen, spinalen Bifida, eine Abnahme der Immunität, Störungen des endokrinen Systems, Fortpflanzungsstörungen und Missbildungen bei Neugeborenen.
Man geht davon aus, dass die Chemikalie in die Gene gelangt und von einer Generation an die nächste weitergegeben wird. Auch ist mittlerweile bekannt, dass Agent Orange über den Boden und Flüsse in die Nahrung gelangt. Niemand weiß genau, wie viele Generationen davon noch betroffen sein werden.

US-Bomber versprühen Dioxin über Vietnam. Photo: WordPress

Die USA vergiften die Welt

Eine Umweltkastatrophe in gigantischem Ausmaß breitet sich langsam durch Reis auf der Welt aus.

Nach den neuesten Zahlen sind die fünf Hauptreiseexportländer der Welt: Indien, Thailand, Vietnam, Pakistan und die USA in abnehmender Reihenfolge der ausgeführten Reismenge. Thailand und Vietnam sind auf den Export der Reissorte Jasmin spezialisiert. Alleine Vietnam exportiert jährlich 6,8 Millionen Tonnen Jasminreis.
Zu den Hauptimporteure von Reis, liegt China mit 5 Millionen Tonnen Reis auf Platz 1 der Welt. Gefolgt von Nigeria, die Europäische Union, Saudi-Arabien und die Philippinen. Es ist als nicht auszuschließen, dass wir alle schon mal Agent Orange zu uns genommen haben.

Vietnam ist nicht das einzige Land in dem die Auswirkungen von Agent Orange spürbar sind. Auch die USA trägt Folgen mit sich. Allein durch die Verwendung in der US-amerikanischen Landwirtschaft hat sich das Dioxin von der Umwelt bis hin zu den Menschen verteilt.
Was oft an diesem Krieg nicht bedacht wird, ist die Tatsache, dass auch US-Amerikanischen Soldaten Agent Orange ausgesetzt waren und erlitten somit die selben Schäden. Des Weiteren treten die Auswirkungen teilweise in Hawaii und anderen Ländern auf, wo Agent Orange und andere Herbizide vor und während dem Vietnamkrieg getestet wurden.
Durch den großflächigen Air Force Einsatz von Agent Orange, zog es auch auf die Nachbarländer von Vietnam – hier vor allem Laos und Kambodscha.

Photo:Reuters

Die Folgen nach dem Krieg sind nicht absehbar

50 Jahre nach dem Vietnamkrieg sind gegenwärtig rund drei Millionen Menschen betroffen und 4,8 Millionen Vietnamesen sind exponiert und zählen somit zu den ärmsten Menschen des Landes. 70 % der Familien leben unterhalb der Armutsgrenze, und 22 % der Familien haben drei oder mehr Opfer. Viele sind schwerst behindert und 90 % sind arbeitslos. Die Last der Betreuung dieser Opfer fällt auf ihre Eltern oder Verwandten, von denen viele bereits im hohen Alter sind. Das Problem ist groß und wird sich noch verschärfen, wenn die Eltern und Betreuer dieser Opfer schließlich sterben.

Eine Entschädigung für die Missgebildete Menschen bleibt bis heute aus.
Die USA anerkennen lediglich an, dass das Gift die Natur verseucht hat – nicht aber die Menschen!
Die landesweite Vereinigung der vietnamesischen Agent-Orange Opfer, Vava, haben vor US-Gerichten Klagen von vietnamesischen Staatsbürgern eingereicht. Das Vorgehen richtet sich auch gegen die Chemiekonzerne: Dow Chemical, DuPont und Monsanto. Doch der Erfolg blieb bislang aus. Sowohl die amerikanischen Herstellerfirmen der Herbizide, als auch die US-Regierung haben bis heute gegenüber den Vietnamesen keine Schuld eingestanden.

Auch in dritter Generation nach dem Agent-Orange-Einsatz kommen immer noch Kinder mit geistigen Behinderungen und körperlichen Missbildungen zur Welt.
Forscher_innen gehen davon aus, dass es noch 13 Generation braucht, bis die Folgen von Agent Orange in Vietnam nicht mehr zu sehen sind.

Kleine Lichtblicke

Die 2004 gegründete Organisation VAVA (Vietnam asociation for victims of agent orange) setzt sich wenigstens für einen minimalen Teil der schon geschrieben Millionen Opfer durch Agent Orange ein.

Wenn es möglich ist, hilft VAVA diesen Menschen zu Hause oder in den wenigen Rehabilitationszentren, wobei hier den ärmsten Familien Vorrang eingeräumt wird.

MSAVLC (Medical and Scientific Aid for Vietnam, Laos and Cambodia) unterstützt VAVA seit vielen Jahren mit finanzieller Hilfe und der Bereitstellung von Ausrüstung. In den letzten Jahren hat MSAVLC 90 Rollstühle zur Verteilung in und um Ho-Chi-Minh-Stadt und 50 Rollstühle für den Bezirk Hanoi bereitgestellt.
In Ha Tinh, einem der von Agent Orange stark betroffenen Bezirke, wurde ein neues Wohn- und Rehabilitationszentrum gebaut. Ha Tinh ist eine der ärmsten Provinzen Vietnams. Sie leidet unter strengen kalten Wintern und heißen trockenen Sommern. Der Boden ist schlecht für die Landwirtschaft und die Infrastruktur ist mangelhaft. Die meisten Menschen leben von der Landwirtschaft, und das Leben ist hart, vor allem für die 20.000 Agent-Orange-Opfer in der Provinz. MSAVLC hat viele dringend benötigte medizinische Geräte für das Zentrum zur Verfügung gestellt, und es wurden auch Gelder für die Entfernung entstellender Wucherungen in den Gesicher einiger Bewohner bereitgestellt.


Klarstellung

Boehringer Ingelheim hat kein Agent Orange hergestellt oder durch Vorprodukte oder Grundstoffe zu dessen Herstellung beigetragen. Trotzdem wird das Unternehmen immer wieder in diesem Zusammenhang genannt und über den tatsächlichen Sachverhalt falsch berichtet. Zusätzlich werden diese Quellen weiter zitiert, sodass sich die unwahren Darstellungen vervielfachen.

Fakt ist, dass Boehringer Ingelheim kein Agent Orange hergestellt hat und auch nicht, weder direkt noch indirekt durch Vorprodukte oder Grundstoffe, zur Herstellung von Agent Orange beigetragen hat.
Bestätigt ist, dass Boehringer die T-Säure und Trichlorphenolat-Lauge an das neuseeländische Unternehmen Ivon Watkins Ltd. lieferte. Dies daraus dann Herbizide herstellte, um große Weideflächen von Dornengestrüpp zu befreien.
Später wurde Ivon Watkins Ltd. von dem US-amerikanischen Unternehmen Dow Chemical übernommen, das in die Produktion von Agent Orange involviert war. Daraus entstand die unzutreffende Annahme, dass Boehringer zu dessen Herstellung beigetragen hätte.

Quellen
– Andreas Frey: Das Gift das bleibt.

– Boehringer Ingelheim

–  Isabell Franziska Berendet: Der Einsatz von Agent Orange während des Vietnamkriegs in den 1960er Jahren – Die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt

– Micheal Gough: Dioxin, Agent Orange the facts.
– MSAVLC (Medical and Scientific Aid for Vietnam, Laos and Cambodia)

– VAVA (Vietnam asociation for victims of agent orange)
















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Nie wieder Nationalsozialismus

KZ Dachau. Fotos: Naike Juchem

Wir sehen den Anstieg von Rechtspopulisten in Frankreich, Österreich, Polen, Italien, Ungarn und anderer europäischen Staaten. Die neuen Höhenflüge solcher Parteien resultiert sehr oft aus Unkenntnis der Menschen  und die gleichsame Verbreitung von Fake News via Sozialen Netzwerken. Mit vielem sind die Menschen überfordert und schnappen alles auf, was ihnen Angst macht oder sie nicht zuordnen können/ wollen. Die Boulevardpressen in Europa tun ihr bestes dafür, dass dies auch so bleibt.


Europa hat seit 76 Jahren Frieden und eine Stabilität erreicht, die in vielen Ländern der Welt mit Neid betrachtet wird. Leider ist diese Sicherheit und Stabilität durch immer neueres anfeuern von Nationalismus gefährdet und Menschen mit einer anderen Hautfarbe, Herkunft und Religion werden öffentlich angegriffen, verfolgt und sogar ermordet.
Vielen Einwohner in Europa ist offensichtlich nicht mehr bewusst, in welch einem Zustand Europa nach dem zweiten Weltkrieg war. Niemals dürfen wir eine solche Zeit noch einmal zulassen.

All jene die seit Jahren auf die Straßen gehen um lauthals gegen Ausländer, Flüchtlinge und Migranten ihren Hass öffentlich zeigen, die Häuser anzünden und sogar noch weiter gehen und Menschen umbringen, möchte ich sagen: Nationalismus und Rassismus TÖTET!

Haben die Staaten der Europäische Union nicht genug Leid mit dem Aufstieg der NSDAP erlebt? Wollen so viele Menschen in jene Zeit von 1933 zurück? Wer Krieg erleben möchte, kann dies doch gerne mal in Afghanistan, Syrien, Irak oder nun ganz aktuell in der Ukraine erleben.

Es ist leicht in einem sicheren Land mit all den Vorzügen von Infrastruktur zu leben um andere Menschen zu wünschen, sie sollen doch bitte in ihre Heimat zurückkehren. Wohin? Viele Länder die einst weiter entwickelt waren als Europa wurde und werden täglich zerbombt. Kein Mensch flieht ohne Grund!

Ich möchte nun über eine Begegnung berichten, welche nun 29 Jahre zurückliegt und mir immer wieder vor Augen hält, wie wichtig es ist, sich gegen Antisemitismus, Faschismus und Nationalismus zu stellen.
Jene Begegnung mit Rosemarie wird auch in einem Buch stehen, welches ich noch am schreiben bin.

Am Dienstagnachmittag waren sie am Viktualienmarkt und kamen spontan auf die Idee ins Kino zu gehen.
Am Isartor fanden sie ein Kino welches zu dieser Uhrzeit geöffnet hatte. Im Aushang sahen sie sich die Plakate für die Filmvorführung an. Das Plakat von Schindlers Liste fiel ihnen ins Auge.
„Möchtest du in diesen Film?“    Hannes sah zu Nescha und zog die Schultern hoch „Ich weiß nicht. Die anderen Filme interessieren mich nicht besonders.“
Mit Nescha schaute er über drei Stunden die Abgründe der Deutschen Geschichte.
Der Saal im Kino war etwa zur Hälfte besetzt. Diesen Film in einer vollkommenen Ruhe zu sehen, wirkte auf beide. Kein rascheln, kein räuspern – nichts. Nur Stille.

Nach dem Film mussten Nescha und Hannes sich erst einmal sammeln.
Sie standen im Foyer des Kinos und waren Sprachlos – die Bilder wirkten nach!
An einem Stehtisch neben ihnen erging es einem älteren Ehepaar genau so. Sie kamen mit dem Ehepaar ins Gespräch.

Nach einiger Zeit verließen sie gemeinsam das Kino und gingen in die Stadt einen Cappuccino trinken. In den Gesprächen kam Nescha und Hannes auf ihre Berufe und Einsätze in Kambodscha zu sprechen. Die älteren Herrschaften hörten sehr aufmerksam zu und stellten viele Fragen. Rosemarie und Paul Herrmann waren sehr angenehme Menschen.
Es wurde immer später und die Gespräche nahmen kein Ende, so ging die kleine Gruppe in ein Restaurant in der Nähe der Heiliggeistkirche.

Beim warten auf das bestellte Essen merkte Hannes dass Rosemarie seit länger Zeit etwas bedrückte und sie offensichtlich nicht wusste wie sie es sagen sollte. Immer wieder sah sie zu Paul und dann sagte sie ganz unverhohlen in die kleine Runde, dass sie Jüdin sei und ein KZ überlebt habe. Diese Worte traf Nescha und Hannes wie ein Faustschlag ins Gesicht. Da waren sie nun fünf Stunden mit diesen beiden Herrschaften unterwegs und dann kam so ein Schlag.

Rosemarie erzählte von ihrer Kindheit, von der Willkür der NSDAP, den Demütigungen und auch die Deportation. Hannes hatte das Gefühl als ob sein Hirn einfror. Ein Film zu schauen war etwas völlig anderes, als wenn ein Mensch gegenüber sitzt und das Leben – sein Leben erzählt.
Es wurde ein sehr langer Abend und man verabredete sich für den nächsten Tag. Der Besuch im KZ Dachau.

Hannes lag auf dem Sofa von Nescha und konnte nicht einschlafen. Nescha kam zu ihm ins Wohnzimmer.
„Bist du noch wach?“ „Ja. Nescha, wir stehen vor der Ohnmacht der Geschichte und wissen nicht wie wir damit umgehen sollen. Du und ich kennen die Orte der Killing Fields. Vor drei Jahre sagte ich zu Patricia, ich weiß nicht wie ich reagiere, wenn ich beim graben mit dem Bagger ein Massengrab finde. Dieser Alptraum ließ mich lange nicht los. Zum Glück fahre ich heute kein Bagger mehr, aber was ist, wenn andere aus meinem Team auf ein solches Grab stoßen? Weiter machen? Wir müssen den Zeitplan einhalten. Wie gehe ich damit um?“

Nescha setzte sich zu ihm und umarmte ihn. Sie suchte nach Worten und schüttelte immer wieder stumm den Kopf. „Hannes, mir fehlen gerade die Worte. Wir beide haben in Kambodscha wahrlich genug an Armut und Tod gesehen. Ist es eine gute Idee mit den beiden heute nach Dachau zu fahren?“
Hannes zog die Schultern hoch, er wusste es auch nicht. „Zuviel was wir nicht begreifen können. Zuviel an Demut, Schuld und Scham. Zuviel an Fragen. Nescha, was können wir beide für diese dunkelste Epoche von Deutschland? Du kommst aus der Schweiz und ihr hattet nicht all zu viel mit dem Nationalismus zu tun. Wir sitzen hier mit unserer Jugend und reden über etwas, an dem wir gar nicht Schuld sind und trotzdem haben wir Schuldgefühle. Können wir den Genozid in Kambodscha begreifen? Diese Gräueltaten waren um ein vielfaches mehr, als das was wir von den Nazis kennen. Die Auswirkungen haben wir beide mehr als genug gesehen. Ich bin viel in dem Land unterwegs und sehe 15 Jahre später noch diese grausamste Epoche der Roten Khmer.“

Nescha nickte. Er sah, dass ihr seine Worte oder die Erlebnisse auch zum Denken gaben.
„Darf ich bei dir schlafen?“ „Natürlich. Es wird zwar etwas eng auf deinem Sofa – wird aber schon gehen.“
Nescha lag ihm gegenüber an den Füßen, so war etwas Platz für beide.
Bis früh in den Morgen sprachen sie über die Ohnmacht der Geschichte – für die sie beide nichts konnten.

Um 10 Uhr fuhr Hannes mit dem VW Golf von Nescha am Hotel, am Randgebiet von München, vor. Rosemarie und Paul standen schon am Eingang.
Zusammen tranken sie noch einen Kaffee auf der Terrasse.
Nescha sprach offen die Gedanken der vergangenen Nacht an. „Rosemarie, willst du wirklich nach Dachau fahren? Wir müssen dort nicht hin. Wir beide hatten diese Nacht noch sehr lange über den Film und die Ohnmacht vor der Geschichte gesprochen. Hannes sieht es auch wie ich – wir müssen nicht nach Dachau.“
Mit fester Stimme sagte Rosemarie. „Ich will abschließen. Seit Jahren quäle ich mich und nie hatte ich den Mut der Vergangenheit zu begegnen. Der Film von gestern war ein kleiner Schritt, auch wenn er sehr weh getan hatte. Dann haben wir euch getroffen. Ihr seid auf der Welt unterwegs im Einsatz für Menschen und seht auch genügend Leid und den Tod. Ihr beide versteht es besser als jeder andere Mensch auf der Welt. Mit euch schaffe ich diesen letzten Schritt.“

Es gibt Momente die prägen ein ganzes Leben. Die Begegnung mit Rosemarie zählt dazu. Nescha nickte Hannes zu „Okay, wir gehen mit dir diesen letzten Schritt.“

Hannes fuhr aus München die 20 Kilometer nach Dachau. Je näher er diesem Ort kam, umso größer wurde die Angst in ihm. Was ist, wenn Rosemarie dies nicht schafft? Er dachte an einen Nervenzusammenbruch oder gar an einen Herzinfarkt. Als Medizinstudentin könnte Nescha sofort Erste Hilfe leisten, wenn die Sorgen von Hannes bei Rosemarie eintreten sollten.
Im Rückspiegel sah er Rosemarie und Paul Hand in Hand sitzen. Eine surrealistische Situation. Wie ein junges Liebespaar, welches sich nicht traut sich zu küssen und trotzdem vom Leben gezeichnet und dennoch fest entschlossen war, einen unglaublichen Weg zu gehen.

Die Wegweiser zum KZ kamen immer häufiger, der Puls von Hannes war an seiner Belastungsgrenze und er hörte sein Herz schlagen.
Auf dem Parkplatz angekommen, sah Nescha zu Rosemarie und Paul „Wir müssen dort nicht hin!“ „Doch! Für euch. Für mich und für die Zukunft.“

Nescha nahm die Hand von Hannes. Auch für sie war es eine Belastung. Jeden Schritt näher zu diesem Ort war ein Schritt in die Ohnmacht der Geschichte.
Auch wenn Dachau kein Vernichtungslager war, die Grausamkeiten, die Entgleisung der Menschlichkeit war spürbar und zu sehen: Die Gebäude, Skulpturen, Erinnerungstafeln, die Krematorien.

Mit einer Gruppe von ungefähr 30 Personen wurden sie durch die Anlage geführt. Sie vier, eine Schulklasse der Oberstufe eines Gymnasium aus Unterfranken und noch drei Ehepaare.
Der Mann der die Führung machte, erklärte sachlich und ruhig. Er beantwortete Fragen aus der Gruppe und tat dies mit dem allergrößten Respekt an die Opfer von dem Nationasoziallismus.

Mit der Zeit merkte die Gruppe das Rosemarie mit dem Mann länger sprach und auch sie das ein oder andere beitragen konnte. Irgendwann merkte die Gruppe, dass Rosemarie keine gewöhnliche Touristin war und so bildete sich eine kleine Traube von Menschen um Rosemarie. Rosemarie kamen bei den Erzählungen aus ihrer Kindheit immer wieder die Tränen und Nescha fragte, wie es ihr geht. Von der Gruppe kaum beachtet, hielt Nescha die Hand von Rosemarie und fühlte unauffällig – aber gekonnt ihren Puls. Hannes sah in den Augen von Nescha und diese sagte ihm, dass alles in Ordnung sei.

Nach dieser doch sehr speziellen Führung, zeigten die anderen Besucher aus der Gruppe ihren größten Respekt an Rosemarie und stellten auch Fragen.
Auf einer der Bänke auf dem Gelände saß Rosemarie, Nescha und Paul.
Rosemarie beantwortete ruhig die Fragen der anderen. Hannes stand hinter der Bank und beobachtet die Regungen der Jugendlichen und auch Erwachsenen auf die Schilderungen von Rosemarie. Es tat ihr gut, unter dieser Anteilnahme von Ehrfurcht und Respekt ihre Vergangenheit endlich abzuschließen.

Trotz der angenehmen Temperatur an diesem Tag, war es Hannes kalt. Was Menschen in ihrem Leben erlebt haben, war für ihn nicht zu begreifen. Er dachte an die Bilder von Kampang Rou im Januar 90. Er sprach mit Patricia von einem realen Alptraum. Ein Kinderkarussell war dies gegen das Erlebte von Rosemarie.

Auf dem Rückweg zum Hotel bedankte sich Rosemarie und Paul immer wieder bei ihnen und ließ es sich nicht nehmen, beide zum gemeinsam Essen einzuladen.

Ordensritterburg Malbork

Im Jahr 1270 begannen die deutschen Ordensritter mit dem Bau einer Festung am östlichen Ufer des Weichselarmes Nogat. Die Marienburg im heutigen Malbork wurde zur Machtzentrale des Ordenstaates, und ist bis heute die größte Backsteinburg der Welt. Seit 1997 gehört sie zum Welterbe der UNESCO.

Autorin Naike Juchem

Im Jahr 1309 verlegte der Hochmeister Siegfried von Feuchtwangen den Hauptsitz des Ordens von Venedig zur Marienburg. In den folgenden Jahrzehnten wurden die repräsentativsten Teile der Anlage errichtet. Nach der Niederlage des Deutschen Ordens gegen das polnisch-litauische Heer bei der Schlacht von Grunwald im Jahre 1410 verlor dieser an Einfluss. Die Marienburg fiel 1457 an Polen, und diente als Residenz der polnischen Könige. Nach der Teilung Polens 1772 wurde sie zeitweilig als preußische Kaserne genutzt.

Die im Zweiten Weltkrieg stark zerstörte Anlage wurde seit Ende der 1950er Jahren wieder aufgebaut. Im Jahr 1961 entstand das Muzeum Zamkowe w Malborku (Museum der Marienburg). In der Entscheidung für die Aufnahme ins UNESCO-Welterbe wurde der „einzigartige architektonische Wert“ des Ensembles betont. Die Marienburg habe nicht nur den Bau weiterer Burgen des Ordensstaates beeinflusst, sondern auch zahlreiche weitere gotische Gebäude im Norden und Osten Europas.

Foto: Naike Juchem

In dem Schloss manifestierten sich die Eroberungen im Osten Europas, die Zwangstaufe der Balten und die Kolonialisierung ihrer Stammesgebiete durch den Orden.

Die Marienburg gliedert sich in drei Teile: Vorburg, Mittelschloss und Hochschloss.

Foto: Naike Juchem

In der im Norden gelegenen Vorburg befanden sich einst Ställe, Speicher und Werkstätten sowie Wohnungen für die Bediensteten. Heute gibt es dort ein Schlosshotel sowie andere touristische Einrichtungen. Über eine überdachte Holzbrücke führt der Weg von dort in das Mittelschloss, dessen Gebäude sich um einen großen, rechtwinkligen Hof gruppieren. Der nördliche Flügel wurde einst von dem Großkomtur als Wohn- und Arbeitsraum genutzt. Außerdem befanden sich dort ein Spital und ein Altersheim für die Ritter. Heute beherbergt er die Arbeitsräume des Schlossmuseums. Der östliche Flügel wird heute für Ausstellungen genutzt. Dort befindet sich unter anderem die kostbare Bernsteinsammlung des Museums, außerdem werden Porzellan, Stilmöbel und Waffen ausgestellt.

Im westlichen Flügel des Mittelschlosses befinden sich die repräsentativsten Räume der Anlage. Im Großen Remter, dem größten Saal der Ordensburg, versammelten sich die Ritter zum Essen. Drei schlanke Säulen tragen ein prächtiges Sternengewölbe. An den Großen Remter schließt sich der Palast der Hochmeister an. Dort befanden sich dessen Privatgemächer mit Schlaf- und Wohnzimmer sowie den beiden repräsentativen Speisesälen, dem Sommer- und Winterremter. Bemerkenswert ist der Sommerremter, dessen Fächergewölbe von einem einzigen Pfeiler getragen wird. Diese Konstruktion gilt als Meisterleistung der damaligen Zeit.

Südlich an das Mittelschloss schließt sich das Hochschloss an. Zwei Eichenbrücken verbinden die beiden Teile. Den viereckigen Hof des Hochschlosses umgeben zweigeschossige Kreuzgänge, die der Meditation und Kommunikation dienten. Im Kapitelsaal im ersten Stockwerk wurden die Hochmeister des Ordens gewählt und alle wichtigen Entscheidungen getroffen. An den Wänden befinden sich die Bänke für die Teilnehmer der Treffen.

Einschusslöcher vom zweiten Weltkrieg Foto: Naike Juchem

Durch die dekorative Goldene Pforte geht es in die Marienkirche. Sie wurde 1945 fast komplett zerstört. Damals stürzte der Schlossturm ein und durchschlug das Dach der Kirche. Erst vor wenigen Jahren wurde mit ihrer Restaurierung begonnen. Im Inneren befinden sich noch Teile des mittelalterlichen Chorgestühls und des hölzernen Hochaltars. In den ehemaligen Schlafgemächern der Ritter im südlichen Flügel des Hochschlosses werden sakrale Kunstwerke sowie Fotos aus der Geschichte des Schlosses ausgestellt.

Im zweiten Stock des Hochschlosses befinden sich dessen repräsentativste Räume, der Konventsremter und die Konventstube. Der langgestreckte Remter diente den Ordensrittern als Speisesaal, im Konventsaal verbrachten sie ihre Freizeit. Ein etwa 60 Meter langer Gang führt vom südwestlichen Teil des Hochschlosses zu dem über dem Nogat errichteten Dansker. Der Hauptabort der Marienburg hatte auch Verteidigungsfunktionen.

Auf den weitläufigen Terrassen zwischen Hoch- und Mittelschloss befindet sich ein Lapidarium mit Exponaten der Steinmetzkunst. Von dort gelangt man in die St.-Annenkapelle, in deren Krypta seit 1341 die Hochmeister des Ordens ihre letzte Ruhestätte fanden.

Die Marienkirche oder Kathedralbasilika der Himmelfahrt der Allerheiligsten Jungfrau Maria

Im Zentrum der Rechtsstadt – oder auch Hansestadt, Danzig (Gdańsk) erhebt sich die Kirche St. Marien.

Autorin Naike Juchem

Kleiner Einblick in die größten Kirchen der Welt

Die Marienkirche ist mit 77.6 Meter die höchste Backsteinkirche der Welt. Mit einer Grundfläche von 4.900 m² soll sie 25.000 Menschen Platz bieten.
Nachfolgend die Daten dieser Kirche:
– Länge: 105,2 m
– Höhe des Turms: 77,6 m
– Länge des Querhauses: 66,2
– Gewölbehöhe des Hauptschiffes: 27,6 m
– Gewölbehöhe der Seitenschiffe: 27,6 m
– Länge des Innenraumes: 85,5 m

Die größte Kirche der Welt ist zweifellos die Peterskirche im Vatikan und hat rund 20.000 Quadratmetern Grundfläche.
Die Kathedrale von Burgos hat einer Grundfläsche von 12.276 Quadratmetern.
Auch der Mailänder Dom gehört zur den Top 10 der größten Kirchen der Welt und hat eine Grundfläche von 11.180 Quadratmetern und bietet somit Platz für bis zu 40.000 Menschen.
Die imposante Temple Expiatori de la Sagrada Familia in Barcelona, zählt mit ihren 5400 Quadratmetern Grundfläche lange nicht zu den größten Kirchen der Welt.

Bau der Marienkirche

Die Marienkirche hat 26 Pfeiler in ihrem Inneren, die die Gewölbe der drei Kirchenschiffe stützen und erreichen eine Höhe von fast 30 m.
Entstanden ist der gotische dreischiffige Kirchenbau in vier Etappen: 1343 Baubeginn, 1379 Beginn des Baus von Querhaus und Apsis, 1466 Ende des Turmbaus, 1498 bis 1502 Gewölbebau.

Hinweise auf die Existenz der Marienkirche in Danzig gibt bereits eine Urkunde Herzog Mestwins II., die im Jahr 1271 ausgestellt worden ist und in der eine Kirche St. Marien erwähnt wird. Vermutlich entstand die erste Marienkirche aber bereits um 1243 herum. Umstritten ist allerdings, wo in Danzig diese Kirche stand.
Die Voraussetzungen für den Bau der heutigen Marienkirche schuf der Deutsche Orden, der 1308 die Herrschaft in Danzig übernommen hatte. Hochmeister Ludolf König ordnete 1342 in einer Handfeste (Verordnung) an, dass innerhalb der Rechtsstadt – an der Stelle, an der die Marienkirche heute steht – ein Grundstück von 7.465 m² für einen Neubau freizuhalten sei. Mit dem Bau der zweiten Marienkirche begannen die Danziger im März 1343. Es entstand zunächst ein dreischiffiger und neunjochiger Kirchenbau im gotischen Stil mit einem 46 m hohen Turm, dessen Hauptschiff die beiden Seitenschiffe in der Höhe deutlich überragte. Über die Grundsteinlegung im 14. Jahrhundert informierte früher eine Inschrift über dem Eingang zur Sakristei, die allerdings nicht erhalten geblieben ist:

„Im Jahr des Herrn, 1343, am Mittwoch nach Lätare, ist der erste Stein zur Mauer der Stadt Danzig gelegt worden und danach, am nächsten Freitag, ist der erste Stein der Mauer zur Kirche der Heiligen Jungfrau Maria, deren Weihe gefeiert werden soll, am Sonntag nach Mariä Geburt gelegt worden.“

Den Danzigern Bürgern erschien ihre neue Kirche angesichts ihrer inzwischen gewachsenen wirtschaftlichen Macht nicht groß genug. Deshalb verpflichteten sie 1379 den Maurermeister Heinrich Ungeradin und beauftragten ihn mit dem Bau des gewaltigen Querhauses und Chores an der Ostseite der Kirche. Für die damalige Zeit war es ein gigantisches Bauvorhaben, das Ungeradin nicht vollenden konnte. Im Verlauf der nächsten 123 Jahre errichteten verschiedene Baumeister das Querhaus und den Chor mit ihren Giebeln und dem Dach. Sie glichen die Proportionen des restlichen Kirchenbaus an die Größe des Querhauses an, indem sie den Turm von 46 auf 77,6 m erhöhten, die Seitensiffe verbreiteterten und wiederum an die Höhe des Hauptschiffes anpassten. Zum Schluss errichteten die Handwerker die Sterngewölbe. 1502 konnte der Umbau endlich abgeschlossen werden. Schaut man sich die Marienkirche von außen genau an, erkennt man noch Fragmente des Ursprungsbau, zum Beispiel den alten Turm, der aufgestockt wurde, und die beiden Turmkapellen.

Lange konnte sich die katholische Kirche nicht an ihrem imposanten Kirchenbau erfreuen. Die Ideen der Reformation begeisterten auch die Danziger Bürger. Sie konvertierten zum Protestantismus und hielten erstmals 1529 einen evangelischen Gottesdienst in der Marienkirche ab. Nach der Reformation blieb der Kirchenbau vom Bildersturm verschont, sodass die kostbaren Privatkapellen erhalten blieben. Lediglich die Wandmalereien wurden weiß übermalt. Restauratoren haben Reste der mittelalterlichen Malereien freigelegt. Sie sind unter anderem in der Jakobuskapelle im südöstlichen Teil des Kirchenbaus zu sehen.

Die Kunstschätze der Kirche

Einige Jahre nach Fertigstellung des dritten Kirchenbaus, zwischen 1510 und 1517, schuf Meister Michael Schwarz aus Augsburg, vermutlich ein Schüler Albrecht Dürers,  den Hauptaltar. Der Altar kostete einschließlich Arbeitszeit und Material 13.500 Mark, eine Summe, die damals dem Wert von 2,5 Tonnen Silber entsprach.
An der Westseite des Hauptschiffes – gleich hinter dem Eingang der Kirche – schwebt das zwischen 1625 und 1629 von Peter Bringemann geschaffene
Orgelprospekt.
Zu den Kunstschätzen in der Marienkirche zählen zudem die Astronomische Uhr (1464 bis 1470, von Hans Düringer), ein Gotisches Sakramenthaus (nördliche Seite des Hauptschiffes), das Epitaph der Valentine von Karnitz (1590) und das Gemälde „Taten der Barmherzigkeit“ (1607, von Anton Möller, nördliche Seite des Hauptschiffes)

Die Zerstörung der Marienkirche

1942 griff die Royal Air Force mit 49 Bombern Danzig an. Ein zweiter Luftangriff mit 378 Bombern der US-Air-Force folgte 1943. Die beiden Luftangriffe und die Kämpfe zwischen deutschen Truppen und der Roten Armee im Frühjahr 1945 haben die Stadt zu 60 Prozent verwüstet. 90 Prozent der Altstadt lagen in Trümmern. Die Marienkirche war zu 40 Prozent zerstört. Ihr Dachstuhl war eingestürzt und ihr Turm ausgebrannt. Einige Kunstschätze haben nur deshalb den Krieg unbeschadet überstanden, weil die Deutschen sie ausgelagert hatten. Unter ihnen befand sich „Das jüngste Gericht“.

Sowjetische Soldaten fanden das Triptychon in Thüringen und brachten es als Beutegut in das Leningrader (heute St. Petersburg) Kunstmuseum Eremitage.
Die meisten Deutschen flohen in den letzten Wochen des Krieges oder wurden später vertrieben. Die Siegermächte schlugen Danzig dem polnischen Staatsgebiet zu, und katholische Polen zogen in die Stadt. Gleich nach dem Krieg (1946) begannen die nun polnischen Danziger mit ersten Sicherungsmaßnahmen und anschließend mit dem Wiederaufbau der Backsteinkirche. 1950 waren die Gewölbe und das Dach wieder aufgebaut. Anschließend machten sich die Danziger an die Ausbesserung der Fenster und des Fußbodens der Kirche. 1955 wurde die Marienkirche nun mit einer katholischen Zeremonie wieder geweiht. Ein Jahr später kehrte auch „Das jüngste Gericht“ von Leningrad zurück nach Danzig.


Zwar haben die Danziger während des II. Weltkrieges zahlreiche Einrichtungsgegenstände der Kirche ausgelagert und damit vor der Zerstörung bewahrt. Aber trotzdem gingen etliche Kunstschätze unwiderruflich verloren. Dazu gehören die Orgel, die meisten Teile des Taufbeckens unterhalb des Orgelprospektes und die Heiligenfiguren in den Seitenflügeln des Hauptaltars. Von einst 144 Figuren sind nur 11 erhalten geblieben. Zerstört wurde auch die Kanzel am fünften Pfeiler der Nordseite. Die im manieristischen Stil ausgeführte Kanzel, die heute an dieser Stelle hängt, stammt aus der Danziger Johanneskirche. In der Turmhalle wurde das Gewölbe nicht wieder hergestellt. Zu sehen sind hier nur noch die Gewölbeansätze.

Quellen: Tourist Information Gdańsk, Marienkirche.
Europäische Route der Backsteingotik, Prof. Christofer Herrmann

Fotos: privat Titelbild: Tourist Information Gdańsk, Marienkirche.

Der kolonial Gedanke der Europäer in Südostasien und seine fatalen Folgen

Foto:Printerest

Ein Bericht von einem Land, dass Frankreich als Kolonie unter sein Protektorat stelle, bis hin zum Tod von über 12 Millionen Menschen, durch die Intervention der USA.

Um den Vietnamkrieg zu begreifen, muss man in der Geschichte etwas weiter zurück gehen.

Wir schreiben das Jahr 1887, als Frankreich ihre Kolonie Union Indochinoise gründete. (Indochina. Der Begriff Indochina – hinter China, ist eine französische Wortschöpfung), und vereinte die drei vietnamesischen Landesteile Cochinchina, Annam und Tonkin und das Königreich der Khmer – das heutige Kambodscha. 6 Jahre nach der Gründung dieser Kolonie kam noch Laos dazu. Frankreich hatte eine Kolonie von 740.454 Quadratkilometer – fast 100 Quadratkilometer größer als das Stammland.
Im Westen hatte Großbritannien, Burma und Malaya (heutiges Myanmar und  Malaysia) als Kolonie eingenommen. Das unabhängige Siam – heutige Thailand, lag zwischen den beiden Kolonialmächten.

Die Lunte am Pulverfass

Die Europäer kamen schon Mitte des 17. Jahrhunderts als katholische Missionare nach Südostasien und waren eine doch kleine Bewegung in einem buddhistisch geprägten Kontinent.
Mit dem aufkommen der Industrialisierung in Europa wuchs der Markt nach Rohstoffen und so wurden Millionen Menschen unter die Führung von europäischen Ländern gezwungen.
Zwar hatte Indochina durch die Herrschaft von Frankreich eine demografische Steigerung der Bevölkerung erlebt, weil es viel weniger Kindersterblichkeiten gab. Die Bevölkerung war von den sozialen und demokratischen Ideen aus Europa geteilter Meinung und so entstanden Spannungen zu den Kolonialherren und in der Bevölkerung selbst. Der aus China und Russland kommende Kommunismus, verbeitet sich in den Nordöstlichen Teilen von Indochina.
Frankreich hatte zwar ein riesiges Gebiet unter ihren Protektorat stehen, interessierte sich aber mehr an östlichen Teil – dem heutigen Vietnam.

Die Wege zur nationalen Unabhängigkeit in Südostasien waren verschieden. Dennoch lassen sich auf beiden Seiten, auf europäischer wie südostasiatischer Gemeinsamkeiten beobachten. Die politischen Eliten in Frankreich und den Niederlanden waren am Ende des Zweiten Weltkriegs fest entschlossen, ihre von den Japanern besetzten Kolonialreiche wiederzugewinnen. Sachverständige und politische Berater betrachteten die Restauration der auf Ausbeutung angelegten wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Zentrum und Peripherie als ein wesentliches Mittel zum Wiederaufbau der eigenen nationalen Volkswirtschaft. Doch bereits am Ende des Jahres 1945 wurde deutlich, daß mit baldigen Finanztransfers aus den Kolonien nicht zu rechnen war. Die britischen Besatzungstruppen (darunter ein Großteil indische Soldaten), die in Indonesien und Vietnam Sicherheit und Ordnung herstellen und die Rückkehr der Kolonialherren vorbereiten sollten, stießen auf anhaltenden und starken Widerstand nationalistischer Gruppierungen. Zudem hatte die japanische Besatzung die Region wirtschaftlich ruiniert, zahlreiche Plantagen waren verödet, Teile der Erdölindustrie auf Sumatra zerstört. Die Reisproduktion war dramatisch gesunken, und in einigen Regionen Südostasiens, insbesondere im Norden Vietnams, kam es 1945 zu
Hungerkatastrophen.

General Charles de Gaulle und das „Freie Frankreich“ verabschiedeten wiederum im Januar 1944 die Erklärung von Brazzaville, in der sie ein Ende kolonialer Willkürherrschaft in Aussicht stellten. Zugleich aber wiesen sie „jeden Gedanken an Autonomie“ zurück und verwarfen „jede noch so vage Form von Selbstregierung“

Eine weitere Gemeinsamkeit in den französischen und niederländischen Zukunftsentwürfen war die Art und Weise, mit der die Regierungen auf die nationalistischen Bewegungen in Indonesien und Vietnam reagierten. Eine Kombination von militärischer Unterdrückung und administrativer Fragmentierung des Kolonialbesitzes
sollte den Widerstand nationalistischer Gruppierungen neutralisieren: die Niederländer versuchten seit 1947, regionale Unterschiede und Spannungen auszunutzen, indem sie die „Vereinigten Staaten von Indonesien“ gründeten, und Frankreich proklamierte 1946 Cochin-China (Südvietnam) als „Freien Staat“ innerhalb der Französischen Union.

Ein sinnloser Krieg

Bei der überwiegenden Zahl das
Bevölkerung etablierte sich ab 1930 der kommunistische Einfluss des Norden von der Vietminh Partei. Sie schaffte es im Prozess der Unabhängigkeit am überzeugendsten, grundlegende soziale Bedürfnisse mit Forderungen nach nationaler Unabhängigkeit zu verbinden.
Behindert wurden diese Bestrebungen allerdings durch die alte Kolonialmacht Frankreich, die nach ihrer Schwächung im Zweiten Weltkrieg über ihre Kolonien zu alter weltpolitischer Stärke zurückfinden wollte.

Während in Europa der Zweiten Weltkrieges tobte, warfen die USA Broschüren über Vietnam ab, in denen die Bevölkerung zum Widerstand gegen die japanischen Besatzer aufgefordert und ihnen Unabhängigkeit und Selbstbestimmung in Aussicht gestellt wurden. Doch nach dem Sieg der USA über Japan und dem Beginn des Kalten Krieges war davon keine Rede mehr. Jetzt ging es um die „Eindämmung“ des Kommunismus, und unter diesem Vorzeichen akzeptierten die USA auch Frankreichs Intentionen zur Restauration seiner Kolonialherrschaft in Indochina. Das ging nicht ohne Gewalt. Und so begann Ende 1946 der französische Indochina-Krieg.

Mit dem Abwurf der Atombombe am 6. August 1945 um 8.16 Uhr über Hiroshima und drei Tage später über Nagasaki, legte die USA eine neue Richtung im Krieg vor, was schließlich am 2. September 1945 zur Kapitulation vom Japanischen Kaiserreich zum Ende des Krieges führte – vorerst.
Während in Europa der Zweiten Weltkrieges tobte, warfen die USA Broschüren über Vietnam ab, in denen die Bevölkerung zum Widerstand gegen die japanischen Besatzer aufgefordert und ihnen Unabhängigkeit und Selbstbestimmung in Aussicht gestellt wurden. Doch nach dem Sieg der USA über Japan und dem Beginn des Kalten Krieges war davon keine Rede mehr. Jetzt ging es um die „Eindämmung“ des Kommunismus, und unter diesem Vorzeichen akzeptierten die USA auch Frankreichs Intentionen zur Restauration seiner Kolonialherrschaft in Indochina. Das ging nicht ohne Gewalt. Und so begann Ende 1946 der französische Indochina-Krieg.

Mit dem Abwurf der Atombombe am 6. August 1945 um 8.16 Uhr über Hiroshima und drei Tage später über Nagasaki, legte die USA eine neue Richtung im Krieg vor, was schließlich am 2. September 1945 zur Kapitulation vom Japanischen Kaiserreich zum Ende des Krieges führte – vorerst.

Gleichzeitig war der Gegensatz zwischen der französischen Kolonialmacht und den nationalen Unabhängigkeitsbestrebungen zu groß, sodass es zum ersten Indochinakrieg 1945–1954 führte.

Für die USA war dies zunächst nur ein „schmutziger“ Kolonialkrieg. Das änderte sich mit dem Sieg der Kommunisten in China 1949 und dem Beginn des Koreakrieges am 25. Juni 1950. Fast zeitgleich mit dem Eingreifen in Korea begann auch das amerikanische Engagement in Vietnam. Aus dem Kolonialkrieg der Franzosen wurde ein „Kreuzzug gegen den Kommunismus“, Teil der beginnenden weltweiten Auseinandersetzung zwischen Ost und West. 1953/54 zahlten die USA rund 75% der französischen Kriegskosten. Mit der Niederlage bei Dien Bien Phu im Mai 1954 endete dennoch Frankreichs Kolonialherrschaft in Indochina. Auf der anschließenden Konferenz in Genf wurde Vietnam entlang des 17. Breitengrades geteilt.

Eine Kriegserklärung auf einen Vorfall den es nie gab

Anfang August 1964 kam es im Golf von Tonking zu einem folgenschweren Zwischenfall. Nordvietnamesische Patrouillenboote beschossen den US-Zerstörer „Maddox“. Zwei Tage später flogen die Amerikaner erste Luftangriffe gegen Nordvietnam. Ein zweiter Zwischenfall – der nie stattgefunden hat – führte in Washington zur berühmt-berüchtigten Tonking-Resolution, eine Ermächtigung zum Krieg, die, wie Johnson meinte, „wie Großmutters Nachthemd alles abdeckt“: Der Kongress ermächtigte Johnson, „alle notwendigen Schritte, einschließlich der Anwendung bewaffneter Gewalt, zu ergreifen“, um Südvietnam zu unterstützen.

Aus einem schwelenden Konflikt wurde im Frühjahr 1965 ein US-Amerikanischer Krieg. Nach zwei Angriffen der Kommunisten gegen amerikanische Kasernen befahl Johnson eine Verstärkung der Luftangriffe: Die Operation „Rolling Thunder“ begann am 2. März 1965 und wurde erst am 30. Oktober 1968 beendet. Während dieser Zeit flog die amerikanische Luftwaffe insgesamt 304.000 Einsätze in Nordvietnam, davon 2083 B-52-Angriffe. Der Widerstandswille der Kommunisten wurde dennoch nicht gebrochen.

Am 8. März 1965 folgte der nächste entscheidende Schritt der Amerikaner: Erstmals seit dem Koreakrieg betraten US-Kampftruppen wieder asiatischen Boden. In Da Nang gingen 3.500 Marines an Land. Hanoi sprach von einer „offenen Kriegserklärung“. Am 21. April 1965 wurden weitere 82.000 Soldaten nach Südvietnam geschickt, Ende Juli weitere 75.000. Ende des Jahres waren bereits 100.000 US-Soldaten in Südvietnam stationiert, im Frühjahr 1968 waren es zeitweise 550.000.

Nixons Lüge

Der 37. Präsident der USA hieß Richard M. Nixon. Er hatte die Wahl mit dem Versprechen gewonnen, den Vietnamkrieg zu beenden – dies war eine Lüge.
Nixon war davon überzeugt, dass der Krieg ausgeweitet werden musste, um ihn zu gewinnen. So wurden geheime Angriffe gegen nordvietnamesische Basen an der Grenze zu Kambodscha geflogen.
Im Juli 1969 verkündete Nixon den Abzug der US-Truppen aus Vietnam.
Gleichzeitig ließ Kissinger Möglichkeiten für einen „brutalen, entscheidenden Schlag“ gegen Nordvietnam prüfen, einschließlich des Einsatzes von Atomwaffen. Kissinger wörtlich: „Ich weigere mich zu glauben, dass eine viertklassige Macht wie Nordvietnam nicht an irgendeinem Punkt aufgeben muss.“

Im März 1970 befahl Nixon die Invasion des neutralen Kambodschas. Daraufhin kam es zur größten Antikriegsdemonstration in den USA. An der Kent State University wurden am 4. Mai 1970 vier Studenten von der Nationalgarde erschossen.

Inzwischen sank die Moral der Truppe in Vietnam auf den niedrigsten Stand in der Geschichte der USA. 1971 nahmen 44% der Truppe Heroin, 20% waren drogenabhängig, es gab Befehlsverweigerung, Offiziere wurden von den eigenen Leuten im Einsatz unabsichtlich getötet. Das Ende des Krieges wurde zur absoluten Notwendigkeit für die USA.

Bei seinem Amtsantritt hatte Nixon erklärt, er sei bereit, mit den Kommunisten zu verhandeln. Damit waren Moskau und Peking gemeint. Er besuchte China im Februar 1972. Einen Monat später begannen die Nordvietnamesen mit ihrer Frühjahrsoffensive. Daraufhin gab Nixon den Befehl zu einer weiteren Eskalation in Vietnam: B-52-Angriffe auf Hanoi und Haiphong, sowie die Verminung des Hafens von Haiphong. 14 Tage nach diesem Befehl traf sich Nixon in Moskau mit Breschnew. Trotz den massiven Luftangriffe auf Vietnam, hatte Nixons Verhältnis zu China und der Sowjetunion durch die Ausweitung des Krieges nicht gelitten.

Henry Kissinger führte fast gleichzeitig mit den Nordvietnamesen Geheimgespräche in Paris, die im Oktober 1972 zu einer prinzipiellen Einigung führten. Wenige Tage vor den Präsidentschaftswahlen in den USA konnte Kissinger auf einer Pressekonferenz so verkünden: „Der Friede ist zum Greifen nahe.“ Das war er keineswegs, da Südvietnams Ministerpräsident Thieu die sogenannte Vereinbarung ablehnte, die zum einen vorsah, dass nordvietnamesische Truppen im Süden des Landes bleiben konnten und zum anderen die entmilitarisierte Zone am 17. Breitengrad nicht als offizielle politische Grenze bezeichnete. Als Nordvietnam Änderungen an dieser Vereinbarung ablehnte, ordnete Nixon massive Luftangriffe auf Nordvietnam an: In dem sogenannten „Weihnachtsbombardement“ bis zum 29. Dezember 1972 wurden mehr Bomben auf Nordvietnam abgeworfen, als in den drei Jahren zuvor.

Anfang Januar 1973 wurden die Verhandlungen in Paris wieder aufgenommen; Änderungen der Vereinbarung waren rein kosmetisch. Das Abkommen wurde am 27. Januar 1973 unterzeichnet: für die USA war der Krieg beendet – nicht jedoch für die Vietnamesen.
Am 30. April 1975 überrannten die Kommunisten Saigon. Das Land wurde unter kommunistischer Herrschaft zwangswiedervereint – mit 400.000 Südvietnamesen in Umerziehungslagern.

Die Bilanz einer Lüge

58.135 US-Soldaten verloren ihr Leben in Vietnam; 304.704 wurden verwundet, davon erlitten 6.665 Amputationen und ca. 33.000 blieben gelähmt. Eine Million südvietnamesische Soldaten waren gefallen, etwa zwei Millionen tote Zivilisten waren zu beklagen. Zwei Millionen Menschen wurden verstümmelt, zusätzlich zwei Millionen Liter giftige Chemikalien ausgesetzt. Zahlen über Nordvietnam sind nicht belegt, aber wahrscheinlich mussten dort genauso viele Menschen ihr Leben lassen.

Quellen
– Bundeszentrale für politische Bildung
Duden Learnattack
– ifz-münchen.de
– Marc Frey, Das Ende eines Kolonialreiches
– Marc Frey Vierteljahresheft für Zeitgeschichte 2002
– Martin Hak, Darwin, Britain and Decolonization of South East Asia

Neerja Bhanot Pakistans Heldin

Filmplakat Neerja von 2016

Photo: Moviepilot.de

Dies ist die Geschichte von einer jungen Frau, die Hunderte Geisel rettete und selbst Opfer von Terror wurde, als sie drei Kinder vor einem Kugelhagel schützte.

Der Pan Am Flug 73 war ein planmäßiger Intercontinental Flug von Bombay nach New York mit planmäßigen Zwischenlandungen in Karatschi, Pakistan, und Frankfurt am Main.

Am frühen Morgen des 5. September 1986 stürmten die vier Terroristen: Zayd Hassan Abd al-Latif Safarini ( alias „Mustafa“), Jamal Saeed Abdul Rahim (alias „Fahad“), Muhammad Abdullah Khalil Hussain ar-Rahayyal („Khalil“) und Muhammad Ahmed Al-Munawar (alias „Mansoor“), auf dem Jinnah International Airport in Karatschi, Pakistan, ein Flugzeug der Pan American World Airways, bei dem 20 Menschen uns Leben gekommen waren.

Während der routinemäßigen Zwischenlandung in Pakistan wurde die Boeing 747 – 121 der Pan American World Airways mit der Internationalen Kennung N656PA, gegen 6.00 Uhr auf dem Flughafen von Karatschi von palästinensischen Terroristen gestürmt. An Bord befanden sich 394 Passagiere und 9 Kleinkinder, eine US-amerikanische Cockpitbesatzung und 13 indische Flugbegleiter.

Photo: Indiatoday

In Karatschi gingen 109 Passagiere von Bord. Der erste Flughafenbus mit neuen Passagiere hatte kaum die auf der Rollfeld stehende Boeing 747 erreicht, als die Entführung begann. Die Terroristen waren als Flughafensicherheitskräfte gekleidet und fuhren mit heulenden Sirenen über das Rollfeld auf die Boeing 747 zu.
Zwei Terroristen rannten die angestelle Treppe hinauf und feuerten Schüsse in die Luft. Zu den ersten beiden Männern gesellten sich zwei weitere Terroristen, von denen einer mit einem pakistanischen Shalwar Kameez bekleidet war und eine Aktentasche voller Granaten bei sich trug. Zu diesem Zeitpunkt wurden auch außerhalb des Flugzeugs geschossen, bei diesen Schüssen starbenzwei Mitarbeiter der Kuwait Airlines, die in der Nähe an einem Flugzeug arbeiteten.
Die Terroristen feuerten Schüsse auf die Füße eines Flugbegleiters ab und zwangen ihn, die Tür zu schließen.
Die Flugbegleiterin Neerja Bhanot befand sich außer Sichtweite der Terroristen und übermittelte den Code einer Entführung an die Cockpitbesatzung, die daraufhin das Flugzeug durch die Notluke der Kabine mit Hilfe des Inertial Reel Escape Device verließ. Ihre Kollegin Sherene Pavan gab den Code über Funk sofort an die Flughafensicherung weiter. Dadurch konnten die Flughafenbeamten das Flugzeug am Boden halten.

Gegen 6.40 Uhr hatten die Terroristen die Boeing unter Kontrolle.
Als einer der Entführer die Tür zum Cockpit öffnete, stellte er schockiert fest, dass dieses leer war.

Der Pan-Am-Direktor von Karachi, Viraf Doroga, kam auf das Rollfeld und versprach den Terroristen innerhalb einer Stunde einen neuen Piloten zu besorgen. Als kein Pilot eintraf, begannen die Entführer, gezielt nach Passagieren mit US-amerikanischen Pässen zu suchen.

Sie brachten den 29-jährigen US-Amerikaner Rajesh Kumar zu einer der Türen des Flugzeugs, schossen ihm vor den Augen der Behörden in den Kopf und warfen seine Leiche auf das Rollfeld. Vier Stunden später forderten sie die Besatzungsmitglieder auf, die Pässe aller Passagiere einzusammeln.

Neerja Bhanot versteckte alle US-Pässe und beauftragte ihre Kollegen_innen, es ihr gleichzutun und die Dokumente in den Müll oder in die Toilette zu werfen. Neerja Bhanot behauptete den Entführergegenüber, dass keine US-Amerikaner an Bord seien, und kümmerte sich um ihre Passagiere, indem sie ihnen Sandwiches und Getränke servierte und sie beruhigte.

Nach 17 Stunden der Geiselnahme fiel in der Boeing der Strom aus. Da es den Terroristen nicht gelang, ihre Sprengstoffgürtel zu zünden, feuerten sie wahllos im Inneren des Flugzeugs herum.

Neerja Bhanot lief bei dieser Schießerei zu einer der Notausgänge zu und öffnen diese, um den Passagieren über die Notrutsche zu helfen, und wurde erschossen, während sie drei Kinder beschützte.
Eines jeder Kinder ist heute Pilot.

Einem Augenzeuge zufolge wurde Bhanot nicht im Kreuzfeuer getötet – sie wurde vorsätzlich hingerichtet. Als einer der Terroristen erkannte, dass sie Passagiere beschützte, packte er Bhanot brutal an ihrem Pferdeschwanz und erschoss sie aus nächster Nähe. Diese Darstellung ist jedoch offiziell nicht bestätigt.

Photo: Indiatoday

Neerja Bhanot wurde zwei Tage vor ihrem 23. Geburtstag eines der 20 Todesopfer an diesem Tag. Außerdem wurden mehr als 100 der 360 Passagiere an Bord verletzt.

Eine Woche nach dem Terroranschlag
wurde ein fünfter Terrorist, Wadoud Muhammad Hafiz al-Turki („Hafiz“), festgenommen.
Alle fünf Terroristen wurden in Pakistan vor Gericht gestellt und angeklagt. Einer der Entführer wurde in den Vereinigten Staaten inhaftiert, während die anderen an palästinensische Behörden übergeben wurden, die sie 2008 freiließen. Sie sind bis heute noch auf freiem Fuß.

Photo: CIA 2001

Wer war Neerja Bhanot ?

Neerja wurde am 7. September 1963 in Chandigarh, Indien, geboren. Als Teenager zog sie nach Mumbai. Sie hatte sich am St. Xavier’s College eingeschrieben, als ein Fotograf sie auf dem Campus sah und sie ansprach, ob er sie fotografieren dürfte und ob sie nicht Lust hätte als Model zu arbeiten. Wenig später modelte Neerja für das Paville Arcard World Trade Center in Bombay und für Produkte von Vaporex.

Bhanots Eltern drängten sie zu den örtlichen Bräuchen einer Hochzeit. Neerja willigte in die arrangierte Ehe ein. Sie heiratete im März 1985 einen Mann aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, der sie anschließend mehrfach vergewaltigte.
Um die Traditionen zu umgehen, ließ sie sich nach zwei Monaten von ihm scheiden und beschloss, Flugbegleiterin zu werden.

Photo: Freepressjournal India

Unter 10 000 Bewerber_innen für den Beruf als Flugbegleiter_in, wurde Neerja als neue Stewardess für Pan American ausgewählt. Neerja wurde kurze Zeit später leitende Flugbegleiterin bei Pan American World Airways.

Photo: Freepressjournal India

Neerja Bhanot wurde posthum zur Heldin und erhielt die höchste Friedensauszeichnung Indiens für Tapferkeit. Im Jahr 2004 gab die indische Post eine Briefmarke zu ihrem Gedenken heraus.
Im Februar 2016 lief in den indischen Kinos der Thriller „Neerja“ in dem Sonam Kapoor die Hauptrolle spielte.

Sonam Kapoor Photo: Equinox Films- Equinox

Der palästinensische Terror

Im Jahr 1985 wuchs die Feindseligkeit der palästinensischen Terrororganisation Abu Nadal gegenüber Israel und seinen Verbündeten und insbesondere gegenüber den USA, die die Inhaftierung palästinensischer Rebellen unterstützten.

Die Terrorgruppe war bereits im Frühjahr 86 in der Planung den PanAm-Flug 73 zu entführen, den sie nach Zypern und dann nach Israel umleiten wollte, um palästinensische Gefangene zu befreien.

Quellen:
Fox Stars Studios
– Freepressjournal India

Photos:
– Equinox Films- Equinox FilmsSonam Kapoor Sonam Kapoor Sonam Kapoor Sonam Kapoor
Fine Art America
– Freepressjournal India
– guyana
– Indiatoday
– Vogue

Westerplatte

Das Denkmal zur Erinnerung an die heldenhafte Verteidigung der Halbinsel Westerplatte.

Mit einem Schuss aus den Geschützen des deutschen Linienschiffes „Schleswig-Holstein“ am 1. September 1939 begann der II. Weltkrieg. 1.500 deutsche Soldaten griffen mit schweren Geschützen und Flugzeugen die auf der Westerplatte in Danzig (Gdańsk) stationierten 182 polnischen Soldaten an. Es war kein leichtes Unternehmen, wie die Deutschen erwartet hatten. Die polnischen Verteidiger leisteten unter der Führung von Major Henryk Sucharski sieben Tage lang erbitterten Widerstand. Von den Kämpfen zeugen heute noch die zerstörte Kaserne und der Bunker. Im Wachhaus Nr. 1 befindet sich eine kleine Ausstellung. 1966 errichteten die Danziger auf der Westerplatte ein Denkmal, das an die Kämpfe im September 1939 erinnert. Für die Polen ist die Westerplatte das Symbol des Widerstandes gegen Nazideutschland.

Die Entscheidung, auf der Westerplatte ein Denkmal zum Gedenken an die Ereignisse des 1. September 1939 zu errichten, fiel Anfang der 1960er Jahre. Das Denkmal gab es aber schon vorher: Kurz nach dem Krieg wurde auf Initiative der Soldaten selbst ein symbolischer Friedhof mit einer Gedenktafel für die Namen der Gefallenen an der Stelle des zerstörten Wachturms Nr. 5 angelegt. Anfang der 1960er Jahre, als die Modernisierungsarbeiten im Danziger Hafen begannen (u.a. die Verbreiterung des Hafenkanals und die Erweiterung des Kajensystems), wurde beschlossen, dass bei dieser Gelegenheit dieser in der Geschichte Polens wichtige Ort auf eine bedeutendere Weise ausgezeichnet werden sollte.

Im Jahr 1963 wurde ein Wettbewerb für den Entwurf eines Denkmals zur Erinnerung an die polnischen Soldaten, die die Westerplatte verteidigten, ausgeschrieben. Die gewählte Vision war die des Architekten Adam Haupt, der die städtebauliche Gestaltung des gesamten Areals entworfen hat, und des Bildhauers Franciszek Duszeńka, der in Zusammenarbeit mit Henryk Kitowski die Form schuf, die das Zentrum des gesamten Projekts bildet. Das Denkmal für die Verteidiger der Küste wurde im Oktober 1966 eingeweiht.

Das Denkmal Westerplatte

Zur Erinnerung an die sechstägige Verteidigung der Halbinsel Westerplatte ist ein weitläufiges Areal, das einst militärisches Gebiet war; in den 1920er Jahren befand sich hier ein Militärisches Transitdepot, d.h. ein Ort, an dem Waffen und Munition umgeschlagen wurden, und Ende der 1930er Jahre, als das Gespenst des Krieges drohte, wurden auf der Westerplatte vier Wachhäuser errichtet. Die bis heute erhaltenen Militärgebäude (u.a. drei Wachhäuser, ein Bunker, Munitionslager und ein Entfernungsmessturm) können besichtigt werden und sind durch ein Netz von Gassen miteinander verbunden.

Im Wachhaus Nr. 1 befindet sich die Gedenkkammer, eine Zweigstelle des Danziger Geschichtsmuseums. Das städtebauliche Projekt von Adam Haupt sollte der Landschaft des ehemaligen Militärgeländes die Funktion eines Denkmals geben und sie zu einem touristisch beliebten Ort machen.

Das Hauptelement der Landschaftskomposition des ehemaligen Schlachtfeldes auf der Westerplatte ist eine monumentale Skulptur, die auf einem Hügel von 20 Metern Durchmesser und 22 Metern Höhe steht. Die Planer schufen diesen Hügel aus Erde, die bei der Verbreiterung des Hafenkanals ausgehoben wurde. Diese Geländeerhebung wurde zum Zentrum der monumentalen Komposition: Auf ihrer Spitze stand eine monumentale Skulptur, 25 Meter hoch und aus 236 Granitblöcken zusammengesetzt. Seine unregelmäßige Form sollte nach dem Willen der Designer an ein abgeschlagenes Bajonett erinnern, das im Boden steckt.

Die prägnante und zugleich ausdrucksstarke Form dieser Steinkonstruktion entspricht dem damaligen Verständnis von Monumentalkunst: In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war es viel wichtiger, ein in einer abstrakten Form verstecktes Zeichen zu verwenden, ein Symbol, das zum Nachdenken anregt, als ein wörtliches und realistisches Bild.

An den Wänden der Granitblöcke des Danziger Denkmals sind eingemeißelt: die Silhouetten eines Soldaten und eines Matrosen, der Slogan „Ruhm den Befreiern“ und die Schiffe der Orte wichtiger Schlachten. Obwohl es ursprünglich die Orte wichtiger Schlachten an der Küste zeigen sollte (schließlich handelt es sich um das Denkmal für die Verteidiger der Küste), wurden schließlich – aus politischen und propagandistischen Gründen – die Namen von Schlachtfeldern, die nichts mit dem Inhalt des Denkmals zu tun haben, in den Stein gemeißelt.

Quellen polish-online.com / Wikipedia.com / Centrum Informacji Turystycznej Westerplatte Gdańsk

Fotos privat

Ich packe meinen Koffer

Ich packe meinen Koffer und nehme mit…

Autorin Naike Juchem

Wer kennt nicht dieses Spiel?
Menschen waren schon seit jeher auf der Reise. Auf der Reise nach Nahrung, nach Erkenntnis oder Freiheit.

Wenn ich die Welt betrachte und sehe wieviele Menschen ihre Koffer packen – müssen, um irgendwo ein neues Leben anzufangen.

Ende des 18. Jahrhunderts brach in Europa die große Auswanderungswelle an. Millionen von Menschen suchten sogar in Übersee eine neue Heimat.

Die Geschichte ist voll mit Berichten von Menschen die den Koffer gepackt hatten.
Sei es  Namen wie:
– Marco Polo
– Nikolaus Kopernikus
– Christoph Kolumbus
Sie haben unser Wissen durch ihre Reisen erweitert.

Nun drei Namen von Menschen, die auch ihren Koffer gepackt hatten. Sie haben unser Wissen durch ihren Tod erweitert.
– Alan Kurdi (2 Jahre alt. Auf der Flucht im Mittelmeer Ertrunken.)
– Somalier Nalo (14 Jahre alt. Verhungerte in einem Schleppergefängnis in Libyen.)
– Peter Fechter (18 Jahre alt. Erschossen beim Fluchtversuch in Berlin-Mitte, Zimmerstraße; vor den Augen einer großen West-Berliner Menschenmenge im Todesstreifen verblutet.)

Im zweiten Weltkrieg mussten in Europa sehr viele Menschen ihre Koffer packen. Sie sind geflohen oder wurden Deportiert.

Nach diesem Krieg packten wieder sehr viele Menschen ihre Koffer. Es waren Menschen aus:
– Italien
– Jugoslawien
– Griechenland
– Türkei, usw.

Zu Beginn der 80er waren es die Boatpeople, die auf der Suche nach Heimat und Frieden sich aufmachten.

Ende der 80er waren es die Menschen aus Ostdeutschland, die ihre Koffer packten, um in Freiheit leben zu können.

Mit dem Beginn des neuen Jahrtausend waren es Menschen aus:
– Afghanistan
– Eritrea
– Sudan
– Irak, usw.

Nun schreiben wir das Jahr 2021 und noch nie gab es so viele Menschen auf dieser Welt, die ihren Koffer gepackt haben.
Kriege, Terror, Hunger, Klimawandel und Umweltverschmutzung sind nur ein paar der Gründe um den Koffer zu packen.

Gleichzeitig erlebt diese Welt einen immer größeren Hass gegen Menschen aus anderen Kulturen oder Herkunft.
Jene Menschen die so voller Hass sind, haben noch nie ihren Koffer packen müssen. Sie leben in Wohlstand, Freiheit und Sicherheit. Warum also packen?

Unser Koffer steht rein zufällig in Deutschland, Frankreich, Niederlande oder Österreich. Was würden die Menschen in ihren Koffer packen, wenn sie flüchten müssten? Das Wohlstandsleben braucht oft einen großen Transporter um ein Teil des Lebens in eine andere Wohnung oder Stadt zu bringen – es reicht kein Koffer.

Kein Mensch packt seinen Koffer ohne Grund.

Naike Juchem, 26. August 2021